Zugeschnürt.
"Wie läuft so ein Abend bei euch ab?", fragte Hyunjin. Er war mehr als nervös. "Noch einer, der einen Zeitplan haben will..", stöhnte Minho genervt. Mit etwas mehr Einfühlungsvermögen, übernahm ich die Erklärung: "Naja, wir haben dafür kein Drehbuch. Sex ist eben auch kein Muss, wenn wir uns treffen, weißt du? Wenn's dazu kommt, ist es super, aber es ist nicht so, dass wir jetzt wirklich alle aktiv nur darauf hinarbeiten.". Vielleicht log ich dabei etwas. Wenn ich ehrlich war, war es schon irgendwie meine Absicht, die Situation in genau diese Richtung zu lenken. Aber es stand fest, dass nichts erzwungen wurde. Wie Minho allerdings immer so schön sagte: Ich sorgte mit meiner Art sowieso irgendwie dafür - ob nun beabsichtigt oder nicht. "Und du bist dir sicher, dass ich nachher darf?", stammelte Hyunjin vor sich hin. "Willst du es schriftlich haben?", bot ich ihm an. "Zählt sowas vor Gericht?" - "Nein, tut es nicht.", mischte sich Minho wieder mit ein. "Echt nicht?", fragte ich nun ebenfalls leicht ungläubig. "Nope.", antwortete er erneut nur allzu knapp, während er den obersten Knopf seines Hemds schloss. "Ich fange gleich mit Kochen an. Ihr könnt euch in der Zwischenzeit ums Badezimmer kloppen, ihr habt noch knapp eine halbe Stunde Zeit.", eröffnete mein Dom einen stillen Krieg zwischen dem Blonden und mir. "Vergiss es, Jisung!", rief Hyunjin und stürmte ins Bad, als wären wir zwei Teenager, die sich beide noch schminken wollten. Ich war ausnahmsweise mal so lieb und gab einfach nach, denn meine Haare waren sowieso schon fast trocken und ich wollte mich nur noch kurz umziehen. "Ich glaube, er stirbt innerlich. Du hättest ihm wegen Chan nicht so 'ne riesen Angst machen sollen.", flüsterte ich Minho zu und er entgegnete: "Ich war doch nur ehrlich. Chans Beschützerinstinkt ist ausgeprägter als der eines tollwutkranken Dobermanns.".
Eventuell hatte ich die nächste halbe Stunde getrödelt. Es klingelte und ich sprang panisch vom Stuhl auf, rannte ins Schlafzimmer und rief verzweifelt: "Ich bin doch noch gar nicht umgezogen!". Zu meiner Verteidigung: Chan und Felix waren fünf Minuten zu früh dran! "Ich mache dann mal für dich auf, Kitten.", rief Minho gereizt durch die Tür. Ich hätte mich dafür bedankt, wenn ich nicht gerade damit beschäftigt gewesen wäre, gleichzeitig aus Pulli und Hose zu schlüpfen, mich dabei zu verheddern und fast hinzufliegen. "Gott verdammte Scheiße!", schimpfte ich über meine motorische Unfähigkeit und schmiss wutentbrannt meine Klamotten in die nächste Ecke. Keine Zeit zum Aufregen, ich griff nach meiner Jeans, steckte den ersten Fuß rein, blieb mit dem großen Zeh in einem der Löcher hängen und mit einem lauten Ratschen war das Loch weitaus größer geworden. Fuß Nummer zwei wanderte also vorsichtiger durch das andere Hosenbein und ich schloss eilig Knopf und Reißverschluss. Ich hörte schon, wie Minho unsere Gäste begrüßte. Schnell nahm ich meinen Pulli und zerrte ihn über meinen Kopf. Leicht außer Atem trat ich auf den Flur und wurde von Felix angestrahlt. Sofort fiel ich ihm um den Hals und drückte ihn fest an mich. Über seine Schulter hinweg konnte ich Chan auf mich zulaufen sehen. Der sah mich nicht gerade amüsiert an. "Baby..", sagte er mit tiefer Stimme und sofort ließ Felix mich los und machte einen Schritt zur Seite. Genau diesen Moment nutzte ich noch schnell aus, um mich vor Chan auf die Knie zu werfen und meine Pose zur Begrüßung einzunehmen. Er hockte sich vor mich und fragte: "Was hast du falsch gemacht?". "Ich habe dich nicht als erstes begrüßt.", gab ich schuldbewusst zu. Chan stand auf und gab mir die Erlaubnis, mich wieder zu erheben. Kaum hatte ich den Kopf nach oben gestreckt, sah ich, was neben mir passierte und musste einfach anfangen zu lachen: "Hyunjin, du brauchst das nicht zu machen!". Verwirrt und wohl auch etwas peinlich berührt, stand der Blonde eilig wieder auf.
"Freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Chan, das ist Felix.", erklärte der Älteste und zog den blonden Sonnenschein zärtlich an sich. Hyunjin verbeugte sich tief, ich konnte seine Anspannung deutlich sehen. "ich mag deine Haare!", lockerte Felix gekonnte die Situation auf. "Kitten? Tisch decken!", rief Minho mir aus der Küche zu, sodass ich nach nebenan ging. Felix folgte mir unauffällig und stellte sich neben meinen Dom, um einen Blick auf das heutige Menü zu werfen. "Das hast du alles selbst gekocht?", staunte er und Minho nickte ihm zu. "Das Sushi auch?!", fragte Felix fast schon fassungslos und zeigte auf die mit Liebe zubereiteten Reisklumpen. "Ja, alles selbstgemacht.", antwortete Minho und hielt ihm eines der Maki vor den Mund. Vorsichtig zog Felix es mit seinen Zähnen von den Essstäbchen und begann melodisch zu stöhnen, während er genussvoll kaute. Minhos Kochkünste waren einfach auf einem anderen Niveau. Mit einem Ohr lauschte ich der Unterhaltung zwischen Chan und Hyunjin, die endlich halbwegs locker zu werden schien. "Wir haben ein Problem..", stellte ich fest, nachdem ich fünf Teller aus dem Schrank geholt hatte und gerade damit begann, sie zu verteilen. "Brauchst du Hilfe?", fragte Chan und kam schon auf mich zu. "Nein. Aber wir haben nur vier Stühle und es ist so eng hier drin, dass wir beim Essen echt kuscheln müssten.", erklärte ich ihm das Dilemma. Während Felix gerade anmerken wollte, dass er Kuscheln liebte und kein Problem damit hätte, sich notfalls den Stuhl mit mir zu teilen, löste Hyunjin das Problem auf eine für mich unvorteilhafte Weise: "Du sitzt beim Essen auf dem Boden.". Wie ein nicht verstehender Welpe schaute ich verwirrt zu ihm und er untermauerte seine Aussage leider ziemlich gut: "Du hast unseren Besuch nicht korrekt begrüßt.". Hilflos sah ich zu Chan und hoffte, dass er etwas einwerfen würde, was mich aus dieser misslichen Lage rausholen würde, da hatte ich aber weit gefehlt. Anstatt mir zu helfen, klopfte Chan Hyunjin auf die Schulter und lobte ihn für seinen Vorschlag.
Ziemlich beleidigt saß ich zwischen Chan und Hyunjin auf dem Fußboden. Felix' Füße baumelten fröhlich vor und zurück und ich hätte nur allzu gern das Gleiche getan. Schmollend hielt ich meinen leeren Teller hoch und kommentierte: "Mehr.". Für meine Aufforderung erntete ich gleich von zwei Seiten böse Blicke. "Ich möchte bitte noch mehr haben.", versuchte ich so lieb wie möglich zu klingen, was mir in diesem Moment mehr als schwer fiel. Gemeinheit. Chan nahm meinen Teller entgegen und reichte ihn mir zurück, nachdem er mir einen Nachschlag aufgetan hatte. "Danke", grummelte ich ihm leise entgegen und steckte mir ein Nigiri in den Mund. Der himmlische Geschmack breitete sich auf meiner Zunge aus und ließ meinen Groll etwas verschwinden. Während ich den Happen von einer in die andere Wange schob, fragte ich: "Wie ist es jetzt eigentlich zu eurer Beziehung gekommen, Felix?". Sofort steckte der Blondschopf mit den Sommersprossen seinen Kopf unter die Tischplatte und wurde ganz hibbelig: "Oh, das war romantisch! Also wir haben uns fast jeden Tag getroffen. Oder besser gesagt hat Chan mich jeden Tag auf der Arbeit besucht und solange mit mir gewartet, bis ich mit allem fertig war. Wir sind meistens zu ihm gefahren und haben uns einfach einen schönen Abend gemacht. Den einen Abend sind wir aber dann später nochmal losgefahren und wollten Sternschnuppen gucken. Naja, wir haben dann mit einer Decke mitten auf einem Feld gelegen und in den Nachthimmel geschaut, bis wir festgestellt haben, dass noch gar keine Sternschnuppenzeit ist. Auf jeden Fall hat Chan irgendwann gesagt, dass er sich doch unbedingt was wünschen wollte und als ich gefragt habe, was sein Wunsch war, meinte er 'dass du mit einem Ja auf meine Frage antwortest'. Also habe ich nach der Frage gefragt und er hat gesagt 'Willst du mit mir zusammen sein'?". Felix Worte wurden immer aufgeregter, während er das erzählte und seine Augen begannen zu leuchten, als wären sie selbst die Sterne, die die beiden an dem Abend betrachtet hatten. "Wie schön.", meinte ich und schaute zu Chan hoch. Der betrachtete Felix mit einem so sanften Blick, der keine Worte mehr benötigte, um uns fühlen zu lassen, was er fühlte. "Tja und seitdem nenne ich ihn Daddy und er vögelt mir das Hirn raus!", schloss der Blonde seine vorangegangene romantische Erzählung auf eine ganz andere Art und Weise ab.
Während ich noch immer unterm Tisch saß, wurde mir immer langweiliger. Kein Wunder, das Gespräch lief die ganze Zeit über mir ab und es machte kaum Spaß, daran teilzunehmen. Felix wollte sich eigentlich zu mir setzen, bekam aber von Chan ein klares Verbot dafür ausgesprochen. Ich war irgendwann so verzweifelt, dass ich die Schnur aus der Kapuze meines Pullovers zog und immer wieder irgendwelche Knoten und Schleifen band. "Wie ist es auf dem Boden?", fragte Hyunjin provokant, als gerade ein paar Sekunden Stille herrschte. "Ist super schön hier unten.", sagte ich mit all meinem Sarkasmus und er entgegnete mir: "Dann kannst du ja auch weiter da unten sitzen bleiben.". Wenn man sich langweilt, kommt man ja nicht nur auf die besten Ideen. Ich kam leider gerade darauf, die Schnur um Hyunjins Knöchel und das Stuhlbein zu legen. Ich passte natürlich auf, dass er davon nichts mitbekam, sonst hätte er mir bestimmt meine einzige Beschäftigung weggenommen. Ich wollte ein richtig schönes Schleifchen binden. Ich machte also einen lockeren Knoten, legte das eine Ende der Schnur zu einer Schlaufe, wickelte das andere Ende einmal drumherum, zog die zweite Schlaufe durch die entstandene Öffnung und zupfte alles auf eine gleichmäßige Länge fest. Stolz betrachtete ich mein Werk und bekam zu spät den Inhalt der Unterhaltung über meinem Kopf mit: "Na, dann lasst uns rübergehen!". Panisch sah ich nach oben. Ich streckte meine Hände bereits nach Hyunjins Knöchel aus, da schob er seinen Stuhl auch schon nach hinten. Wie in Zeitlupe sah ich mein Schicksal auf mich zukommen. Hyunjin stellte den rechten Fuß ab und stützte sich auf. Sein linker Fuß wollte den nächsten Schritt machen, zog jedoch den Stuhl mit sich, der unter seinem Hintern kippte. Mit wirbelnden Armen und einem lauten Gepolter, fiel Hyunjin nicht unweit von mir entfernt auf den Boden. An dieser Stelle wäre es klug gewesen, sich ganz klein zu machen, sich zu entschuldigen und die Situation zu erklären. Leider lachte ich stattdessen sehr laut los. Drei von vier Leuten schauten mich gerade an. Felix stand der Mund offen, Chan machte verdammt große Augen und Minho schüttelte genervt den Kopf. Hyunjin hob seinen Oberkörper und schaute sich mein Werk an. Ich war in der Zwischenzeit verstummt und realisierte endlich, dass das nicht hätte passieren dürfen. Blanke Panik schoss in meinen Blutkreislauf und ließ mich aufspringen. Wie ein Kaninchen, auf das geschossen wurde, wollte ich weglaufen. Ich schaffte es zwar um den Tisch herum, wurde aber einen halben Meter dahinter von Chans Armen aufgehalten. "Oh nein. So nicht.", sagte er mit einem leichten Lachen über meinen kläglichen Versuch, zu fliehen. Ich versuchte verzweifelt, seine Arme loszuwerden, da hatte ich auch schon Minho hinter mir stehen, der ebenfalls nach mir griff. "Kitten, du bist verdammt ungezogen.", sagte Minho fast schon herausfordernd. Hyunjin stand auf und hob seinen Blick. Ein dunkler Schatten lag auf seinem Gesicht, als er sagte: "Das hättest du lieber nicht tun sollen.".
___________________________________________________________________________
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro