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Dieses Gefühl hielt nur leider gerade einmal bis zum nächsten Morgen an. Zwar wusste ich, dass mein Tagesablauf hier etwas anders werden und auch früher beginnen würde, aber dass ich um halb 7 Uhr morgens aufstehen müsste, war mir doch etwas zu viel.
Da ich studierte, war ich solche Zeiten nicht gewohnt.
Doch ich fügte mich. Zog mich an und folgte den genervten Rufen der Schwester, die mich zweimal ermahnte, mich zu beeilen. Ich bemühte mich, etwas richtiges anzuziehen, doch meine Klamotten waren bei meiner Ankunft aussortiert worden. Nichts mit Reißverschluss war erlaubt. Verletzungsgefahr. Scheinbar waren einige hier bereits sehr kreativ in ihrer Selbstzerstörung geworden.
Also ging ich in Jogginghosen und Pulli zum Frühstück. Immerhin das fühlte sich vertraut an. Laut meinem Plan hatte ich nach dem Frühstück eine Stunde Zeit um mich fertig zu machen, zu duschen und was auch immer. Erst danach ging das richtige Programm los.
Im Saal angekommen, merkte ich, dass nur meine Etage hier war. Es waren zu wenige, als dass das tatsächliche alle Insass- Verzeihung, Patienten sein konnten. Also war ich hier wohl wieder alleine. Auch das fühlte sich vertraut an. Erschreckend.
Vage erinnerte ich mich an Klaus' Führung gestern. Ja, es konnte sein, dass er einmal so etwas erwähnt hatte. Naja. Konnte man jetzt auch nicht mehr ändern.
Es gab Frühstücksbuffet das mich an die Ausflüge mit meiner Klasse früher erinnerte. Es war das gleiche wie in jede Jugendherberge. Ich nahm mir ein wenig Brot, Obst und Joghurt und sah mich dann nach einem möglichst abgelegenem Platz um. Auf dem Weg zu dem Platz meiner Wahl nahm ich noch mein Lebenselixier mit: Kaffee.
Ich spürte viele Blicke auf meinem Weg durch den Saal, versuchte aber sie möglichst zu ignorieren. Als ich mich setzte zog ich mir die Kapuze meines Pullovers über den Kopf und versuchte einfach an nichts zu denken, was angesichts meiner lähmenden Müdigkeit ausnahmsweise nicht einmal so schwer war. Leider blieb ich nicht allein. Der Stuhl mir gegenüber wurde mit einem lauten, kreischenden Quietschen über den Linoleumboden herausgezogen, doch ich sah nicht auf. Es war zu früh für Gesellschaft.
'Bitte, bitte sprich mich nicht an. Zwing mich nicht, dich zu ignorieren.', betete ich in Gedanken, doch meine Gebete wurden wie immer nicht erhört. Ich hatte noch nie einen besonders guten Draht nach oben gehabt.
"Hey. Du bist neu hier, oder? Ich bin Jella und wohne im Zimmer schräg gegenüber von dir.", ihre Stimme wirkte piepsig und viel zu laut in meinem Kopf, doch um die Regeln der Höflichkeit einzuhalten, auf denen Jonathan immer so sehr beharrt hatte, hob ich meinen Kopf und sah sie an. Vermutlich meinte sie es nur gut und wir waren hier ja alle zerbrechliche Seelen oder so was.
Kläglich versuchte ich ein Lächeln, doch meine Mundwinkel bogen sich einfach nur nach hinten, was vermutlich sehr grotesk aussehen musste, weswegen ich schnell wieder damit aufhörte.
"Leana. Freut mich dich kennenzulernen."
Lüge.
Jella schenkte mir ein zartes Lächeln. "Darf ich fragen, bei welchem Therapeuten du bist?", sie hatte blassblaue Augen, als hätte jemand im Wassermalkasten versucht das letzte bisschen blaue Farbe aus den Tiegelchen mit viel Wasser herauszubekommen.
Ich zog den zerknitterten Plan, den mir Marina gestern gegeben hatte, aus der Bauchtasche meines Oberteils hervor und suchte nach dem Namen, den ich gestern nur flüchtig überflogen hatte.
"Eine Therapeutin. Liara Miller." Jella nickte verständnisvoll, während sie noch an ihrem Brot kaute. Immernoch kauend sagte sie: "Ich hab gehört sie soll gut sein. Ich hab einen Mann.", sie verzog das Gesicht, "er ist ganz okay aber vor allem ist er heiß.", jetzt grinste sie. Ich zog nur leicht lächelnd die Augenbrauen hoch.
Nach dem Frühstück ging ich in mein Zimmer um mich ein wenig zurechtzumachen und mich gedanklich auf den Tag vorzubereiten.
Doch auf meinem Bett lag jemand der vorhatte, meine Pläne zu durchkreuzen.
Klaus.
Natürlich.
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