3. Kapitel
Nachdem wir den Eingangsbereich durchquert hatten, gingen wir in den Besprechungsraum. Dort sah ich meine Kollegen in einer Reihe auf dem Betonboden knien. Der Besprechungstisch war an die Seite geschoben worden. Alle hatten die Hände auf dem Rücken, manche waren geknebelt und viele hatten Kampfspuren am Körper. Es war ein surrealer Anblick. Ein Teil von ihnen war schon lange in der Armee und hatte viel Erfahrung. Sie so wehr- und machtlos zu sehen, versetzte mir einen Stich. Ich versuchte die Schuld nicht bei mir zu suchen. Sie wussten von dem Bunker. So oder so wären sie hineingekommen. Mein Zutun hatte lediglich die Opferzahlen auf null gesenkt. Würden die Rebellen allerdings ihr Wort halten und uns unversehrt lassen?
Am Ende der Reihe wurde mir befohlen mich hinzuknien. Marshall wurde in der Mitte zwischengeschoben. Zu allem Übel hatten sie mich neben Lennox positioniert.
Um uns herum waren mindestens ebenfalls zwanzig Rebellen, bis an die Zähne bewaffnet. Das Narbengesicht hatte sich vor allen aufgebaut und räusperte sich laut.
„Meine Herren, wir heißen uns bei euch selbst Willkommen. Wir übernehmen eure kleine Anlage hier für unser Zwecke. Uns von der Befreiungsfront kennt man zwar bei euch unter 'die Rebellen', aber ihr könnt mich Scar nennen. Mein muskulöser Kollege ist Arlo. Wir sind eure Ansprechpartner, wobei der Großteil mit uns nichts zu tun haben wird. Wenn niemand den Helden spielt, muss auch nichts passieren und am Ende dieser Misere bleibt jeder am Leben. Es wartet dann zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit Kriegsgefangenschaft auf euch, aber ich versichere euch, dass wir im Gegensatz zu euch human sind. So viel dazu. Der Reihe nach darf sich jetzt jeder mit Namen, Alter und Rang vorstellen."
Mit viel Widerwillen wurde den Anweisungen Folge geleistet. Für die geknebelten antwortete unser Führungsoffizier, der mittlerweile mit freien Händen neben Scar stand. Vielleicht auf Verhandlungsposition? Kapitulation austarieren?
„Lennox Winters, fünfundzwanzig, Corporal", zischte es neben mir wütend.
„Winters, so wie in Colonel Winters?", hakte Arlo nach.
Lennox setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf und nickte stolz. Idiot. Er wusste doch selbst, wie verhasst und berüchtigt dieser Name war.
„Sieht so aus, als hätten wir Prominenz hier. Der Sohn des alten Sadisten Winters. Für dich finden wir bestimmt noch was Schönes. Soll ja in der Familie bleiben und Rache wird bekanntlich heiß serviert."
Ich presste schmerzhaft meine Zähne aufeinander. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es aufflog. Scar musterte uns beide auffällig lange. Zu lange. Ach fuck.
„Ihr seht euch ziemlich ähnlich, Winters und Stokes."
Mein Führungsoffizier Captain Coringham nickte und fügte hinzu: „Halbgeschwister. Beide den gleichen Vater, unterschiedliche Mütter." Als hätte er nicht einmal in seinem verdammten Leben lügen können.
„Davon hast du mir nichts erzählt, Bürschlein. Dann haben wir ja zwei tolle Geiseln."
Lennox lachte laut auf. „Mit mir, ja. Felix? Bei dem ist es egal, der zählt nicht."
„Ihr seid beide die jüngsten hier?", fragte Arlo und ignorierte den Wichtigtuer neben mir. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Coringham nickte. „Wenn etwas ist, wenden wir uns gleich an eure Welpen. Vielleicht wollt ihr die Kinder noch eher schützen. Also, ihr beide, ihr seid heiße Kandidaten für eine gepflegte Exekution. Merkt euch das."
„Trau dich. In einem eins zu eins ziehst du den Kürzeren", entgegnete Lennox.
„Halt die Fresse Lennox", zischte ich angespannt, bevor irgendein Rebell etwas antworten konnte. „Die sind am längeren Hebel. Kannst du nicht einmal an dich halten?"
„Ist nicht jeder so ein Weichei Pazifist wie du, Hohlbirne", erwiderte mein Halbbruder. Wenn er die Chance gehabt hätte, wäre mir ein bestimmter Klaps auf den Hinterkopf sicher gewesen.
„Ach schön, da können sich ja zwei besonders gut leiden", kommentierte Scar diesen ungeplanten Schlagabtausch. „Okay, es geht weiter wie folgt. Alle, die nicht benötigt werden, kommen auf ihre Zimmer, in welchen ihr verweilt, bis wir etwas anderes sagen. Mit persönlicher Leibwache. So ein Service von uns aber auch."
Im nächsten Moment wurden wir Fußsoldaten der Reihe nach in die Höhe gezogen und aus dem Raum geführt. Meine Arme brannten mittlerweile und schmerzten unheimlich. Diese Zwangsstellung tat ziemlich weh und ich hoffte bald auf unsere Freilassung. Irgendetwas in mir sagte jedoch, dass ich da noch lange warten konnte.
Lennox und ich wurden jeweils von einem Aufständischen am Arm gepackt, bis wir unser Zimmer erreicht hatten. Dort hatte man uns unsanft in Richtung Heizkörper geschubst und dort an jeweils einem Rohr Teil festgebunden. Als sie mit ihrer Arbeit zufrieden waren, ließen sie uns zurück. Ich zog und zerrte, doch mehr als schmerzhaftes Einschneiden bekam ich nicht zustande. Resigniert lehnte ich meinen Kopf zurück. Hätte ich Hände frei, wäre ich mir durch die Stoppeln meiner braunen Haare gefahren. Ich schloss meine Augen und versuchte einen Moment Ruhe zu bekommen.
Neben mir wand sich Lennox immer wieder auf dem Fleck und sah angestrengt aus.
„Kannst du nicht mal ruhig sein? Ich muss nachdenken", flüsterte ich.
„Da bin ich dir gut was voraus, du Schwachmat", antwortete er. Ich schenkte ihm einen geringschätzigen Blick, musste aber neidvoll erkennen, dass er im nächsten Moment die Hände frei hatte. Er stand auf und rieb sich die schmerzenden Handgelenke. Wenn ich ihn so betrachtete, fiel mir immer wieder auf, wie unglaublich ähnlich wir uns sahen. Wäre er nicht drei Jahre älter, fünf Zentimeter größer und blond, könnte man uns für Zwillinge halten. Eine Tatsache, die wir beide nicht gerne hörten und mir so manches Unbehagen eingebracht hatte. Ich sah ihn bewundernd an.
„Wie hast du das gemacht?", fragte ich verblüfft.
Er grinste mich überlegen an. „Weißt du noch, dass eine Mal, als du mir auf den Sack gegangen bist? Ach warte, dass schränkt es ja nicht gerade ein. Du bist immer nervig. Als du mich auf die Duschzeiten hingewiesen hast?"
Wie konnte ich das vergessen? „Und du mich freundlich an die Wand gedrückt und mir die Luftröhre abgedrückt hast, bis ich bewusstlos wurde? Und mich dann ins Bett gelegt hast, halbnackt, weil du das für eine witzigen Scherz hieltest?", erinnerte ich ihn. Schon bei dem Gedanken schnürte sich mir die Brust erneut zu. Es war eiskalt gewesen im Zimmer und ich hatte die nächste Woche einen fiesen Schnupfen gehabt mit sehr schmerzhaften Halsschmerzen.
„Ja, und vorher hatte ich dich mit meinem Messer abgeworfen, dass scheppernd hinter dem Heizkörper zu Boden ging. Tada." Er zeigte auf den Boden neben dem durchtrennten Seil.
Ich nickte. Dann waren seine Gemeinheiten ausnahmsweise mal zu etwas gut. Dann nahm er wieder das Messer in die Hand und legte es auf seinem Bett ab, streckte sich in aller Seelenruhe.
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