(36) Brennende Stiche
Cain Neville
Greenville war in ein kaltes Tuch gehüllt worden. Dieses fiel sofort von mir ab. Es zog sich geradezu zurück, wie ein verängstigtes Tier, als ich endlich den Eingang unseres Unterschlupfes passierte. Doch noch bevor ich den inneren Riegel zurückgeschoben hatte, erkannte ich, dass sie bereits auf mich wartete.
»Das war knapp,« Isabella's Himmelblau strahlte mich an. Augen voller neugieriger Sterne.
Nicht doch. Nicht schon wieder, ich kannte diesen Blick. Bitte. Nicht. Jetzt.
Ich hielt die Luft an. Ungehalten zog ich an ihr vorbei, denn die Tasche, die ich trug, musste unbedingt geleert werden.
»Du sagst es,« und ich starrte auf ihren Inhalt.
Es war der Rest der Bluttransfusion. Die Kanüle war nun unbrauchbar.
Isabella verfolgte meine Bewegungen, als wolle sie sich jeden wichtigen Schritt notieren.
Ich sortierte den Abfall.
Es war ein langer Tag gewesen.
»Es ist gut gegangen,« beteuerte ich dennoch und schob mir den Mantel von den Schultern.
Dann entledigte ich mich meines Kittels.
Herr Gott, ich hasste dieses Ding!
»Nein, Cain. Der Schuss wäre beinahe nach hinten losgegangen,« beide Arme schlang sie nun um sich. Die Skeptikerin war zurück.
Ach, Isabella, fluchte ich nun, Kümmere dich um deinen eigenen Kram.
»Das stimmt. Es war nicht gerade eine sehr sterile Aktion gewesen, - aber durchaus nötig,« kam es stattdessen über meine Lippen.
Unwiderruflich dachte ich an letzte Nacht. Mitten auf der Straße.
Da war Blut gewesen. So viel Blut.
»Und? Wie geht es ihm?«
»Es geht ihm... gut soweit. So gut, dass er wieder in der Universität hocken kann,« antwortete ich leise knurrend.
Doch ich konnte meine Verärgerung einfach nicht verbergen. Auf den letzten Drücker hatte ich ihn in die Bibliothek verfrachtet, weil er umgehend darauf bestanden hatte
Doch es war eine knappe Sache gewesen.
»Er hatte sie nur... schützen wollen,« verteidigte sie ihn.
»Ja, ich weiß.« ...Doch Summers konnte sie nicht ewig vor ihrem Schicksal schützen.
Der Gedanke daran, dass dieser ungeduldige Starrkopf gestern wieder einmal alleine los gezogen und deshalb fast krepiert war, machte mich wütend.
Alles nur wegen dieses Dämons, der sich im Greenville College eingeschlichen hatte...
»Sie nennt sich jetzt „Victoria", „Victoria Blake".« Diese Höllentiere hatten tatsächlich Wege gefunden sich unserer Welt besser anzupassen.
Isabella erwischte es eiskalt, doch sie bemühte sich, dass ihre Stimme hart klang: »Okay.«
Als ein „Date" hatte Summers diese Nacht-und-Nebel-Aktion ausgegeben. Den blutigen Kampf.
Er hatte es tatsächlich geschafft, dem Dämon vorerst den „Unwissenden" vorzuspielen.
... und seiner besten Freundin.
»Sie ist gefährlich und läuft immer noch da draußen rum!« und meinte damit den Dämon alias „Victoria Blake".
Sie ist ein Monster.
Hoffentlich würde Isabella es bald begreifen.
Noch dazu hatte Victoria einen unserer besten Jäger stark verwundet. Außerdem waren seine Verletzungen, trotz der Annahme meines Blutes, noch längst nicht verheilt.
Er brauchte eigentlich Ruhe.
Doch nichts war Summers wichtiger als sein „scheiß-normales Leben"...
»Hat Riley es ihr erzählt? Hat er ihr erzählt, dass er einer von uns ist?«
»Nein... Aber dafür haben wir Nora umso mehr im Auge. Nachdem Madame Couture... Ich meine natürlich „Beatrix", sie in ihrer Hypnose-Stube als... „wichtig" identifiziert hat, hat Walton überall seine Späher aufgestellt. Doch Nora ahnt es. Sie erkennt die Gesichter überall wieder. In der Universität, am Kiosk. Die Verschleierung wirkt nicht mehr. Wir haben also nicht mehr viel Zeit. Auch, weil die ganze Kleinstadt von Blutwandlern nur so wimmelt.«
»Aiden muss sich also beeilen. Bevor Nora erkennt, was er wirklich ist,« flüsterte Isa.
»Er muss sich beeilen, bevor der Rat sich gewaltsam holt, was ihm zusteht.«
Doch dann. Heißer Schmerz.
Aaaah. Da war es wieder. Das Brennen.
»Tut es wieder weh?« Isabella umfasste meine Handgelenke und legte sie frei.
Einstiche, dutzende Punkte bedeckten dessen Innenseiten. Ein Meer aus Narben.
Darunter ein weiterer. Ein Neuer.
Isabella zückte Desinfektion und einen Tupfer.
In ihren Ausdruck stand tiefes Mitleid.
Ich hasste Mitleid. Und viel mehr hasste ich Isabella und zwar dafür, dass sie meine Emotionen so gut lesen konnte.
Doch niemand kannte diese Frau so gut, wie ich sie kannte. Isabella tat immer so, als kümmerte sie nichts. In unseren Kreisen rief man sie sogar ein „kaltherziges Miststück". Doch wenn ich eins mit Sicherheit wusste, dann dass sie dies nicht war.
Da gab es lediglich „den guten Ruf", für den sie sich nicht interessierte.
So wie gerade, so zeigte sich Isabella nie, außer wenn wir alleine waren.
Nachdem sie mit ihrem Krankenschwester-Getue fertig war, befehligte ich meine Arme wieder zurück.
»Ich finde das nicht gut, was du da tust,« hauchte die Frau, die jedermann „herzlos" nannte.
Doch wir beide wussten: Ich musste das tun.
Ich hatte der Organisation geschworen, Beistand zu leisten und das mit allen Kräften die ich hatte.
Blondes, gelocktes Haar. Ein gefährlicher, roter Mund. Ihr Gesicht war zu nahe.
Ich quälte meinen Blick in weitere Ferne, entgegen des Anblickes, der mich so grauenhaft herzlich anzog.
»Dabei haben wir ein viel größeres Problem,« ich sah jetzt doch in die Augen voller Sternenlicht. Nur ich konnte sehen, dass dort die Hoffnung am aller meisten glänzte. »Es gab einen weiteren Angriff im College. Nicht nur Victoria verfolgt jetzt Eleonora. Wir haben also nicht mehr viel Zeit.«
Entsetzten betrat jetzt Isabella's Gesicht.
Mein Blick allerdings pendelte wie von selbst zu den Waffen: »Hoffen wir also, dass Aiden seinen Job wirklich gut macht.«
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