Elftes Kapitel...
...in dem eine Menge Dinge in Flammen aufgehen und noch mehr Menschen sterben
{Soundtracks: Hans Zimmer - He's Killed the Dog Again aus dem Sherlock Holmes OST
https://youtu.be/_dsAZFS8WRg
und Hans Zimmer - The Red Book aus dem Sherlock Holmes: Spiel im Schatten OST. Ich weiß, es ist sehr viel Sherlock Holmes-Soundtrack in diesem Buch, doch, bei den Unheiligen, nichts passt besser.}
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Ich trat vor, die Donnerbüchse bereit, und erblickte die Männer in Durenskys Uniformen. Blut ergoss sich über die Stufen, tropfte siehinab wie ein makabrer Wasserfall. Bäuche waren aufgeschlitzt worden, gerade so sehr, dass es Tage brauchen würde, bis sie sterben würden. Augenhöhlen blickten verschmiert mit Blut und Gallerte ins Leere, Krallenspuren durchkreuzten Gesichter. Blutspuren an den Wänden zeigten, wo die Banshee Köpfe gegen die Wand gestoßen hatte, ein Soldat lag mit einer blutigen Masse statt einem Kopf zwischen einem, dessen Fuß fehlte, und einem zweiten, dessen gebrochene Rippen sich spitz gegen seine Haut drückten. Etwas Weiches gab unter meiner Pranke nach, und ich blickte zu Boden. Behandschuhte Finger ragten unter meinem Stiefel hervor, und ich stellte angewidert meinen Fuß daneben. Der Mann, zu dem sie gehörte, hielt sich wimmernd den Stumpf und starrte uns entsetzt entgegen, bis Grimault ihm in den Kopf schoss. Warren betrachtete einen Moment lang das Massaker, dann wandte er den Blick ab. Ich schluckte ein wenig angeekelt.
Sim wandte sich um, drängte sich an mir vorbei und hielt Valentinaauf, bevor sie die Verletzten sehen konnte. „Miss Alderberry. Schließen Sie die Augen. Halten Sie sie geschlossen, egal, was geschieht, öffnen Sie sie nicht."
„Ich muss nicht beschützt werden", fuhr sie ihn an.
„Glauben Sie mir, das wollen Sie nicht sehen." Er sah sich hektisch um. „Ich trage Sie die Stufen hinauf."
„Sie sind verletzt, Master Blacat", wollte sie einwenden, doch er wischte ihre Worte beiseite.
„Keine Widerrede", wehrte er angespannt ab. Sie gab nach und ließ sich von ihm auf den Arm nehmen wie eine Braut des Todes von ihrem blutverschmierten Ehemann. Stufe für Stufe schleppte er sich die nassen Treppen hinauf, als wären sie auf dem Weg zu einem romantischen Stelldichein. Für einen albernen Moment lang überlegte ich, ob er es wohl genoss, sie zu beschützen, doch sein schmerzverzerrtes Gesicht verriet mir, dass dem mitnichten so war. Valentina öffnete ein Auge und schloss es sofort wieder, angewiderte Verzweiflung verzerrte ihre Züge.
Auf der obersten Stufe stand die Banshee, den Kopf erhoben, erhaben und beinahe edel, umwallt von ihrer Mähne und den Funken ihrer Laternen. Ich fühlte mich an das Standbild des König Schellen in der Kapelle des Todes erinnert.
Das Labor war leer, doch kaum trat Grimault aus dem Gang, peitschte ihm ein Schuss entgegen, und er rettete sich hastig wieder in den Gang. Weitere Schüsse ertönten, erste Chemikalien tropften vom Regal und kamen zischend auf dem Boden auf. Ein stechender Geruch breitete sich aus.
„Gasmasken auf", befahl Grimault. „Nehmt euch ein paar Waffen. Warren, eine Granate."
Immer noch mit geschlossenen Augen ließ Valentina sich absetzen und tastete nach ihrer Maske. Sim und die anderen taten es ihr gleich, während Warren Grimaults Befehle ausführte und ihm eine Bombe in die Hand drückte.
Als die Soldaten erneut feuerten, kam mir eine Idee. Ich nahm eine der Blendgranaten vom Gürtel. „Gebt mir Feuerschutz. Wenn ich die Bombe werfe, wendet euch ab", wies ich Grimault an, obwohl es mir beinahe widerstrebte, ihm Befehle zu erteilen, und an seinem säuerlichen Gesichtsausdruck erkannte ich, dass es ihm zuwider war, meine Befehle auch anzunehmen. Dennoch hoben er und Warren die blutigen Maschinengewehre, die der Kojote den Toten abgenommen hatte.
Ich stürmte voran und warf die Granate. Bevor sie aufprallen konnte, rettete ich mich hinter einen Ecke, bedeckte meine Ohren und kniff die Augen zu. Der Knall schien mich von den Füßen reißen zu wollen, das Licht ließ mein Blickfeld rot erleuchten. Schnell wandte ich mich um, bevor die Soldaten sich erholten, aktivierte das Hex und zog die Schwerter.
Die ersten hoben bereits taumelnd ihre Waffen, schwankend und desorientiert, doch so leise ich konnte, schlich ich um sie herum und tötete einen nach dem anderen. Ein Schuss streifte meine Seite, als neben mir eine Leiche zu Boden fiel, und ich riss die Armbrust hoch. Der Pfeil durchschlug die Stirn des Mannes, und er sackte in sich zusammen.
Erneut erklang ein Schuss, und der letzte Mann fiel. Ein Donnern folgte, eine Feuerblume explodierte dort, wo der Gang hinab ins geheime Labor geführt hatte. Grimault führte Valentina, Sim, der seine rauchende Waffe senkte, und Warren auf mich zu, die Banshee lief mit geschmeidigen Schritten neben ihnen her wie ein grausames Haustier.
Knapp winkte der Erste Offizier mich zu sich, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. „Blacat, Herrera, voran. Wir decken euch den Rücken. Eigentlich war es vorgesehen, dass wir nicht bemerkt werden, doch das können wir nun vergessen. Wir müssen aus der Fabrik verschwinden und die Odybreva erreichen, bevor sie uns töten."
Ich wischte mir fahrig das Blut aus dem Gesicht und deaktivierte das Hex. Immer noch brannte es durch meine Adern.
Valentina warf einen Blick auf die Banshee neben sich und sprach das Wort, das ihren Rückzug befahl.
Doch die Göttin verschwand nicht. Sie hielt einmal kurz in ihrem Lauf inne, wie ein Raubtier, das eine Witterung vernahm, und warf Valentina einen schnellen Blick aus ihren leeren Augen zu, doch sie bleib, wo sie war.
Ich erstarrte und hielt meine Schwerter bereit. Grimault, Sim und Warren hoben ihre Waffen. Valentina starrte die Banshee an, sie erwiderte es ungerührt.
Die Canwy Roch umklammerte mit zitternden Händen das Amulett. Mit schneidender Stimme wiederholte sie das Wort.
Die Banshee verzog die Lefzen zu etwas, was beinahe ein drohendes Lächeln zu sein schien, Funken glühten in den schwarzen Tiefen ihrer Mähne. Ich ließ das Schwert in der Hand wirbeln und spürte meinen Herzschlag in meinem Hals. Warrens Gewehr klickte leise, als er das Gewicht verlagerte.
Mit einem Peitschen ihres Schwanzes sprang die Banshee auf Valentina zu, elegant wie eine Katze, und verbarg sich hinter ihr. Ihre Gestalt schwand, bis sie kaum mehr zu sehen war, die letzten Funken verblassten zu Asche.
Valentina stieß Luft aus und löste langsam die Finger um das Amulett. Schweigend ließen wir die Waffen sinken. Ich lachte freudlos auf, ein Geräusch voller Erleichterung. Valentina lächelte spröde und ängstlich.
Sim warf einen schnellen Blick aus einem der schmutzigen Fenster. „Wenn wir der Banshee nicht noch ein Massaker befehlen wollen, werden wir es nie aus der Fabrik schaffen. Die Armee der Stadt ist in Aufruhr." Er wischte ein wenig Dreck fort und blickte durch die Scheibe. „Luftschiffe steigen aus dem Westen der Stadt auf."
Durenskys fliegende Bestien aus Stahl, angetrieben von Feuer. Ich hatte seit jeher die Vermutung gehabt, dass der Vampirlord mich mit ebenjenen Schiffen vom Himmel geschossen hatte. Und ich hatte immer, wenn ich eines dieser Ungeheuer am Horizont gesehen hatte, das Verlangen gehabt, eines von ihnen zu steuern. „Werden diese Schiffe auch in dieser Fabrik hergestellt?"
Sim nickte. „Eine der Werften ist Vangrir I."
„Dann gehen wir dorthin. Wir stehlen ein Schiff und schießen uns einen Weg frei."
„Sie werden uns verfolgen und aufhalten. Die Werften sind schwer bewacht", hielt Grimault dagegen. „Wir halten uns an den Plan." Angespannt blickte er hinaus in die dunkle Stadt. „Wenn wir es überleben."
„Sie suchen uns hier, nicht bei den Werften. Alle Soldaten strömen zu dieser Fabrik. Während sie weg sind, holen wir uns eines der Schiffe und hauen ab", wandte ich ein, bemüht, nicht allzu aufgeregt zu klingen. Doch allein der Gedanke an die Luftschiffe Durenskys ließen mich vor Vorfreude zittern.
„Und wie sollen wir es zu Vangrir I schaffen?" Er gestikulierte aus dem Fenster. „Sie reißen uns in Stücke, sobald wir dieses Gebäude verlassen!"
„Die Banshee...", begann ich, doch Valentina schnitt mir das Wort ab.
„Nein. Ich lasse ihr nicht noch mehr Freiheiten. Ihr habt gesehen, was gerade geschehen ist." Mit bebenden Händen band sie ihre Haare neu zusammen. „Sie ist stärker geworden. Ich kann sie nicht mehr lange zurückhalten."
Ich seufzte und suchte fieberhaft nach einem anderen Weg. Dann fiel mir etwas ein. „Wir jagen das Lager in die Luft. Das Chaos gibt uns genug Zeit."
Grimault lachte, ein Geräusch ohne Freude und voller Verzweiflung über so viel Dummheit. „Und wie willst du das Lager sprengen, ohne selbst zu sterben?"
„Jemand muss einen Sprengsatz ins Lager werfen." Grimault warf mir einen ungläubigen Blick zu. „Und dann fortlaufen, solange er es noch kann."
Der Steinbock verschränkte die Arme. „Dieser Jemand sollte der Schnellste von uns sein. Jemand, der weder schwer verletzt ist noch über die Macht einer Göttin verfügt. Vorzugsweise jemand, dessen Irrsinn der Grund für diese hanebüchene Idee ist und dessen magisch verstärkte Schnelligkeit ihm die sichere Flucht ermöglicht." Er blickte mich erwartungsvoll an, in der Gewissheit, ich würde ablehnen, mich derart in Gefahr zu bringen.
Doch ich tat ihm den Gefallen nicht. Der Gedanke, am Steuer eines Panzerschiffs zu stehen, ließ mich alle Achtung in den Wind werfen. Ich atmete tief durch. „Ich werde es tun", sagte ich zuversichtlich.
„Bist du dir sicher?"
„Aye."
„Du wirst auf dich allein gestellt sein."
„Aye", bestätigte ich und hoffte, er würde nicht weiter nachfragen, bevor mein Verstand zurückkam. „Wie lauten deine Befehle, Grimault?"
Der Steinbock verzog verächtlich und zugleich fast anerkennend die Lippen. „Blacat, Sie führen uns zu einem sicheren Ort, so nahe an Vangrir I heran wir nur möglich."
Sim nickte. „Eine Wachstube neben der Werft. Da nun alle in Aufruhr sind, dürfte sie leer sein."
Grimault nickte knapp. „Herrera, du wirst sie von uns ablenken und dann abwarten, bis wir die Wachstube erreicht haben. Dann sprengst du das Lager. Verstanden?"
Ich nickte grimmig.
„Schön. Vorwärts!", befahl Grimault.
Ohne auf weitere Befehle zu warten, wirbelte ich herum und rannte zu dem Treppenhaus, das ich neben der Tür zum Entwicklungslabor gesehen hatte. Flammen und giftiger Rauch schlugen mir entgegen, doch ich presste ein Tuch auf Mund und Nase und lief weiter, die Treppen hinauf, bis ich das Dach erreicht hatte.
Stinkende Luft schlug mir entgegen, doch nach dem chemischen Qualm, der mich die Stufen hinauf verfolgt hatte, war es eine Wohltat. Dünner, grauer Regen peitschte mir ins Gesicht. Unter mir ergoss sich die Stadt wie der Dreck aus einem umgestoßenen Eimer Schlacke. Hunderte Bewaffnete strömten aus Kasernen innerhalb des Geländes der Vangrir-Fabriken auf Vangrir III zu. Die Werft war ein weiterer, gigantischer Klotz aus Backsteinen, dem Eingang der Gießerei, durch die wir eingestiegen waren, gegenüber. Ich konnte ahnen, dass Grimault und die anderen im diesem Moment auf dem Weg dorthin waren.
Zeit, ein wenig Chaos zu verbreiten. Ich stolzierte zum Rand des Dachs und warf eine Granate in die Menge aus Wachen, die sich darunter gebildet hatte, die Maschinengewehre auf den Eingang gerichtet. Sie explodierten in einer Feuerblume, die Gewehre der Überlebenden wandten sich gen Himmel, Kugeln durchschnitten die Luft vor mir, und ich warf mich flach zu Boden.
In der Ferne flatterte eine Plane im lauwarmen, schmutzigen Wind, ein Kanonenrohr war für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen, und mir kam eine zweite, erstaunlich törichte, doch zugleich großartig gefährliche Idee. Ich wartete ab, bis weitere Soldaten sich unterhalb meiner Position sammelten, nun in respektvollem Abstand. Ich warf erneut meine Granate, dann duckte ich mich hinter die Schornsteine, hüllte mich in meinen Mantel, und verschmolz mit den Schatten.
Das Hex glühte auf, als ich es erneut aktivierte, und die Hitze des Serums pulsierte durch meine Adern. Ich atmete tief ein, dann wieder aus, und rannte. Die Entfernung bis zum Ende des Dachs schmolz zu einem einzigen Sprung zusammen, das Feuer in meinen Adern verlieh mir eine Kraft, der wohl auch die Banshee nichts entgegenzusetzen hatte.
Ich ließ mich auf das Dach des niedrigen Verwaltungsgebäudes neben der Gießerei fallen und rollte mich ab. Schnell verbarg ich mich in den Schatten und wartete den Trupp Soldaten ab, der an mir vorbei zum Eingang des Lagers rannte.
Erneut lief ich von Waggon zu Waggon, aus einem Flecken Dunkelheit zum nächsten. Nun, da ich ebendiese Strecke bereits auf dem Weg hinein gegangen war, kamen mir die Verstecke vor wie alte Freunde. Oder eher wie jene Sorte alte Freunde, die einen verriet, wenn sie sich am meisten davon versprachen.
Ein Ruf und erste fliegende Kugeln erinnerten mich daran, dass die Wachen nun weit aufmerksamer waren als zuvor, in der feuchtkalten Stille der Nacht von Ashenfall, bevor die Wachen der Gießerei die erste Salve abfeuerten. Blei flog an mir vorbei, streiften mein Fell, doch ich spürte sie kaum. Das Serum verbannte jedes Gefühl aus meinen Gliedern, nur den gierigen, hungrigen Zorn, der mich ergriff, als sich meine Klingen durch die Körper der Wachen fraßen.
Unter meinen Füßen glänzten die Schienen der Waggons im Licht der Gaslampen. Ich schlitzte einen weiteren Mann von der Hüfte bis zur Kehle auf, während ich den Kernsplitter an meiner rechten Hand mit der Magie des Hex vollsog. Blaue Blitze tanzten um die stumpf messingfarbenen Krallen, es roch stechend nach Ozon. Ein Summen klang an meine Ohren und ließ mich zittern vor der Stärke der Energie, die ich dort sammelte. Jedes einzelne meiner Haare schien die Macht zu spüren.
Ich presste meine Hand auf die Schiene neben meinem Knie und entfesselte die Energie. Zuckend gingen einige der Männer zu Boden, Kugeln flackerten in alle Richtungen, als sie ihre Muskeln anspannten und dabei die Abzüge drückten. Nicht weit entfernt sah ich die Haubitze, die ich angesteuert hatte, ein wenig abseits, gerade so weit außen, dass sie auf das Lager wies, wenn es mir gelang, sie zu drehen.
Ich wich ein paar Kugeln aus, tötete die Schützen und lief zu dem Geschütz. Hektisch duckte ich mich hinter das gewaltige Rohr, die Projektile klimperten laut gegen das Metall des Schutzschildes. Im Schutze der Plane öffnete ich die Kiste, die neben der Haubitze stand, stemmte das Geschoss ins Rohr, und versuchte, im Dämmerlicht die Funktionsweise zu erkennen. Ein wenig ratlos drehte ich an den Hebeln, Druck baute sich auf, etwas zischte bedrohlich, und ich drehte das Geschütz so weit, bis es auf das Lager wies. Hinter mir zerrissen die Kugeln die Plane, und ich duckte mich tiefer unter den Stahl. Alles in mir schrie danach, die Flucht zu ergreifen, und zugleich konnte ich das Feuerwerk kaum erwarten.
Die Anzeige neben dem Abzug rutschte in den roten Bereich, und ich sah meine Chance. Entschlossen feuerte ich.
Der Schlag der Kanone wurde vom brüllenden Donnern des explodierenden Lagers übertönt. Die Welt verschwand in rotem Licht, Feuer wälzte sich über die Fabrik hinweg. Der Boden erglühte unter den Flammen, wellte sich und brach. Mein Atem schien zu kochen und zugleich konnte ich nicht Luft holen, so heiß war sie. Die Druckwelle packte mich und schleuderte mich in die Luft, als wäre ich nichts weiter als eine Stoffpuppe und warf mich zwischen den Waggons zu Boden.
Ich rollte mich ab, der Asphalt schien mir die Haut vom Leib reißen zu wollen, und blieb ermattet liegen. Schwärze tanzte vor meinen Augen, Metall auf meiner Zunge. In meinen Ohren klingelte es, die Schläge, mit denen die Backsteine der Fabrik um mich zu Boden fielen, kamen mir erstaunlich leise vor. Mit einem Krachen landete das Rohr einer Haubitze neben mir, kaum mehr als ein dumpfes Dröhnen. Heftig blinzelte ich mir den Steinstaub und die Asche aus den Augen
Unbeteiligt bemerkte ich, dass meine Hosen brannten, und ich schlug die Flammen nachlässig aus. Asche, Leichen und undefinierbare Fetzen regneten zu Boden. Feuer griff nach dem Himmel und färbte die kalte graue Einöde, die Ashenfall war, orangefarben. Beinahe fand ich es wunderschön. So schön wie den Absturz der Dragon's Pride.
Der Umriss eines Luftschiffs, der sich in die brennenden Wolken schob, erinnerte mich daran, warum ich hier war. Taumelnd erhob ich mich und schwankte benommen dorthin, wo ich die Wachstube vermutete. Still hoffte ich, die anderen mochten noch am Leben sein.
Ein Soldat stellte sich mir in den Weg, ebenso benebelt wie ich, und ich jagte ihm die Blitze des Hex in den Körper. Mein Atem rasselte in meiner Kehle. Ich wagte es kaum, nachzusehen, wie schwer ich verletzt war. Ich humpelte, das spürte ich, und meine Seite fühlte sich anders an als sonst. Mein Hex pfiff, ein Geräusch, das wohl durchdringend und widerwärtig sein musste, doch so hörte es sich nur an, als flötete jemand in weiter Ferne einen einzelnen, hellen Ton. Abwesend deaktivierte ich es, und die fehlende Magie ließ mich beinahe zusammenbrechen. Doch das Pfeifen verschwand.
Schritt für Schritt schleppte ich mich voran, durch die Einöde, die meine Explosion verursacht hatte. Glas klirrte unter meinen Füßen, Backsteinstaub knirschte bei jedem meiner Schritte. Ich atmete tief durch, Asche fuhr in meine Lunge, und mein Husten schickte einen reißenden Schmerz durch meine Seite. Fahrig legte ich meine Hand auf die Stelle, und rote Feuchtigkeit blieb an meinen Fingern kleben. Unbeteiligt ließ ich die Hand wieder sinken und trat auf die Wachstube zu. Weiße Schrift an der Fabrikmauer über dem kleinen Gebäude verkündete etwas in die Nacht.
„Stehen bleiben!", keuchte jemand hinter mir, und ich vernahm das Klicken einer Waffe.
Es dauerte einen Moment, bis ich verstand, was er wollte, und erstarrte dann in der Bewegung. Meine Gedanken waren langsam wie eine in die Jahre gekommene Maschine. Verdammt, genau das waren sie auch.
„Hände hoch! Auf die Knie!"
Hinter den angelaufenen Fenstern der Stube konnte ich eine Gestalt erkennen. Dann eine zweite, mit einem langen, gebogenen Horn. Erschöpft ließ ich mich zu Boden fallen, fast glücklich darüber, was der Mann von mir verlangte. Ich schloss die Augen und atmete tief durch, dann hob ich die Hände. Meine Gedanken schienen sich aus ihrer benommenen Blockierung zu lösen und fischten nach einem Weg, nicht hier erschossen zu werden, doch sie fanden keinen.
Der Schuss ließ mich zusammenzucken. Hinter mir fiel etwas dumpf zu Boden, ein Gewehr klapperte über Gestein. Die Tür der Wachstube flog auf, und Warren stürzte mir entgegen. Seine Worte waren dumpfe Laute, die ich kaum voneinander unterscheiden konnte, und ich ließ mich bereitwillig von ihm davon schleifen. Valentina tauchte neben mir auf, die Banshee ein lauernder Schatten aus Schwarz, dunklem Rot und Anthrazit, der Schein ihrer Laternen schien wie eine Miniatur der Explosion. Sie trug ihren Revolver, Dampf stieg aus dem Lauf auf.
Sie führten mich in die leere Werft. Sim verband hastig meine Wunden und reichte mir einen Flakon mit der merkwürdigen Flüssigkeit, die er ebenfalls getrunken hatte. Es brannte in der Kehle, doch Sim versprach, es würde mir besser gehen. Kaum ein Mensch war zu sehen, und die wenigen, die uns begegneten, fielen schnell unter unseren Kugeln. Selbst ich war dazu imstande, einen Armbrustbolzen abzufeuern, als meine Benommenheit endlich schwand. Doch ohne sie spürte ich, wie zerschlagen ich wirklich war. Jeder Knochen, jeder Muskel, jede Sehne in mir flehte mich um Ruhe an. Jeder Schritt durch die hohen, stillen Gänge der Fabrik war eine Qual, und immer noch trieb Grimault uns unerbittlich zur Eile an.
Sim öffnete eine letzte Tür, schnitt der Wache dahinter die Kehle durch und betrat den Balkon dahinter. Er umschloss die Werft so wie zuvor bei der Gießerei. Unter uns lag ein Luftschiff, in der Senkrechte gehalten durch hölzerne Stützen, umgeben von Geschützen auf Waggons, Werkzeugen und Gerüsten. Der schwarze Stahl des Rumpfs glänzte matt durch den Schein des Feuers, der durch die Oberlichter herein fiel, der gerade Bug wies auf ein riesiges Tor. Es war kleiner, als ich es mir vorgestellt hatte, kein Zerstörer, wie ich es mir insgeheim gewünscht hatte, sondern eine Korvette, kleiner und wendiger als die meisten anderen Schiffstypen. Kanonen lugten durch Luken und ragten auf Türmen in die Luft, hohe Schornsteine krönten das Deck. Ein Ballon lag zusammengefaltet zwischen den Schloten. Schwere Triebwerke öffneten sich am Heck, gereffte Segel an den Seiten und unter dem Rumpf sorgten für Stabilität. Ich dachte an das Geräusch von stampfenden Maschinen und fauchendem Dampf, und ich schauderte wohlig.
Valentinas Worte rissen mich aus meinem verzauberten Starren. „Ist es denn bereit zum Flug?"
„Das ist die Grazia. Eines der bekannteren von Durenskys Schiffen. Er lässt es hier anscheinend aufrüsten." Sim schritt eilig voran und führte uns über eine Gangway an Bord.
Ich setzte ehrfürchtig meine Stiefel auf den Stahl des Decks. Das Schiff strahlte Kälte und Macht aus, eine kalte, finstere Macht, so, wie ich sie mit Durensky verband. Ein wenig fühlte ich mich unwohl bei dem Gedanken, das Schiff des mächtigen Vampirfürsten zu stehlen, doch zugleich brannte es mir in den Fingern, die Hände an die Hebel, Kontrollen und Steuerräder des Schiffes zu legen.
„Master Warren, die Öfen müssen angeheizt werden. Bei diesen Schiff sollte es mindestens vier geben. Statte alle mit genug Kohle aus, dass wir mindestens bis über die Steppen kommen", befahl Grimault. „Blacat, Miss Alderberry, helfen Sie ihm. Du, Herrera, kommst mit mir."
Warren winkte Sim und Valentina zu sich, und sie traten nach ihm in die unbekannte Dunkelheit des Schiffsbauchs. Ich folgte Grimault fasziniert zur Brücke, mein Schmerz und meine Erschöpfung beinahe verschwunden unter meiner Aufregung.
„Bist du so ein Schiff schon einmal geflogen, Herrera?", wollte er wissen und betrat den stillen, kalten Kontrollraum der Grazia.
Ich betrachtete die Hebel und Schalter. „Ich bin einmal eines geflogen, das ähnlich funktionierte." Konzentriert strich ich über die kleinen Metallplättchen, in denen die Funktionsweise eingraviert war. „Du musst mir nur sagen, welcher Schalter was bewirkt."
Er warf mir einen strafenden Blick zu. „Ich weiß auch, was ich tue. Ich wollte mich nur vergewissern, dass du tatsächlich zu mehr nutze sein kannst als Warren, der nur mit Segeln umgehen kann."
„Ich werde mein Bestes tun." Eines der Geräte schlug aus, und ich winkte Grimault zu mir. „Welches ist das?"
„Gewicht der Kohle in der ersten Kammer."
„Wie viele gibt es?"
Er überflog die Schalter. „Fünf."
Mit brennenden Nerven wartete ich ab, bis die Waagen aller Kammern ausschlugen. „Nun, dann hoffe ich, dass sie weit genug weg von den Brennern sind", murmelte ich und drehte auf seine Hinweise hin Gaszufuhr der Öfen und Funken auf. Die Anzeigen für Hitze zuckten, als ich das Brenngas noch weiter aufdrehte, wurden immer höher und rutschten nach nur wenigen Momenten in den gelben Bereich. Weitere Anzeigen, die mit Druck beschriftet waren, zitterten ebenfalls. „Welche sind Gas und Heißluft für den Ballon?"
Er wies auf die entsprechenden Hebel, und ich legte sie um. Tief im Inneren erwachte etwas zum Leben. Maschinen begannen zu keuchen, bis sie zu einem stampfenden Rhythmus verschwammen. Vor uns begann der Ballon sich langsam aufzublähen.
Grimault drehte an einer Kurbel, und das Zischen der Luft nahm zu. Der Ballon regte sich stärker. „Zufuhr", erklärte er auf meinen skeptischen Blick hin. „Wie hast du als Captain eines Schiffes überlebt, wenn du nicht lesen kannst?"
„Es war mein Schiff, und ich hatte viel Zeit, um davon zu lernen, bis ich es besser kannte als meine Manteltaschen." Ich überflog die vielen Hebel, die ich von der Dragon's Pride nicht kannte. „Allerdings war mein Schiff ein Segelschiff, mit einem Rumpf aus Holz."
Der Erste Offizier trat zu mir. „Das sind die Waffensysteme. Du kannst von hier aus einige Waffen auslösen. Die Backbordkanonen, die Steuerbordkanonen, die Türme, die Gewehre, die Mörser am Bug." Er wies auf die Hebel. „Nur geladen werden müssen sie vorher."
Sein Blick flackerte zu mir, und ich verstand. „Wir müssen sie nur laden und herausfinden, welche von ihnen schon betriebsbereit sind. Nur schade, dass wir so wenige sind. Ich habe nie viel Besatzung gehabt. Dabei war mein Schiff größer als dieses hier."
„Wie hast du es dann fliegen können?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern."
Warren betrat die Brücke, verschmiert mit Kohle, gefolgt von Valentina und Sim. „Heizöfen sind fertig", berichtete der Killer.
„Ladet die Geschütze am Bug und sagt mir, welche von ihnen bereit sind. Dann richtet sie auf das Tor", befahl Grimault, und sie beeilten sich, seinen Anweisungen Folge zu leisten.
„Ich hoffe, dein Warren ist auch ein halbwegs fähiger Kanonier." Nervös blickte ich auf die Anzeigen. Viel mehr Zeit würde uns auch mein Ablenkungsmanöver nicht mehr bringen.
„Einer meiner besten."
Der Ballon wuchs und wuchs, höher und höher, bis ich fürchtete, er würde uns durch die Decke heben, und ich verringerte die Zufuhr. Schwarzer und weißer Rauch stob aus den Schloten, dichter Qualm füllte die Werft. Unter uns, kaum zu hören durch den Stahl, der die Brücke umschloss, klapperten die Gerüste, als sie in sich zusammenfielen. Ich spürte die Kraft des Schiffes, den Willen, nach vorn zu stoßen, eine der Anzeigen näherte sich zitternd dem roten Bereich. Im Stillen beschwor ich Warren, Valentina und Sim zur Eile.
Valentina stürmte in den Kontrollraum. „Die Mörser am Bug sind bereit. Sie sind neu, behauptet Warren."
„Sind Warren und Sim weg von ihnen?", wollte Grimault wissen.
Sie nickte keuchend. „Aye."
„Nun denn." Ich legte eine Hand an einen Hebel, das polierte Metall schmiegte sich an meinen Handschuh. All meine Schmerzen waren vergessen. „Feuer!"
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Das unrealistischste Kapitel aller Zeiten. Sindrak hat hier Ideen. Und Eigeninitiative. Und er tut gefährliche Dinge freiwillig. Vollkommen bescheuert.
Eine Widmung für IFindYourPlotholes, weil ich ihr versprochen habe, ein Kapitel voller Feuer und Explosionen zu widmen. Dieses ist, ohne Zweifel, das, bei dem am meisten in die Luft fliegt.
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