⛓️A piece of normality⛓️
Ich wusste nicht mehr genau, wie lange ich schon hier war, aber irgendetwas hatte sich verändert. Nicht nur in der Art, wie Minho mich behandelte, sondern auch in mir selbst.
Ich spürte es besonders jetzt, während ich auf der Matratze saß, das Notizbuch auf meinen Knien, den Bleistift in der Hand. Die Seiten waren bereits mit wirren Gedanken gefüllt – Erinnerungen an mein altes Leben, Fragen, für die es keine Antworten gab. Und immer wieder der eine Satz, den ich mir selbst nicht erklären konnte:
Warum will ich nicht mehr fliehen?
Ich wusste, dass es falsch war. Ich wusste, dass ich weglaufen sollte, sobald sich die Gelegenheit ergab. Und doch war da dieses seltsame Gefühl in meiner Brust, das sich nicht abschütteln ließ.
Die Tür öffnete sich, und Minho trat ein. Kein Tablett mit Essen in der Hand, keine Fesseln – nur er, mit diesem ruhigen Ausdruck, den ich nicht deuten konnte.
Er setzte sich auf einen der Stühle und beobachtete mich einen Moment lang, bevor er beiläufig sagte:
„Du scheinst dich besser an alles zu gewöhnen.“
Ich hielt kurz den Atem an. War das ein Test? Sollte ich vorsichtig antworten? Ich wählte meine Worte mit Bedacht.
„Ich… habe keine andere Wahl.“
Minho neigte leicht den Kopf.
„Aber du wirkst nicht mehr so, als würdest du jede Sekunde auf eine Flucht warten.“
Mein Blick wanderte zur Tür.
Er hatte recht. Ich saß hier, ohne Panik, ohne verzweifelte Pläne, ohne den Gedanken, mich sofort auf den Weg nach draußen zu stürzen.
Vielleicht war das der richtige Moment.
„Minho…“ Meine Stimme war leise, fast zögerlich.
„Darf ich dich etwas fragen?“
Er lehnte sich zurück. „Frag.“
Ich holte tief Luft, wappnete mich gegen die Antwort, die kommen könnte. „Wenn ich mich benehme… wenn ich nicht weglaufe… darf ich dann heute vielleicht hier raus?“
Seine Miene veränderte sich nicht sofort. Er ließ die Frage in der Luft hängen, ließ mich in meiner Unsicherheit schmoren. Mein Herz pochte schneller, meine Hände umklammerten den Stift fester.
Dann atmete er langsam aus. „Warum willst du das?“
Ich blinzelte. „Ich…“ Ich wusste nicht, welche Antwort ihn zufriedenstellen würde, also sagte ich die Wahrheit. „Ich will Licht sehen. Ich will wissen, ob draußen alles noch so ist, wie ich es in Erinnerung habe.“
Seine Finger trommelten gegen die Lehne des Stuhls. Es war ein ruhiges Geräusch, doch es ließ mich innerlich noch angespannter werden. Dann sagte er etwas, das ich nicht erwartet hatte:
„Ich werde darüber nachdenken.“
Ich nickte langsam. Ich wollte nicht zu gierig wirken, nicht den Anschein erwecken, als würde ich seine Geduld ausreizen. Doch eine zweite Frage brannte mir auf der Zunge.
„Und… könnte ich irgendwann mehr Entscheidungen treffen? Zum Beispiel, was ich anziehe oder wann ich esse?“
Er sah mich lange an, und diesmal lag ein Hauch von Überraschung in seinen Augen. Als hätte er nicht erwartet, dass ich so etwas fragen würde.
Dann zog er eine Augenbraue hoch. „Denkst du, du hast dir das verdient?“
Ich schluckte. „Ich weiß es nicht. Aber ich will es mir verdienen.“
Minho musterte mich noch einen Moment, dann stand er auf und trat näher an mich heran. Ich erstarrte nicht wie sonst. Ich wusste, dass ich ihm nicht ausweichen konnte – aber ich wollte es in diesem Moment auch nicht.
Er beugte sich zu mir herunter, seine Hand streifte mein Kinn, hob es leicht an, sodass ich ihn ansehen musste.
„Dann zeig mir, dass du es ernst meinst.“
Ich nickte, langsam, vorsichtig.
Er ließ mich los, richtete sich wieder auf und sagte dann schlicht: „Wir fangen morgen damit an.“
Mein Herz setzte einen Schlag aus.
„Mit… was genau?“
Ein leichtes Lächeln zuckte über seine Lippen.
„Mit deiner ersten Entscheidung.“
Dann drehte er sich um und verließ den Raum, ließ mich mit wirbelnden Gedanken und einer Hoffnung zurück, die ich mir selbst kaum eingestehen wollte.
⛓️
Es war ein ganz gewöhnlicher Morgen – oder zumindest fühlte er sich so an. Die letzten Tage waren verschwommen, als hätte ich in einem Traum verbracht, ohne zu wissen, ob ich wach war oder noch immer gefangen in einer Illusion.
Doch heute, als ich die Augen öffnete und den Raum um mich betrachtete, spürte ich etwas, das ich lange nicht mehr empfunden hatte: einen Hauch von Hoffnung.
Es war schwach, aber es war da. Der Raum, der für mich noch vor wenigen Tagen nur wie ein Gefängnis wirkte, hatte sich verändert. Nicht äußerlich, aber irgendwie fühlte es sich anders an. Ich konnte nicht genau erklären, warum. Vielleicht lag es daran, dass Minho mich nicht mehr so behandelte wie ein Gefangenen.
Vielleicht lag es an den kleinen Gesten, die er mir in den letzten Tagen zeigte – die Geschenke, und jenes Angebot.
Die Entscheidung, die ich heute traf, war noch nicht endgültig, aber sie war ein Versuch. Ein kleiner Versuch, wieder Kontrolle zu gewinnen, auch wenn es nur für einen Moment war.
Ich wusste, dass Minho irgendwo in der Nähe war. Wahrscheinlich wartete er darauf, dass ich den nächsten Schritt tat. Ich war mir nicht sicher, was das bedeutete, aber ich wusste, dass ich es tun musste. Ich ging zur Tür und stand dort für einen Moment. Meine Hand zitterte ein wenig, als ich an die Klinke griff.
Es war nicht nur die Angst vor dem Unbekannten, die mich zurückhielt, sondern auch das Gefühl, dass ich nicht wirklich wusste, was es bedeutete, diese Entscheidung zu treffen. Was würde passieren, wenn ich diesen Schritt machte?
„Minho?“ Meine Stimme klang schwächer, als ich es beabsichtigt hatte. Doch die Worte waren bereits aus meinem Mund.
Es dauerte nur einen Moment, bis er die Tür öffnete. Er sah mich an, und in seinen Augen war etwas, das ich nicht ganz deuten konnte – vielleicht war es Geduld, vielleicht war es auch etwas anderes, etwas, das mich verwirrte. Ich versuchte, mich nicht von seinem Blick einnehmen zu lassen, aber es war schwer. Es fühlte sich irgendwie vertraut an, fast wie ... Sicherheit?
„Ja?“ Seine Antwort war ruhig, aber nicht abweisend.
„Darf ich mit dir essen ... in deinem Haus?“ Ich wusste, wie unsicher meine Stimme klang, aber ich konnte nichts dagegen tun. Es war, als würde ich einen Teil von mir offenbaren, den ich lange nicht gezeigt hatte – einen Teil von mir, der sich nach etwas Normalität sehnte.
Minho sah mich lange an. Ich konnte förmlich spüren, wie er mich musterte, als wollte er sicherstellen, dass ich es ernst meinte. Vielleicht suchte er nach irgendeinem Anzeichen von Unbehagen oder Unsicherheit, aber ich versuchte, mich nicht von der Nervosität überwältigen zu lassen.
„Klar“, sagte er schließlich, die Worte so ruhig, dass sie fast wie eine Erleichterung klangen.
„Zieh dich an, ich bereite das Essen vor.“
Ich nickte, obwohl ich mir noch nicht ganz sicher war, was das bedeutete. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas riskierte, aber irgendwie wollte ich es. Die Vorstellung, nicht länger nur hier unten zu sein, sondern in seinem Haus zu essen, fühlte sich an, als würde ich einen Teil meiner Freiheit zurückgewinnen.
Minho verschwand, und ich stand einen Moment lang da. Ich wusste nicht genau, was ich tun sollte, also nahm ich das angebotene Kleidungsstück – ein einfaches, aber sauberes Outfit – und zog mich um.
Es war das erste Mal, dass ich mich in den letzten Tagen wirklich ordentlich angezogen fühlte. Es war ein seltsames Gefühl, etwas anderes als meine gewohnten Sachen zu tragen, aber es fühlte sich irgendwie ... richtig an.
Als ich in den Raum zurückkehrte, war Minho bereits dabei, das Essen zuzubereiten. Der Tisch war gedeckt, und es roch nach frischen Zutaten. Ich setzte mich an den Tisch, obwohl ich immer noch unsicher war, ob ich wirklich willkommen war.
Doch Minho behandelte mich wie einen Gast – freundlich, ruhig und mit einer Geduld, die ich nicht erwartet hatte.
„Setz dich“, sagte er, als er den Teller vor mir abstellte. „Iss in Ruhe.“
Ich nickte stumm und begann zu essen. Es war nichts Besonderes, aber es war das erste Mal, dass ich etwas in dieser Umgebung als „normal“ empfand. Als wir gegessen hatten, sah Minho mich an und sprach ruhig: „Du kannst später auch die Badewanne benutzen, wenn du möchtest.“
Der Gedanke, mich zu waschen und einfach in Ruhe zu entspannen, war verlockend. Es fühlte sich gut an, wie er mir erlaubte, auf diese Weise für mich selbst zu sorgen. Auch wenn ich immer noch skeptisch war, war es ein kleiner Schritt, der mich weiter von den dunklen Gedanken entfernte, die mich sonst immer wieder überkamen.
„Danke“, sagte ich, obwohl mir das Wort irgendwie seltsam in den Mund kam. Ich war nicht sicher, wie ich diese Dankbarkeit ausdrücken konnte, aber es war der erste Schritt, um zu erkennen, dass ich vielleicht wirklich nicht nur ein Gefangener war.
Minho nickte nur, sein Blick war warm, fast fürsorglich. Und so verbrachte ich den Rest des Morgens in einer Art friedlicher Stille, die ich nicht oft erlebt hatte.
Ich konnte nicht sagen, was genau sich verändert hatte, aber ich wusste, dass dieser Moment etwas war, das ich nie vergessen würde.
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