08| backasswards
Kapitel 08
Backasswards
[Melody Rose Morgan]
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Den ganzen nächsten Tag verbringe ich damit, über das, was Julio gesagt hat, nachzudenken. Er hat sein ganzes Leben einfach hinter sich gelassen. Alles, woran er sich gewöhnt hat, ist auf einmal weg. Stattdessen bereist er die Welt.
Ich bekomme Bauchschmerzen wenn ich daran denke. Denn plötzlich werde ich daran erinnert, was einmal war. Ich hatte Träume. Schon immer wollte ich die Welt bereisen und zwar so richtig. Was ist daraus geworden?
»Möchtest du rosane oder weiße Blumen?«, fragt mich meine Mutter, um fortzufahren, als sie von der Toilette zurückkommt. Ich sehe sie nicht an.
»Ist mir eigentlich egal«, antworte ich.
»Ein bisschen mehr Enthusiasmus, bitte. Das hier ist deine Hochzeit.«
»Das ist nicht meine Hochzeit, sondern deine. Ich will das alles gar nicht. Die Blumen sind mir scheiß egal. Ich würde Shawn auch in einem Drive in heiraten«, sage ich. Mein Blick ist unfokussiert auf die verschiedenen Blumenbukets im Hintergrund gerichtet.
Meine Mutter schnappt entsetzt nach Luft:»Ach ja? Was nehmt ihr als Ringe? Etwa fettige Donuts? Der fette Typ, mit dem Fritierfett im Haar, der Schalter am Schalter sitzt, traut euch dann oder was? Das ist doch lächerlich.«
Mein Handy klingelt und ich bin heilfroh, dass ich all dem entwischen kann.
»Es ist Shawn«, sage ich nüchtern. Immer, wenn ich sage, dass es Shawn ist, erlaubt mir meine Mutter zu telefonieren. Ich stehe auf und verlasse den Tisch.
»Hey«, flüstere ich ins Telefon. Meine Stimme ist deutlich weicher, als eben noch.
»Hey hunny...«
Mir wird ganz flau um Magen. Irgendetwas in seiner Stimme ist anders.
»Was ist?«, frage ich unverblümt. Ein Seufzen dringt mir von der anderen Seite der Leitung entgegen.
»Ich werde noch eine Woche länger unterwegs sein«, murmelt er.
Ich habe das Gefühl, dass das Herz in meiner Brust ein weiteres Mal einen Riss bekommt.
»Melody?«
Ich lege auf. Meine Mutter sieht mich gespannt an, als ich mich zurück an den Tisch setze.
»Ich denke, ich möchte die weißen Blumen«, sage ich, um der Frage, was er gesagt gar, zu entgehen. Meine Mutter wirkt so aufrichtig erfreut darüber, dass ich mich für Blumen entschieden habe, dass sie vergisst, was sie mich fragen wollte. Meine Gedanken sind nicht bei den Blumen, sondern bei Shawn. Ich fasse es nicht, dass er noch länger wegbleibt.
Als mein Handy klingelt, lege ich auf. Es war Shawn. Ich kann das jetzt einfach nicht.
»Ich denke wir sollten das auf morgen verschieben«, sage ich nach einer Weile und stehe auf.
»Aber Melody!«, gibt meine Mutter entsetzt von sich, »Das hast du gestern auch schon gesagt. Wie soll das denn weiter gehen, wenn du die Planung immer weiter verschiebst?«
»Mir geht es immer noch nicht so gut. Bis morgen.«
Ich bewege mich auf den Eingang zu und spaziere raus. Zu meiner Überraschung folgt sie mir nicht.
Es bricht mir das Herz, dass Shawn noch länger wegbleibt. Wieso ist er lieber woanders, als bei mir?
Ich steige in mein Auto ein. Der Regen, der bis eben nicht viel mehr als ein Nieseln war, wird nun stärker. Ich lege mein Gesicht in meine Hände. Shawn wird einfach nie da sein. Er wird unser ganzes Leben verpassen und was mache ich?
Ich bleibe hier und verpasse mein Leben. Ich umgreife das Lenkrad. Aus meinen Augen laufen ein paar Tränen, die ich verzweifelt versuche zu unterdrücken, doch sie sind schon auf ihrem Weg. Sie laufen einfach aus mir heraus. Ich kann sie nicht aufhalten. Meine Arme ruhen auf dem Lenkrad und ich lasse meinen Kopf einfach auf sie fallen.
Die Stille wird nur ab und an durch meine Schluchzer unterbrochen, bis mein Handy wieder klingelt.
»Wieso entscheidest du dich nie für uns? Du entscheidest dich immer für deine Karriere, Shawn. Wieso nie für mich, für uns?«, plärre ich ins Handy.
Ohne, dass er antworten kann, lege ich auf. Ich halte mir erschrocken meine Hand vor den Mund. Ich kann nicht fassen, dass ich das gerade zu ihm gesagt hat. Immer, wenn er sich für seine Karriere entschieden hat, habe ich es akzeptiert. Ich wollte nie egoistisch sein und ihn von seinem Traum abhalten. Denn alles, was ich mir wünsche ist, dass er glücklich ist. Doch gerade wünsche ich mir genauso, dass ich endlich Mal wieder glücklich bin.
Eigentlich erwarte ich, dass mein Handy jeden Moment klingelt, doch das tut es nicht. Es bleibt still. Ich fahre los. Bei der nächsten roten Ampel verbinde ich mein Handy mit der Anlage im Auto. Sofort ertönt Green Day.
»Don't wanna be an American Idiot«
Ich schlage auf das Lenkrad, sodass meine Knöchel schlagartig wehtun. In mir ist auf einmal so eine Wut. Eine Wut gegen alles, was mein Leben kontrolliert und mich einsperrt.
Mein Herz fühlt sich ganz schwer an. Ich wollte ihm das nie so an den Kopf knallen, doch es ist gut, dass es raus ist. Ich möchte nur nicht, dass ihm jetzt die Entscheidung noch leichter fällt. Die Entscheidung für seine Karriere.
Erneut schlage ich auf das Lenkrad ein, als sei es für all das verantwortlich.
Zu Hause angekommen setze ich mich vor mein Laptop und google die Organisation, von der mir Julio erzählt hat. Als würd es mir irgendetwas bringen. Anstatt mich besser zu fühlen, bekomme ich nur noch mehr Fernweh.
Ich sehe gefühlt nur noch Tüllschleifen und Kuchen mit kitschigen Pärchen oben drauf. Das ist doch alles bullshit. Sowas braucht kein Mensch. Hochzeiten werden hauptsächlich zur Geldmacherei. Die Leute wollen immer größere Hochzeiten schmeißen, immer teuer und es gibt nichts, was es nicht gibt.
Ich klappe meinen Laptop zu. Ohne darüber nachzudenken laufe ich zu Shawns Kleiderschrank und hole mir seinen Hoodie heraus, den ich mir überstreife. Doch er riecht nicht nach ihm.
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