Eine sehr persönliche Rede
Und wie der Zufall es wollte, war der letzte freie Platz neben Josh, als ich nach unserer gemeinsamen Nacht am nächsten Morgen den Frühstücksraum aufsuchte. Ich tat mein Bestes, nicht mit den Augen zu ihm herüberzuschielen.
Ashley, Riley und Jeremy ließen es sich zumindest nicht anmerken, dass sie die merkwürdige Anspannung zwischen uns wahrnahmen.
Dankbar darüber, dass Riley so eine Quasselstrippe war, nahm ich schweigend mein Müsli ein, während sie drauflos zu plappern begann, wie schön doch gestern der Ausflug mit Jeremy gewesen sei.
Und obwohl das was sie erzählte, durchaus interessant klang, war ich nicht ganz bei der Sache. Gedanklich befasste ich mich nämlich immer noch mit der gestrigen Nacht.
Was war das zwischen mir und ihm gewesen und wieso war so früh aus meinem Zimmer verschwunden?
,,Selina, könntest du kurz mit mir mitkommen? Ich möchte gerne mit dir allein reden", wurde ich auf einmal von der Person angesprochen, von der ich wusste, was wir beide dringend ein Gespräch nötig hatten.
Mit großen Augen starrte ich Josh an.
,,Ähm, okay.''
Weder Riley noch Ashley konnten sich ein fettes Grinsen nicht verkneifen, als ich und er aufstanden und uns auf zur Terrasse machten, wo wir nun schon einige Gespräche miteinander geführt hatten.
,,Wie hast du geschlafen?''
Wie ich geschlafen hatte?
Ernsthaft?
Das interessierte ihn gerade in diesem Moment?
,,Ganz gut. Und du?''
,,Ich auch.''
,,Wann bist du denn aus meinem Zimmer gegangen?'', fragte ich nach, um das Gespräch dorthin zu lenken, was ich von ihm wissen wollte.
,,Relativ früh. Die Sonne war gerade beim Aufgehen, als ich gegangen bin.''
Wenn ich so darüber nachdachte, war es wahrscheinlich gut so gewesen, dass er gegangen war, bevor wir zum Beispiel eng umschlungen miteinander aufgewacht wären. Das wäre vielleicht zu viel gewesen, wenn wir noch kein Paar waren.
,,Es wäre wahrscheinlich sowieso komisch gewesen, wenn wir ... ''
Nein. Ich würde diesen Satz nicht zu Ende sprechen. Nicht vor ihm.
,,Wenn wir was?''
,,Das ist nicht so wichtig'', versuchte ich meinen vorherigen angefangenen Satz herunterzuspielen.
,,Nein, sag es. Wenn wir was?'', hakte er abwartend nach.
,,Wenn wir beide eng ineinander umschlungen aufgewacht wären. Dann hätte ich zumindest das Gefühl gehabt, dass wir wieder das Paar von damals wären.''
Nun war es raus. Das erste Mal an diesem Morgen ihm direkt in die Augen blickend, sah ich in ihnen eine Verwirrung gespiegelt, die höchstwahrscheinlich genauso groß war wie meine eigene.
Er war anscheinend genauso verwirrt, wie ich, wenn es darum ging, zu erklären, was das zwischen uns gestern Nacht gewesen war. Warum wir miteinander geschlafen hatten.
,,Wir sind zwar kein Paar mehr, aber zumindest mich hätte es nicht gestört, wenn wir eng umschlungen miteinander aufgewacht wären. Für mich war das gestern Abend mehr als nur bloßen Sex mit jemandem zu haben, Selina. Du hast mir gefehlt. Deine Anwesenheit. Deine Wärme. Deine Berührungen. Es hat mir alles so gefehlt. Ich bin so früh verschwunden, weil ich nicht wusste, ob es dir genauso ging. Ich wollte nicht die Situation noch komplizierter machen, als sie sowieso schon ist.''
Verstehend versuchte ich zu analysieren, was Josh gerade gesagt hatte. Er wäre geblieben, doch er hatte Angst gehabt, dass ich das nicht wollen würde.
Es war auch für mich mehr als nur Sex gewesen und das musste ich ihm kommunizieren. Es war bedeutender gewesen als nur eine einzige Nacht.
,,Es hat mir auch gefehlt. Und es hat mir mehr bedeutet als nur jemandem körperlich nahe zu sein. Ich bin noch nicht an dem Punkt, an dem ich es schaffe, dir vollkommen zu vertrauen. Aber wir sind schon weiter als zuvor und ich bereue nichts von alldem, was zwischen uns passiert ist. Ich fühle mich nach wie vor zu dir hingezogen und das kann ich wohl nicht so leicht ignorieren.''
,,Selina, bitte. Es gibt noch so viel zu tun und du musst noch zurechtgemacht werden. Könntet ihr dieses Gespräch vielleicht auf einen anderen Zeitpunkt verschieben?''
Ich schreckte zusammen, als ich Kates Stimme wahrnahm. Sie zog mich von Josh weg und sie boxierte mich in den Raum, wo wir vorgestern noch die Kleider anprobiert hatten.
Zwei Stylisten kamen sofort auf mich zugelaufen und machte sich direkt daran, mich herzurichten.
***
Die Hochzeit von Kate und Luke war ein absoluter Traum. Der festlich geschmückte Saal, das Kerzenlicht, das von den funkelnden Kristallgläsern reflektiert wurde, und die unzähligen Blumenarrangements in sanften Rosatönen – alles schien aus einem Märchen zu stammen. Die Stimmung war ausgelassen, die Gäste lachten, das Brautpaar strahlte vor Glück.
Wir saßen alle an unseren Plätzen, das sanfte Klirren von Besteck auf Porzellan und leises Murmeln erfüllten den Raum, bis Josh sich erhob. Seine Bewegung zog die Aufmerksamkeit des gesamten Saals auf sich, und die Gespräche verstummten.
,,Liebe Kate und mein allerliebster Luke. So wie der Rest eurer zahlreich erschienen Gäste, wünsche ich euch beiden nur das Beste für eure Zukunft. Zwei wundervolle Kinder habt ihr ja bereits'', begann mein Exfreund eine Rede für seinen besten Freund zu halten, als wir alle versammelt an unserem Platz saßen, wo wir nun miteinander anstoßen und die Hochzeitstorte essen würden. ,,Ich hoffe für euch, dass ihr euch ein Leben lang so verliebt anschauen werdet. Ich weiß nur zu gut, was für ein schönes Gefühl das ist, weil es mir immer so ging, wenn ich einen ganz bestimmten Menschen angesehen habe. Sie hat mir beigebracht, an meinen Träumen festzuhalten und für diese alles zu geben. Ich bewundere sie dafür, dass sie stets diesen beeindruckenden Ehrgeiz in sich trägt und niemals so schnell aufgibt. Ich hoffe für dich Luke, dass Kate ein Leben lang die gleichen Empfindungen in dir auslösen wird, so wie die Liebe meines Lebens es bei mir bis heute immer noch tut. Das ist gerade alles, was ich sagen möchte. Ein Hoch auf das Hochzeitspaar.''
Als er seinen Tost beendet hatte, wurde überall nach den Gläsern gegriffen. Nicht gerade wenige klatschten sogar, bevor sie zum Trinken ansetzten. Ashley, die neben mir saß, sah mich mit einem vorwurfsvollen Blick an, der so etwas zu sagen schien wie: ,,Er hat gerade hauptsächlich nur von dir gesprochen, Selina. Du bist die Liebe seines Lebens.''
Damit hatte ich meine Antwort, nach der ich in den letzten Tagen gesucht hatte. Mein Exfreund hatte vor allen bekanntgegeben, dass ich die Liebe seines Lebens war. Ashley schien jedenfalls davon überzeugt zu sein und mich überkam, um ehrlich zu sein, die gleiche Vermutung.
Und etwas in mir wollte das so gerne erwidern. Nun begriff ich, warum mir drei ganz bestimmte Worte gestern Abend auf der Zunge gelegen hatten und wusste nun, dass Josh so viel mehr für mich empfand, als ich gedacht hätte.
Ich wollte lachen und weinen, weil das irgendwie so schön war. Ich war gerührt von seinen Worten und wusste gar nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte.
Es kam mir so unwirklich vor, dass mich jemand als die Liebe seines Lebens bezeichnete. Und das selbst, wenn wir nicht mehr zusammen waren. Ich nahm mir vor, dass ich unbedingt nochmals mit ihm sprechen musste, weil wir am Morgen von Kate unterbrochen worden waren.
Ich hätte es nicht gedacht, aber das Reden half, damit wir genauer wussten, was wir füreinander waren und wie es weitergehen sollte.
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