(23) Glühende Kohlen
Aiden
Jetzt.
Schnell bewegte ich mich vorwärts.
Der breite Rücken drückte Ed gegen die Wand. Es erinnerte mich an das Zerquetschen einer mickrigen Fliege. Ein weiterer Schwächelaut folgte, da jagte mein Körper schon dazwischen.
Ich erwartete nichts, als ich den Übeltäter bei der Schulter packte. Ich wollte ihn in einen Klammergriff ziehen, doch mich durchfuhr ein Stoß.
Paralyse. Ich erstarrte.
Mein Arm zögerte im Nachhall der Wucht, welche mich erfasste. Ein plötzlicher Rückstoß.
Es war eine Kraft, die der eines Dämons, wie mir, ebenbürtig schien.
Was zum... Warum ist er so stark?
Ein weiterer Blutwandler innerhalb der Universität?
Kaum hatte ich Gedanken gefasst, da waberten auch schon dunkle Absonderungen in ihre Höhen.
Dämonen Smog, meine Analyse dauerte nicht mehr als eine Sekunde.
Der Kopf meines Gegners wandte sich mir zu. Ich erkannte, dass es sich um den gleichen Typen handelte, welcher mich nur wenige Sekunden zuvor angerempelt hatte.
Der Rowdy-Typ.
Glühende Kohlen erfassten mich. Genauer gesagt, waren es seine grellen Augen, welche sich unnachgiebig versuchten in mich zu brennen.
Nein, das ist definitiv kein Mensch.
Er ist doch kein Blutwandler... Er ist...
Das Feuer um seine Pupillen brodelte und bestätigte: »Niemand kommt ihr zu Nahe,« dicke Finger wurden fester und verstärkten den Griff.
Ed schrie. Es waren schwache Laute seiner verbliebenen Kräfte.
Kampfeslust durchflutete meinen Körper:
Dich zerquetsch ich. Dich zerstöre ich.
Ich habe keine Zeit für unnötige Spielchen.
Doch die unsichtbare Macht griff weiterhin um mich und hielt mich im Zaum.
Der Große knurrte: »Niemand legt Hand an Kassandra.«
Der Rowdy blickte ans andere Ende des Flures, in Nora's vor Angst starres Gesicht. Die Bücher, welche sie wohl aus dem Spint zu räumen versuchte, klappten ihr aus der Hand und schepperten zu Boden. Die Studentin rührte sich nicht.
„Kassandra"? Der Name durchwirbelte meinen Kopf und warf sich wirr an meine geistigen Wände.
Ganz offensichtlich hatte er damit Nora gemeint.
Dunkler Smog vernebelte nun fast vollends die Sicht. Vor wenigen Sekunden hatte Ed sich ihr nähern wollen. Auf rabiateste Weise wurde er davon abgehalten.
An mir trotteten Studenten vorbei.
Sie bemerkten uns nicht und deswegen erwartete ich auch keinen Aufschrei. Tatsächlich blieb es still, da niemand von der Unruhe Notiz nahm.
Es war wie ich bereits vermutetet hatte: Nicht nur die Aura eines Dämons. Er hatte sein übermenschliches Sein wohl auch verschleiert und sich der gleichen Methode bemächtigt, wie ich es getan hatte. Ein Tarnmantel.
Warum habe ich dieses wichtige Detail nur übersehen?
Der Koloss knurrte erneut. Nun würgte er sein Opfer.
»Spinnst du, lass Ed sofort los!« es war Nora.
Sie kannte ihn?
Endlich löste sich ihre Starre und komischerweise löste sich auch meine. Ed war nun das Opfer mit totblassem Haupt. Zwischen dicken Muskeln und Wand quetschte er. Die Haut nahm langsam eine bläuliche Farbe an.
Blitzartig ließen die weiblichen Laute, den Großkopf aufzucken. Das Feuer in seinen Augen erlosch schlagartig. Der Riese wich von Ed zurück, als hätte er sich plötzlich an ihm die Finger verbrannt. Ed sackte zu Boden.
Sofort fing dieser an zu husten.
Der Angreifer entfernte sich, als hätte dieser nicht gerade einen Menschen mit übermenschlicher Kraft gegen die Wand gedrückt. Noch ein letztes Mal berührte ich das Feuer mit meinen Pupillen. Mich erwischte ein animalischer Ausdruck.
Augen eines Jägers, leuchtete es mir ein.
Er war ein Unterweltler und damit eine besondere Gattung „Dämon".
Wohingegen ein Blutwandler irgendwo noch menschliche Rückstände aufwies, war diese gefährliche Kreatur mit jeglicher Form der Menschlichkeit nicht zu vergleichen.
Triebe, wie die eines wilden Tieres.
Anders als erwartet blieb der Unterweltler plötzlich stehen. In Sekundenschnelle wandte sich seine Kehrseite. Er rannte auf die Studentin zu, Nora, welche sich augenblicklich wieder in Eis verwandelte. Unter meiner Haut pochte es. Gefährlich heiß brannte die Wut.
Schneller als ein Schatten jagte ich zum Geschehen.
Da schlug er auch schon zu, jedoch nicht auf sein gewünschtes Ziel. Mein Körper wurde zu Stahl, als seine Faust auf meine Brust traf.
Es schmerzte nicht im Geringsten. Ich bäumte mich vor Nora auf, denn meine menschliche Hülle bildete ihren Schutzwall.
Ein boshaftes Knurren. Damit hatte der Dämon nicht gerechnet. Ein weiterer, tierischer Laut drang aus seiner Kehle, denn er wusste, diesen Kampf konnte er nicht gewinnen.
Nicht gegen mich.
Genau so schnell wie sein Angriff gekommen war, bewegte er sich zurück. Nicht lange starrte ich ihm hinterher. Ich tobte und verfolgte ihn, doch der flüchtende Körper verschmolz mit der Wand, direkt ihm gegenüber. Er nutzte einen Schattenwink. Weg war er. Mist.
Wut brannte mir die Kehle entlang, denn gerade hatte ich den Entschluss gefasst, ihm auf brutalste Weise das Genick zu brechen.
Etwas, was sich so anhörte wie ein:
„Was zur Hölle," erreichte mich und unterbrach meine geistigen Tötungsmanöver.
Der kleine Hauch eines Satzes kam von Nora.
Ihre Oberschenkel bebten, ihre Stimme tat es ihnen fast gleich: »Durch die Wand- Ist er da gerade etwa... durch die Wand-? Moment... Aiden?! Du ... Du bist hier?! Wie lange bist du schon hier? Und wohin ist er verschwunden?!«
Ich nickte und beantwortete damit ihre erste Frage. Doch ich entgegnete nichts weiter. Die Lust auf ausführliche Erklärungen hatte ich nie.
»Was ist hier los?« Noras Schultern sackten in sich zusammen, als sie bemerkte, dass sie wohl keine ausführliche Antwort bekommen würde.
Ihr Gesicht wandelte sich von ängstlich zu entsetzt. Sie entfernte sich mehrere Schritte von mir. Dem Anschein nach zu beurteilen hatte sie nicht vergessen was ich war.
Doch diesmal schien etwas anderes in der Luft zu liegen. Etwas, dass meine Wortkargheit zunichte machte: »Das gerade eben war ein Dämon, um genauer zu sein, war es eine bestimmte Rasse namens Unterweltler,« räusperte ich mich dann doch und zeigte auf die Wand, welche meinen Gegner verschlungen hatte. »Sie sind schnell und wandeln innerhalb von Sekunden umher,« ich versuchte mich in ruhigen Worten, fasste einen möglichst sanften Ton.
Beruhig sie doch. Tu' es endlich.
Sei nett, ernte ihr Vertrauen, es war mein neues und stilles Mantra.
Etwas Besseres fiel mir nicht ein: »Jetzt bist du sicher.« ...Sagte der Dämon zum Menschen.
Wow, Aiden.
»Danke,« gab sie aus dem Nichts hinzu. Verwirrung stand in ihrem Gesicht.
»Nichts zu danken,« erwiderte ich trocken.
Fast wagte ich zu glauben, die Angst sei aus ihrem Gesicht verflogen.
»Was machst du hier auf dem Campus? Wieso folgst du mir?« In ihrem Ausdruck, ihren grauen Augen spiegelte sich jedoch die Unsicherheit.
Unsere letzte Begegnung. Fast wagte ich zu glauben darin das Szenario im Diner zu sehen.
»Er ist zwar eigenartig, aber ein Guter,« mischte Ed sich ein, noch immer keuchte er, saugte damit nötige Luft in seine Lungen.
Er hatte an Farbe zurück gewonnen und tätschelte nun seinen Hals. Fast hatte ich den Studenten zu unseren Füßen vergessen. Sein plötzlich positiver Einwand verblüffte mich, denn er kannte mich nicht im Geringsten.
Nein, dieser mickrige Mensch weiß überhaupt nicht was für ein teuflisches Wesen in mir schlummert.
Mühsam richtete Ed sich auf: »Nur... Verrückte... hier auf dieser... Uni.« Sein Ausspruch endete schon wieder in einem übertriebenen Hustanfall.
»Hi, Nora. Lang nicht mehr gesehen.«
Doch diese schien nicht sonderlich beeindruckt von ihm zu sein: »Hallo, Ed.«
Ich konnte stattdessen spüren, wie seine Worte Nora's Geist noch weiter vernebelten.
Die Welt um uns herum drehte sich noch immer weiter. Studenten liefen im üblichen Trott an uns vorbei, als sei nicht gerade eben, nur wenige Zentimeter entfernt, ein Kampf vonstatten gegangen.
Nora's intensiver Blick glitt von Hobbs, dem dies egal zu sein schien und wandte sich nun an ihr Umfeld. »Ich verstehe es nicht. Warum verhalten sich alle, als wäre nicht das Geringste geschehen. Als seien wir...unsichtbar?«
»Weil wir es quasi sind... Also teils, teils. Alles was mit dem Übernatürlichen in Berührung gerät, wird von so einer Art „unsichtbaren Tarnfunktion" verschleiert.«
»O...Okay.«
»Sieh es als sogenannten dämonischen Special Effect, über den so gut wie jede Art von Dämon verfügt. Sonst wäre jeder Einzelne von uns schon längst von euch Menschen entdeckt worden...«
Dämon. Ich konnte spüren, wie dieses Wort etwas in ihr auslöste.
»Der Dämon... Er wollte mich umbringen. Du hast mir das Leben gerettet. Aber du bist auch ein-,« ein Zögern, »Ich meine - Kein Mensch. Oh man, ich bin vollkommen durcheinander.«
Meine Schultern bewegten sich wie von selbst in die Höhe, »Ach, merkst du endlich, dass du in Gefahr steckst?« Da trat mein eigentliches Wesen wieder an die Oberfläche, denn lange ließ sich mein selbstgefälliges Ich nicht unterdrücken.
Doch ich hatte nicht anders gekonnt.
Ihre Naivität ging mir vollkommen gegen den Strich. Wir hatten schließlich nicht unendlich Zeit.
Mein Ausspruch war wohl zu viel, denn ihre Augen rissen urplötzlich auf. Ein unsichtbarer Hebel schien sich umzulegen und sie hastete nach vorn. Ruckartig und ohne Rücksicht streifte mich der schnelle Körper. Sie flüchtete.
Du hast doch nicht ernsthaft gehofft, sie wird dir jetzt vertrauen, tadelte ich mich selbst.
Kurz hielt ich Schritt, jedoch nicht lange.
Eine Frage musste ich ihr noch stellen:
»Der Dämon nannte dich „Kassandra". Weißt du, wieso er das getan hat?«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst,« ihre Antwort schwang nur leise in der Luft.
Nora verschwand hinter eiligen Köpfen.
Doch ich wusste zu gut, dass die Gefahr noch längst nicht vorüber war. Ich kannte den Feind.
Er war weitaus mehr als nur ein gewöhnlicher Dämon. Er war ein tödlicher und übermenschlicher Jäger.
Abgesehen davon lagen noch Gerüche von deutlich bösartigeren Kreaturen in der Luft. Vorboten großer Verwüstung, welche selbst einem Dämon, wie mir, Schauer über den Rücken jagen konnten und eine Gänsehaut hervorriefen.
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