"Lauf, so schnell du kannst!"
Die ersten Tage in meiner neuen Rolle hatte ich soweit problemlos überstanden. Minho musste wieder arbeiten und es fühlte sich echt komisch an, so lange allein zu sein. Immerhin war ich schlau genug, den Haushalt in der Zeit zu erledigen, wenn er noch unterwegs war. Spaß machte mir das Ganze aber nicht. Es war Freitag, das Wochenende war also in greifbarer Nähe. Ich lies mich auf mein Bett fallen und wollte eine kurze Pause einlegen. Ich musste nur noch in Minhos Zimmer Staub wischen, dann war ich endlich fertig. "Gleich ist Wochenende, Jisung.", redete ich mir selbst motivierend zu. Während ich kurz einfach die Ruhe genoss, dämmerte es mir plötzlich: "Einmal die Woche Großeinsatz in deinem Zimmer (ALLES aufräumen)", war eine der Regeln, der ich mit meiner Unterschrift zugestimmt hatte. Verdammte Scheiße, ich hatte mich schon so gefreut, dass ich gleich fertig war, doch das ruinierte mir meine Laune total. In meinem Zimmer sah es aus, als hätte jemand einfach alle Schränke und Kommoden ausgekippt und anschließend nochmal alles wild durcheinander geworfen. Okay, ich würde das irgendwie hinbekommen. Erstmal machte ich Minhos Zimmer fertig, was zum Glück schnell ging, da es sowieso immer ordentlich war. Es standen außerdem nicht sonderlich viele Möbel darin, sodass ich nur wenig abzustauben hatte. Ein wenig besser ging es mir nun schonmal. Ich leerte den Eimer, den ich fürs Staubwischen benutzt hatte. Das Wasser hätte man genauso gut noch trinken können, wenn man den Geschmack von Putzmittel mochte. Ich räumte alle Sachen wieder dahin, wo ich sie her hatte und ging entschlossen in mein Zimmer. Ich schaute einmal nach links, ich schaute einmal nach rechts. Dann hätte ich am liebsten angefangen zu heulen. Wie sollte ich das jemals schaffen?! Alles lag chaotisch auf dem Boden, was alles unter mein Bett gerutscht war, wollte ich gar nicht wissen. Ich lies mich entmutigt aufs Bett fallen. Ein paar tiefe Atemzüge später, setzte ich mich auf die Bettkante und versuchte mir einen Überblick zu verschaffen. Das meiste waren zerknitterte Kleidungsstücke - sauber und dreckig gemischt. Ansonsten waren da leere Packungen von Süßigkeiten, zu viele Kuscheltiere, wenn man bedachte, dass ich 22 Jahre alt war, Pflegeprodukte und viele Taschentücher aus einsamen Stunden. Ich war genervt von mir selbst, wieso hatte ich das Ganze denn so ausarten lassen? Egal, es würde nicht helfen, sich jetzt über sowas Gedanken zu machen. Ich stand auf, klatschte einmal in die Hände und suchte mir eine Ecke aus, in der ich starten würde. Ich legte alle Kleidungsstücke aufs Bett und versuchte gleich so gut wie möglich zwischen "Muss in die Wäsche" und "Ich glaube, das geht noch" zu unterscheiden. Tatsächlich sah alles nur noch halb so wild aus. Ich stopfte schnell einen großen Haufen Wäsche in die Waschmaschine und stellte sie an. Dann holte ich mir einen Müllbeutel und fing an, spätestens jedes zweite Teil auf dem Boden dort reinzustecken. Ich aß wirklich viele Süßigkeiten, musste ich feststellen. Die Taschentücher fasste ich alle vorsichtig nur an einer Ecke an. Ich hing den Müllbeutel erstmal an meine Türklinke, einen Mülleimer hatte ich hier drin nicht, was sich nun echt als total dämlich bewies. Ich war wirklich begeistert, wie schnell ich doch voran kam. Ich hörte mein Handy surren und warf einen kurzen Blick darauf, wer mich wohl stören würde: "Minho <3". Ich öffnete die Nachricht und wurde nun echt nervös. "Kaufe noch schnell was ein, bin dann so in 20 Minuten zuhause!" , lautete seine Nachricht. Zwanzig Minuten waren nicht viel. Ich musste noch die sauberen Klamotten zusammenlegen und einräumen, mein Bett machen und mich umziehen. Oh man, das würde echt knapp werden. Ich durfte keine Zeit verlieren, ich fing direkt an, hektisch alle Sachen zu falten, die sich auf meinem Bett auftürmten. Ich achtete nicht mehr darauf, was ich über einander stapelte, ich wollte einfach nur das Bett frei kriegen. Ich schleppte schnell einen hohen Stapel zum Schrank rüber und legte ihn schief rein. Egal, der nächste Stapel würde gleich alles abstützen. Es kam, wie es kommen musste und ich riss beide Stapel um. Verdammt! Wie tollpatschig konnte ein Mensch denn nur sein? Egal, Minho würde sowieso nicht in den Schrank schauen, das Bett war erstmal wichtiger. Ich schüttelte schnell Kissen und Decke auf und strich beides glatt. Ein paar meiner großen Kuscheltiere setzte ich noch ans Kopfende, die übrigen reihte ich ordentlich auf meiner Kommode auf. Ich drehte mich um und sah, dass ich es tatsächlich geschafft hatte! Schnell griff ich in meinen Schrank und zog eine Jeans und ein Langarmshirt heraus und eilte rüber ins Badezimmer. Ich machte mich frisch, zog mich an und kämmte meine Haare. Perfekt! Nur noch die dreckige Wäsche in den Wäschekorb legen und ich konnte tief durchatmen. Gerade nochmal gut gegangen.
Ich ging in die Küche und stellte schon mal zwei Tassen unter den Kaffeevollautomaten. Minhos Nachricht hatte ich vor 24 Minuten erhalten, er müsste also gleich da sein. Ich warf einen Blick aus dem Küchenfenster, da sah ich sein Auto auch schon in eine Parklücke fahren. Ich drückte bei der Kaffeemaschine auf 'Start' und begab mich in den Flur. Ich kniete mich auf den Boden und wartete, bis ich Schritte im Flur hören konnte. Ich schob meine Hände auf dem Boden nach vorn und legte meine Stirn auf ihnen ab. Die Wohnungstür ging auf, Minho trat ein und schloss die Tür wieder hinter sich. Sein Schlüssel klimperte, als er ihn in die kleine Schale neben der Haustür legte. Er stellte seine Schuhe ab und zog seinen Mantel aus. "Willkommen zuhause!", begrüßte ich ihn und sah zu ihm herauf, als ich mir sicher war, dass er meine korrekte Begrüßung wahrgenommen hatte. Da stand er und lächelte mich an. Ich nahm ihm die Einkaufstasche ab und fing an, alles ordentlich einzuräumen. "Ich habe uns Kaffee gekocht.", rief ich ihm rüber, da ich nicht merkte, dass er bereits im Türrahmen zur Küche stand. "Ups, ich habe dich gar nicht kommen hören.", entschuldigte ich mich. Endlich sagte er auch mal etwas: "Erstmal das Wichtigste, Ji.". Er tippte sich auf seine gespitzten Lippen, also lief ich ihm freudestrahlend entgegen, um ihm einen langen Kuss zu geben. Er nahm seine Tasse und lies sich auf den Stuhl fallen. Dabei tropfte etwas Kaffee auf den Boden, also schnappte ich mir schnell einen Lappen und wischte es auf. "Braver Schatz!", lobte er mich und das Kribbeln in meinem Bauch legte los. Ich mochte es verdammt gern, wenn er mich so lobte. Ich schaute mich noch einmal um, ob ich irgendwas vergessen hatte, wegzuräumen, dann schnappte auch ich mir meine Tasse und setzte mich auf meinen üblichen Platz neben Minho. "Und? Bist du rechtzeitig mit allem fertig geworden?", fragte er mich, während er mir direkt in die Augen sah. Voller Begeisterung gab ich etwas an: "Ja, alles erledigt! Die Waschmaschine läuft noch, da muss ich mich nachher noch drum kümmern, aber ansonsten ist alles fertig.". Wir nahmen gleichzeitig unsere Tassen hoch, um einen Schluck Kaffee daraus zu schlürfen. "Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mich umsehe, oder?", fragte er mich und irgendwie wurde ich jetzt wieder nervös. Ich überlegte noch einmal schnell, ob ich nicht doch irgendwas vergessen hatte. Auf die Schnelle fiel mir nichts ein... Dann plötzlich: Mein Kleiderschrank. Ruhig bleiben. Er würde da nicht reinsehen. Oder etwa doch? Ach Quatsch, das würde er nicht machen, ich war nur ein bisschen paranoid.
Raum für Raum nahm Minho sich vor. Bisher hatte er nichts auszusetzen. Er schaute sogar nach, ob ich auch hinter den Türen gewischt hatte. Ich verfolgte ihn einfach wortlos durch die Wohnung und betete, dass er nichts finden würde, was ihn störte. Als nächstes stand mein Zimmer bevor. Mein Puls lag bei knapp 300 Schlägen pro Minute. Minho warf mir einen ernsten Blick zu und sagte: "Jetzt bin ich mal gespannt. Dein Zimmer war das letzte mal sauber, als du hier eingezogen bist.", dann öffnete er die Tür und machte große Augen. Als ich das sah, sprang in vor Freude ein paar mal in die Luft. "Habe ich das nicht großartig gemacht?", wollte ich unbedingt wissen. Minho stellte sich in die Mitte des Raums und schaute sich überall um. Er stemmte die Hände in die Seite und grinste mich breit an. Ich lief auf ihn zu und drückte mich freudig wackelnd an ihn. Er nahm mich in den Arm und sagte: "Das hast du wirklich großartig gemacht, Ji!". Ein Kuss auf meine Stirn folgte und ich war überglücklich. Minho lies mich los und streichelte mir noch einmal über die Arme. Ich nahm seine Hand und schlug ihm vor, dass wir uns eine Runde aufs Sofa kuscheln sollten. Er willigte ein und ich war schon auf dem Weg, da sagte er: "Was ist das?". Oh nein, das konnte nicht wahr sein. Ich machte auf dem Hacken kehrt und ging zurück. "Ji, da hängt noch ein Ärmel aus dem Schrank. Legst du den Pullover bitte vernünftig rein?". Völlig regungslos verharrte ich in meiner Position, dann ging ich zum Schrank. Wenn ich die Tür schnell genug wieder zuschlage, würde er vielleicht nichts erkennen können. Ich kniete mich auf den Boden und hatte noch eine bessere Idee: "Geh ruhig schon vor, ich mache das schon.". Es kam keine Antwort. Okay, dann halt doch der erste Plan. Ich zog den Pullover einfach am Ärmel heraus, ohne die Tür zu öffnen. Dann faltete ich ihn in aller Seelenruhe, um den Eindruck zu erwecken, dass es mir sehr wohl wichtig war, wie das Endergebnis aussah. Okay, nur noch zurücklegen, dann hast du es geschafft. Ich zögerte eine Millisekunde zu lang, denn Minho wurde stutzig. "Jetzt mach endlich die Tür auf und leg den Pulli rein, kann doch nicht so schwer sein.". Eigentlich war das auch nicht allzu schwer, aber er durfte ja nicht rausfinden, wie es wirklich hinter der hohen Schranktür aussah. "Brauchst du Hilfe beim Aufmachen?!", drängte er mich erneut. Schnell zog ich die Tür ein Stück auf, warf den Pulli rein und die Tür schlug mit einem lauten Knall zu. "So, jetzt können wir ja endlich!". Ich stand schnell auf und nahm wieder Minhos Hand, um ihn hinter mir her zu ziehen. Der allerdings blieb stehen und drückte meine Hand fest zusammen. "Aufmachen.", sagte er mit Blick auf den Schrank. "Minho, ich hab den Pulli da richtig hingelegt, keine Sorge, komm jetzt." - "Aufmachen.", wiederholte er und ich war mir sicher, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte. Langsam ging ich auf den Schrank zu und sagte: "Werd jetzt nicht sauer, okay?". Ich zog langsam die Schranktür auf und direkt fiel der krumme Stapel Wäsche heraus. Ich schlug mir mit der flachen Hand auf die Stirn. Klar, dass das jetzt wirklich genau so passieren musste. Ich traute mich kaum, einen Blick in Minhos Gesicht zu werfen. Der kam langsam auf mich zu und schaute mit hochgezogener Augenbraue auf die schlampig zusammengelegten Sachen. "Du hast 30 Sekunden Zeit, mir einen guten Grund für das hier zu nennen. Sollte es keinen vernünftigen Grund geben, rate ich dir, dich irgendwo zu verbarrikadieren.", drohte er mir. Ich fing nervös an, einfach irgendeine Ausrede zu erfinden: "Weißt du, ich hatte das alles schon ganz ordentlich zusammengelegt, da...", ich sah, wie Minho die Schnalle seines Gürtels öffnete. "Da...?", forderte er mich zum Weiterreden auf. "Naja, da ... da ... bin ich gestolpert und ...", er zog den Gürtel aus seiner Hose. Ich rannte los. Ich rannte so schnell ich konnte ins Wohnzimmer und sprang aufs Sofa. Sofort schnappte ich mir alle Kissen, die dort lagen und baute sie schützend um mich herum auf. Ich hörte ihn kommen. Ich atmete hektisch und schickte ein Stoßgebet los, was mich hoffentlich vor diesem Mann beschützen könnte. Er lief mit seinem Ledergürtel in der Hand schnurstracks auf mich zu. Ich winselte: "Minho, warte! Bitte! Verzeih mir diesen Ausrutscher!". Ich erwartete keine Gnade von ihm, aber immerhin hatte ich versucht, ihn aufzuhalten. Wutentbrannt zog er ein Kissen nach dem anderen weg und schmiss sie rücksichtslos hinter sich. Je mehr Kissen er wegwarf, desto panischer wurde ich. Das letzte Kissen flog hinter ihn. Nun lag nichts mehr zwischen uns. Mit einem Ruck zog er mich vom Sofa, schmiss mich über seine Schulter und schleppte mich in mein Zimmer. Dort warf er mich aufs Bett, packte meine Handgelenke und drückte sie gegen das metallene Kopfende des Bettes. Er wickelte den Gürtel mehrere male um meine Handgelenke und eine Metallsprosse und steckte das Ende des Gürtels fest unter die Wicklung. Mir war klar, dass ich hier allein nicht rauskommen würde. "Ich gebe dir jetzt eine letzte Chance, mir einen vernünftigen Grund dafür zu nennen.", sagte er, nachdem er sich neben das Bett gestellt hatte. Ich entschied mich, ihm einfach die Wahrheit zu sagen: "Ich habe so lange für alles andere gebraucht, deswegen hatte ich einfach nicht mehr genug Zeit, mein Zimmer zu machen.". Er bewegte sich nicht, er schaute mir nur tief in die Augen und wartete auf mehr, also fuhr ich fort: "Als ich deine Nachricht gelesen hatte, ist mir klar geworden, dass ich es nicht schaffen könnte und ich war so von mir selbst enttäuscht..". Tränen sammelten sich in meinen Augen. Minho bemerkte das, beugte sich über mich und begann den Gürtel von meinen Händen zu lösen. Da rollten mir auch schon die ersten großen Tränen übers Gesicht. Schluchzend fuhr ich fort: "Es tut mir so leid, ich wollte dich wirklich nicht enttäuschen! Ich wollte einfach nur, dass du so richtig stolz auf mich sein kannst!". Minho setzte sich neben mich und zog mich an sich heran. Jetzt musste ich erstrecht heulen. Ich drückte mein Gesicht an ihn und meine Finger krallten sich in seinen Pullover. Ich weinte und weinte, ich konnte mich nicht beruhigen. Minho zog mich wieder auf seinen Schoß und hielt mein glühendheißes Gesicht fest. Er flüsterte mir zu: "Ist schon gut, Ji. Du hast das trotzdem wirklich toll gemacht und ich bin unglaublich stolz auf dich.". Seine ruhige Stimme tat so gut. Ich hatte endlich aufgehört zu schluchzen, als er mit seinem Ärmel vorsichtig die Tränen in meinem Gesicht wegwischte. Er drückte mich ein weiteres mal fest an sich, legte beide Arme um mich herum und sagte: "Du hast mich nicht enttäuscht, du hast dir heute echt alle Mühe gegeben und das sehe ich."
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