(16) I knew you were trouble
Eleonora
Mein Herz. Jetzt klopfte es wild, außer Rand und Band. »Hallo,« gab ich schnellstmöglich zurück.
Es war der Schaufenster-Typ.
Er war doch da gewesen.
Moment mal. Der Schaufenster-Typ?!
Auf einmal wurde mir klar, dass nach allen Gesetzen der Physik, es eigentlich unmöglich sein musste innerhalb einer Sekunde den Laden zu betreten und abgesehen davon geräuschlos.
Ich war mir sicher, das Ladenglöckchen nicht gehört zu haben.
Doch da stand er.
Nur ein paar wenige Schritte vom Tresen entfernt, die Hände in den Hosentaschen seiner Jeans vergraben. Ein großgewachsener und breitschultriger Mann im ungefähren Alter von etwa Ende zwanzig.
Smart grinste er mich an. Scheiße. Der ist echt!
Doch die unverblümte Realität ließ mich nicht in Ruhe, denn gerade eben hatte er noch vor unserem Fenster gestanden!
Ich blickte nach draußen und dann wieder zu ihm zurück: »Wie bist du-?« -hier so schnell hereingekommen? beendete ich gedanklich.
Sein amüsierter Ausdruck ließ vermuten, dass er mir die Frage wohl nicht beantworten wollte. Das Grinsen wurde noch breiter, während meine innere Taylor Swift „I knew you were Trouble" sang.
Sag etwas, Nora.
Ich räusperte mich und tat mir den Gefallen: »Äh, Willkommen bei Frenzie's. Wie kann ich Ihnen helfen?« ertönte es standartgemäß aus meinem Mund.
Kaum war es ausgesprochen bereute ich sofort mein Mitarbeitergesäusel vor ihm entblößt zu haben.
Ich erwartete seine rettende Antwort.
Doch stattdessen erreichte mich ein leises Lachen. Rau und heiser.
Jetzt biss er sich auf die volle Unterlippe, um es wohl zu unterdrücken.
Zu spät.
Mein innerer Kessel fing schon an zu brodeln.
»Jetzt mal ehrlich,« entgegnete ich gereizt. »Möchtest du überhaupt irgendetwas kaufen?!« und ich hoffte Frenzie würde meinen gereizten Ton nicht hören.
Suchend nach ihr, schweifte ich um mich und wurde nicht fündig.
Noch immer musste sie wohl in der Nebenkammer stecken. Doch ich wusste, ihre Abwesenheit bedeutete auch, gegenüber einem zwielichtigen Kunden, das nötige Misstrauen aufzubringen.
Dieser schaute sich nun im Laden um.
Dabei strahlte er eine so sorgenfreie Seelenruhe aus, als hätte er alle Zeit der Welt.
Es nervte mich. - Nein, er nervte mich. Außerdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass er es nur tat, um mich zu verärgern.
Ich inspizierte ihn nun ausgiebig.
Seine Lederjacke sah teuer aus und spannte sich perfekt um seine kräftigen Schultern. Er schien diese oft zu tragen, da sie an manchen Stellen verschlissen war. Darunter befand sich weißer Stoff. Ich vermutete ein T-Shirt.
Ein richtiger Bad Boy.
Dieser Typ würde wohl niemals Blumen kaufen. Im Leben nicht. Außer er würde vielleicht auf eine Beerdigung gehen.
Höher ließ ich meine Augen wandern, von seinem anmutigen Hals, bis hin zu seinem noch interessanteren Haupt. Die Konturen seines Gesichtes harmonierten, als hätte man sie dort hineingegossen.
Jetzt fang bloß nicht an zu sabbern, schüttelte meine innere Stimme den Kopf.
Er bemerkte wohl meine Musterung, denn er zeigte selbstbewusst die Zähne. Hilfe, das machte sogar Riley's „Mega-Watt-Lächeln" Konkurrenz.
Zum Glück wanderte er zu unserem Präsentierbereich. Francine hatte diesen überwiegend mit Rosensträußen in allen möglichen Farben versehen.
Nun beäugte er sie, als ob er wirklich etwas kaufen wollte.
Dieser Blender. Dieser Kerl ist doch einfach nur lachhaft.
»Ziemlich leer hier. Keine Kundschaft heute?«
Was? Was soll denn jetzt bitte diese Frage?
Ich war kein Fan von Smalltalk und außerdem konnte ich nicht einschätzen, was er genau hiermit zu bezwecken versuchte.
»Nicht viel Kundschaft heute, hm? Dabei sind die Sträuße doch viel zu Schade, um sie einfach wegzuschmeißen,« sein Blick war noch immer den Blüten zugewandt.
Das wusste ich auch selbst. Dennoch verblüffte mich sein Einsatz zu sehr, um etwas erwidern zu können.
Es stimmte. „Frenzie's Flowers" war ein kleiner Laden und er lebte von geringen Einnahmen. Es besuchten uns nur wenige Kunden.
Doch unsere treusten Käufer waren sich über die Mühe jedes einzelnen Straußes bewusst, welchen Francine freudestrahlend mit Liebe verband. Auch in meinem Körper, steckte in jedem einzelnen Knochen, der Stolz einer eifrigen Aushilfe. Genau diese Würde ließ nicht zu, sich von einem wohl abwertenden Kommentar irgendeines Typen beeindrucken zu lassen.
Um keinen Preis wollte die Belustigung im Raum weichen. Oah. Diese Grinsebacke.
Der innere Deckel meines Kessels wippte nun vor Hitze. »Also ich empfehle einen Strauß roter Rosen,« wich ich aus, »- ist unser Verkaufsschlager.«
Plötzlich verlor er sein Augenmerk und lenkte den Blick zügig auf mich. Schritte kehrten zurück zur Kasse. Nun beugte er sich bedrohlich nah über den Tresen.
Jetzt war er nicht mehr als eine weitere Kopflänge von mir entfernt, »Wir müssen miteinander reden.«
Seine Stimmlage hatte sich geändert, sie war nun deutlich heiser. Worte, welche wild um mich wirbelten. Ich verstand nicht. Oder doch?
Es traf mich völlig unerwartet. Ich glaub's nicht. Baggert er mich da gerade etwa an?!
Röte pulsierte durch meine Wangen.
Mein gesunder Menschenverstand verlangte eine ausgesprochene Abweisung. Jedoch schien plötzlich mein Körper jegliche Reaktion und Sprache vergessen zu haben.
»Nicht hier. Ich meine, lass uns irgendwo anders miteinander sprechen.« raunte er erneut.
Die Wärme seines Atems streichelte mich.
Das wunderschöne Gesicht des Mannes kam mir immer näher.
Nur wenige Millimeter trennten uns.
Gänsehaut überlief mich.
Definitiv ein Flirt. Nein. Weitaus gezielter.
Wobei "Reden" hier wohl nur ein wortwörtlicher Platzhalter für ein weitaus intimeres Geschehen sein sollte.
Gedanklich blitze ein Bild auf, es handelte von unseren wild aufeinanderliegenden, nackten Körpern. Ich schluckte.
Beschämt stahl sich mein Blick auf meine Hände. Ohne es beeinflussen zu können, spürte ich das Pulsieren in meinen Wangen und die Röte, welche damit einherging.
Die ganze Konversation erschien mir so surreal. Nahezu unglaubwürdig stellte sich der Fakt dar, dass wohl ein wildfremder und noch hinzufügend gutaussehender Typ in einen Blumenladen trat, nur um mich zu verführen.
Da stimmte etwas nicht. Auf einmal war ich mir sogar sicher, dass er sich mit mir nur einen Spaß erlaubte. Anmache hin oder her.
Ich hatte überhaupt keine Zeit für so einen Mist. Ich war immer noch Studentin und wichtige Klausuren standen bald an. Auf meinem Terminkalender war sicherlich kein Platz für solche unnötigen Ablenkungen.
»Hör zu. Nett von dir, aber ich habe kein-«
-Interesse, vervollständigte ich meinen Satz gedanklich.
Fast vollendete ich meine Abfuhr, doch ich stoppte, denn aus der offenen Tür des Abstellbereiches tauchte ein monströser, dunkelblonder Haarknoten auf. Die Haarpracht war nicht gerade zu übersehen und rammte sich direkt in mein Blickfeld.
Geradezu geräuschlos hatte sich Francine von ihrer Beschäftigung in der hinteren Kammer gelöst. Detektivgleich hielt sie sich nun dicht am Türrahmen und folgte mit konzentriertem Blick, dass ihr darbietende Szenario.
Diese verrückte, neugierige Frau.
Sie konnte es einfach nicht lassen!
Ich versuchte sie auszublenden und hoffte, dass sie nichts von seinem „Angebot" mitbekommen hatte. Als sich schließlich unsere Blicke trafen, wippte sie heftig mit den Augenbrauen.
Okay. Falsch gehofft.
Es fehlte nur noch, dass sie mit wilden Händen vor sich her gestikulierte und Schilder mit Aufschriften in die Luft hielt, auf welchen irgendwelche billigen Flirtversuche standen.
Natürlich konnte ich es nicht abstreiten.
Er war unheimlich sexy.
Doch nein - Er hatte seine Chance bereits verspielt und ich hatte ihn schon längst als „überheblichen Großkotz" abgestempelt.
Er und ich - never ever!
Frenzie warf mir einen Blick zu, welcher mir vernichtend zu sagen versuchte: „Nicht in meinem Laden. Sei bloß nett, junge Dame!"
Ich schnappte nach Luft.
Obwohl Francine dem Fremden im Nacken hing und hinterrücks spitzelte, schien er es zu bemerken. Ruckartig. Es schien in Sekunden kaum zählbar, warf er ihr einen Blick über die Schulter zu.
Frenzie zuckte vor Schrecken zusammen und ein leises, »Huch,« ertönte.
Völlig ertappt schwankte sie nun und stand kurz vor dem Fall. Im letzten Moment klammerte sie sich noch an der Türklinke fest, den einzigen Halt, den sie auf die Schnelle hatte finden können. Nur knapp schaffte sie es.
Sie lächelte beschämt, »Guten Tag,« sie fuhr sich eine losgelöste Strähne hinters Ohr.
Der Unbekannte antwortete ihr nicht, sondern fuhr stattdessen mit einem genervten Schnauben zu mir herum.
»Nein,« er presste beide Lippen aufeinander, »Ich glaube wir haben uns falsch verstanden,« aus irgendeinem Grund schien er verärgert.
Schließlich erlaubte er sich nochmal einen kurzen Blick über seine Schulter, bis er wieder den Meinen fand. Seine Kiefer mahlten.
»Ich meine natürlich nicht,« er zögerte,
»diese Art von "Reden". Kein Treffen.«
Seine Ernsthaftigkeit gab mir zu verstehen, dass ich ihn offensichtlich missverstanden haben musste.
Als hätte ich es nicht schon längst verstanden gab er noch hinzu: »Natürlich habe ich kein... romantisches Interesse an dir.«
Seine Augen starrten mir völlig unverfroren ins Gesicht. Ich schluckte. Es waren diese Augen, die ich irgendwoher kannte.
»Alles klar,« erwiderte ich schulterzuckend.
Allerdings verkrampfte sich mein Magen, aufgrund der beißenden Worte aus diesem viel zu schönen Mund.
Bittere Enttäuschung keimte in mir auf.
Wieso stört mich seine Ablehnung so sehr?
Worte blieben mir im Halse stecken. Während seine Miene immer härter zu werden schien.
Eine sexy Maske aus Stein.
Eine Spannung lag in der Luft, die jedoch überraschend schnell wieder erstarb.
Denn er blickte zum Präsentierteil des Ladens, direkt in einen Schwall voller gebundener Rosensträuße.
Jetzt zeigte er auf den Größten: »Den hier, möchte ich kaufen.«
Nur zu gerne händigte ich ihm den Strauß aus und akzeptierte die Bezahlung.
Schnurstracks verließ er das Geschäft.
Nachdem er den Laden verlassen hatte und das Glöckchen das Hinausgehen bestätigte, trat Frenzie vollkommen aus ihrem Versteck hervor.
»Herr im Himmel,« sie rieb sich die Hände an der Schürze, »das war aber ein Schnuckelchen!«
Ich versuchte sie auszublenden und beschäftigte mich mit der Kasse. Meine Schicht würde bald vorüber sein. Es war Zeit die Tageseinnahmen zu zählen.
Noch immer zur Tür blickend gab Frenzie hinzu: »Aber... eigenartig.« Sie hatte wohl auch gespürt, dass etwas komisch an ihm gewesen war.
»Ja, da hast du wohl recht.«
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