Kapitel 4 Band 8
Die ersten Strahlen der Morgensonne erhellten das Rosavelle-Haus, während Jake bereits in seinem Arbeitszimmer saß. Vor ihm lagen zwei sorgfältig geschriebene Einladungen, jede Zeile präzise und durchdacht. Diese Briefe waren für Lenara Velithar und Iven Thariel bestimmt – zwei vertrauenswürdige Ratsmitglieder, die nun endlich in die Geheimnisse der ersten Konferenz eingeweiht werden sollten.
Jake legte die Feder beiseite und versiegelte die Umschläge mit einem sorgfältigen Handgriff. Er erhob sich und machte sich auf den Weg in die Küche, wo Ash entspannt mit einem Becher Tee saß.
„Ash," begann Jake, seine Stimme klang wie immer ruhig, aber bestimmt, „ich habe eine wichtige Aufgabe für dich."
Ash blickte auf, seine goldvioletten Augen funkelten leicht, während er den Becher abstellte. „Was gibt's, Jake?"
Jake hielt die beiden versiegelten Umschläge hoch. „Diese Einladungen müssen so schnell wie möglich zu Lenara Velithar und Iven Thariel. Ich möchte, dass du sie mit deiner Dimensionsmagie überbringst – präzise und diskret. Ein einfacher Riss, einwerfen, und fertig. Sie müssen zeitnah informiert werden."
Ash grinste leicht und nahm die Umschläge entgegen. „Das klingt nach meinem Spezialgebiet. Kein Problem, Jake."
„Gut," sagte Jake und legte Ash eine Hand auf die Schulter. „Ich zähle auf dich. Sobald die Einladungen zugestellt sind, sollten sie innerhalb der nächsten Tage hier eintreffen. Shade, Chaylin und ich werden uns um die Einweisung kümmern."
Ash trat zurück und hob eine Hand, die leicht zu glühen begann. Mit einer geschmeidigen Bewegung öffnete er einen schimmernden Riss im Raum – ein Dimensionsspalt, der sich wie eine flimmernde Öffnung entfaltete. Diese Technik nannte er selbst inzwischen Portalpost von Ash.
„Alles klar, Jake," sagte Ash mit einem selbstbewussten Ton. „Das ist in wenigen Minuten erledigt."
Er hielt die Umschläge in der Hand, trat näher an die Risse heran und warf sie mit gezielten Bewegungen durch die schimmernden Portale. Mit einem letzten Glühen schlossen sich die Spalten, als wären sie nie da gewesen.
„Fertig," sagte Ash, als er sich zu Jake umdrehte und ein siegessicheres Lächeln zeigte. „Schnell, leise und effektiv."
Jake nickte zufrieden. „Perfekt. Danke, Ash. Jetzt bleibt uns nur, auf ihre Ankunft zu warten und sicherzustellen, dass sie alles verstehen, was wir ihnen sagen müssen."
Ash lehnte sich an die Küchenwand und nahm seinen Tee wieder in die Hand. „Kein Problem. Sag Bescheid, wenn's weitergeht."
Jake verließ die Küche, ein Hauch von Erleichterung in seinem Blick. Der Plan nahm Form an, und die nächste Phase rückte immer näher.
Chris näherte sich Emilia, die in einem der weichen Sessel im Wohnzimmer saß und eine Tasse warmen Tee in den Händen hielt. Ihre kastanienbraunen Augen wirkten nachdenklich, und sie schien noch immer über die Ereignisse der letzten Nacht zu reflektieren.
„Herzglanz," begann Chris mit seiner gewohnt sanften, fast melodischen Stimme. Er blieb vor ihr stehen, seine aquamarinfarbenen Augen funkelten leicht. „Du hast mich letzte Nacht wirklich beeindruckt."
Emilia blickte überrascht zu ihm auf. „Wirklich?"
Chris nickte und setzte sich auf die Armlehne ihres Sessels, seine Haltung locker, doch seine Worte voller Ernst. „Mehr als das. Ich glaube, du bist jetzt bereit, offiziell zum Sichelschamanen aufzusteigen."
Emilia riss die Augen auf, ihre Hand glitt automatisch zu ihrem Bauch. „Was? Ich dachte, in meinem Zustand..." Sie hielt inne und warf einen kurzen Blick auf ihren runden Bauch. „Ich dachte, du würdest alles vermeiden wollen, was mich anstrengen könnte."
Chris ließ ein sanftes Lächeln über seine Lippen gleiten und schüttelte den Kopf. „Herzglanz, letzte Nacht hast du mehr als bewiesen, wie fähig du bist. Du hast nicht nur deine Angst überwunden, sondern auch gezeigt, dass du geistig stärker bist, als ich es jemals erwartet hätte. Es wäre falsch von mir, dich weiterhin zu unterschätzen."
„Aber..." begann Emilia, doch Chris hob eine Hand, um sie zu unterbrechen.
„Der Aufstieg zum Sichelschamanen ist keine körperliche Anstrengung, Emilia," erklärte er geduldig. „Es geht um mentale Reife, Schamanismus und dein Verständnis von Mana. Und du hast all das, – und mehr als du vielleicht selbst erkennst. Ich bin überzeugt, dass du es schaffst. Und ich werde an deiner Seite sein, um dich zu unterstützen."
Emilia sah ihn für einen Moment schweigend an, ihre Augen waren eine Mischung aus Überraschung und Rührung. Schließlich nickte sie langsam. „Du meinst das wirklich ernst, oder?"
Chris lächelte. „Absolut. Lass uns zur Schamanen-Gilde gehen und herausfinden, wie viele Lunarpunkte dir noch fehlen. Dann kümmern wir uns darum, dass du schnell die Qualifikationen erreichst, um an der Aufstiegsprüfung teilzunehmen."
Emilia atmete tief durch, ihre Unsicherheit wich langsam einer Entschlossenheit. Sie stellte ihre Tasse ab und erhob sich. „Na gut, wenn du so sehr an mich glaubst... dann los."
Chris grinste und bot ihr spielerisch seinen Arm an. „Das ist mein Herzglanz. Wir haben keine Zeit zu verlieren."
An der Haustür angekommen, legte Emilia sich Jacke und Schal um. Sie hielt kurz inne, ihre kastanienbraunen Augen wanderten zögernd zu ihrem Schweif und ihren Ohren. Draußen war es heller Tag, die Sonne schien warm, doch sie fühlte sich, als stünde sie vor einer unsichtbaren Barriere. Sie schluckte schwer. Konnte sie es wirklich schaffen, ohne Tarnung hinauszugehen?
Chris, der neben ihr stand, bemerkte ihre Unsicherheit. Seine aquamarinfarbenen Augen schimmerten sanft, als er sie beruhigend ansprach. „Täubchen, du hast mehr als gezeigt, wie stark du bist und dass du dich verteidigen kannst. Du brauchst keine Angst zu haben. Egal, wer dich belästigt, ich bin da."
Emilia atmete tief ein und aus, ihr Blick immer noch auf die Schwelle gerichtet. Schließlich setzte sie einen vorsichtigen Schritt nach draußen. Dann einen zweiten. Und noch einen.
Im Wohnzimmer hatten die Jungs alles mit angesehen. Ash lehnte lässig am Türrahmen, doch sein Gesichtsausdruck war voller Stolz. „Sehr gut, Emilia. Weiter so!"
Mio, der auf der Couch gesessen hatte, rief begeistert: „Gut machst du das!"
Sei, der gerade aus der Küche gekommen war, trat hinzu und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Prinzessin, du schaffst das!" Seine Stimme war ruhig, aber voller Zuversicht.
Chris hielt Emilia sanft an der Hand und gab ihr Halt. „Gut, Täubchen. Weiter. Wir gehen jetzt."
Emilia drehte sich noch einmal um, ihre Augen trafen Mios. „Mio... kannst du bitte mitkommen?"
Mio stand sofort auf, ohne zu zögern. Er zog sich seine Jacke über und trat zu ihr. „Wenn du mich brauchst, bin ich immer zur Stelle. Ich unterstütze dich mit jeder Illusion, die du dir wünschst."
Zu dritt gingen sie die Straße entlang, Richtung Schamanen-Gilde. Chris hielt Emilia fest an der Hand, während Mio an ihrer anderen Seite lief, bereit, sie jederzeit zu schützen.
Mit jedem Schritt, den sie machte, fühlte Emilia, wie die Ketten ihrer Angst immer lockerer wurden. Sie war jetzt bereit, sich nicht mehr von ihrer Vergangenheit und ihrer Angst dominieren zu lassen. Der Weg zur Schamanen-Gilde war nicht nur ein physischer – er war ein Schritt in Richtung Selbstvertrauen und Stärke.
Die Schamanen-Gilde erhob sich wie ein majestätisches Bauwerk aus weißem Stein, verziert mit fließenden Gravuren von Monden, Sternen und magischen Runen. Emilia, Chris und Mio traten durch die schweren Holztüren ein, die sich mit einem leichten Schimmer von Mana öffneten. Die Atmosphäre im Inneren war ruhig, fast ehrfürchtig, mit einer leichten Aura von Magie in der Luft.
An der Rezeption stand eine junge Schamanin mit einer silbernen Haarsträhne, die sich durch ihr kastanienbraunes Haar zog. Ihre grünen Augen strahlten Wärme aus, als sie die drei begrüßte.
„Willkommen, Kind des Mondes. Wie kann ich behilflich sein?" fragte sie mit einer sanften, melodischen Stimme.
Emilia trat vor, ihre Unsicherheit wich langsam der Entschlossenheit. „Ich möchte meinen Schamanen-Ausweis überprüfen lassen und erfahren, wie viele Lunarpunkte mir noch fehlen, um zum Sichel-Schamanen aufzusteigen."
Die Rezeptionistin nickte lächelnd. „Natürlich. Bitte halten Sie Ihren Ausweis vor das Mond-Relief."
Emilia zog ihren Ausweis aus der Tasche und platzierte ihn auf das schimmernde Relief auf der Theke. Ein leichtes Leuchten ging von der Oberfläche aus, als die magische Gravur begann, ihre Daten zu lesen. Nach einem Moment erschien ein kleiner, holografischer Schriftzug in der Luft: Lunarpunkte: 650.
Die Rezeptionistin lächelte und sah Emilia an. „Sie haben bereits 650 Lunarpunkte gesammelt. Um zum Sichel-Schamanen aufzusteigen, benötigen Sie insgesamt 750 Punkte. Es fehlen Ihnen also noch 100 Punkte."
Emilia atmete tief ein und nickte. „Und sobald ich die Punkte habe? Was passiert dann?"
„Sobald Sie alle Punkte erreicht haben," erklärte die Rezeptionistin, „können Sie sich direkt für die Aufstiegsprüfung anmelden. Die Prüfung wird von unserer Vize-Meisterin Ciara geleitet. Sie ist derzeit in der Gilde und kann Ihre Prüfung jederzeit beaufsichtigen, wenn Sie bereit sind."
Chris nickte anerkennend. „Das klingt machbar, Herzglanz. Und was genau beinhaltet die Prüfung?"
Die Rezeptionistin setzte ein wissendes Lächeln auf. „Um zum Sichel-Schamanen aufzusteigen, müssen Sie Ihre Fähigkeit zur Mana-Kontrolle beweisen. Die Prüfung besteht darin, eine bestimmte Menge Mana aus Ihrer Umgebung aufzunehmen, umzuwandeln und für einen klar definierten Zweck freizusetzen – ohne dabei die Balance zu verlieren. Es ist eine Herausforderung, denn es erfordert nicht nur Kraft, sondern auch Präzision und Feingefühl. Außerdem sollten Sie erste Fähigkeiten im Schutz und der Verteidigung erlangt haben, sowie die Auren anderer Wesen erkennen und deuten können."
Emilia nickte langsam, die Nervosität wich einer leichten Aufregung. „Und wie bekomme ich die fehlenden Lunarpunkte?"
„Ganz einfach," antwortete die Rezeptionistin, „Sie können Aufträge annehmen, die mit Lunarpunkten belohnt werden. Da Sie aktuell auf dem Neumond-Rang sind, finden Sie nur begrenzte Aufträge, die für Sie zugänglich sind. Momentan könnten Sie maximal zwei Aufträge mit jeweils 50 Punkten annehmen."
Mio trat näher, seine dunkelvioletten Augen funkelten leicht. „Dann zeigen Sie uns, welche Aufträge verfügbar sind."
Die Rezeptionistin griff nach einem leuchtenden Kristall auf der Theke. „Hier sind die aktuellen Aufträge:
1. Herstellung von Schamanen-Kerzen (50 Lunarpunkte)
Ein Kunde benötigt 50 speziell hergestellte Schamanen-Kerzen mit unterschiedlichen Wirkungen:
• 10 beruhigende Kerzen (mit Myrrhe und Lavendel, um Stress abzubauen).
• 10 betäubende Kerzen (mit Baldrian und Wacholder, für eine schläfrige Wirkung).
• 10 inspirierende Kerzen (mit Zimt und Vanille, um den Geist zu beleben).
• 10 schützende Kerzen (mit Eisenkraut und Rosmarin, um negative Energien abzuwehren).
• 10 illusorische Kerzen (mit Nebelblatt und Traumschimmerkraut, um leichte visuelle Illusionen zu erzeugen).
„Der Kunde stellt die Grundzutaten bereit, aber für die Herstellung brauchen Sie Geschick, um die richtige Dosierung zu finden."
Chris lächelte. „Das klingt wie etwas, bei dem ich helfen kann. Herzglanz, das schaffen wir zusammen."
Mio nickte ebenfalls. „Ich bin dabei. Illusionen sind meine Spezialität."
„Und der zweite Auftrag?" fragte Emilia.
Die Rezeptionistin blickte auf den Kristall und fuhr fort:
2. Reinigung eines Miasma-verunreinigten Brunnens (50 Lunarpunkte)
Ein Brunnen in der Nähe eines kleinen Dorfes wurde durch eine schwache Miasma-Quelle verunreinigt. Ihre Aufgabe ist es, das Wasser mit schamanistischen Ritualen zu reinigen. Der Auftrag erfordert eine gute Aura-Kontrolle und etwas Unterstützung, falls das Miasma zu stark wird.
Chris verschränkte die Arme und nickte. „Das klingt auch machbar. Es wird Zeit, dass du deine Fähigkeiten weiter ausbaust, Herzglanz."
Emilia zögerte kurz, bevor sie beide Aufträge annahm. „Für beide haben wir wie viel Zeit?"
„Vier Tage," antwortete die Rezeptionistin. „Die Details sind in diesen Schriftrollen festgehalten."
Emilia nahm die Schriftrollen entgegen und sah zu Chris und Mio. Beide lächelten ihr ermutigend zu.
„Das schaffen wir locker," sagte Chris mit einem Augenzwinkern.
„Ja," fügte Mio hinzu. „Und wenn nicht, bringe ich uns alle mit Illusionen durch."
Die drei verließen die Gilde mit neuem Tatendrang. Die Herausforderung war groß, aber Emilia wusste, dass sie mit ihrer Familie an ihrer Seite alles schaffen konnte.
Emilia betrachtete die beiden Schriftrollen in ihren Händen, während sie neben Chris und Mio stand. Sie fühlte den Hauch von Abenteuer in der Luft, doch gleichzeitig auch die Verantwortung, die mit den Quests einherging.
„Womit beginnen wir?" fragte sie schließlich, ihre Stimme fest, aber voller Neugier.
Chris öffnete die Schriftrolle zur zweiten Quest und überflog den Text mit konzentriertem Blick. Schließlich nickte er zufrieden. „Mit Quest 2. Wir müssen dafür Eversum verlassen. Herzglanz, bist du bereit, endlich mal wieder außerhalb von Eversum tätig zu werden?"
Emilia lächelte leicht, ein Hauch von Aufregung blitzte in ihren kastanienbraunen Augen auf. „Ja, bereit!"
Mio schmunzelte. „Das wird ein Abenteuer, Herzglanz. Und keine Sorge, ich bin da, wenn es kompliziert wird."
Chris warf Mio einen schelmischen Blick zu. „Glühwürmchen, ich hoffe, du hältst dich auch wirklich an unsere Pläne. Keine übertriebenen Illusionen, die wieder alles durcheinanderbringen."
Mio lachte leise. „Wie immer habe ich alles im Griff."
Die drei verließen das Rosavelle-Haus und machten sich auf den Weg zur Kuppel, die den Eingang zu Eversum markierte. Saphira, Emilias majestätische Gefährtin, trappte an ihrer Seite, in ihrer geschrumpften Form. Als die Gruppe die Kuppel durchquerte und Eversum verließ, gab Emilia Saphira ein sanftes Streicheln.
„Saphira," flüsterte Emilia, „wir brauchen dich in deiner großen Form."
Mit einem sanften Brüllen wuchs Saphira, ihre geschmeidigen Schuppen glitzerten im Licht der Morgensonne. Sie war nun groß genug, um alle drei zu tragen. Chris und Mio halfen Emilia auf ihren Rücken, bevor sie selbst aufstiegen.
„Auf zum Dorf," sagte Chris, und Saphira eilte mit kraftvollen Schritten voran.
Das Dorf war nicht weit, und die Reise verlief ruhig. Schon nach kurzer Zeit landeten sie am Rande eines kleinen, idyllischen Dorfes, umgeben von grünen Feldern und dichten Wäldern. Die Bewohner, einfache Dämonen mit robusten, wettergegerbten Gesichtern, kamen neugierig aus ihren Häusern, als sie die imposante Gestalt von Saphira sahen.
Ein älterer Mann trat hervor, offenbar der Dorfvorsteher. „Willkommen, Schamanen. Ihr seid hier wegen des Brunnens, nicht wahr?"
Chris nickte und half Emilia vom Rücken der Gefährtin. „Ja. Zeigen Sie uns bitte den Brunnen."
Der Dorfvorsteher führte sie durch die engen Gassen, bis sie zu einem steinernen Brunnen in der Dorfmitte kamen. Doch schon aus der Ferne konnte Emilia die Veränderung spüren. Die Luft war schwerer, und ein schwacher, süßlicher Geruch lag in der Umgebung.
Als sie näherkamen, sahen sie, dass das Wasser im Brunnen unnatürlich trüb war. Ein schwarzer, öliger Schleier schwamm auf der Oberfläche, und ein leises Zischen war zu hören, als ob das Wasser sich selbst zersetzte.
„Das ist Miasma," murmelte Mio, seine Augen verengten sich. „Es hat die Quelle durchdrungen. Wir müssen vorsichtig sein."
Emilia trat näher und hielt eine Hand über den Brunnen, um die Aura des Miasmas zu spüren. „Es ist schwächer als erwartet, aber immer noch gefährlich."
Chris nickte und begann, ihre Materialien auszupacken. „Wir müssen die Quelle reinigen. Herzglanz, du leitest das Ritual. Ich werde die Schutzbarriere aufrechterhalten, und Glühwürmchen, du hältst uns das Miasma vom Leib, falls es reagiert."
Mio grinste leicht. „Verstanden."
Emilia atmete tief ein und stellte sich vor den Brunnen. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich auf das Mana um sie herum und begann leise ein altes Schamanenmantra zu murmeln. Die Worte waren melodisch, und eine sanfte, silberne Energie begann von ihren Händen auszugehen.
Chris hob seine Hände, und eine durchsichtige Barriere umhüllte den Brunnen, um das Miasma daran zu hindern, sich weiter auszubreiten. „Es liegt an dir, Herzglanz. Zieh das Miasma aus dem Wasser und verwandle es in etwas Harmloses."
Emilia spürte, wie das Mana um sie herum pulsierte. Mit langsamen, kontrollierten Bewegungen zog sie die Energie aus dem Brunnen, und der schwarze Schleier begann sich wie ein Nebel zu lösen. Es war, als würde das Miasma sich gegen sie wehren, doch sie hielt durch.
Plötzlich begann das Wasser zu brodeln, und ein schwaches, schattenhaftes Wesen erschien. Es war klein, fast wie ein verzerrter Geist, geformt aus reinem Miasma.
„Das ist der Kern," sagte Mio ruhig, seine Augen scharf. „Es hat eine eigene Form angenommen. Herzlicht, schließ das Ritual ab, während ich mich darum kümmere."
Emilia nickte entschlossen und verstärkte ihre Mantras. Der schattenhafte Kern zischte und wand sich, doch Mio trat vor und ließ mit einer eleganten Handbewegung eine Illusion entstehen, die das Wesen kurzzeitig einfing.
„Los, Herzglanz!" rief Chris.
Mit einem letzten, kräftigen Mantra bannte Emilia das restliche Miasma. Der Kern löste sich in einem leichten Schimmer auf, und das Wasser im Brunnen begann sich zu klären. Die trübe Oberfläche verschwand, und das Wasser schimmerte wieder klar und rein.
„Geschafft," flüsterte Emilia, ihre Stimme voller Erleichterung.
Der Dorfvorsteher und die Bewohner, die das Ritual aus sicherer Entfernung beobachtet hatten, jubelten leise. „Ihr habt unser Dorf gerettet. Vielen Dank!"
Chris lächelte und legte eine Hand auf Emilias Schulter. „Gut gemacht, Herzglanz. Das war beeindruckend."
Emilia lächelte müde, aber zufrieden. „Danke, dass ihr mir geholfen habt."
Mio grinste und zwinkerte ihr zu. „Dafür sind wir da, Herzlicht."
Nachdem der Brunnen gereinigt und das Wasser wieder klar war, wandte sich Emilia erleichtert an den Dorfvorsteher. Ihre Hände ruhten auf ihrem Bauch, während sie tief durchatmete. „Wir haben unsere Arbeit getan. Das Wasser ist wieder rein."
Der ältere Dämon nickte ehrfürchtig. „Ihr habt unserem Dorf einen großen Dienst erwiesen. Dieses Wasser ist unsere Lebensader, und ohne euch wären wir verloren gewesen."
Chris trat vor und zog eine Schriftrolle hervor, die er mitgebracht hatte. „Damit die Schamanen-Gilde weiß, dass der Auftrag erledigt wurde, brauchen wir eine Unterschrift als Bestätigung."
Der Dorfvorsteher nickte eifrig. „Natürlich." Er griff nach einem Federkiel, den Mio ihm mit einer eleganten Geste aus der Luft zauberte. „Hier, ich hoffe, das reicht."
Während er die Schriftrolle unterschrieb, bemerkte Mio mit einem leichten Grinsen: „Herzlicht, du solltest solche Momente genießen. Es ist nicht nur ein Sieg, sondern auch eine Erinnerung daran, was du alles erreichen kannst."
Emilia lächelte sanft. „Danke, Mio. Und danke, dass ihr beide bei mir seid."
Chris fügte hinzu, während er die Schriftrolle sorgsam einrollte: „Es ist unser Job, Herzlicht. Und wir haben noch viel zu tun. Jetzt haben wir zumindest den ersten Teil erledigt."
Der Dorfvorsteher überreichte die unterschriebene Schriftrolle mit einem warmen Lächeln. „Wenn ihr je wieder hierherkommt, seid ihr immer willkommen. Unser Dorf wird euch nicht vergessen."
Die drei bedankten sich und verabschiedeten sich von den Bewohnern, während Saphira in ihrer kleineren Form wieder zu ihnen trat. Bevor sie jedoch aufbrachen, warf Emilia einen letzten Blick auf den Brunnen. Die Wellen, die sie beim Reinigen erzeugt hatte, glitzerten sanft im Licht der Sonne – ein Symbol für ihren Erfolg.
„Bereit für die nächste Herausforderung?" fragte Chris, seine aquamarinfarbenen Augen funkelten vor Tatendrang.
Emilia nickte mit einem entschlossenen Lächeln. „Ja. Lass uns weitermachen."
Die Gruppe begann, ihre nächste Quest zu planen, während die Bewohner des Dorfes ihnen nachwinkten, dankbar für die Rettung, die sie gebracht hatten.
Emilia folgte Chris tiefer in den Wald, die kühle Luft umhüllte sie wie ein sanfter Schleier. Sie hob eine Augenbraue, als sie bemerkte, dass sie nicht in Richtung Eversum zurückkehrten.
„Chris," fragte sie neugierig, „gehen wir nicht zurück?"
Chris schmunzelte, seine aquamarinfarbenen Augen blitzten schelmisch. „Nein, Herzglanz. Wir haben Arbeit vor uns. Die zweite Quest erfordert Vorbereitung. Hast du jemals eine Kerze hergestellt?"
Emilia schüttelte den Kopf. „Nein, noch nie. Ist das schwer?"
„Nicht schwer," antwortete Chris, während er einen Pfad entlangging, der immer tiefer in den dichten Wald führte. „Aber es erfordert Geschick und die richtigen Zutaten. Der Kunde stellt uns zwar das Material für die Kerzenbasis bereit, aber wenn wir die Kräuter und Essenzen frisch sammeln, wird die Qualität besser sein. Ein guter Eindruck beim Kunden ist wichtig, Herzglanz. Die Kerzen sollen nicht nur funktionieren, sondern auch zeigen, dass wir Meister unseres Handwerks sind."
Emilia nickte langsam. „Das ergibt Sinn. Also sammeln wir hier die Zutaten?"
Chris blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Genau. Und während wir sammeln, trainieren wir auch dein Aura-Lesen. Es wird Zeit, dass du diese Fähigkeit perfektionierst."
„Aura-Lesen?" wiederholte Emilia und trat näher an ihn heran.
„Ja," sagte Chris mit einem ernsten, aber freundlichen Ton. „Komm mit."
Sie gingen weiter, und Chris hielt schließlich an einer Lichtung an. Dort wimmelte es von Gefährten – kleine schimmernde Wesen, die zwischen den Bäumen huschten, während andere auf Felsen oder Ästen ruhten.
Chris zeigte auf eine Gruppe von Gefährten in der Nähe. „Herzglanz, was siehst du? Konzentrier dich. Lies ihre Auren."
Emilia schloss die Augen und öffnete sie langsam wieder, während sie sich auf die Wesen vor sich fokussierte. Sie spürte ein sanftes Flimmern und begann, die Farben zu sehen. „Ich sehe... Gold und Grün. Sie sind ruhig, fast friedlich. Und... da ist ein kleines Wesen, seine Aura ist eher ein warmes Gelb, aber sie flackert, als wäre es aufgeregt."
Chris nickte zufrieden. „Sehr gut, Herzglanz. Du wirst immer besser darin."
Dann legte er sanft seine Hände auf ihre Schultern. „Jetzt konzentrier dich auf dich selbst. Versuch, deine eigene Aura zu erkennen."
Emilia schluckte und schloss erneut die Augen. Sie spürte die Wärme in ihrem Inneren, aber als sie ihre Hände öffnete, konnte sie nichts sehen. „Ich... ich schaffe es nicht."
Chris lächelte sanft. „Herzglanz, entspann dich. Deine Aura ist klar pfirsichfarben, mit einem Hauch von Blau. Wenn du dich darauf konzentrierst, wirst du sie sehen. Schau auf deine Hände und lass deine Seele sprechen."
Emilia atmete tief ein und konzentrierte sich erneut. Sie starrte auf ihre Hände, und langsam begann ein zarter Schimmer sie zu umgeben. Pfirsichfarbenes Licht mit einem blauen Unterton leuchtete auf, sanft und beruhigend.
Ihre Augen weiteten sich, und ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Ich sehe es! Das ist meine Aura!"
Chris lachte leise und legte einen Arm um sie. „Ich wusste, dass du es schaffen würdest, Herzglanz. Deine Entschlossenheit macht dich zu einer großartigen Schamanin."
Nach diesem kleinen Erfolg begannen sie, Kräuter zu sammeln. Chris erklärte ihr geduldig die Eigenschaften und Wirkungen der Pflanzen.
• Für die beruhigenden Kerzen: Myrrhe und Lavendel, um Stress abzubauen.
• Für die betäubenden Kerzen: Baldrian und Wacholder, um schläfrige Wirkung zu erzielen.
• Für die inspirierenden Kerzen: Zimt und Vanille, um den Geist zu beleben.
• Für die schützenden Kerzen: Eisenkraut und Rosmarin, um negative Energien abzuwehren.
• Für die illusorischen Kerzen: Nebelblatt und Traumschimmerkraut, um leichte visuelle Illusionen zu erzeugen.
Chris kniete sich neben eine kleine Pflanze mit dunkelvioletten Blättern und zeigte darauf. „Das ist Nebelblatt, Herzglanz. Es erzeugt einen sanften Dunst, der Illusionen unterstützt. Pflück es vorsichtig, die Blätter sind empfindlich."
Emilia tat wie geheißen, ihre Hände bewegten sich vorsichtig über die Pflanze. „Ist das genug?"
„Perfekt," lobte Chris.
Mio beobachtete sie von der Seite und grinste. „Herzlicht, du wirst bald besser im Kräutersammeln sein als Chris."
Chris lachte. „Glühwürmchen, ich bezweifle, dass das jemals passieren wird. Aber Herzglanz macht wirklich Fortschritte."
Nach einer Weile hatten sie die meisten Zutaten gesammelt. Chris hielt die gesammelten Kräuter hoch. „Was wir nicht finden konnten, kaufen wir. Aber das Wichtigste ist, dass wir alles frisch und in bester Qualität haben."
„Und was jetzt?" fragte Emilia.
Chris legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Jetzt zeige ich dir, wie man diese Zutaten zu etwas Magischem macht. Bereit?"
„Bereit," antwortete Emilia entschlossen, ihre Augen voller Neugier und Tatendrang.
Mio tippte Emilia sanft auf die Schulter und lächelte schelmisch, während er einen kleinen, bunten Blumenstrauß hervorholte. „Für dich, mein Licht," sagte er mit sanfter Stimme. „Die ersten Blumen des Frühlings. Der Winter ist vorbei."
Emilia blickte überrascht auf den Blumenstrauß, ihre kastanienbraunen Augen glitzerten vor Rührung. „Oh Mio..." Sie nahm die Blumen in die Hände, schnupperte daran und fühlte, wie eine warme Welle der Freude sie durchströmte.
Dann hob sie den Kopf, trat näher zu Mio und küsste ihn leidenschaftlich. Mio erwiderte den Kuss mit einer ruhigen Hingabe, seine violetten Augen strahlten vor Zuneigung.
Chris beobachtete die Szene mit einem amüsierten Funkeln in seinen aquamarinfarbenen Augen. Er trat zu den beiden, legte seine Arme um Emilia und Mio und zog sie in eine innige Umarmung. „Ihr seid wirklich unmöglich, Herzglanz und Glühwürmchen. Aber ich liebe euch trotzdem."
Emilia löste sich aus der Umarmung und sah abwechselnd zwischen Chris und Mio hin und her. Ihre Stimme war warm und voller Gefühl. „Mein Schneeherz und du, mein Glühwürmchen... ich liebe euch beide so sehr."
Mio lächelte sanft, eine seltene Ernsthaftigkeit lag in seinem Blick. „Und ich liebe dich, mein Licht," sagte er leise.
Chris küsste Emilia auf die Stirn und zwinkerte Mio zu. „Du bist ein Glückspilz, Glühwürmchen. Wir sind beide verrückt nach Herzglanz, und du bekommst deinen Teil der Liebe immer ab."
Mio grinste. „Tja, vielleicht liegt das daran, dass ich unwiderstehlich bin."
Dann wechselte seine Stimme in einen nachdenklichen Ton. „Übrigens, ich habe bald Geburtstag."
Chris hob überrascht eine Augenbraue. „Wirklich? Und wann genau, Glühwürmchen?"
Mio blickte versonnen auf die Blumen in Emilias Händen. „In ein paar Tagen. Ich will aber keine große Feier... nur etwas Kleines mit Herzlicht und Flauschherz. Ich will mit euch beiden feiern – das wäre alles, was ich mir wünsche."
Emilia lächelte breit. „Das klingt perfekt, Mio. Wir machen etwas Besonderes für dich. Versprochen."
Chris nickte zustimmend. „Natürlich, Glühwürmchen. Dein Geburtstag wird unvergesslich, da kannst du sicher sein."
Mio grinste. „Das erwarte ich auch von euch beiden."
Der Moment im Wald war voller Wärme und Vertrautheit. Es war ein Augenblick, in dem die drei sich noch enger verbunden fühlten – ein Band, das selbst die schwierigsten Herausforderungen nicht zerreißen konnten.
Emilia blickte Mio neugierig an, während sie den Blumenstrauß festhielt. „Sag mal, Mio, wie alt wirst du eigentlich?"
Mio grinste leicht und verschränkte die Arme vor der Brust. „129," sagte er mit gespieltem Stolz, als wäre das eine beeindruckende Leistung.
Emilia starrte ihn einen Moment lang an, bevor sie in Lachen ausbrach. „129?! Du siehst nicht einen Tag älter als 100 aus!"
Mio zuckte mit den Schultern, ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen. „Tja, Herzlicht, so läuft das eben, wenn man ein Irrlicht ist. Wir altern auf ganz besondere Weise. Außerdem liegt es an meinem unvergänglichen Charme."
Chris schnaubte und schüttelte den Kopf. „Unvergänglicher Charme, Glühwürmchen? Wenn du so weiterredest, wirst du irgendwann 129 Jahre Arroganz anhäufen."
Mio warf Chris einen schelmischen Blick zu. „Du bist nur eifersüchtig, Flauschherz, weil ich so viel jünger aussehe als du."
Chris tat empört, während Emilia lachend die beiden beobachtete. „Also gut, Mio, dann müssen wir deinen 129. Geburtstag so feiern, als wärst du wirklich erst 100 Einverstanden?"
Mio nickte zufrieden. „Das klingt akzeptabel. Aber vergesst nicht – ich erwarte einen Kuchen mit genau 129 Kerzen."
Chris grinste. „Das könnte schwierig werden. Aber hey, für dich machen wir das Unmögliche möglich."
Emilia fügte hinzu: „Na gut, aber du musst dann auch 129 Wünsche haben, Mio. Bereite dich schon mal vor!"
Mio lachte. „Kein Problem, ich habe mehr als genug Wünsche. Die meisten davon beinhalten euch beide."
Die drei lachten zusammen, und Emilia fühlte sich für einen Moment, als wäre alles perfekt. Mio war ein unverzichtbarer Teil ihres Lebens, und dieser besondere Moment war nur einer von vielen, die sie gemeinsam noch erleben würden.
Zurück in Eversum gingen Emilia, Chris und Mio direkt zum Kunden, um die restlichen Materialien für die Kerzenherstellung abzuholen. Der Kunde, ein wohlhabender Händler mit einer Vorliebe für handgefertigte magische Produkte, begrüßte sie mit einem breiten Lächeln.
„Willkommen. Ich habe alles vorbereitet," sagte er und wies auf die sorgfältig verpackten Zutaten, die auf einem großen Tisch bereitstanden. „Ich freue mich schon darauf, eure Arbeit zu sehen. Ich erwarte höchste Qualität."
Chris nickte höflich. „Natürlich. Wir werden dafür sorgen, dass die Kerzen eure Erwartungen übertreffen."
Mio, der sich unauffällig nach den Zutaten umsah, fügte hinzu: „Ihr habt euch wirklich Mühe gegeben, alles bereitzustellen. Das wird die Arbeit erleichtern."
Emilia warf einen Blick auf die Materialien – sorgfältig verpackte Wachsstücke, kleine Fläschchen mit ätherischen Ölen und mehrere Päckchen mit Kräutern. Sie spürte einen Hauch von Stolz, als sie daran dachte, wie sie die frisch gesammelten Zutaten mit diesen kombinieren würde.
Nachdem Chris die Lieferung überprüft hatte, packten sie alles sorgfältig zusammen und verabschiedeten sich vom Händler.
„Die Kerzenherstellung wird morgen beginnen," erklärte Chris, als sie die Gilde verließen. „Aber für heute hast du genug geleistet, Herzglanz. Du darfst dich ausruhen."
Emilia zögerte. „Aber wir könnten doch schon anfangen..."
Mio legte ihr eine Hand auf die Schulter und lächelte beruhigend. „Herzlicht, du hast heute viel erreicht. Ruh dich aus, genieße den Abend. Morgen haben wir genug Zeit, um alles in Ruhe zu machen."
Chris nickte zustimmend. „Mio hat recht. Manchmal ist es genauso wichtig, sich auszuruhen, wie zu arbeiten."
Emilia lächelte schließlich. „Na gut, ihr habt mich überzeugt. Aber nur, wenn ihr mir versprecht, dass ihr mich morgen früh weckt."
Chris und Mio lachten leise. „Das ist ein Versprechen, Herzglanz," sagte Chris.
Mit den Materialien in der Tasche und einem Plan für den nächsten Tag kehrten sie zum Rosavelle-Haus zurück, wo Emilia sich endlich hinsetzen und ihre Beine hochlegen konnte. Es war ein langer, aber erfolgreicher Tag gewesen, und sie freute sich darauf, am nächsten Morgen mit ihren beiden liebsten Begleitern die nächste Herausforderung anzugehen.
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