4 - Auftakt
"Der Abend gestern war super schön! Wie konntest du es mir nur verschweigen!", tippte Lena in ihr Handy ein und schickte die Nachricht ab, während im Hintergrund Spotify mit Liedern von Purple Prince lief. Sie lag nun schon eine Stunde wach im Bett und hörte sich durch seine Lieder.
Ihre Gedanken waren beim gestrigen Abend. Nachdem er ihr vorgerappt hatte, ist nicht mehr allzu viel passiert, aber es fühlte sich so gut und richtig an. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass sie dachte, in der Zwischenzeit mal jemand anderen geliebt zu haben. Aber offensichtlich hat sie nie aufgehört, Timo zu lieben. Und er auch nicht.
Jetzt hatten sie wenigstens Nummern getauscht und wissen jeweils wo der andere wohnt. Alles viel erreichbarer und realer. Wobei sie sich an diese Superstar-Sache sicher erst gewöhnen musste. Eigentlich gar nicht so ihr Ding, im Mittelpunkt stehen. Aber das würde sich jetzt sowieso ändern durch die Beziehung zu dem Rapper. Sie gönnte ihm den Erfolg so sehr. Allerdings machte ihr die Geschichte mit den Drogen Sorgen.
Sie hörte etwas dumpfes, was nicht aus ihren In-Ears kam, weshalb sie die Musik stoppte und die Kopfhörer rausnahm.
"LENAAAA! Bist du schon wach????", hörte sie es dann. War nur Nico, der sie wohl zum Frühstück rufen wollte. Sie rollte sich aus dem Bett und ging Richtung Tür. "Jahaa, ich komme.", rief sie zurück. Sie zog sich schnell einen schwarzen Hoodie über ihr Top und hatte bereits eine Jogging-Shorts an, die sie nachts bereits trug.
Unten angekommen lächelte sie in die Runde zur Begrüßung und setzte sich an ihren Platz, an dem bereits ein Glas Orangensaft auf sie wartete.
Ihre Mutter sah sie erwartungsvoll an. "Und? Wie war's gestern bei euch zwei noch?", wollte sie wissen. Sie platzte fast vor Neugier. Diese Frau.
Lena rollte die Augen und atmete schwer aus. "Was erwartest du jetzt, Mom?", sie hielt kurz inne. Immerhin saßen auch ihr Vater und ihr Bruder am Tisch. "Ja, wir sind zusammen. Es ist, als ob wir da weitermachen, wo wir vor drei Jahren aufgehört haben.", haute sie dann raus und schwieg erbarmungslos. Unpassender Weise ertönte in dem Moment eine Nachricht auf ihrem Handy.
Ihr Vater schmunzelte, ihre Mutter grinste in sich hinein und ihr pubertierender Bruder fragte nur: "Ohaa, also habt ihr gestern direkt Rambazamba gemacht, oder wie?" Natürlich. Direkt. Nein verdammt!
"Heilige Scheiße, Nico, nein!", rutschte es ihr heraus. Es gibt kaum peinlichere Themen vor ihren Eltern als das. Und selbst wenn es so gewesen wäre, würde sie es ihnen nicht gerne unter die Nase reiben.
"Kinder, Kinder. Hört auf.", schlichtete Vater Matthias. "Es freut mich, dass ihr zueinander gefunden habt, Lena. Timo ist ein spezieller Vogel, aber er hat sein Herz am rechten Fleck.", nickte er Lenas Beziehung zu Timo ab. Wenigstens das. Ihre Mutter schien sich ebenfalls nur so zu freuen. Eigentlich ja schön, auch wenn es manchmal nervig war.
Nun musste sie es nur noch ihren Freunden erzählen und das auch überleben. Sie konnte sich vorstellen, dass das ein wenig Zirkus geben könnte. Einerseits wegen der Gerüchte über Timos Drogenkonsum, zum Anderen wegen seinem Rapp-Erfolg. Die einen werden sich für sie freuen, die anderen werden Zweifel aussprechen. Aber ist das nicht immer so?
Sie sah auf ihr Handy und sah Maras Namen auf dem Display. "Ich hab ihm versprochen nichts zu sagen! :D Ich hoffe, alles ist gut ausgegangen." Na klar. Die könnte sich morgen in der Schule etwas anhören. Wobei es ja schon irgendwie süß war.
Lena wurde aus ihren Gedanken gerissen, als alle am Tisch aufstanden und bereits abräumten, während es an der Tür klingelte. "Ich geh schon.", sagte sie und wanderte in den Flur. "Timo!", war sie etwas überrascht. "Was machst du denn hier?"
"Ich dachte, ich hol' dich ab und zeig dir, wo ich jetzt wohn." Er öffnete seine Arme einladend und sah Lena erwartungsvoll an, die nur etwas überrumpelt in der Tür stand.
"Ähm..., klar! Ich sag kurz Bescheid.", sagte sie, während sie sich bereits abwandte. Kurz darauf hielt sie inne, drehte sich wieder zu Timo und meinte: "Ich... zieh mich noch kurz um?!"
Timo lächelte sie nur kopfschüttelnd an. "Musst du nicht, alles gut." Das entlockte ihr ein schüchternes Lächeln. Normalerweise würde sie nicht unbedingt mit der Jogging-Shorts das Haus verlassen, aber bei Timo fühlte sie sich wohl.
Vorne am Gartentor erblickte sie einen Roller. Vermutlich ein 50er. Mintgrün. Alt. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie meinen er sieht aus wie eine alte Vespa. Sie sah ihn skeptisch an. "Deiner?"
Ein freches Grinsen breitete sich in Timos Gesicht aus. "Jo. Hab' sogar n'zweiten Helm dabei!" Er zückte den Schlüssel, ehe er den Sitz hochklappte und einen altmodischen Jethelm in Braunlederoptik herausholte und ihr reichte, den sie entgegennahm.
"Du hattest schon immer ein Faible für's Extravagant Sein.", kicherte sie während sie sich hinter ihn auf das Gefährt platzierte und ihre Arme um ihn legte. Bevor er losfuhr festigte er ihren Griff nochmals, nur um sicher zu gehen.
Nach einer viertel Stunde Fahrtweg, der sehr angenehm und ein wenig kühl war, stoppte Timo vor einem Wohnblock. Hier wohnte er. Im Neubaugebiet. Hier war Lena tatsächlich noch nie. Keiner ihrer Freunde wohnte dort. Entweder, weil sie schon viel länger im Ort wohnten, als das Neubaugebiet alt war, oder weil sich hier niemand eine Immobilie oder die Miete leisten konnte.
Er führte sie durch den Vorgarten zum Eingang, das Treppenhaus hinauf in den ersten Stock, an eine Wohnungstür mit dem Klingelschild Heuer.
"Da wären wir.", drehte er sich zu Lena um und winkte sie einladend herein. "Willst du was Trinken?"
Sie schüttelte den Kopf. Es roch nach Rauch und Cannabis, aber es sah auf den ersten Blick ordentlich und sauber aus. Er zeigte ihr die ganze Wohnung. Drei Zimmer, Küche, Bad, Balkon. Das Zimmer seiner Mutter war das kleinste und doch ausreichend. Sie hatte ein Bett, einen Kleiderschrank, eine Leseecke mit bequemen Sessel und ein kleines Aquarium eingerichtet.
Das gemeinsame Wohnzimmer war schon größer. Große Liegelandschaft, großer Fernseher mit Surround-Soundsystem, Esstisch und ein paar Pflanzen. Ein Wohnzimmer eben. Küche und Bad waren vergleichsweise klein, aber allemal groß genug.
Timos Zimmer war größentechnisch zwischen Wohnzimmer und Lauras Zimmer. Bei ihm stand, neben einem Bett und Kleiderschrank, noch ein Schreibtisch und zwei kleinere Abstelltische in der anderen Hälfte des Zimmers. Ein PC mit drei Monitoren, zwei Mikros, Zettel, Stifte, Headsets... vermutlich seine Akustikwerkstatt.
Als hätte er ihren letzten Gedanken gehört, sagte er plötzlich: "Hier entsteht tatsächlich ein Großteil meiner Songs."
"Zeig mir, woran du gerade arbeitest!", forderte sie ihn auf und schon startete er den PC.
Er spielte ihr die Mainmelodie vor, die Hook und einen abgeschlossenen Verse. Der Rest und die Zusammensetzung waren noch unfertig, doch es packte sie einfach jetzt schon. Sie wippte mit dem Kopf mit und spürte regelrecht die Gefühle in dem Song.
Wieder bat sie ihn, selbst zu rappen um seine Stimme ohne Schnickschnack zu hören - und er tat es. Seine Stimme war rauchig, kratzig, taktvoll und er steckte einfach unglaubliche Tiefe rein, die man hören konnte.
"Wow. Ich bin begeistert, T. Du klingst einfach geil. Ich freu mich so, dass du mit dem Rappen Erfolg hast!", sprudelte es nur so aus ihr heraus.
"Danke, Nuss." Timo lächelte bescheiden und freute sich über den Enthusiasmus seiner Freundin. Er wusste, dass sie immer hinter ihm stehen würde, dass sie ihn immer unterstützen würde. Und doch, hatte er diesen bitteren Beigeschmack, ihr nicht gerecht werden zu können. Nicht wegen des Geldes oder der Liebe. Wegen der Drogen.
Auch jetzt war er nicht komplett nüchtern. Eine Pille am Morgen, gegen die Angstzustände. Und Codein war sowieso immer am Start. Das Zeug, das die Sprite pink macht. Er hatte ihr zwar von seinem Konsum und den Entzügen erzählt, aber er hatte dennoch ein mieses Bauchgefühl.
"Ich hab nächsten Samstag einen Auftritt im Inkognito. Willst du mitkommen? So mit Backstage und VIP-Pass und so." Er erhob sich vom Bürostuhl und setzte sich auf sein Bett, im Vorbeigehen nahm er Lenas Hände und zog sie sanft mit sich.
"Wenn du willst, dass ich dabei bin?", eher eine Gegenfrage als eine Antwort. Sie wirkte etwas zögerlich, doch er verdrehte nur die Augen und seufzte. "Dann sehr gerne! Ich werde es morgen den anderen sagen, dann können die auch kommen, wenn sie wollen.", antwortete sie dann. "Es gibt ja echt einige, die deine Musik feiern."
"Nicht nur die Musik, tatsächlich.", entgegnete er schulterzuckend. "Aber klar, gern." Was sollte das nur wieder bedeuten? Aber egal! Er beugte sich langsam ein Stück weit zu ihr herüber und sah ihr in die dunkelbraunen Augen. Ein Gefühl, dass die Welt gefrieren und alles vergessen ließ. Sie erwiderte seinen Blick und lächelte leicht, bevor sie sich zu ihm beugte und ihre Lippen die seinen berührten.
Er erwiderte den Kuss, legte seine Hände um ihr Gesicht und drückte sie noch fester an sich. Das entlockte ihr einen leisen Laut. Er war so zärtlich und einfühlsam. Ganz anders als Leon. Oder überhaupt irgendjemand sonst. Bei ihm fühlte sie sich einfach geborgen.
Er erkundete mit seiner Zunge ihren Mund und strich ganz langsam mit seiner rechten Hand ihren Hals entlang über die Schulter bis hin zu ihrer linken Seite und stoppte unterhalb der Rippen. Sie war einfach wunderschön und so perfekt. Er würde sie nie verletzen wollen.
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