35
Lane
In den letzten Tagen habe ich angefangen, mich wieder etwas mehr wie ich selbst zu fühlen. Das Lernen hat mir geholfen, mich abzulenken und Abstand zu der Situation mit Beat zu gewinnen. Wir haben nicht miteinander geschrieben und ich denke, die Pause von ihr tut mir ganz gut. Nicht, weil ich sie nicht sehen will, sondern eher, weil es meine Gedanken entwirrt, je weniger ich mich mit ihr beschäftige.
Trotzdem kann ich sie natürlich nicht für immer vermeiden. Mein Teil unserer Abmachung steht noch immer aus und ich versuche, mir nicht zu sehr den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ich ihr helfen kann.
Im weiteren Verlauf der Woche erhalte ich Nachrichten von meinen Eltern, in denen sie mir sagen, wie toll sie Beat finden und dass sie sich freuen würden, sie bald wieder zu sehen. Mein Plan scheint offensichtlich aufzugehen, aber warum fühle ich mich dann trotzdem nicht so toll dabei? Ein Grund ist vermutlich der, dass ich auf Beat hereingefallen bin, wie ein Insekt auf eine Honigfalle. Eigentlich ist sie nicht einmal mein Typ, von daher erscheint es mir umso absurder, dass mein Herz tatsächlich ein wenig schneller schlägt, wenn ich sie sehe. Das ist wirklich nicht gut...
Und die Tatsache, dass sie sich auch nicht bei mir gemeldet hat, bedeutet wohl, dass sie sich ganz gut mit Lillian amüsiert und abgelenkt ist. Ich weiß, dass ich mich eigentlich für sie freuen sollte, aber es nervt, ich will gar nicht lügen. Am meisten nervt es mich, dass es nervt.
Ich hätte von Anfang an auf meinen Instinkt hören sollen, der mir gesagt hat, dass diese ganze Sache eine hirnrissige Aktion ist.
Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich Joggen war. Eigentlich hasse ich es und bin ohnehin der Meinung, dass es nur schädlich für die Gelenke ist. Doch die Tatsache, dass es mir dabei hilft, den Kopf freizubekommen, kann ich nicht leugnen.
Deshalb lege ich meine Lernunterlagen zur Seite, ziehe mich um und mache mich auf den Weg zum Park beim Campus. Um diese Jahreszeit ist dieser besonders schön, da überall rötliches Laub durch die Luft fliegt und Kastanien den Weg schmücken. Beat würde es hier gefallen.
Energisch schüttle ich den Kopf und presse frustriert die Lippen aufeinander. Was macht diese Frau schon wieder in meinen Gedanken? Was zur Hölle soll das?
Ich glaube nicht direkt an einen Gott, aber manchmal frage ich mich doch, ob es da oben nicht irgendwen gibt, der mich hasst. Wie sonst soll ich mir die Tatsache erklären, dass mein dummes Herz sich ausgerechnet die Frau aussuchen musste, die nicht noch weiter außerhalb meiner Reichweite sein könnte? Das ist lächerlich!
Ich will nicht an Beat denken, ihr bellendes Lachen, ihre schneidend grünen Augen, oder die Art und Weise, wie sie sich verdunkeln, wenn sie wütend wird. Ich will nicht daran denken, wie sie riecht, wie sich ihre Lippen auf meiner Haut anfühlen oder daran, wie sie vorgibt, ein harter Brocken zu sein, obwohl sie das eigentlich gar nicht ist. Nicht auf die Art, die sie anderen weismachen will zumindest.
Denn Beat ist eine starke und beinharte Frau, hat aber einen weiches Inneres. Ähnlich wie ein Schokotörtchen mit geschmolzenem Kern. Nur dass Beat vielleicht nicht unbedingt süß schmeckt auf den ersten Bissen...
Plötzlich spüre ich einen heftigen Schubser gegen die Magengrube, strauchle und sinke zu Boden. Ich presse mir eine Hand gegen den Bauch während ich die brennenden Schmerzen an meinen Knien zu ignorieren versuche. Über mir sehe ich die Baumkronen der Kastanienbäume mit ihren sternförmigen, braunen Blättern aufragen. Bald gesellt sich das Gesicht einer jungen Frau dazu, welches mir nicht bekannt vorkommt. Sie starrt aus vor Schreck geweiteten, hellblauen Augen auf mich herunter.
»O Gott, das ist meine Schuld! Es tut mir leid, ich hätte besser aufpassen sollen! Entschuldigung, das war einfach nur dumm!«
Ihre Stimme ist weich und hoch, aber bohrt sich aufgrund der Lautstärke auf unangenehme Weise in mein Hirn. Ich schließe die Augen und halte eine Hand in die Höhe, um ihr Geplapper zu unterbinden. Glücklicherweise schweigt sie daraufhin und ich atme erleichtert aus.
Als ich einen vorsichtigen Versuch unternehme, mich aufzurichten, spüre ich sanfte Hände an meinen Armen, welche mir Hilfestellung leisten. »Es geht, danke«, murmle ich und versuche, mich von ihr loszumachen, ohne zu unhöflich zu wirken. Sie tritt hastig einen Schritt zurück und beobachtet mich an ihrem Daumennagel knabbernd dabei, wie ich langsam aufstehe.
»Mir geht es gut, nichts passiert«, beschwichtige ich sie schließlich und sie vergräbt das Gesicht in den Händen. »Mann, das war so dumm von mir. Ich gehe immer auf dieser Strecke sprinten, aber normalerweise passe ich besser auf–«
»Hör mal, ich war auch in Gedanken und hätte besser schauen können, wo ich hinlaufe. Es ist nicht nur deine Schuld, in Ordnung?«, unterbreche ich sie. Während sie mir mit reuevoll zusammengeschobenen Brauen in die Augen sieht und sich meine Worte durch den Kopf gehen zu lassen scheint, registriere ich, dass sie wirklich hübsch ist. Nicht auf diese auffällige Weise wie–
Nein. Nicht an sie denken.
»Ich habe dich noch nie hier gesehen«, sagt die Frau jetzt mit schief gelegtem Kopf und mustert mich nachdenklich. Ich zucke die Schultern und entgegne: »Das liegt daran, dass ich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr hier war. Bin früher öfter mal gejoggt.«
»Machst du irgendeinen anderen Sport?«
»Nein, eigentlich nicht. Wieso?«
Sie grinst und entblößt eine Reihe gerader, weißer Zähne. »Dein Körperbau lässt es eigentlich vermuten. Ich hätte auf Schwimmer oder Läufer getippt – so weit lag ich also gar nicht entfernt, oder?« Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich darauf antworten soll, deshalb schweige ich.
Ihre Wangen färben sich rosa und sie lacht nervös. »Mist, das kam jetzt wie eine sehr billige Anmache rüber, sorry.« Anmache?
Wieder wollen sich keine Worte in meinem Kopf formen und ich merke deutlich, dass diese Situation beginnt, wirklich unangenehm zu werden. »Äh, ich bin Lane«, sage ich deshalb etwas plötzlich und strecke ihr meine Hand entgegen, welche sie prompt ergreift. »Mandy«, sagt sie ihrerseits. Ihr Händedruck ist etwas schwach, was aber daran liegen kann, dass sie vermutlich eine ordentliche Strecke gesprintet ist, bevor wir beide miteinander kollidiert sind.
Ich mache bereits Anstalten, mich freundlich von ihr zu verabschieden, doch da hält sie mich auf. »Warte mal kurz.« Verdutzt halte ich inne. »Äh, ja?« Sie beginnt, nervös mit ihrem schulterlangen, hellbraunen Haar zu spielen und sagt: »Hättest du Lust, demnächst mal einen Kaffee trinken zu gehen, oder sowas? Ich, ähm, finde dich sympathisch.«
»War das wieder eine Anmache?«, rutscht es mir perplex heraus und ich würde mir daraufhin am liebsten selbst eine verpassen.
Da fängt sie plötzlich an, laut zu kichern. »Du bist witzig, Lane!« Wenn sie nur wüsste, dass es nicht als Witz gemeint war...
»Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, das war wieder eine Anmache. Nur hoffentlich eine weniger billigere als die erste. Also, was sagst du?«
Mein erster Impuls ist es, höflich abzulehnen. Doch dann denke ich mir: Warum eigentlich nicht? Schließlich datet Beat auch jemanden, warum sollte ich es dann nicht dürfen? Und Mandy wirkt wirklich sehr nett und süß.
Also sage ich: »Klar, gern. Wollen wir Nummern austauschen?«
•
*hust*
Was haltet ihr denn so von dieser Entwicklung? Und von Mandy? 🌚
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