"Kann ich zu dir?"
Seit gestern fühlte ich mich wirklich wieder so richtig fit. Ich war echt erstaunt, wie gut die ganzen Medikamente mir geholfen hatten. Ich sollte meinen Mitbewohner bei Gelegenheit unbedingt darum bitten, mir aufzuschreiben, wie genau das ganze Zeug nochmal hieß. Wo ich gerade beim Thema 'Mitbewohner' bin ... Ich gebe es nicht gern zu, aber ich glaube, dass ich mich über die letzten Tage doch etwas in ihn verliebt hatte. Immer, wenn ich ihn sah, fing mein Herz an, schneller zu schlagen. Einmal nachdem er mir meinen Rücken eingerieben hatte, drifteten meine Gedanken in eine ganz andere Richtung, dass jeder sich jetzt denken kann, was ich tat, sobald er aus meinem Zimmer raus war. Eins stand fest: Ich wollte mich auf jeden Fall bei ihm dafür bedanken, dass er sich so lieb um mich gekümmert hatte. Ich schaute aus meiner Tür heraus und rief: "Minho, bist du da?". Aus dem Wohnzimmer hallte eine Antwort: "Ja, ich bin hier, was gibt's?". Ich lief auf Zehenspitzen rüber und fand ihn auf dem Sofa liegend mit einem Magazin in der Hand. Der Mann hatte so einen riesigen Fernseher, benutzte ihn aber einfach nie. Ich setzte mich mit auf das Sofa, schaute ihn an und sagte: "Ich wollte mich noch bei dir dafür bedanken, dass du die letzten Tage so viel für mich getan hast.". Er schaute mir tief in meine Augen, spitzte seine Lippen und tippte mit seinem Zeigefinger ein paar mal darauf. Ich ließ meinen Kopf fallen und lachte leise, was er dann auch tat. Nur zu gern wäre ich seiner Aufforderung wirklich nachgekommen. Ich schaute wieder zu ihm hoch und fragte: "Was kann ich dir Gutes tun, damit mein Gewissen nicht mehr ganz so schlecht ist?". Er überlegte ein Weilchen und sagte dann: "Unser Abend mit den paar Flaschen Wein war doch echt nett, oder? Lass' uns das doch wiederholen. Es soll ungesund sein, allein zu trinken und ich hätte echt mal wieder Lust auf ein Gläschen!" - "Klar, sehr gern! Haben wir noch Wein?", fragte ich. Daraufhin lachte Minho und versicherte mir, dass es hier an vielen Dingen fehlen könnte, jedoch niemals am Wein. "Was hältst du davon, wenn wir Essen bestellen? Ich zahle aber!", schlug ich ihm vor und er nahm dankend an. Wir einigten uns auf 18:00 Uhr und ich verschwand erstmal wieder in meinem Zimmer, wo ich fröhlich weiter auf meiner Konsole spielte. Irgendwie war ich etwas aufgeregt.Um kurz vor sechs ging ich rüber ins Wohnzimmer. Ich war etwas verwundert, dass ich Minho nicht hier antraf. Ich drehte mich um und sah, wie er gerade aus seiner Tür kam. Meine Kinnlade fiel runter, als ich ihn so ansah. Hatte er sich allen Ernstes extra nochmal umgezogen? Und dann so ein Outfit?! Er trug eine schwarze Anzughose, in der nicht eine Falte, geschweige denn auch nur ein Fussel zu finden war. Er hatte ein dunkles, beerenfarbenes Hemd an, an dessen rechten Ärmel er gerade noch den Knopf schloss. Mehrere schmale Ringe zierten seine Finger und er hatte eine Kette aus dunklem Silber um den Hals hängen. Ich schaute an mir runter. Ich hatte eine graue Jogginghose an und ein knapp drei Nummern zu großes Shirt, was schlabbernd an mir runterhing. Bevor ich mich dazu entschließen konnte, mich schnell noch einmal umzuziehen, sah Minho mich und sagte: "Du bist pünktlich, das kann ich ja kaum glauben!". Ich starrte einfach vor mir auf den Boden und fummelte an der Naht meines Shirts rum. "Wollen wir uns was zu essen aussuchen?", fragte er mich und ging an mir vorbei ins Wohnzimmer. Wortlos drehte ich mich um und folgte ihm. Ich kramte mein Handy aus meiner Hosentasche und öffnete die App, über die ich Essen bestellen konnte. Ich hielt es Minho hin und sagte: "Such du was aus, mir ist egal, was wir essen.". Einige Minuten später hielt er mir mein Handy entgegen und sagte lächelnd: "Hier, ich hab' mir was ausgesucht!". Ich schaute nach, wofür er sich entschieden hatte. Es war ein Italiener. Normalerweise bestellte ich mir immer einfach nur eine Pizza. Als ich aber sah, dass Minho sich irgendein edel klingendes Nudelgericht ausgesucht hatte, schaute ich ausnahmsweise auch einmal die Pastagerichte durch. Ich konnte mich überhaupt nicht entscheiden, also tippte ich einfach blind irgendwo drauf und schloss die Bestellung ab. Ich verharrte noch einen Moment und beschloss dann, dass ich mich einfach noch schnell umziehen würde, damit ich nicht den ganzen Abend damit beschäftigt war, darüber zu grübeln, wie schlampig ich im Wohnzimmer neben diesem gut gekleideten Mann saß. "Bin gleich wieder zurück!", entschuldigte ich mich bei Minho und verschwand schnell in meinem Zimmer. Ich musste tief in meinem Schrank wühlen, bis ich etwas gefunden hatte, was für den heutigen Abend geeignet ist. Übertreiben wollte ich nun auch nicht, das hätte ich auch ehrlich gesagt gar nicht gekonnt, da ich auf feine Kleidung jetzt nicht unbedingt Wert legte. Ich entschied mich für eine enge schwarze Hose, ein enges schwarzes Shirt und eine hellbraune Strickjacke mit großen Knöpfen. Ich betrachtete mich kurz im Spiegel und fühlte mich direkt wohler. Im Anschluss ging ich noch ins Badezimmer und kämmte meine Haare einmal schnell durch, dann ging ich wieder ins Wohnzimmer, wo mein Mitbewohner mich mit folgenden Worten begrüßte: "Hey, mein Schätzchen hat sich für mich extra schick gemacht!". Ich schüttelte lächelnd den Kopf, dann setzte ich mich neben ihn aufs Sofa. Unser Essen hatten wir genossen und etwas später holte ich uns eine Flasche Wein aus der Küche, mit dem wir dann anstießen. Wir unterhielten uns über so viele verschiedene Sachen. Ich beschwerte mich über meine Eltern, Minho regte sich über seiner Meinung nach unfähige Mitarbeiter auf. Glas für Glas tranken wir und es blieb natürlich nicht bei nur einer Flasche. Schon ziemlich angetrunken lachten wir einfach irgendwann nur noch über alles. Als Minho mit dem Fuß an der Teppichkante hängenblieb und sich fast lang machte, flossen mir sogar fast Tränen aus den Augen, weil ich mich überhaupt nicht mehr einkriegte. Er ließ sich auf die lange Seite des Sofas fallen und wartete geduldig, bis ich wieder normal atmen konnte. Dann ging unser Gespräch in eine neue Richtung. "Auf was für Männer stehst du eigentlich, Ji?", wollte er von mir wissen. Ich dachte nach und dachte nach und ... dachte noch länger nach. Dann sagte ich "Um ehrlich zu sein habe ich nicht wirklich einen bestimmten Typ, auf den ich stehe. Ich wünsche mir einfach jemanden, der mich so hinnimmt, wie ich bin. Wie sieht es bei dir so aus?" und gab ich die Frage an ihn zurück. "Ich will ja jetzt nicht klingen, wie ein Schleimer, aber du bist schon so ziemlich mein Typ.". Fast hätte ich mich an meinem Wein verschluckt. "Du bist niedlich, unschuldig und ich finde es unglaublich aufregend, wenn ich so darüber nachdenke, dass du noch keine Erfahrungen im Bett gemacht hast.". Bleib cool, Jisung, bleib cool. Einfach ein paar mal durchatmen, dann wird es dir gleich besser gehen. Mein Kopf wurde heiß und mein Gesicht hatte mit Sicherheit dieselbe Farbe, wie die Tomatensauce auf meinen übriggebliebenen Nudeln. "Sorry, war das jetzt etwas zu direkt?", wollte mein Gegenüber von mir wissen. "Nein, alles cool. Ich habe da nur nicht mit gerechnet.". Er nickte und lies den Kopf nach hinten fallen. Mein Blick wanderte seinen schlanken Hals entlang. Er sah so atemberaubend aus, wie er da lag. Ich erinnerte mich daran, über was wir uns beim letzten mal unterhielten, als wir gemeinsam Wein getrunken hatten. Es kostete mich echt eine Menge Überwindung, Minho meine Frage zu stellen, aber meine Neugier war einfach zu groß. "Wieso genau macht es dich so an, einen anderen Menschen zu schlagen?", fragte ich mit Blick auf meine Füße. Minho drehte den Kopf zu mir, kniff ein Auge zu und sagte dann mit ironischem Unterton: "Oh, habe ich dich damit etwa neugierig gemacht?". Tatsächlich hatte er das etwas. Ich sagte ehrlich: "Vielleicht ein bisschen. Aber hauptsächlich will ich den Grund dahinter einfach verstehen.". Er schaute an die Zimmerdecke, atmete ein paar mal stumm ein und aus und sagte dann: "So wirklich erklären, wo es herkommt, kann ich nicht. Was ich aber weiß ist, dass ich es unglaublich gern mag, jemand anderem etwas Gutes zu tun. Und jemand anderen dabei zu sehen, wie er mehr und mehr über sich hinauswächst, ist einfach eines der schönsten Gefühle. Viele Menschen nutzen das Ganze auch tatsächlich, um über ein Trauma hinwegzukommen.". "Jemand soll über sich hinauswachsen, weil du ihn verprügelst?", fragte ich stutzig. "Genau das ist es, was ich letztes mal auch sagte. Es steckt eben mehr dahinter, als blindlinks auf jemanden einzuschlagen. Es geht dabei darum, dem anderen Regeln aufzustellen, die ihm beim Lösen von Problemen helfen.". Ich verstand noch immer nicht ganz, was er meinte, aber ich merkte, dass anscheinend doch ziemlich viel dazugehörte, was mich erstaunte. "Nehmen wir mal an, jemand schafft es einfach nicht, seinen Scheiß wegzuräumen. Warte, vielleicht sollte ich ein anderes Beispiel nehmen, was nicht so sehr auf dich zutrifft.." - "Nein, nein. Ist schon okay. Vielleicht kann ich ja noch was dazu lernen!", versicherte ich ihm, also fuhr er fort: "Es würde die Regel aufgestellt werden, dass zum Beispiel jeden Tag das Zimmer aufgeräumt wird. Hält derjenige sich nicht daran, gibt es eben für den Regelverstoß eine Bestrafung.". Ich ging kurz in mich und sagte: "Also eine auf den Arsch.". Minho schmunzelte und legte beide Hände auf seine Augen. "Ja, das auch. Aber da kann es noch so viele andere Dinge geben. Handyverbot, in die Ecke geschickt werden, Schreibaufgaben, Orgasmusverbot... Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, solange beide damit einverstanden sind.". Ich wiederholte ungläubig den letzten Punkt: "Orgasmusverbot?". Minho nahm die Hände vom Gesicht und drehte seinen Kopf zu mir: "Naja, überleg doch mal, wie fies das ist, wenn jemand an dir rumspielt, du aber den Höhepunkt unterdrücken musst." Schon verstand ich das Ganze. "Aber woher weiß ich denn, was der andere will?" - "Da hilft wohl nur reden und ausprobieren.". Ich ließ mich zur Seite fallen und mein Gesicht lag plötzlich viel näher an Minhos, als es geplant war. Vorsichtig schob er eine Haarsträhne von meiner Stirn, die mir fast ins Auge hing. "Aber woher weißt du, dass es für den anderen schön ist?", fragte ich direkt im Anschluss. Das Thema wollte mir irgendwie keine Ruhe lassen. "Auch da hilft nur reden und ausprobieren. Man muss erstmal für sich selbst rausfinden, was man aushält. Für alle Fälle gibt es aber ein sogenanntes Safeword. Wenn das ausgesprochen wird, wird sofort alles abgebrochen, was man tut.". "Safeword? Würde doch reichen, wenn man einfach 'Nein' oder 'Stopp' sagt!", entgegnete ich ihm verdutzt. "Das könnte man tun, aber was ist, wenn jemand es gern mag, 'Nein' zu sagen, sich dann aber darüber hinweg gesetzt wird? Wie wüsstest du, dass das 'Nein' dieses mal eben wirklich 'Nein' bedeutet, wenn es die zwanzig male davor 'Ja' bedeutete?". Ich überlegte. Die Sachen, die er sagte, ergaben alle Sinn. Ich verstand zwar noch immer nicht ganz, was genau daran jetzt geil sein sollte, sich irgendwelche Regeln aufstellen zu lassen, aber nun gut. Ich musste vielleicht nicht sofort alles kapieren. Das Thema ging noch etwas länger zwischen uns hin und her und ich saugte alle Infos auf wie ein Schwamm. Gegen 2:00 Uhr morgens beschlossen Minho und ich dann langsam ins Bett zu gehen. Ich machte mich zuerst im Bad für die Nacht fertig und legte mich in mein wohlig warmes Bett. Es dauerte gerade mal ein paar Minuten, da war ich schon direkt eingeschlafen.
Ich schreckte hoch und saß aufrecht in meinem Bett. Schweißgebadet und völlig außer Atem, realisierte ich nur schwer, dass ich wieder in der wirklichen Welt war. Tränen liefen mir über die Wangen und ich fing laut an zu schluchzen. Ich hatte einen grausamen Alptraum, ich konnte mich überhaupt nicht mehr beruhigen. Irgendwas hatte mich verfolgt und wollte mich umbringen. Das klingt so bescheuert, wenn man das erzählt. Fest stand, dass ich unglaubliche Angst hatte. Schnell schaltete ich das Nachtlicht an, was auf dem kleinen, unordentlichen Tischchen neben meinem Bett stand. Noch immer rollten neue Tränen über meine Wangen und das Atmen fiel mir schwer. Nervös sprang ich aus dem Bett und lief ein paar mal in meinem Zimmer auf und ab. Wieso konnte ich mich nicht beruhigen? Ich wollte einfach nur, dass mich jemand in den Arm nimmt und mir sagt, dass alles in Ordnung ist. Ich hielt es nicht mehr allein in meinem Zimmer aus. Ich war vollkommen verzweifelt und wusste einfach nicht weiter. Was ich anschließend tat, war mir zwar wirklich unangenehm, aber ich wollte keinesfalls weiterhin allein hier in meinem Zimmer bleiben. Ich ging raus auf den Flur, lief an der Küche vorbei und ging zu Minhos Tür. Vorsichtig klopfte ich ein paar mal dagegen und sagte durch die verschlossenen Tür: "Minho... bist... bist du noch wach?". Meine Stimme zitterte, genau wie der Rest meines Körpers. Dann endlich antwortete er mir: "Ji? Was ist los?" - "Kann...kann ich reinkommen?", fragte ich und wartete seine Antwort ab. "Ja, komm rein.". Sofort riss ich die Tür auf. Im Zimmer war es vollkommen dunkel und ich konnte fast nichts erkennen. Ich schluchzte noch einmal leise, bevor ich meinen ganzen Mut zusammennahm und erklärte: "Ich hatte einen Alptraum!". Ein paar Sekunden später hörte ich, wie Minho sich unter seiner Decke bewegte. "Komm zu mir ins Bett, du kannst hier pennen.". Ohne zu zögern schloss ich die Tür hinter mir und ging auf den kantigen Schatten los, von dem das Geräusch der sich bewegenden Bettdecke kam. Schnell legte ich mich in das scheinbar riesige Bett. "Ich hab meine Decke vergessen", schluchzte ich, da wurde ich auch schon an jemanden herangezogen. Ein leises Winseln kam aus mir heraus, dann lies ich mich aber einfach dahinziehen. Minho schlug die Decke über mich drüber und legte seinen Arm um mich. "Alles gut, hier passen auch zwei Leute drunter." Tatsächlich hatte ich mich in wenigen Sekunden vollkommen beruhigt. Ich jappste zwar noch ein, zweimal, danach war ich aber sicher, dass alles in Ordnung sein musste. Das Bett war so warm, genau wie Minhos Körper. Ein leises "Danke." kam aus mir heraus. Minho strich mir behutsam ein paar mal über den Kopf, dann sagte er: "Kein Problem. Ist irgendwie schön, jemand neben sich zu haben." Ich dachte noch ein wenig darüber nach, dass er damit absolut recht hatte, dann schlief ich fest ein.
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