Prolog
Ich öffnete ruckartig die Augen und starrte an die Decke meines Zimmers. Heute ist es soweit. Ich habe Geburtstag. Und heute werde ich endlich wissen, wer meine Mate sein wird.
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und betrachtete die Zeiger meines Weckers. In nur wenigen Sekunden würde er angehen, und das vertraute Piepen würde erklingen. Dann würde ich ihn ausmachen und aufstehen. Ich würde mein Bett machen, und die Tagesdecke fein säuberlich glattstreichen.
Nach weiteren zwei Minuten, indem ich in meinen Schrank nach passenden Klamotten durchsuchte, würde meine Mutter an die Tür klopfen und mir sagen, dass es in zehn Minuten Frühstück gibt.
Na dann mal los!
Mit einen lauten Seufzer warf ich die Decke zurück und sprang auf. Ich hatte noch nie ein Problem damit, früh auszustehen. Heute aber grinste ich wie ein Honigkuchenpferd. Mein Wolf war sehr aufgeregt und stolzierte hin und her, während er die ganze Zeit 'Mate, Mate, Mate!' sang.
Ich musste über sein Verhalten grinsen, als ich gerade mein Kissen aufschüttelte und den Wecker ausschaltete. Mein innerer Wolf befand sich in meinen Kopf und war so eine Art innere Stimme, die mit mir sprach und eigenständig denken konnte. Sozusagen waren wir zwei Personen in einem Körper oder wohl eher ein Wolf und ein Mensch in einem Körper.
Solace (Trost) -so nannte ich ihn- dachte nämlich nur wie ein Wolf. Und Wölfe dachte hauptsächlich an futtern, jagen -besonders gern Schmetterlinge, spielen, Dinge markieren und natürlich daran, sich zu paaren.
Meist hörte ich seine Stimme einfach nur in meinen Kopf, aber manchmal dachte er auch in Bildern, was mich oftmals sehr amüsierte, besonders wenn es ums paaren ging. Tja, das war allerdings nur insoweit amüsant, bis mir wieder einfiel, dass wir ein und die selbe Person waren und im Endeffekt ich die Person war, die sowas dachte.
"Ich bin doch auch gespannt, wer es sein wird...", flüsterte ich etwas traurig.
Sie würde mich nie akzeptieren. Ich war viel zu schwach und unbeliebt. Niemals würde sich jemand für mich interessieren. Noch nicht einmal meine Mate. Ich wäre ihr bestimmt peinlich und sie würde mich verstoßen.
Während ich mir ein dunkelblaues Shirt raussuchte, klopfte es an der Tür und die Stimme meiner Mutter drang in mein Ohr. "Brem, mein Lieber! In zehn Minuten gibt es Frühstück!"
Ihre Stimme war etwas fröhlicher als sonst, so dass ich merkte, dass sie meinen Geburtstag doch nicht vergessen hatte. Ich würde dann in die kleine Gemeinschaftsküche gehen und dort würde mir meine Mom und mein Dad gratulieren.
Als ich hörte, wie sich ihre Schritte leise entfernten, ging ich aus dem Raum und schlüpfte in das Bad gegenüber meines Zimmers.
Hier auf dieser Etage gab es insgesamt acht Bäder. Im ganzen Haus fünfmal so viele. Ich wohnte im Westflügel und im jedem Flügen gab es zwei Badezimmer. Das hinterte -welches eigentlich nur von mir genutzt wurde- war wie die anderen auf dieser Etage in Blau und Weiß gehalten worden.
Das Rudelhaus war riesengroß und ich hatte noch nicht einmal die Hälfte der ganzen Räume gesehen. Meine Eltern wohnten hier eigentlich gar nicht, da sie sich -wie einige andere ältere Leute- dazu entschlossen haben, in einem eigenen Haus zu leben. Diese Häuser wurden in regelmäßigen Abständen um das Rudelhaus herum gebaut, so dass das Rudelhaus den Mittelpunkt bildete.
Trotzdem kamen meine Eltern frühs hier her, um mit mir zu frühstücken, damit wir wenigstens eine Mahlzeit am Tag zusammen einnahmen. Ich wohnte nämlich, wie fast die Hälfte des Rudels, hier.
Ich betrat das große Bad und stellte mich vor das Waschbecken. Im Spiegel sah ich mein ovales, blasses Gesicht mit dem viel zu spitzen Wangenknochen und meine glanzlosen, blonden Locken. Zwar waren sie nicht so mädchenhaft gelockt -nur ganz leicht an den Spitzen gekrümmt- aber trotzdem störten sie mich. Ich hatte sie mir mal sehr kurz geschnitten, doch das sah in meinen Augen noch beschissener aus.
In meinen blassen, blauen Augen, die sonst so traurig schauten, war heute ausnahmsweise mal ein kleines Funkeln zu sehen. Und in diesem Moment verzogen sich auch meine schmalen Lippen zu einem Lächeln. Heute werde ich sie treffen. Meine Mate.
Doch so schnell wie das Lächeln kam, so schnell ist es auch wieder erloschen. Sie wird mich bestimmt nicht akzeptieren, dachte ich mir erneut, als ich unter die Dusche stieg.
Die meisten Werwölfe waren attraktiv und ich war zwar nicht umbedingt hässlich, aber trotzdem fand ich mich nicht herausragend hübsch. Mein Körper war -wie der von jedem Werwolf- mit Muskeln überzogen, aber trotzdem waren sie nicht so extrem. Im Gegensatz zu den anderen wirkte ich sogar sehr hager. Daher waren meine Muskeln auch so ausgeprägt, da ich sonst keinerlei Fett an meinem Körper besaß. Schon wieder ein Nachteil, weil die meisten Mädchen doch jemanden wollten, an dem sie sich rankuscheln konnten, oder etwa nicht?
Das einzige, was ich an meinen Körper schön fand, waren meine runden Schultern und vielleicht noch meine Brust, da sie doch relativ breit war. Aber mein Bizep war für einen Werwolf doch ziemlich klein.
Mit meinen Händen verteilte ich das Duschgel über meinen Bauch. Zwar hatte ich auch einen Six-Pack, aber auch dieser war nicht so schön wie der von den anderen in meinem Alter.
Jeder Menschenjunge wäre vielleicht neidisch gewesen, aber für einen Werwolf war ich eben nicht sehr beeindruckend.
Ich seufzte laut. Wenn interessierte das schon, was an mir gut oder schlecht war? Für die anderen aus dem Rudel war ich doch sowieso nur ein 'Lauch' oder ein 'Schwächling'.
Ich hatte sogar mal versucht, etwas dagegen zu tun. Jeden Tag habe ich allein trainiert, um etwas breiter zu werden. Ich habe viel mehr gegessen, und mein Tagesablauf etwas umgestaltet. Doch am Ende waren zwar meine Muskeln etwas ausgeprägter gewesen, aber ich war immer noch viel zu dünn, und meiner Meinung nach sah ich jetzt viel blöder aus.
Mit einen frustrierten Laut drehte ich das Wasser aus und trat aus der Dusche. Ich trocknete mich ab, zog mich an und ging zum Frühstück.
Mein Wolf fing wieder an umherzuhüpfen, und aufgeregt mit dem Schwanz zu wackeln. 'Sie ist hier.' sagte er. 'Sie ist hier im Gebäude! Such sie!'
"Das kann ich nicht. Das weißt du doch.", sagte ich traurig und betrat eine der vielen Gemeinschaftsküchen im Haus.
Auch diese Küche wurde hauptsächlich von meinen Eltern und mir benutzt. Die anderen Rudelmitglieder befanden sich in den anderen Küchen oder unten in der 'Frühstückshalle', wo es ein riesiges Buffet gab. Doch ich würde dort eh nur alleine an einem der zahlreichen Tische sitzen, und die anderen würden mich blöd angucken und über mich lachen, wie sie es ab und zu mal taten, wenn es Abendbrot gab.
Deswegen ließ ich das manchmal ausfallen, aß bei meinen Eltern zu Hause oder ich holte mir was in der Stadt. Es kam sogar schon vor, dass ich von den anderen mit Essen beworfen wurde, als unser Alpha Ben gerade nicht da war. Das war eins der schlimmsten Erlebnisse überhaupt. Alle haben angefangen zu lachen und einige haben sogar mitgemacht. Dann bin ich aus dem Raum gerannte und habe sogar angefangen zu weinen. Ich weiß, ziemlich unmännlich.
Doch ich hatte mich nun mal dazu entschieden, ins Rudelhaus zu ziehen, also musste ich damit leben. Wäre ich bei meinen Eltern zu Hause geblieben, hätten die anderen nur noch einen weitere Grund gehabt, mich zu ärgern. Schließlich wohnen alle Wölfe ab 12 im Rudelhaus. Erst wenn diese ihre Mate gefunden haben, suchten sie sich ein eigenes Heim.
"Happy Birthday to you!", schrien meine Eltern und ich musste lachen.
Sie hatten mir einen riesigen Schokoladenkuchen gebacken mit achtzehn bunten Kerzen drauf und dieser stand mitten auf dem mit Konfetti bedeckten Tisch.
"Mom, ich bin doch kein kleines Kind mehr.", sagte ich und wurde rot, als ich beschämt die blauen Servietten mit den kleinen Schiffen betrachtete.
"Ach, du wirst immer mein kleines Baby bleiben, mein Schatz.", sagte sie und schlang die Arme um mich.
Ich erwiderte ihre Umarmung und dann die meines Vaters. "Herzlichen Glückwunsch, mein Sohn."
"Danke, Dad. Und danke, Mom.", meinte ich lächelnd.
Dann hielten sie mir ein kleines Päckchen hin. "Wir wissen, dass es nicht viel ist, aber dafür hast du dir das schon so lange gewünscht.", meinte mein Dad.
"Ihr braucht mir doch nichts zu schenken.", tadelte ich sie.
Das hatte ich ihnen schon oft gesagt, da ich wusste, wie knapp bei Kasse wir waren. Das Rudel ist zwar ziemlich reich, aber nur, weil unser Alpha ziemlich reich war. Wir einzelnen Mitglieder mussten selbst arbeiten gehen, um Geld zu verdienen. Mein Dad hatte früher in einer kleinen Schreinerei gearbeitet, aber dann ist er krank geworden, und ist nicht mehr in der Lage, zu arbeiten und meine Mom war Köchin in einer kleinen Gaststätte im Menschendorf. Es reichte zwar zum Leben für die beiden, aber trotzdem blieb nie viel übrig.
Deswegen bin ich auch ins Rudelhaus gezogen und nicht bei Ihnen geblieben, damit sie nicht auch noch mich ernähren musste. Einmal deswegen und weil ich nicht noch ein größerer Außenseiter sein wollte.
"Ach, egal. Mach es endlich auf.", sagte meine Mutter und ich tat, wie mir befohlen.
"Mom, das ist...", sagte ich ungläubig.
"...Das neuste, was auf dem Markt ist.", lächelte meine Mom und schaute auf die Handyverpackung in meiner Hand. "Damit du dein altes BlackBerry nicht mehr benutzen musst."
Ich lächelte zu den beiden auf. "Danke.", sagte ich leise. "Wirklich... Danke."
Ich konnte es gar nicht richtig glauben. Ich hatte das ganz neue I-Phone bekommen und das obwohl meine Eltern überhaupt kein Geld hatten. Sie mussten bestimmt sehr lange dafür gespart haben.
Die anderen aus dem Rudel hatten auch alle eins und für einige mag es zwar nichts besonderes sein, aber für mich war es das. Besonders, wenn man im Leben nie etwas Teures besäßen hatte. Ich freute mich sogar so sehr, dass sich kleine Freudentränen in meinem Augenwinkel sammelten.
"Ich werde gut darauf aufpassen.", sagte ich bestimmend und meinte es auch so. Ich würde es hüten wie meinen Augapfel.
"Es freut uns, dass es dir gefällt, aber jetzt blas doch erstmal die Kerzen aus und wünsch dir was.", sagte meine Mom liebevoll.
Als die kleinen Lichter auf der Torte erloschen, schloss ich die Augen und wünschte mir nur eins: Dass mich meine Mate akzeptieren würde.
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