10
Als ich wieder zu Bewusstsein kam, war alles um mich herum neblig und verschwommen, als würde ich mich in einem Wattebausch befinden. Und mir war so warm.
Dann kamen die Erinnerungen zurück, die Atemnot, die Panik und vor allem: Jonathan. Doch was auch immer sie mir gegeben hatten, es hielt die Gefühle von mir fern. Zwar merkte ich die Panik, doch sie kam nicht an mich ran, als würde ich sie nur durchs Fenster sehen.
Als ich die Augen öffnete, wurde ich erstmal geblendet. So hell wie es war, musste es bereits Mittag oder Nachmittag sein.
Mein Körper fühlte sich noch taub und kribbelig an, sodass ich nicht aufstehen konnte. Meine Tür war zu, was bedeutete, dass sie abgeschlossen sein musste, denn wie man mir bei meiner Ankunft erklärt hatte, mussten die Türen zu jeder Zeit offen sein, durften also maximal angelehnt sein.
Allerdings hatte man mir zum Glück einer dieser Rufknöpfe, wie man sie auch aus Krankenhäusern kennt, ans Bett gelegt, den ich auch sogleich betätigte. Ich hatte Hunger. Und Bewegungsdrang, obwohl mein Körper noch ein wenig taub war.
Ich musste nicht lange warten, bis ich den Schlüssel im Schloss hörte und Marina hereinkam.
"Oh wie schön, du bist wach. Wie geht es dir?", ich nickte nur und versuchte ein "Gut" herauszubringen, doch mein Mund war so trocken, dass ich es lieber ließ. Stattdessen deutete ich auf meinen Hals und meinen Bauch um zu verdeutlichen, dass ich Hunger hatte. Zum Glück verstand sie das.
"Ja ich bringe dir gleich etwas. Wegen den besonderen Umständen darfst du dein Mittagessen heute hier zu dir nehmen, zum Abendessen allerdings wirst du wieder im Saal erwartet. Bis dahin sollte die Wirkung der Spritze allerdings auch nachgelassen haben.", sie sah mich leicht tadelnd an. "Ach Mädchen. Dein erster Tag hier und gleich sowas.", dann erschien wieder das Lächeln auf ihrem Gesicht - langsam dachte ich, es war schmerzhaft für sie, nicht zu lächeln.
"Ich hole dir schnell dein Essen. Wasserflaschen findet du in deinem Nachtkästchen.", damit verschwand sie, die Tür ließ sie angelehnt.
Ich beugte mich zu meinem Nachtkästchen, wobei mein Körper kribbelte, wie wenn ein einzelnes Körperteil einschläft. Und tatsächlich, Wasserfalschen. Keine Gläser und Plastikflaschen. Die waren echt sorgfältig hier.
Ich lehnte mich zurück in meine Kissen und nahm ein paar kühlende Schlucke. Das kalte Wasser in meinem warmen Rachen fühlte sich gut an. Ich dachte über vorhin nach. Das Gefühl, keinen Ausweg zu haben. Dann besah ich die Narben auf meinem Arm. Es war beinahe kein Platz mehr da.
Aber ich hatte ohnehin keine Möglichkeit.
Während ich nachdachte kam Marina wieder und stellte mir das Tablett mit dem Essen auf den Nachttisch.
Sie wünschte mir noch einen guten Appetit und rauschte dann wieder davon.
Es gab warmes Gemüse mit ein paar nicht identifizierbaren Fleischbrocken, die ich lieber liegen ließ. Gerade als ich den ersten Bissen nehmen wollte, bekam ich allerdings auch schon wieder Besuch.
Klaus. Er kam in mein Zimmer, sah durch den ganzen Raum, obwohl ich doch wie auf dem Präsentierteller hier saß. Aber langsam wunderte mich hier echt gar nichts mehr.
Dann setzte er sich zu mir. Sah mich an.
Und sagte: "Hör zu, es tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe. Ich hab's nicht so gemeint. Ich wusste nicht-", doch ich unterbrach ihn.
"Du wusstest nicht, dass ich so fragil bin.", ich wollte nicht aus dem Mund eines anderen hören, wie zerbrechlich ich war.
Er nickte nur. Von dem überschwänglichen, sprunghaften Klaus, den ich kennengelernt hatte, war jetzt nicht mehr viel übrig.
Um die Stille irgendwie zu füllen, fing ich an zu essen. "Scheint, als wäre das für uns beide kein guter Tag.", meinte er und grinste dabei. Ich musste lächeln.
"Da hast du Recht."
"Wir sind wohl beide ziemlich am Arsch.", er sagte den Satz so nüchtern, dass ich lachen musste, wobei ich mich natürlich auch prompt verschluckte.
Er klopfte mir auf den Rücken, was mich irgendwie nur noch mehr zum Lachen brachte.
Dann setzte er sich wieder hin, jetzt wieder grinsend und ein Stück mehr der überschwängliche Klaus. Seine ernste Seite verunsicherte mich und ich wusste nicht, wie ich mit ihm umgehen sollte.
"So. Wie man sieht geht's dir ja jetzt auch wieder gut und ja. Wir sehen uns bestimmt nochmal.", okay das verwirrte mich jetzt. Auf einmal ging er wieder? Auf Junkies war eben doch kein Verlass. Wobei, wenn man bedachte, wo wir hier waren, vielleicht war er ja clean?
Bevor er ging, sah er sich nochmal genau im Zimmer um. Was suchte er?
"Was suchst du, Klaus? Hier ist doch niemand. Wir sind allein"
Wieder sah er mich an, direkt in die Augen, ohne zu blinzeln.
"Wir sind niemals alleine."
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