1. Kapitel
Ein Werwolf kann seine Mate nur bei Vollmond und den beiden darauf folgenden Tage mit abnehmendem Mond finden. Dieses gestaltet sich als besonders schwierig, weil der Drang sich zu Verwandeln schnell die Oberhand gewinnt.
Mit einem schlechten Gefühl im Magen fuhren wir an dem Ortsschild von Raveswed vorbei. Mein Kopf lag an der kühlen Fensterscheibe und mein Blick war stur gerade aus gerichtet. Einzelne Regentropfen bahnten sich ihren Weg am Fensterglas runter. Meine Kopfhörer waren auf die höchste Lautstärke gestellt und absichtlich hatte ich die Lieder angemacht, von denen meine Mum nicht wollte, dass ich sie höre.
Mum saß hinter dem Steuer und schaute immer wieder kurz zu mir herrüber. Hätte sie es wenigstens ein Jahr länger mit meinem Dad ausgehalten, müsste ich nicht vor meinem achtzehnten Geburtstag nochmal umziehen. Als siebzehnjährige fühlte man sich der Freiheit schon so nah, aber da sah man wieder, wie schnell sich alles ändern kann.
Mir wurden die Kopfhörer raus gezogen und murrend machte ich die Musik aus.
»Schätzchen ich würde jetzt am liebsten sagen es tut mir Leid, was es aber nun doch nicht tut, denn es war eine der besten Entscheidungen, die ich hätte treffen können! Versuch bitte damit klar zu kommen«.
»Mum mit ein paar Worten machst du es auch nicht besser! Bitte lass mich einfach die letzten Minuten genießen,bevor es alles anfängt«.
Wir fuhren durch eine lang gezogene Straße. Der Regen klang langsam ab, doch die düsteren Wolken blieben am Himmel weiter hängen. Seufzend hielt sie vor einer Auffahrt an und wir stiegen aus. Ein kleiner schwarzer Zaun mit scharfen Spitzen grenzte unser Grundstück von den der Nachbarn ab und der beinahe gelbe Rasen wuchs einem schon bis zur Hälfte des Schienbeines.
Unser Haus war etwas kleiner, als das unserer Nachbarn. Wir stiegen ein paar Stufen auf die Holzveranda hoch und nicht gerade begeistert schaute ich auf die abblätternde Farbe. Ich wusste genau was Mum vorhatte.
Meine Mum hatte einen Fimmel für das Renovieren. Sie liebte alte Gebäude und Baustellen. Den Schutt im Haar und Staub an Dreck und Füßen. Es war für sie eine Genugtuung zu wissen, dass andere ihre Bauwerke sehen werden. Für mich hieß das bloß wieder unendlich lange Stunden alleine Zuhause.
Das einzige schöne war, dass unser Haus definitiv nicht so aussah wie die anderen. Vielleicht lag es an dem schlechten Wetter aber die anderen Grundstücke in der Straße, sahen eher so aus als wenn dort nachts Leichen vergraben werden. In weiter Ferne bellte ein Hund.
Wir betraten unseren neuen Wohnsitz und standen sofort in einem engen schmalen Flur. Auf der Kommode war ein bisschen Staub und die Gardinen hatten Löcher. Ich ging weiter nach hinten und fand dort ein kleines Zimmer. Es wäre wahrscheinlich um einiges größer, wenn das riesige Bett ausgetauscht werden würde.
Hinter mir tauchte meine Mum auf.
»Du kannst es haben wenn du möchtest. Eigentlich wollte ich es in eine Abstellkammer umbauen aber wenn es dir gefällt, tauschen wir die Möbel aus und es wird dein Zimmer.«
Ich nickte und wartete darauf, dass sie die Tür hinter sich schloss. Meine Mum zu ignorieren war schwer. Lange könnte ich ihr nicht böse sein. Auch wenn sie mich von dem Ort weg gebracht hatte.
~*~
Nachdem sie den Strom angemacht hatte, wir mit Absprache des Wasserwerkes auch wieder Wasser und einen Anruf von den Möbelpackern erhielten, machten wir uns fertig Lasagne in der Mikrowelle warm. Wir hatten uns auf dem Weg etwas für Abends besorgt, jedoch stand für morgen ein Großeinkauf statt.
»Wie findest du das Haus? Hast du dich überhaupt schon richtig umgesehen?«, in ihrer Stimme hallte ein kleiner Vorwurf mit. Wir zogen zwar nur wegen ihr um aber sie gab sich alle Mühe, es so angenehm wie möglich zu gestalten.
»Es ist...«, ich zögerte kurz:» Es ist nicht schlecht Mum. Ich hab zwar bisher nur das Untergeschoss gesehen, aber der Dachboden wird bestimmt auch nicht schlecht sein. Du schläfst dort oben oder?«
»Ja er ist wirklich nicht schlecht, dir würde er sicherlich auch gefallen, wenn du willst können wir gerne tauschen«. Ich musste leicht Lächeln.
»Du willst doch nur dichter an der Toilette sein oder? «
»Durchschaut Liebes«, sie zwinkerte mir mit einem Auge zu und nahm eine Gabel in die Hand.
Vor dem Schlafengehen hängte ich mein Handy noch an meinen Ladekabel und legte das Bettzeug auf das Wohnzimmer Sofa. Das Bett was in meinem Zimmer lag, hatte mehrere durchgebrochene Leisten und es tat einem schon weh, wenn man nur darauf saß.
Unsere Heizung war ziemlich laut und meine Gedanken schwirrten die ganze Zeit um andere Dinge. Ich hatte mir vorgenommen nicht all zu viel aus meinem Aufenthalt zu machen. Ich brauche nichts um mich glücklich zu fühlen, wenn ich hier gar nicht bleiben würde.
Auch für die Raveswed Highschool nahm ich mir vor, mich nicht für etwas einzuschreiben. Umso weniger Spaß ich hatte, umso schneller sollte ich wieder weg kommen. Mit einem schlechten Gewissen gegenüber meiner Mum versuchte ich in den Schlaf zu finden.
Es waren noch drei Tage Sommerferien und in dieser Zeit hatten wir so einiges vor uns. Der Möbelwagen kam am nächsten Tag und lud so schnell wie es ging die Sachen von seinem Wagen. Er stellte nicht mal die Möbel richtig ins Haus, da war er auch schon wieder los gefahren. Kopfschüttelnd und ihn wütend beschimpfend hob Mum mit mir den schweren Schrank an, den wir noch in zwei kleinere auseinander bauen wollten und stellten ihn im Wohnzimmer ab.
»Mum du kannst sagen was du willst und mich auch bestechen womit du willst, aber diesen Schrank, trage ich dir ganz sicher nicht bis nach oben!«Keuchend hielt ich mir den Rücken, dabei hatten wir es erst bis zur Treppe geschafft.
Ich ließ mich auf den Sessel fallen, den wir schon fertig abgedeckt hatten.
»Keine Zeit für eine Pause. Später soll es wieder regnen, also lass uns einen Zahn zu legen, damit wir noch etwas zu Essen kaufen können.« Voller Elan kehrte sie wieder nach draußen zurück und schrie noch einmal, dass ich mich beeilen sollte.
Nach dem reintragen taten mir meine Muskeln so stark weh, dass ich großzügig meiner Mutter den Platz hinter dem Steuer überließ. Dieses kam nur selten vor, weil bei uns die Regel herrschte, wer hinter dem Steuer saß, dürfte bestimmen welche Musik gespielt wurde.
Auf dem Weg zum Supermarkt schaute ich mich ein bisschen um. Raveswed war komisch. Es gab weder ein Amtsgebäude, noch eine tolle Sehenswürdigkeit. Aber überall gab es Ausfahrten zum Wald, der die Kleinstadt wie ein Schild umrandete. Wundervoll für die Leute, die gerne Spaziergänge machten. Nicht für mich.
Der Supermarkt war kleiner als der Zuhause. Es wurde alles mögliche angeboten und eine Fleischtheke stand in der Nähe der Kasse.
»Ich geh mal kurz nach den Äpfeln schauen«, verabschiedete sich meine Mutter. Langsam schob ich den Wagen weiter. Über mir blinkte die Lampe und über die Lautsprecher Anlage wurde ein Kassenwechsel angekündigt.
Mittlerweile hatte es angefangen zu Regnen und um die Einkäufe zum Auto zu bringen, machten wir kurz unter dem Einkaufswagen Unterstand Stopp, damit sie nicht völlig durchnässten. Am Auto schmissen wir die Sachen nur schnell rein und setzten uns hinein. Mein Blick wanderte noch einmal über den Parkplatz und eine Gruppe Jugendlicher viel mir auf, die ebenso wie wir vor kurzem, unter den Einkaufswagen Unterstand hechteten. Neugierig beobachtete ich sie bis wir in die nächste Straße einbogen. Was meiner Mutter natürlich gleich auffiel.
»Wollen wir nochmal zurück? Vielleicht sind sie ja nett!«
»Mum!«, stöhnte ich und klatschte mir mit meiner Hand an die Stirn. Abgesehen davon, dass es meinem Vorsatz keinen Spaß haben zu wollen total wieder sprach, konnte ich mir nichts peinlicheres vorstellen, als vor meiner Mutter Fremde anzusprechen, und sie zu fragen ob sie meine Freunde sein wollten!
In dem neuen Haus setzte ich mich an die Heizung und guckte raus auf die Straße. Hier würde man nicht einmal freiwillig Tod über dem Zaun hängen. Seufzend schaute ich zu dem Nachbargebäude. Es ragte hoch und dunkel in den Himmel hinauf .
Ich war weder glücklich darüber das sich meine Eltern trennten, noch das ich meinen Heimatort hatte verlassen müssen. Mum meinte, dass es besser für mich sein würde von dem Ort weg zu kommen. Ich weiß nicht ob es gut war. Kindheitserinnerungen konnte man eben nicht einfach mit einem Ortswechsel verschwinden lassen.
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