Das wird mein Jahr werden
DAS WIRD MEIN JAHR WERDEN.
Diesen Satz hatte ich am Silvesterabend in Großbuchstaben und dick unterstrichen in mein Tagebuch geschrieben. Ich glaubte fest daran, dass man, wenn man sein Leben nach positiven Leitsätzen richtete, diese das eigene Leben positiv beeinflussen konnten.
Wer Riley Spencer wirklich gut kannte, wusste, dass sie voller positiver Energie steckte, sie so oft konnte strahlte und fast immer gute Laune besaß. Mir negative Gedanken zu machen, kam für mich überhaupt nicht in Frage. Im Endeffekt machten diese ja das eigene Leben nur noch schwerer. Sie ließen einen Chancen verpassen, die man möglicherweise nie wieder zurückbekam. Genau deshalb verstand ich nicht, dass meine Eltern es so negativ sahen, als ich ihnen gebeichtet hatte, dass ich nach meinen Schulabschluss an eine Kunsthochschule gehen wollte.
,,Wir haben dich ja immer finanziell unterstützt, als du so Sachen wie ein Atelier, Malutensilien und Leinwände gebraucht hast oder an der Kunst-AG teilnehmen wolltest, Riley. Aber auf keinem Fall werde ich es zulassen, dass meine Tochter mit etwas so brotlosen wie Kunst sich eine Zukunft aufbauen wird!'', hatte mein Vater ziemlich lautstark von sich gegeben, als ich es gewagt hatte, ihm einen Katalog von meiner Traumkusthochschule zu zeigen.
Meine Mutter war mindestens genau begeistert von meinen Zukunftsvorstellungen gewesen wie er.
,,Ich und dein Vater findet ja, dass du dich hervorragend als Ärztin eignen würdest. Du wirst stets von Mr Frank und vielen anderen Lehrer dafür gelobt, dass du gut bis sogar sehr gut in allen naturwissenschaftlichen Fächern bist. Warum nicht ein Medizinstudium?''
Ja, ich war in den Fächern wie Chemie, Physik und Biologie gut bis sehr gut. Das war ich aber nur, weil ich eine Freundin namens Selina hatte, die wenn es darauf ankam, wahrscheinlich besser unterrichten konnte als eine Vielzahl unsere Lehrer selbst. Doch das meinen Eltern zu erklären half sehr wenig bis gar nicht.
Sie wollten einfach nicht hören oder wahrhaben, dass ihre Tochter eine so große Leidenschaft für etwas ihrer Meinung nach ,,so schwachsinnigem'' wie Kunst hängte, dass sie eine berufliche Perspektive daraus machen wollte. Ich verstand ja, dass es ihnen wichtig war, dass ich später einmal einen Beruf aussuchte, mit dem ich Geld verdienen würde und mir ein finanzielles Standbein sein konnte. Aber Kunst als ,,brotlosen Schwachsinn'' zu bezeichnen war einfach nur dreist und irgendwie auch sehr gemein. Ich bezeichnete ja auch nicht Dads Passion für Autos jeglicher Art als kompletten Müll.
Als Autoverkäufer verdiente er zwar momentan gut Geld, doch was war, wenn es irgendwann mit seinem Geschäft den Bach hinunter lief?
Elektroautos waren der neuste Schrei schlecht hin und würden ganz sicher eines Tages die Luftverschmutzenden Dieselmotoren für allemal ersetzten. Es wurde langsam Zeit, dass die Menschheit den Klimawandel ernst nahm und sich dementsprechend verhielt.
Weil all meine positiven Energiereserven nach diesem miesen Gespräch aufgebraucht waren, verzog ich mich, als die zwei nicht mehr mit mir sondern bloß miteinander über mich und meine Zukunft sprachen, zurück auf mein Zimmer.
Ich hatte geahnt, dass es schwer sein würde, meine Eltern davon zu überzeugen, dass der Traumberuf ihrer Tochter Künstlerin war. Doch, dass es so schwer werden würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Mag sein, dass es ein großes Risiko war, meinen ganzen Fokus darauf zu setzen, in der Kunstszene Karriere zu machen.
Wie groß war schon die Chance, dass man von Talentscouts entdeckt wurde und man mit deren Hilfe zum gewünschten Erfolg kam?
Sie war sehr gering, doch das hieß nicht, dass es sie nicht gab.
Warum musste man wie gesagt überhaupt vom Schlimmsten ausgehen?
Das half einem nicht im Leben weiter, dann würde man sich niemals trauen, etwas zu tun, wofür man von andern möglicherweise belächelt wurde. Wenn man alles dafür gab, sich seinen Traum zu erfüllen und mit ganzem Herzblut sich an die Sache setzte, würde man ganz sicher eines Tages dafür belohnt werden.
Vielleicht war ich nicht unbedingt die rationalste Person dieser Welt, aber was war bitteschön so falsch daran, von gewissen Dingen zu träumen?
War man als Eltern nicht dafür verantwortlich, dass das Kind an sich selbst glaubte und glücklich mit seinen Entscheidungen war, die es für sein Leben getroffen hatte?
Als ich mit all diesen verschiedenen Gedanken in meinem Bett saß und mein Tagebuch dabei in der Hand hielt, fiel mein Blick sofort wieder auf meinen letzten Eintrag an Silvester.
DAS WIRD MEIN JAHR WERDEN.
War ich wirklich so naiv gewesen und hatte geglaubt, dass mir ein großartiges Jahr bevorstand und ein dämlicher Spruch mir die Macht geben würde, alles zu erreichen, was ich mir vornahm?
Bei diesem Gedanken kam ich mir unheimlich kindisch und doof vor. Nur dumme Kleinkinder glaubten, dass sie alles werden und sein konnten, was sie wollten und das war ich schon längst nicht mehr. Ich sollte langsam lernen, dass es zwecklos war, die kleine Riley festzuhalten, die vor großen Zielen keine Angst hatte und sie anging.
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