31
Lane
Als ich am nächsten Morgen aufwache, spüre ich das Kitzeln eines Sonnenstrahls an meiner Nase – zumindest denke ich das, bis ich den Blick senke und einen vollen, schwarzen Haarschopf unter mir habe. Jetzt registriere ich auch Beats Shampoo-Geruch, der mir immer in die Nase steigt, wenn sie dicht an mir vorbeigeht. Es ist irgendwas Blumiges.
Auch, wenn mir die körperliche Nähe zwischen uns nicht unbedingt unangenehm ist, liegt sie sehr ungünstig auf meinem Hals. Ich bekomme nur schwer Luft, was vermutlich auch der Grund dafür ist, dass ich um sage und schreibe sechs Uhr morgens aufgewacht bin. Das sagt mir zumindest mein Handy, als ich einen reichlich verschwommenen Blick drauf werfe.
Vorsichtig – extrem vorsichtig – schaffe ich es irgendwie doch, mich unter ihrem warmen Körper hervorzuwinden und aufzustehen. Nachdenklich blicke ich auf sie herunter. Wenn Beat schläft, sieht man ihr definitiv nicht an, dass sie einen verdammt harten rechten Haken hat und generell besser darin ist, ihre Fäuste sprechen zu lassen, als es selbst zu tun.
Auf dem Weg ins Bad frage ich mich, wie zur Hölle ich es anstellen soll, Beat zu helfen. Sie hat in der Hinsicht sehr viel mehr Vertrauen in mich, als meiner Meinung nach gerechtfertigt ist. Ich hoffe inständig, dass ich sie nicht enttäuschen werde. Nachdem sie diesen ganzen Zirkus mit meiner Familie durchgestanden hat, will ich ihr im Gegenzug auch irgendwas bieten. Ich bin mir sicher, dass die Meisten an ihrer Stelle bereits längst weg gewesen wären.
Völlig in Gedanken versunken achte ich nicht auf den Weg, sodass ich plötzlich in jemanden reinrenne. Als ich erschrocken den Blick hebe, ist es Fran, der mich mit einem belustigten Funkeln in den Augen ansieht. »Wohin so schnell in dieser Herrgottsfrühe, Bruderherz?«, fragt er und nippt an seinem Kaffee, den er sich anschließend an die Brust hält. Ich reibe mir übers Gesicht und murmle lediglich: »Bin aufgewacht.« Es ist schließlich nicht so, als könnte er sich das selbst denken.
Fran schnaubt und klopft mir auf die Schulter. »Gut, dann lass ich dich mal ins Bad. Falls du nicht wieder einschlafen kannst, findest du mich unten in der Küche.«
Nachdem ich auf dem Klo war, mache ich mich zurück auf den Weg ins Gästezimmer. Bevor ich es jedoch betrete, halte ich inne. Wenn ich mich jetzt wieder hinlege, könnte ich Beat wecken und das will ich nicht unbedingt. Außerdem erspare ich uns beiden auf die Weise den peinlichen Moment, wenn wir gemeinsam in einem Bett aufwachen und unsere Körper möglicherweise wieder auf irgendeine komische Weise miteinander verwurstelt sind.
So entscheide ich mich also dazu, Frans Angebot anzunehmen und ihm in der Küche Gesellschaft zu leisten. Als ich sie betrete, steht bereits eine zusätzliche Tasse Kaffee auf dem Tisch. Verwundert lasse ich mich auf einen der Hocker an der kleinen Kücheninsel sinken. »Woher wusstest du, dass ich herkomme?«, will ich wissen. Fran zuckt die Schultern. »Hatte irgendwie so ein Gefühl.«
»Und was, wenn du falsch gelegen wärst? Dann hättest du völlig umsonst einen Kaffee gemacht, der dann nur kalt und ungenießbar wird.«
»Wenn du nicht hier aufgeschlagen wärst, hätte ich ihn einfach selbst getrunken und den Koffeinschock meines Lebens gekriegt.«
Irritiert ziehe ich die Brauen zusammen. »Aber das wäre sehr ungesund gewesen.«
Fran lässt den Kopf in den Nacken fallen und stöhnt genervt auf. »Mann, kannst du mal bisschen weniger... Lane-ig sein?«
»Ich soll bitte was?«
Er winkt ab. »Vergiss es, trink einfach deinen Kaffee. Gern geschehen, übrigens.«
Eine Weile genießen wir schweigend unseren Morgenkaffee und ich spüre, wie das Koffein in meinem Kreislauf mich langsam, aber sicher wieder ist Land der Lebenden holt.
»So, deine neue Freundin«, setzt Fran an, doch ich weiß nicht genau, worauf er hinaus will. Er scheint darauf zu warten, dass ich jetzt etwas sage. Ich hebe jedoch nur fragend die Brauen. »Was ist mit ihr?«
»Ich mag sie«, sagt er schließlich und ein kleines Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen. »...nur, dass es nicht deine Freundin ist.« Besagtes Lächeln wird durch diesen Satz jedoch ebenso schnell wieder weggewischt. Ich merke, wie mein Gesicht viel zu heiß wird und weiß, dass eine verräterische Röte mein Gesicht überziehen muss. Ich öffne den Mund, doch Fran zeigt nur auf mich, einen triumphierenden Laut ausstoßend. »Ich wusste es! Gott, ich wusste es...«
Ich gebe ihm resigniert seufzend einen Moment, sich still über seinen Sieg zu freuen. Dann frage ich zaghaft: »Wirst du es Mom und Dad sagen?« Verwundert fährt er zu mir herum. »Was? In hundert Jahren doch nicht, wofür hältst du mich? Du wirst schon wissen, was du da tust.«
»Nur, dass ich es vielleicht nicht weiß«, murmle ich mehr zu mir selbst. Fran beugt sich vor. »Wie war das?« Ich fahre mir frustriert übers Gesicht. »Es ist... kompliziert.«
»Ist es doch immer, oder?«
»Nein, ich meine kompliziert, okay? Glaub mir einfach.«
»Erleuchte mich. Was macht diese Situation so anders ›kompliziert‹«, äfft er meinen Tonfall von vorhin nach.
»Also gut. Du hast sicherlich gemerkt, wie Mom und Dad in letzter Zeit Druck auf mich ausüben?« Er nickt. »Irgendwann ist mir das so unangenehm geworden, dass ich keinen anderen Ausweg gefunden habe, als eine Freundin heimzubringen. Denn das scheint es ja zu sein, was sie unbedingt wollten. Nur ist es nicht das, was ich will, weshalb ich eine Abmachung mit Beat habe, die mir hilft. Von daher hast du recht, sie ist nicht wirklich meine Freundin. Dafür datet sie aber eine andere Frau, Lillian, welche sie bis vor Kurzem noch verprügelt hat – also Beat Lillian – was ich wiederum nicht verhindern konnte. Ich war nämlich da, so haben Beat und ich uns auch kennengelernt. Wir kamen daraufhin zu der Abmachung, dass ich ihr mit ihren Aggressionen helfe und sie mir mit dieser Freundin-Sache. Das Problem ist nur, dass ich Beat irgendwie mehr mag, als ich vermutlich sollte und außerdem, naja, die Leute auf dem Campus Lillian und sie zusammen sehen könnten und dann der ganze Schwindel auffliegen könnte, schließlich unterrichtet ihr Vater ja dort und der ist mit unseren Eltern befreundet und ich weiß doch gar nicht, ob ich Beat überhaupt helfen kann und–«
»Moment, Moment! Langsam, Lane, ganz langsam«, unterbricht Fran mich irgendwann lachend und ich verstumme schwer atmend. Irgendwann nickt er langsam vor sich hin, die Stirn gerunzelt. »Der Punkt geht an dich, diese Story klingt wirklich kompliziert kompliziert.«
»Sag ich doch.«
Mit verschränkten Armen lehnt Fran sich zurück und legt den Kopf schief. »Falls es dich in irgendeiner Weise tröstet: Bei eurem kleinen Techtelmechtel am Esstisch gestern...«
»Das war kein Techtelmechtel!«
»... sah es realistisch genug aus, dass selbst ich fast auf euer kleines Theater reingefallen bin. Das bedeutet, dass Beat entweder die beste Schauspielerin ist, die die Weltgeschichte je gesehen hat, oder dass es sie auch nicht ganz kaltgelassen hat.«
Irritiert blinzele ich. »Gut, aber woher wusstest du dann, dass es nur gespielt war?«
Fran bedenkt mich mit einem ›Dein Scheiß-Ernst?‹-Blick. »Na, woher wohl? Mom und Dad haben sich vielleicht von eurem süßen Rumgeturtel blenden lassen, aber ich bin dein Bruder. Ich kenne dich auf eine Weise, wie niemand sonst es tut.«
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Wer hätte gedacht, dass Fran so einen Durchblick hat? 👀
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