Kapitel 8
Was musste man tun, um Freunde zu finden?
Musste man vor ihnen auf die Knie gehen und Fragen: "Wollen wir Freunde sein"?
...
Damals.
Sie alle blickten durch mich hindurch, als wäre ich nur ein Stück Tesafilm. Ein billiges Stück unbedeutendes Plastik, das klebte.
Doch dass man eine schlechte Meinung von mir hatte, war nicht das Schlimmste. Nein, für mich war das wirklich nur Nebensache, denn ich hielt noch viel weniger von ihnen.
Ihnen - Den zwischenmenschlichen Beziehungen.
Sie waren unbedeutend.
Sie waren eine Schwäche.
Sie waren etwas, was ich gar nicht mehr besitzen wollte. Irgendwann.
Violet Garfunkel, ich war ein Einzelgänger.
Und ich liebte das Leben in alleiniger Ruhe, (wenn man mir auch wirklich den Frieden ließ...)
»Hey du!« eine Stimme, so unerwartet und deshalb scharf wie ein Messer.
Mein Herz setzte aus.
Der imaginäre Hieb hatte mich getroffen.
War ich aufgefallen? Wenn ja, wodurch? Was war es heute? Was hatte ich verdammt nochmal wieder falsch gemacht?
Gedanken formten meinen restlichen Schulweg zu einem endlosen Tunnel. Ein schwarzes Loch, in das ich gezwungen war hinein zu starren.
Weiter. Ich muss weiter, zum Unterricht.
»Hey... du, jetzt warte doch mal!« es waren keine Schimpfworte heute.
Ich. - Ja, ich war gemeint.
Das konnte nicht sein. Oder doch?
Nicht bewegen, forderte ein Instinkt.
Eine Natur, die es mich gelehrt hatte in meiner persönlichen Wildnis zu überleben: Der Schule.
Meine Beine wurden taub.
Ich wollte weg. Doch sie wollten nicht. Diese heuchlerischen, dicken Treter, sie hörten noch nicht einmal auf ihren eigenen Gebieter. Sie blieben unbeweglich, widersetzten sich ihrer eigenen Rettung.
»Stopp, warte mal!« die Stimme holte mich viel zu schnell ein, prasste geradezu in mein Blickfeld, wie ein Tornado.
Ein wunderschöner Tornado.
Blonde Locken. Eine Figur zum dahin knien.
Das hübsche Mädchen lächelte mich freundlich an. Völlig entgegen meiner Erwartungen.
Sie passte nicht zu mir. Nein, - Was wollte sie von mir? Was wollte sie von Furunkel?
»Wie heißt du?«
»Vi... Violet,« jammerte ich.
»Schöner Name,« ihr warmes Strahlen stand im krassen Wettbewerb mit der Sonne. Was?
Wie Balsam legte sich ihre Stimme auf meine verletzliche Seele. Oh, sie ist nett.
»Danke.«
»Nichts zu danken. Ich habe dich schon öfter hier entlang gehen sehen, doch immer allein. Und irgendwie wirkt es als wärst du auf einer Art Flucht oder sowas...«
»Nein, nein,« lächelte ich heute zum ersten Mal. »Ich habe nur Angst zu spät zum Unterricht zu erscheinen,« etwas Besseres fiel mir tatsächlich nicht ein.
Ich konnte ja wohl kaum sagen, dass ich mich aus einer unsichtbaren Schusslinie zog, oder?
Erst jetzt bemerkte ich die zwei Typen, die sich bislang in ihrem Hintergrund gehalten hatten.
Warum eigentlich erst jetzt?
Ihre Schultern hoben und senkten sich.
Sie kicherten. Alle.
»...Und wie viel wiegst du?«
Wie viel wiegst du? Wie viel wiegst du? Wie viel wiegst du? Wie viel wiegst du? Wie viel wiegst du? Wie viel wiegst du? Wie viel wiegst du?
Die Kerle hinter ihr, verzogen sich zu Schatten. Dunkle Konturen, die sich zu hässlichen Fratzen und losen Mündern formten. Kreaturen, die lauthals lachten. Lachten über mich.
Und da war ich wieder.
Zurück in meiner perfekten Hölle.
Wie viel wiegst du? Wie viel wiegst du?
Wie viel wiegst du?
»Komm jetzt endlich, Chloe. Sonst kommen wir wirklich noch zu spät,« räusperte sich jetzt der Eine. Er konnte sich kaum noch besinnen vor Lachen.
„Wie viel wiegst du?"- Eine Frage, die irgendwann zur Priorität meines Lebens wurde.
Doch ich danke euch dafür, ich danke auch dir Chloe Cavendish!
♤
[Vier Jahre später]
Endlich konnte ich wieder beruhigt atmen.
Mein neues Leben als „unscheinbare Schülerin" war angenehm. Wie ich fand, war ich sogar damit gesegnet worden. Ja, - „gesegnet".
Die "dicke Garfunkel".
Irgendwie glich sie einem alten Fleck, der einfach nicht mehr abging.
Noch immer war ich ein Stück Tesafilm - Zwar nicht mehr so dick und eklig wie damals, doch ich war eins.
Also hatte ich gelernt „Garfunkel" zu meinem Vorteil zu nutzen. Und dank dieses erstklassigen Special-Effektes, musste ich mich auch nicht mehr mit „ihnen" unterhalten.
Doch mit dem „Tesafilm-Getue" war wohl jetzt Schluss. Denn meine Wenigkeit war im Laufe des Tages zu einer neuen „Sensation" mutiert.
Es klingelte zum Unterrichtsschluss.
Und plötzlich war ich nicht mehr „Violet-Unsichtbar-Channing", sondern „Austin McBaddy's Freundin".
Nahezu bildlich stelle ich es mir vor: Die dicke Violet Garfunkel, wie sie in mir hauste. Und anstatt einem kleinen Stück, hatte sie direkt den ganzen „Kuchen der Aufmerksamkeit" vernascht. Typisch.
Doch was dachte ich denn da? Das Ganze war auf McBaddy's Mist gewachsen!
Was sollte das sein? Mein neues Leben?
Ich hasste es.
Denn ich stand nicht mehr im Rampenlicht.
Ich war das „Rampen" in dem Wort „Rampensau".
Nirgendwo war ich noch sicher vor wildem Getuschel. Es waren Stimmen, die sofort verstummten, sobald ich in ihren Radius rückte. Köpfe des Football-Teams, drehten sich nach mir um und lächelten mich zwielichtig an. Beinahe wagte ich sogar zu glauben, sie würde mit mir...flirten? Oh shit.
Ein ständiges „Hey, Vi - was geht ab?" - ließ mich wie in einem schrecklich-klischeehaften Teenie-Film fühlen. Und tatsächlich fühlte es sich an wie „Girls Club" und ich war f*cking „Lindsey Lohan" höchstpersönlich.
Doch das Ganze hier war noch Lange nicht rosa-rot. Das Ganze hier war ein Albtraum.
Und zwar einer von der persönlichen Sorte, einer mit Austin Mc Baddy's Touch.
Und nicht zu vergessen den mörderischen Blick, den mir meine beste Freundin, Chloe Cavendish zu warf. Sie lehnte mit Maddison Horne an dem Geländer unserer Schule und schenkte mir eine ultraernste Grimasse. Dieses Bild nannte ich im Geiste: „die Aura des Todes".
Um mich herum begann alles zu rasen.
Mir fehlte plötzlich die Luft, während in meinen Ohren das Blut rauschte. Lauter und Lauter.
Auf einmal fing auf es an zu Brummen, ähnlich einem lauten Motorengeräusch.
Oh mein Gott, ich glaube ich muss mich gleich übergeben... und die Hand warf sich mir vor den Mund.
Und ich glaube, das tat ich auch.
Wäre nur das Hintergrundgeräusch nicht lauter geworden, hätte mich erreicht und mich ruckartig vor sich auf den Ledersitz gezogen.
»Na, brauchst du ne Mitfahrgelegenheit, Süße?« ich spürte Austin's Lächeln an meinem Ohr.
Unbehagen verwandelte sich in Gänsehaut.
Die Harley Davidson brummte vor sich hin, erregte noch mehr waghalsige Blicke.
Mein Kopf machte noch einmal kehrt. Ein dummer Fehler, denn ich erhaschte den Ausdruck meines Bruders. Nic war gerade aus dem Schulgebäude getreten, doch bei unserem Anblick war ihm glatt der Rucksack aus der Hand gefallen. Verdammte Kacke!
»Fahr endlich los!« ächzte ich und klammerte mich noch fester an meine Rettung.
»Alles klar, hauen wir ab!« bestätigte er.
Und ich ergriff den Stoff seiner Lederjacke und wir zischten davon.
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