2- Ungeheuerliche Wut
Ich schüttelte den Kopf, um mich von diesen betörenden Duft zu befreien. Er benebelte meine Sinne und ließ mich vollkommen verrückt spielen.
Noch nie in meinen Leben habe ich etwas vergleichbar Schönes gerochen. Wenn ich ihn beschreiben müsste, würde ich behaupten, es riecht nach Blumen, frisches Obst und Zuckerwatte. Aber selbst diese Mischung wäre eine schamlose Untertreibung gewesen.
Der Geruch jedoch war nicht das Einzige, was ungewöhnlich war. Es fühlte sich auch so an, als würde irgendetwas... Fremdes durch meine Adern gepumpt werden, irgendetwas... Starkes. Ich fühlte mich plötzlich unglaublich mächtig, so als könnte ich ganze Bäume rausreißen.
Ich drehte meinen Kopf in die Richtung, aus der der Geruch kam. Lukas und seine Freunde waren da. Er hatte einen Arm um die Schultern seiner Freundin gelegt. Um seine Freundin Elena. Elena, die Tochter des Alphas. Elena, die nächste Luna. Elena, meine Mate!
'Mate, Mate, Mate, Mate, Mate, Maaatee!' rief mein innerer Wolf aufgeregt und rannte im Kreis herum. 'Makieren, markieren, markieren!'
Beruhige dich! sagte ich zu ihm und sah gerade, wie Lukas Elena einen Kuss auf die Schläfe drückte.
Unwillkürlich fing ich an zu knurren, und Adam warf mir daraufhin einen halb erschrocken, halb überraschten Blick zu. Doch dann schaute er in die Richtung, in der ich sah.
Hatte ich etwa gerade laut geknurrt?
Offenbar zog er seine eigenen Schlüsse, denn er sagte: "Er hat dich wieder geärgert, stimmts?"
Verwirrt grunzelte ich die Stirn, doch dann fing ich mich wieder. "Ja, da hast du recht."
Ich wandte mich von Elena und Lukas ab und zwang mich ein paar Schritte zu laufen. Plötzlich meldete sich allerdings ein stechender Schmerz in meinem Kopf, welcher mich die Zähne zusammenbeißen ließ.
Da Lukas ein riesiger Wolf war, dachten alle, dass er und Elena Seelenverwandte waren. Jeder glaubte, dass er der nächste Alpha sein wird und deswegen wird er von allem mit Respekt behandelt, außer von Alpha Ben. Er behandelte jeden im Rudel gleich.
Da Lukas aber vor einem halben Monat seinen achtzehnten Geburtstag hatte, gingen alle davon aus, dass er seine Mate erst findet, wenn diese ebenfalls Achtzehn geworden ist. Schließlich kommt das schon mal vor und deswegen wartet jeder auf Elenas Geburtstag, der nicht mehr weit ist...
"Er kommt auf uns zu.", flüsterte Adam.
Oh nein, bitte nicht.
Doch Adam hatte recht, aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass die ganze Truppe in unsere Richtung kam. Warum das? Die konnten doch die andere Richtung nehmen, dann wären sie schneller in der Schule.
"Komm, lass uns schnell rein gehen.", flüsterte ich zurück.
Unmöglich konnte ich jetzt mit denen sprechen. Mein Wolf spielte verrückt und wollte einerseits unbedingt zu Elena, aber andererseits wollte er Lukas erwürgen. Beide Optionen waren nicht gerade vom Vorteil für mich, da Elena mich ganz sicher nicht akzeptieren würde und die anderen mich dann auslachten, oder Lukas würde mich einfach hemmungslos fertig machen.
'Aber diese neue Kraft!', meinte mein Wolf Solace, doch ich beachtete ihn nicht.
Im Rudelhaus genieße ich noch einen gewissen Schutz, aber hier in der Schule so gut wie gar keinen.
Bei den Gedanken daran, dass meine Mate mich nicht akzeptieren wird, jaulte mein Wolf gequält auf. 'Gib Mate doch bitte eine Chance! Ich will zu Mate!'
Das geht leider nicht... Das wird nur ziemlich peinlich für uns werden und das weißt du auch.
Doch er ließ sich nicht beruhigen und winselte einfach weiter. Je mehr wir uns von ihr entfernten, umso größer wurde sein Schmerz, den auch ich spürte. Es fühlt sich fast so an, als wäre mein Herz ein Gummiband und würde immer weiter gespannt werden, bis es endlich reißt und wenn es reißen würde, dann würde ich es verlieren.
Der Schmerz wurde sogar so groß, dass ich tatsächlich einen schmerzvollen Laut ausstieß. Sofort drehte sich Adams Kopf zu mir.
"Ist alles okay?", fragte er mich und seine dunklen Augen blitzen hinter den Brillengläsern sorgenvoll auf.
"Ja ja, alles okay.", sagte ich gepresst und fing an, die Luft laut auszustoßen und wieder einzusaugen. Meine Brust hob und senkte sich bei jedem Atemzug, doch es wurde langsam leichter.
Dennoch waren meine Kopfschmerzen nicht verschwunden und ich hatte das Gefühl, sie wurden immer stärker. Allerdings hatte ich nicht das Gefühl, dass diese Schmerzen den selben Ursprung wie die... die Herzschmerzen hatten.
Adam schien mir nicht ganz zu glauben. "Du siehst nicht sehr überzeugend aus.", bemerkte er zweifelnd.
Daraufhin wusste ich nicht, was ich sagen sollte und schwieg. Gerade als wir gute zehn Meter von der Eingangstür zum Schulgebäude entfernt waren, hörten wir eine Stimme, die plötzlich eine ungeheuerliche Wut in mir auslöste.
"Hey, Brem! Warte doch mal.", rief Lukas und kam auf uns zugejoggt. Seine Freunde folgten ihm.
Solace fing schon wieder an zu knurren. 'Lass uns raus! Wir zeigen ihm schon, mit wem er sich da angelegt hat! Wir sind stärker geworden!'
Wovon redet er?
Ich ignorierte ihn einfach und suchte die Umgebung ab. Meine Mate blieb hinter Lukas zurück und saß mit ihren Freundinnen auf einer Bank.
"Bremy. Bist du taub geworden? Ich habe gesagt, du sollst stehen bleiben, du Trottel!", rief Lukas und ich blieb stehen.
Mein Wolf knurrte nur und wartete nur darauf, frei gelassen zu werden. Er wollte auf Lukas losgehen, doch wir hatten noch nie gegen ihn gewonnen. Gegen ihn waren wir machtlos.
'Wir sind stark! Bitte, unsere Mate gibt uns doch Kraft! Wir sind mächtiger als er!', drängte er mich, doch ich war nicht überzeugt.
Vielleicht hört sich das für einige feige an, aber ich hatte Angst vor Lukas. Nicht umbedingt vor den körperlichen Schmerzen, sondern vor der Demütigung, mich vor der ganzen Schule von ihm verprügeln zu lassen und zu wissen, dass ich niemals gewinnen würde. Das wusste nicht nur ich, das wusste auch er, das wusste die ganze Schule, das ganze Rudel, verdammt jeder wusste das!
Ich hatte es satt, mich von ihm ärgern zu lassen, weshalb ich immer vorher aufgab. Dadurch wurde es ihn nämlich zu langweilig und seit dem ließ er mich öfters in Ruhe. Doch heute schien er es wirklich auf mich abgesehen zu haben.
Doch heute war auch mein achtzehnter Geburtstag und der Tag, an dem ich meine Mate gefunden habe. Mein Wolf hatte recht, ich fühlte mich durch sie tatsächlich sehr mächtig. Aber das konnte auch alles nur Einbildung sein.
Dennoch wollte ich mich heute nicht von ihm herumschubsen lassen. Nicht vor meiner Mate. Was sollte sie von mir denken? Danach würde sie mich doch unter keinen Umständen mehr akzeptieren!
Die Wut rauschte durch meine Adern und ich spannte den Kiefer an, als ich mich zu Lukas umdrehte. "Nenn mich nicht Trottel! Und jetzt sag endlich, was du von mir willst. Ich habe Besseres zu tun, als mich mit dir zu unterhalten!", stieß ich hervor und war kurz von mir selbst verblüfft.
Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Ich merkte, wie es um uns herum leiser wurde und die Schüler ihre Gespräche einstellten, um ihre Aufmerksamkeit auf uns zu lenken.
"Was hast du gerade zu mir gesagt?", zischte Lukas zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor und ballte die Hände zu Fäusten.
Fast bereute ich meinen Ausbruch und normalerweise sollte ich jetzt meinen Mund halten, doch ich hatte jetzt gerade erst richtig Fahrt aufgenommen und konnte mich nicht mehr zurück halten. Verdammt, war los mit mir?
Ich wusste nicht, warum ich so aufgebracht war. Das war ich doch sonst nicht. Aber jetzt rauschte eine gewaltige Wut durch meinen Körper. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was gerade in mir vor ging. Mein Kopf schmerzte und es fühlte sich an, als würde jemand mit einem Hammer dagegen schlagen.
Unwillkürlich griff ich mir an den Kopf und presste die Augen zusammen. Ich fing an, mir meine schmerzenden Schläfen zu massieren. Lukas redete einfach weiter und mit jeden Wort, was er sagte, verstärkte sich der Schmerz nur noch.
Ich taumelte ein paar Schritte zurück und hörte Adams besorgte Stimme fragen: "Ist alles in Ordnung mit dir?"
"Ich... ja.", sagte ich, aber das Pochen wurde immer schlimmer. "Verdammt."
"Jetzt tu doch nicht so, Kingston!", rief Lukas.
Das hätte er nicht sagen sollen. Mit Schwung drehte ich mich zu ihm um und packte ihn am Kragen seinen Shirts. Allerdings war das wohl mehr Solace als ich.
Für diesen Moment war mir nicht bewusst gewesen, dass wir von der ganzen Schule angestarrt wurden. Doch ich glaube, selbst wenn ich es gewusst hätte, ich hätte bestimmt dennoch so gehandelt.
Diese Wut hatte vollkommene Kontrolle über mich, weshalb ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Solace in mir tobte.
"Hör mir zu, Lukas! Lass mich verdammt nochmal in Ruhe, ich habe dir nichts getan! Also kümmere dich um deinen eigenen Dreck, denn ich bin nicht länger gewillt, auch nur eine kostbare Sekunde meiner Zeit mit dir zu verschwenden! Hast du mich verstanden?", zischte ich ihm leise zu, so dass höchsten Adam meine Worte gehört haben konnte, sowie eventuell ein paar Werwölfe, die ihr Gehör eingeschaltet hatten.
Der Schweiß brach mir aus und ich ließ Lukas sofort los. Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich hatte das Gefühl, ich müsste mir Eiswasser über den Kopf kippen, um dieser schreckliche Hitze zu entkommen.
Ich blickte in Lukas' Augen und konnte ein wenig Furcht darin erkennen. Aber Furcht vor was? Etwa vor mir?
Doch sofort verschwand sie wieder und er verzog wütend das Gesicht. Ohne ein Wort zu sagen drehte ich mich auf dem Absatz um und rannte in das Schulgebäude.
Auf dem Weg zur Schultoilette rannte ich fast ein paar Schüler um, denen ich im letzten Moment aber noch ausweichen konnte.
An meinem Ziel angekommen, stürzte ich sofort zum Waschbecken und spritzte mir das eiskalte Wasser ins Gesicht. Keuchend stütze ich mich mit beiden Händen an dem Rand ab und blickte meinem Gesicht im Spiegel entgegen.
Meine blonden Haare standen in alle Richtungen ab, meine Pupillen waren geweitet, meine Haut war leichenblass und von einer glänzenden Schweißschicht überzogen.
Verdammt, was passierte mit mir?!
Und dann passierte das Unerwartete. Ich sah auf meine Hände und sah, wie die Adern stark hervor traten, meine Fingernägel sich langsam in Krallen verwandelten und ich mich mächtig anstrengen musste, um nicht die Kontrolle zu verlieren.
Ich stieß einen schmerzenschrei aus und brach mitten auf dem Boden zusammen. Das Rauschen in meinem Ohr und ein panischer Adam war das Letzte, an was ich mich erinnern konnte.
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