11
Lane
Drew hat mich zu sich zum Essen eingeladen. Und wenn ich das sage, meine ich im Prinzip, dass wir nebeneinander auf seinem durchgescheuerten Teppich in seinem Zimmer sitzen und ›geiles Fast Food auf seinen Nacken essen‹, wie er es formuliert.
»Also«, setzt er nuschelnd mit vollem Mund an, »Was ist das jetzt für eine Nummer gewesen auf dem Gang?« Resigniert lasse ich meinen Burger sinken und schlucke meinen Bissen herunter. »Nichts. Tanya hat wieder versucht Probleme zu machen«, brumme ich und schiebe mir eine Pommes in den Mund. Drew deutet mit seinem halb aufgegessenen Burger auf mich. »Siehst du? Ich hab's dir gleich gesagt, dass diese Kuh euch nicht mehr in Ruhe lassen wird!«
»Ich habe keine Lust mehr darüber zu reden. Themenwechsel«, bitte ich nüchtern. Er verdreht die Augen. »Das war klar.« Kopfschüttelnd vertilgt er den Rest seines Burgers mit einem Bissen. Nachdem er gekaut und heruntergeschluckt hat, tut er mir jedoch den Gefallen und klatscht geschäftig in die Hände. »Also gut, Themenwechsel!«
»Danke.«
»Was ist bei deinen Eltern passiert?«
Ich ersticke fast an dem Chili-Cheese-Nugget, welches ich mir gerade zu Gemüte geführt habe. Ich krächze: »Wie kommst du darauf, dass etwas passiert ist?«
»Soll das jetzt eine Beleidigung meiner Intelligenz sein, oder was?«, schnaubt er. Als ich daraufhin nichts erwidere, erklärt er: »Seit du von deinem Trip in die Heimat zurück bist, wirkst du... anders. Ich weiß nicht genau, was dich stört, aber irgendwas ist da. Versuch gar nicht erst, mich vom Gegenteil zu überzeugen!«, warnt er, als ich bereits zum Sprechen ansetzen will. Ich klappe den Mund wieder zu und er fährt fort.
»Zuerst dachte ich, Beat hat dir irgendwie in die Suppe gespuckt, aber nach unserem letzten Gespräch ist der Groschen gefallen. Außerdem scheint sie dich nicht so sehr zu nerven, wie ich dachte. Auch bemerkenswert.« Der Blick, mit dem er mich jetzt bedenkt, ist kalkulierend. Durch seine offene, bisweilen auch aufgedrehte Art wird er von den meisten oft maßlos unterschätzt. Hinter seinem arglosen Grinsen verbirgt sich aber ein messerscharfer Beobachter.
Ergeben lenke ich schließlich ein. »Meine Eltern machen mir Druck, weil sie nicht mit meinem Lebensstil zufrieden sind«, seufze ich. Drew lacht. »Das klingt ja fast, als würdest du jedes Wochenende dein Geld in Vegas verprassen, Montag bis Freitag unter einer Brücke hausen und Crack verkaufen, um deine Chips fürs Roulette finanzieren zu können!«
»Wow, deine Fantasie kennt wirklich keine Grenzen.«
»Wem sagst du das? Ich hätte Drehbuchautor werden sollen, oder sowas.« Kurz geht sein Blick in die Ferne, als würde er sich besagte Karriere bildlich vorstellen. Dann konzentriert er sich wieder auf mich. »Warum sind deine Erzeuger nicht zufrieden?« Ich stoße einen tiefen Seufzer aus. Eigentlich habe ich keine Lust, das Thema wieder aufzuwärmen. Aber wer weiß, vielleicht könnte es doch ganz gut tun, darüber zu sprechen?
»Sie denken, dass ich nicht das Beste aus meiner Zeit mache und mich mit nichts anderem als meinem Studium beschäftige. Sie machen sich Sorgen, dass ich in meinem jungen Alter mein Leben vergeude. Sowas in der Art.«
Drew hebt eine Schulter. »Du tust tatsächlich sehr viel für dein Studium, aber es scheint dir ja Spaß zu machen.«
»Eben! Genau das ist der Punkt!«
»Trotzdem könnte es dir hin und wieder ganz gut tun, mal aus deiner Komfortzone rauszukommen.« Genervt schnaube ich und brumme: »Toll.« Er hebt beschwichtigend die Hände. »Hey, krieg das nicht in den falschen Hals! Ich bin auch gleichzeitig der Meinung, dass du weißt, was du tust. Und wenn es dich glücklich macht, die ganze Zeit Zahlen in deinem Kopf herumzuwälzen und dir dabei Vanille Cola hinter dir Binde zu kippen, dann soll es so sein.«
Müde reibe ich mir über das Gesicht. »Das war noch nicht mal alles. Der schlimmste Teil kommt noch.« Überrascht zucken seine dunkelblonden Brauen nach oben. »Jetzt wird's interessant.« Seine Bemerkung ignorierend erzähle ich, dass meine Eltern aus irgendeinem Grund sehr hartnäckig behaupten, dass mir eine Freundin gut täte.
»Das ist verdammt nervig. Ich habe fast schon ein schlechtes Gewissen, weil ich in die Richtung eben keine Ambitionen habe, verstehst du?« Drew nickt. »Ja, ich denke, ich weiß was du meinst. Und ich finde es ziemlich uncool, dass sie dich indirekt so unter Druck setzen.« Ich werfe die Hände in die Luft. »Danke!«
»Aber glaub mir, irgendwann kommen sie schon von diesem Trip runter. Gib ihnen ein bisschen Zeit, sich einzukriegen.« Ich schüttle vehement den Kopf. »Nein, werden sie nicht! Das geht jetzt schon seit einer ganzen Weile so und ich habe das Gefühl, dass es egal ist, was ich tue oder sage – nichts überzeugt sie davon, dass ich wirklich glücklich und zufrieden bin mit meinem Leben!« Er seufzt lautlos und scheint kurz in Gedanken versunken zu sein. Dann murmelt er: »Tut mir echt leid, dass du dich damit rumschlagen musst.«
»Danke. Ich denke, das wird schon irgendwie. Gerade habe ich einfach nur das Gefühl, dass alles auf einmal kommt.« Er legt den Kopf schief. »Wie meinst du das?«
»Naja, erst das mit meinen Eltern, dann noch Beat, die meine Hilfe wollte und –«
»Moment«, unterbricht er mich. »Beat wollte was?!«
»Sie hat mich gefragt, ob ich ihr in Zukunft helfen kann, sich bei Provokationen zurückzuhalten. Scheinbar verliert sie ihren Job, wenn sie nochmal jemanden schlagen sollte.« Drew sieht aus, als würde er die Welt nicht mehr verstehen. »... Was?!«, stößt er erneut aus. Ich seufze. »Ich gebe zu, dass sie ein bisschen anders ist, als ich zuerst gedacht habe.«
»Und was hast du ihr gesagt?«
»Ich habe Nein gesagt. Ich glaube nicht, dass ich ihr in irgendeiner Form helfen könnte. Die beiden Male mit Tanya waren eher glückliche Zufälle. Aber sie hat irgendwas davon gesagt, dass ich ein ruhiger Fels bin, oder so. Sie irrt sich«, schließe ich bestimmt und esse den Rest meines Burgers auf.
Drew sagt eine ganze Weile nichts dazu und schaufelt nur still sein Essen in sich rein. Er sieht aus, als würde er über etwas nachdenken. Und dann taucht etwas in seinen Augen auf, das mich begreifen lässt, woher der Ausdruck ›Geistesblitz‹ kommt.
»Du heckst doch irgendwas aus«, stelle ich misstrauisch fest. Sein listiges Grinsen bestätigt diesen Verdacht. Er deutet auf mich, seinen Blick fokussiert. »Was wäre, wenn ich dir eine Lösung für dein Problem bieten könnte?«
»Ähm. Was genau darf ich mir darunter vorstellen?«, frage ich skeptisch.
Er knüllt das leere Wachspapier in seinen Händen zusammen und beginnt zu erzählen. »Also, du scheinst irgendwie ein schlechtes Gewissen zu haben, weil du Beat abgewiesen hast und fühlst dich von deinen Eltern unter Druck gesetzt, was deinen introvertierten Lebensstil angeht. Korrekt?«
Ich blinzele irritiert: »Ja, aber ich wüsste nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat.« Er schnipst mit den Fingern. »Ganz viel sogar, glaub mir.«
»Wie schön, dann erleuchte mich«, seufze ich sarkastisch. Manchmal glaube ich, dass in Drews Kopf anstatt eines Hirnes ein Labyrinth sitzt: Man folgt seinen Gedankengängen, weiß aber nie, wo diese einen hinführen werden.
»Ich wüsste einen Weg, wie du deine Eltern und Beat zufrieden stellen könntest. Zwei Fliegen mit einer Klappe sozusagen.«
»Ich bin gespannt«, murmle ich trocken, doch er geht nicht weiter darauf ein. Stattdessen beugt er sich nun zu mir vor, als würde er mir gerade eine spannende Gruselgeschichte erzählen. »Beat wird deine Freundin. Et voilà, Problem gelöst!«
Völlig entgeistert stiere ich ihn an. »Drew, was zum –? Inwiefern löst das meine Probleme?« Beschwichtigend hebt er beide Hände. »Nur langsam, Laney-Baby! Lass mich ausreden.« Es ärgert mich nur, dass ich für eine Sekunde tatsächlich dumm genug gewesen bin, Hoffnung zu haben – und zwar darauf, dass seine sogenannte ›Idee‹ nicht totaler Bullshit ist.
Augenrollend bedeute ich ihm, fortzufahren. »Also, wenn du deinen Eltern eine Freundin präsentieren würdest, wären sie zufrieden, richtig?«
»Ja, aber –«
»Perfekt. Ihr müsst nur die ein, zwei Mal im Monat vor deren Augen herumturteln und das war's!«
»Drew. Du vergisst da eine wichtige Sache.«
»Und zwar?«
»Meine Eltern wären zwar zufrieden, aber Beat ganz sicher nicht. Warum sollte sie bei diesem Affenzirkus mitspielen? Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass sie dazu Ja sagen würde.«
Drew wackelt mit den Brauen. »Du wirst sicher nicht vergessen haben, dass sie dich um etwas gebeten hat...«
»Schon, nur –«
»... verzweifelt gebeten hat...«
»Also, ich würde wirklich nicht sagen, dass sie verzweifelt war.« Drew klatscht sich die Hand gegen die Stirn. »Mann, Lane, kapierst du nicht? Du hast sie in der Hand! Sag, dass du deine Meinung geändert hast und ihr doch helfen wirst – wenn sie im Gegenzug ein paar Mal vor deiner Family deine Freundin spielt.«
»Nur, dass ich ihr nicht helfen kann und Beat sicher nicht zusagen würde!«
Er zuckt die Schultern. »Sie scheint zu glauben, dass du es doch kannst. Außerdem wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher, dass sie ablehnt. Einen Versuch ist es immer noch wert.«
»Nicht, wenn sie so sauer wird, dass ich mir dafür am Ende noch eine Ohrfeige von ihr einfange!« Er prustet leise. »Das könnte tatsächlich passieren.«
»Das passt einfach vorne und hinten nicht, Drew. Ich meine, selbst wenn sie zusagen würde... irgendwie gefällt mir die Idee nicht, meine Eltern und Fran anzulügen.«
Er verzieht ungeduldig das Gesicht. »So wie ich das sehe, hast du zwei Möglichkeiten: Entweder du brütest weiterhin über deinem schlechten Gewissen Beat gegenüber und den toxischen Vibes, die deine Eltern an dich abgeben – oder du tust was dagegen.«
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Was haltet ihr von der ganzen Sache? Könnt ihr Lanes Bedenken verstehen? 👀
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