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Erster Akt, Erster Aufzug, Zweiter Auftritt

„Schwierigkeiten scheinen nur da, um überwunden zu werden."

Ort: Fyllas Wohnwagen, Zelt mit Feuerstelle Handelnde: Ayame, Meera, Fylla, Pandu-Anjan, Henry, Jaron, Finola, Setsuko, Efrén

Ayame erwachte. War sie eingeschlafen? Sie erinnerte sich nicht daran, zu Bett gegangen zu sein. Die Nerai setzte sich auf und zuckte sofort zusammen. Tausende kleiner Stiche jagten über ihren Rücken. Die Stellen, an der ihr die Flügel entwuchsen, brannten und der Stoff der Bandagen kratzte auf der empfindlichen Membran. Ayames Kopf fühlte sich leicht und schwer zugleich an, als vertrieben die Schatten der Alpträume die Gedanken des Tages . Um sich die Angst vor der nächsten Bewegung zu nehmen, sah sich die Nerai in ihrem Wohnwagen um, wie sie es immer tat, wenn die Schmerzen am Morgen so schlimm waren wie heute.

Doch sie war nicht in ihrem Wagen. Blinzelnd nahm sie den Raum, der ihr dennoch vertraut war, in sich auf. Neben der Tür gab es eine lange Werkbank, die bis zu dem schmalen Bett reichte, auf dem sie saß. Knapp vor ihr -sie hätte sich nur ausstrecken müssen- trocknete eine Reihe von Holzblumen, die auf schmalen Stäbchen steckten. Der altbekannte scharf-muffige Geruch von Farbe und Holz umhüllte sie. Sie war in Fyllas Reich. Jaron hatte der Nagra die Blumen vor ein paar Tagen in die Hände gedrückt, hatte Ayame „Anmalen" gestikuliert und war weitergeeilt.

Sie war in Fyllas Reich!

Mit einem Mal stürzten die Erinnerungen an den vergangenen Abend auf sie ein. Die Vorstellung. Agnita auf der Bühne. Jaron und Finolas Standpauke, die Gruppenumarmung, nachdem sie das Mädchen getröstet hatten und Ayames panische Reaktion darauf. Bei Pylos, sie war vor ihrer Freundin ohnmächtig geworden! Obwohl Fylla und sie schon längere Zeit eine Beziehung führten, hatte Ayame es bisher geschafft, ihre Vergangenheit geheim zu halten. Fylla wusste nur, dass Ayame nicht gerne berührt wurde, wenn es nicht von der Nerai selbst ausging. Aber bisher hatte die Nagra noch nie miterlebt, was passierte, wenn es Ayame zu viel wurde. Das war jetzt definitiv anders und die Nerai hatte den schleichenden Verdacht, die Nagra würde Antworten wollen.

Jemand räusperte sich und Ayame wandte ihren Kopf ruckartig nach rechts. Ein Schmerz schoss durch ihren Körper und sie verzog den Mund. Fylla war anscheinend so aufmerksam gewesen, sie zu sich bringen, um auf Ayame aufpassen zu können. So sehr die Nerai die Geste schätzte, sie hätte es dennoch bevorzugt, in ihrem eigenen Bett aufzuwachen. Dort hätte sie zumindest die nötigen Salben und Tränke griffbereit.

Du bist wach?", pfiff die Nagra, die auf einem bunt angemalten Schemel hockte. Ihre schwarze Schutzbrille, die sie gegen das Sonnenlicht trug, baumelte um ihren Hals und ihre Finger spielten mit einem Holzstück, das zur Hälfte angemalt war. Der Pinsel, von dem immer noch Farbe tropfte, steckte hinter dem Ohr der Nagra. Tropfen von Grün zogen sich über ihre blasse Wange. Ayame brummte zustimmend zurück. Mehr brachte sie nicht heraus, da etwas, das sich ähnlich und doch anders wie die Enge anfühlte, bevor sie ohnmächtig geworden war, ihr die Kehle zuschnürte. Sie blickte sich weiter im Wohnwagen um. Ein Holzeimer, der ebenfalls über und über mit Farbspritzern bedeckt war, stand in der Nähe auf der Werkbank. Aus ihm drang frischer, erdiger Geruch des Drecks, den die Nagra für die Farbe Braun verwendete. Daneben lag die halbfertig gezimmerte Schatzkiste des Stücks „Befenjas Erbe". Vermutlich hatte Fylla daran gearbeitet, während sie auf Ayames Erwachen gewartet hatte. Agnita, Fyllas Tochter, schlief zusammengerollt in einer Kiste voller Decken und ... Waren das Stoffreste? Ein graubraunes Rechteck hatte Kreise ausgeschnitten. Durch den größten hatte die kleine Nagra ihren Kopf gesteckt und sabberte auf ein flauschiges Stück, von dem Ayame sich sicher war, Pandu-Anjan hatte aus demselben Stoff Schafkostüme geschneidert. Das Schnarchen der Kleinen füllte die Stille.

Die Nerai zog beide Beine an, während sie sich Stück für Stück aufrichtete. Nur nicht zu schnell, nur nicht zu schnell ... Ihre Flügel streiften die raue Wolldecke und Ayame zuckte zusammen. Sie biss sich auf die Zunge, um keinen Laut von sich zu geben. Tränen traten ihr in die Augen und sie atmete durch die Nase ein und aus.

Ayame?", flötete Fylla und die Nerai entließ die Luft kontrolliert durch den Mund. Die Nagra rückte auf ihrem Schemel ein Stück vor, eine Hand erwartungsvoll erhoben, als hätte sie Ayame gern berührt, hielt sich aber zurück. Die Nerai erfasste eine Wärme. Diese gab ihr die Kraft, sich endgültig aufzurichten. Auch wenn ihr Rücken protestierte.

Alles gut", klopfte sie gegen das Bettgestell, als sie aufrecht saß.

Fylla atmete auf und sackte auf dem Hocker zusammen. Sie musste sich wirklich Sorgen gemacht haben. Ayame ergriff die Hand Fyllas, die nun auf dem Bett lag. Lächelnd drückte sie sie und auch wenn Fylla Ayames Lächeln nicht sehen konnte, erwiderte sie es.

Was ist gestern geschehen?", pfiff die Nagra und lenkte das Gespräch somit auf ein Thema, vor dem sich Ayame schon seit sie sich kannten, fürchtete. Nur war es bis zum vorigen Abend nie zu einem panischen Ohnmachtsanfall gekommen. Aber jetzt hate Ayame den Schlamassel. Ihr fehlten die Worte, nicht nur im wörtlichen Sinne. So oft hatte die Nerai sich ausgemalt, was sie pfeifen oder klopfen könnte, würde ihre Freundin sie genau das fragen, aber nun, da die Situation real war, kamen ihr alle Ausreden unglaubwürdig vor.

Ich hatte seit Ewigkeiten nichts gegessen, konnte sie nicht bringen, da Fylla, Agnita und sie gemeinsam gegessen hatten. Ich war müde, würde ihr Fylla noch weniger abkaufen. Die Nerai war eine Nachteule und schlief nie viel. So viel Berührung hat mich überfordert, das wäre am nächsten an der Wahrheit, aber Fylla würde weitere Fragen stellen, die Ayame nicht bereit war, zu beantworten, wie zum Beispiel: Warum reagierst du so heftig? Hat das mit deinen Verletzungen zu tun? Wie hast du die überhaupt bekommen?

„Ich-", begann sie, da stolzierte Pandu-Anjan herein und lehnte sich lässig gegen die Tür.

Na, ihr habt es aber gemütlich." Er beugte sich zu Agnita und strich ihr über den Lockenkopf. Sie schmatzte. Der Amós richtete sich wieder auf. „Seine Eminenz verlangt eine Besprechung. Anwesenheitspflicht", gestikulierte und pfiff er gleichzeitig, bevor er mit wehenden orangen Tüchern wieder verschwand.

Ayame unterdrückte ein erleichtertes Seufzen. Sie würde Jaron später für diese Rettung danken. Fylla stand auf und zog sich ihre Brille über die Augen. Die Nagra streckte ihr Kinn vor und ihr breiter Kieferknochen wurde noch breiter, als sie offensichtlich die Zähne zusammenbiss. Sie war nicht glücklich über die Unterbrechung, aber Jaron ließ man am besten nicht warten. Fylla streckte ihre Hand aus, ihre kurzen Finger schwebten knapp unter Ayames Nase. Selbst wenn die Nagra stand, konnte die Nerai ihr gerade so in die Augen schauen, ohne sich bücken zu müssen. Ayame ergriff die Hand und stützte sich auf ihre Freundin, während sie aufstand. Gemeinsam, Hand in Hand, verabschiedeten sie sich von Agnita. Sie verließen Fyllas Wohnwagen und begaben sich zu der Feuerstelle in der Mitte des Wohnwagenkreises.

Um diese war ein kleines Zelt aufgebaut, das von außerhalb des Kreises nicht zu sehen war. Dort trafen sie sich immer kurz vor der Aufführung, „um den gemeinschaftlichen Geist zu stärken", wie es Finola einmal ausgedrückt hatte. Oder wenn jemand, so wie jetzt Jaron, etwas zu verkünden hatte. Nur was wollte ihr Regisseur wohl besprechen? Den gestrigen Abend? Die Vorführung war problemlos verlaufen. Ob er noch einmal Agnitas ungeplanten Auftritt angestikulieren wollte? Dabei hatte er doch seinem Missfallen gestern Abend schon genug Luft gemacht. Ayame ballte die freie Hand zur Faust.

Hast du wieder Schmerzen?", fragte Fylla sofort. Ihr entging aber auch nichts. Ihre fehlende Sicht machte sie eindeutig durch ihre Sensibilität wett. Selbst die kleinste Anspannung oder Stimmungsschwankung bekam sie mit.

„Was glaubst du, will Jaron von uns?" Die eigentliche Frage, ob sie für Agnitas gestriges Verhalten noch mehr Konsequenzen zu erwarten hatten, schwebte unausgepfiffen zwischen ihnen. Doch Ayame war sich sicher, Fylla verstand sie auch so.

„Er kann es sich nicht leisten, uns zu verärgern oder von den Produktionen abzuziehen und das sind die einzigen Optionen, die er hat, würde er weiter auf der Sache mit Agnita herumreiten. Sie ist nur ein Kind, auch wenn er das gerne zu vergessen scheint." Fylla streckte die Brut raus und aus dem selbstsicheren Lächeln der Nagra sprachen gleichzeitig mütterlicher Beschützerinstinkt und eine stumme Herausforderung.

„Glaubst du, sie wird durchschlafen?", pfiff Ayame.

„Sie hat sich ziemlich beim Spielen verausgabt und wollte ewig nicht einschlafen. Ich hole sie später, aber sie wird noch länger ruhig bleiben", erwiderte Fylla. Ein paar blonde Strähnen hatten sich in dem Band der Brille verfangen und standen um Fyllas Kopf wie eine Mähne. In Ayames Augen hatte sie noch nie schöner ausgesehen. Sie kicherte und drückte die Hand ihrer Freundin. Fylla legte den Kopf schief und blickte sie an. Ayame konnte zwar die blauen Augen der Nagra unter der Schutzbrille nicht sehen, weil diese die obere Hälfte ihres Gesichts verdeckte, aber die Nerai wusste, dass sie die Augenbrauen hob und Ayame mit einem neugierigen Glitzern musterte.

„Agnita und ich haben ziemliches Glück, dich in unserem Leben zu haben", klopfte sie auf Fyllas Handrücken.

Die Nagra senkte den Kopf und in ihrem Mundwinkel nistete sich ein heimliches, zufriedenes Grinsen ein, das Ayame sonst nur zu sehen bekam, wenn Agnita etwas gut gemacht hatte. Das erste Mal hatte sie dieses Grinsen gesehen, als das kleine Mädchen ganz stolz ein kaputtes Rad von einem der Wohnwägen hinter sich hergeschleppt hatte, um Ayame und Finola bei der Reparatur zu helfen. Niemand hatte es ihr aufgetragen. Sie war von selbst losgestapft und hatte, ohne etwas zu sehen, die Situation erkannt und geholfen. Fylla hatte ihr geheimes Grinsen gelächelt und Ayame später verraten, das war der Moment gewesen, in dem sie gewusst hatte, Agnita würde sich auch wunderbar selbst in Pangea zurechtfinden.

Jeder andere hätte sich nun vermutlich vorgebeugt und der Freundin einen Kuss gegeben. Aber sobald der Gedanke in Ayame aufblitzte, verkrampfte sich alles in ihr und ihr Herz schlug doppelt so schnell weiter. Schweiß brach ihr aus. Nein, Ayame konnte das nicht, würde das nie können. Ihre Lippen waren verseucht, so wie ihr restlicher Körper. Nur ihre Hände benutzte die Nerai so oft und für so vieles anderes, dass sie als einzige Stellen an ihrem Körper sicher und unbeschmutzt waren. Meistens jedenfalls.

Bilder von einer fleckigen Matratze blitzten vor ihrem inneren Auge auf. Ayame zwang sie zurück hinter die Wand, die ihre Erinnerungen gut verschlossen halten sollte, sie aber nun schon zum zweiten Mal betrog. Gezielt atmete sie ein und aus. Ein. Aus.

Ein.

Die Wand war wieder dunkel und undurchlässig.

Aus.

Ihr Herzschlag beruhigte sich.

Ein.

Ihre Hand war kalt und schwitzig in Fyllas. Sie entzog sie der Nagra und wischte sie sich an ihrer lockeren Hose, die sie unter dem Kleid trug, ab.

Aus.

Erneut griff sie nach Fyllas Hand, verflocht ihre Finger miteinander. Wenn sie es nicht täte, könnten auch ihre Hände endgültig von den Erinnerungen verunreinigt werden und das wollte Ayame nicht. Für sich nicht und schon gar nicht für Fylla. Sie wollte der Nagra nicht das kleine bisschen Nähe nehmen, das sie ihr geben konnte, ohne den Drang zu verspüren, sich übergeben zu müssen. Die Nagra pfiff oder klopfte nicht, obwohl sie sicher mitbekam, dass etwas mit Ayame nicht stimmte und die Nerai war ihr dafür unendlich dankbar.

Sie kamen an dem Zelt an und Ayame hielt die Plane aus naturbraunem, rauem Stoff zur Seite und ließ Fylla zuerst eintreten, ehe sie ihr folgte. Die Feuerstelle war eigentlich nur ein kleiner Steinkreis, den sie mit einem großen Stein, Blättern und Gräsern trockengelegt hatten. Darauf schichtete Efrén mehrere Holzscheite, um den Inhalt des Topfs, der darüber baumelte, zum Kochen zu bringen. Nach dem schwachen Geruch nach Thymian zu schließen, hatte der Nitaru seinen berühmten Elja-Eintopf vorbereitet. Das konnte nur eines bedeuten: in der heutigen Versammlung ging es um ein neues Stück, dass er und Jaron ihnen präsentieren wollten. Agnita oder Fylla würden also wirklich keine Probleme bekommen.

Die Spitzen von Ayames Flügel prickelten und sie spürte den Schmerz nur leicht. Viel größer kribbelte die Freude in ihrem Körper, als sie sich neben die Nagra auf einem der Baumstämme, die um die Feuerstelle positioniert waren, niederließ. Gebannt beobachtete sie, wie Efrén geschickt mit seinen langen Fingern zwei Feuersteine gegeneinanderschlug und das Holz sich entzündete. Die Flammen flackerten über sein Gesicht, badeten seine sonnengebräunte Haut in einem warmen Licht und er zwinkerte Ayame verschwörerisch zu. Sie lächelte ihn breit an und streckte ihre Beine aus, um ihre Fußsohlen an dem Feuer zu wärmen.

Die Plane bewegte sich und Lachen, das klang, als würde gleich jemand ersticken, erfüllte die angenehme Stille. Als Nächstes stolperte Henry durch die Öffnung, wobei er sich seinen Kopf an dem Querbalken des Zeltdachs stieß. Er grunzte und taumelte zurück, doch Pandu-Anjan konnte den großgewachsenen, muskelbepackten Mann gerade so aufrecht halten. Der Amós strauchelte, der Schal um seine Schultern flatterte zu Boden. Als er einen Schritt zur Seite machte, rutschte er auf dem Stück Stoff aus, knickte ein und ...

wurde nicht von der Masse an Mann begraben. Efrén war aufgesprungen und hatte Henry stabilisiert. Der hatte sich daraufhin die Stirn gerieben, stand aber sicher auf seinen Beinen. Pandu-Anjan plumpste dennoch zu Boden. Keiner der beiden hatte schnell genug nach ihm gegriffen. Sein Turban verrutschte und ein Büschel seiner tintenschwarzen Haare lugte unter dem hellorangen Stoff hervor. Er blinzelte mit den übertrieben langen Wimpern und lachte. Im Gegensatz zu Henrys atemlosen Keuchen klang Pandu-Anjans Lachen wie laute Paukenschläge. Nach kurzem Zögern stimmten Henry und Efrén mit ein. Beide streckten eine Hand aus und der Amós ergriff sie. Mit einem Ruck stellten sie ihn wieder auf die Füße. Immer noch kichernd richtete er sich den Turban und klopfte sich die Dhoti, die lose, traditionelle Hose der Amóda, und sein Unterhemd ab. Ayame konnte zwar kein bisschen Dreck an ihm sehen, aber Pandu-Anjan war sehr penibel, wenn es um seine Kleidung ging. Darüber vergaß er schon mal, die wirklich wichtigen Fragen wie „Geht es dir gut? Hast du dir wehgetan?", stampfte Fylla – durch ihre Brille konnte sie zumindest die Umrisse der Anwesenden sehen - und hätte es Ayame nicht so viel Energie gekostet, wäre sie aufgesprungen und hätte ihn untersucht. So richtete sie sich nur ein Stück auf und musterte Pandu-Anjan besorgt.

Da er nur ein Unterhemd trug, konnte sie seinen Körper gut in Augenschein nehmen. Er war nicht muskulös, aber seine Arme waren sehnig von dem ständigen Herumschieben der Kostüme und Aufbauarbeiten. Der Amós hatte seine Haut wohl mit irgendeinem Glitzer eingerieben, von dem Ayame nicht wissen wollte, woher er den hatte, denn die Haut glitzerte auch ohne, dass das Licht des Feuers darauf fiel.

„Alles gut", erwiderte er und grinste sie breit an. Die kleine Lücke, wo ein Stück seines Vorderzahns abgebrochen war, blitzte vorwitzig auf. Als würde er sein Klopfen beweisen wollen, berührte er zuerst seine Zehenspitzen, hob dann eines seiner Beine und hielt es sich an den Kopf. Ayame keuchte auf und versteifte sich, sein Fuß streifte beinahe die Flammen. Aber der Amós stellte sein Bein wieder sicher ab, ohne Feuer zu fangen. Danach verbeugte er sich elegant. Henry, der sich inzwischen gesetzt hatte, wackelte mit den Händen und Efrén lächelte sanft.

Die Nerai verdrehte die Augen, entspannte sich aber wieder und Fylla verschränkte ihre Finger ineinander. Sie fuhr mit dem Daumen kleine Kreise über Ayames Handrücken. Die Nerai lächelte. Nach dieser Aufregung setzte sich auch Pandu-Anjan. Efrén ließ sich neben ihm nieder und sie begannen zu gestikulieren. Ayame schaute nur gelegentlich hin, doch die beiden führten anscheinend eine sehr ernsthafte Diskussion über die Vorzüge von Ajevato-Wolle zu der aus Alepykos-Fell. Oder eher Pandu-Anjan hielt einen Monolog, während Efrén nickte oder zustimmend brummte. Wie wäre es auch anders zu erwarten gewesen? Der Amós war schließlich für Kostüm und Maske zuständig und brannte für seine Aufgabe.

Die Zeltplane öffnete sich erneut und Meera kam, gefolgt von Setsuko und Finola herein. Ayame blinzelte und auch die anderen blickten kurz auf.

„Wo hast du deine bessere Hälfte gelassen?", wollte Efrén wissen.

„Hat dich mein Bruder endgültig vergrault?", fragte Pandu-Anjan im selben Moment. Sie grinsten sich an und Finola verdrehte die blaugrauen Augen. Sie reckte das Kinn, was ihren Hals, der heute nicht von einem hohen Kragen verdeckt war, mit den Kiemenlinien betonte und kräuselte ihre spitze, schmale Nase.

„Er kommt gleich, er wollte nur noch etwas holen", pfiff sie, doch sie blickte keinem in die Augen, als sie sich auf dem äußersten Rand des Baumstammes, auf dem bereits Henry saß, niederließ. Die Niomfe strich ihr graues Schürzenkleid über den Knien glatt, legte anschließend ihre Hände auf die Beine und wartete mit durchgedrücktem Rücken. Wie immer in Finolas Nähe fragte Ayame sich, ob sie etwas vergessen hatte, zu erledigen und richtete sich automatisch noch etwas weiter auf. Finola umgab immer eine gewisse angespannte Geschäftigkeit, die Ayames Kopfhaut zum Ziepen brachte. Ruhte Finola sich eigentlich auch einmal aus?

Dagegen stach Setsukos lässige Verführungspose – sie lag beinahe auf dem restlichen Baumstamm, mit einer Hand stützte sie sich ab, die andere spielte mit dem Stoff ihres Kleides, das viel zu tief ausgeschnitten war – umso deutlicher hervor. Das war wohl von der Nerai beabsichtigt. Gekonnt warf die Starschauspielerin ihrer Gruppe ihre rotgefärbten Haare über die Schulter und lachte etwas zu laut über etwas, das Pandu-Anjan gestikuliert hatte.

Es war schon bemerkenswert, fand Ayame, wie unterschiedlich sie beide waren, obwohl sie demselben Volk angehörten. Aber sie hat nicht das durchgemacht, das du erlebt hast, erinnerte eine kleine Stimme sie. Als würden ihre Flügel ihr zustimmen, pulsierte ein dumpfer Schmerz über ihren Rücken. Ayame seufzte und betrachtete mit einem Stich der Eifersucht in der Brust, wie

Ayame wusste, warum sie es getan hatte, aber sie war auch nur aus der grasgrünen Daiksi und ihr Leben hatte sich danach nicht unbedingt zum Guten gewendet. Nachdenklich kreiste die Nerai ihr Handgelenk. Obwohl, wäre das Leidenshaus nicht gewesen, hätte sie wohl Meera nie kennengelernt. Ayame blickte zu der Nitara, die einen Baumstamm für sich allein beanspruchte. Breitbeinig saß sie da und stützte die Ellenbogen auf ihren Knien ab. Der bunte Flickenrock raschelte leicht um ihre Knöchel, als sie mit ihrem nackten Zeh im Gras bohrte. Ihre sonnengebräunte Haut spannte sich wie vergilbtes Leder über ihr scharf geschnittenes Gesicht, aber niemand, der einmal in ihre Augen geblickt hatte, würde sie als verwittert oder gar alt bezeichnen. Und die, die es taten, bereuten es umgehend, sobald sie am Boden lagen, Meeras Messerspitze am Hals.

Aufmerksam beobachtete die Nitara jeden einzelnen ihrer Truppe, wie sie es immer tat und doch war etwas anders. Eine Schwere schien Meera zu belasten, sie niederzudrücken, Ayame war sich nicht einmal sicher, ob sich ihre Freundin dessen bewusst war. Was beschäftigte sie wohl?

Meera war, selbst für Ayame, die zu ihren engsten Vertrauten zählte, schwer zu durchschauen und noch weniger teilte sie Geheimnisse, was es schwierig machte, an sie heranzukommen. Ob sie Probleme mit einem Liebhaber oder Liebhaberin hatte? Oder war es wieder die Zeit des Monats? Doch ihre Blutung merkte man Meera normalerweise nie an. Sie war immer wortkarg und schroff. Vielleicht war die andere Zeit des Monats gekommen? Ayame rechnete nach. Sie hatten den Parmera, den ersten Tag der Woche, des Pylos-Zwölft. Dieser besondere Tag, der Meera noch ungemütlicher werden ließ, kam erst in einem Zwölft und zwei Wochen. Sie hatten noch einhundertundvier Tage, ehe sie Meera aus dem Weg gehen müssten, wenn sie nicht für Kleinigkeiten wie zu lautes Atmen fertig gemacht werden wollten. Hätte Efrén nicht ein Mal nach einem besonders schlimmen Tag diese Rechnung aufgestellt – Fylla war das wiederkehrende Muster aufgefallen – würde Ayame vermutlich immer noch überrascht werden von Meeras Verhalten. Aber so waren sie vorbereitet, auch wenn keiner so recht wusste, was der Grund dafür war.

Pandu-Anjan vermutete, ihre große Liebe hätte sie an dem Tag verlassen, doch Ayame konnte schwer glauben, dass Meera sich tatsächlich verliebte. Sie genoss die intime Gesellschaft von Pangeanern, lebte ihre Leidenschaften wie eine wahre Nitara aus, aber das hielt nie länger als eine Nacht. Setsuko meinte, es wäre der Tag, an dem sie ihre Jungfräulichkeit verloren hätte und der Akt wäre so unbefriedigend gewesen, dass die Nitara jetzt noch daran zurückdachte. Efrén glaubte, es wäre jemand, der Meera wichtig war, an dem Tag gestorben. Tatsache war, sie spekulierten gerne, doch niemand von den Lachenden Maskenhänden hatte Meera deswegen gefragt.

„Was starrst du mich so an?", gestikulierte Meera und holte so die Nerai aus ihren Gedanken zurück.

„Du wirkst niedergeschlagen. Alles gut?", erwiderte Ayame klopfend. Meeras Augen blitzten gefährlich und sie zog die Augenbrauen zusammen.

„Später", gestikulierte sie dennoch. Ayame blinzelte. Mit der Antwort hatte sie nicht gerechnet. Eigentlich hatte sie gar keine erwartet. Die Nerai nickte und im nächsten Moment stampfte Jaron herein. Sie schnaubte, da verlangte er schon, dass sie sich alle treffen sollten und kam dann selbst als Letzter.

Die Arme weit von sich gestreckt wartete der Amós, bis alle still waren und zu ihm blickten. Ayame wusste, was jetzt kam. Das, was immer kam in solchen Momenten. Heute trug er keine Tücher und Verschleierungen, nur eine einfache Kurta, die ihn bis zu den bloßen Knien reichte, auf die Hose hatte er ganz verzichtet und Ayame bemerkte mit einem Seitenblick wie Finola gerade diesen Umstand intensiv betrachtete. Eine Mischung aus Empörung und Neugier spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider. Die Nerai kicherte und erntete dafür einen von Jarons Todesblicken. Sie verdrehte lediglich die Augen. Warum musste er auch so überdramatisch auftreten und dabei unterirdisch gekleidet sein?

„Freunde, Mitbürger, Pangeaner", pfiff er und Ayame unterdrückte ein Seufzen. Er sollte auf den Punkt kommen und nicht Stücke zitieren, doch das war Jaron und deswegen tat er noch mehr als unnötige Zitate einbauen: er tanzte.

Jaron hopste und als er aufkam, hob er die Hände, zu Fäusten geballt, vors Gesicht. Er boxte in die Luft und duckte sich vor unsichtbaren Schlägen. In einer fließenden Bewegung ging er in die Knie, einen Arm legte er an seine Stirn und die andere Hand öffnete und hielt sie flach vor sich.

Eine rivalisierende Theatertruppe? Ayame hatte nichts von einer solchen mitbekommen oder meinte der Amós, sie müssten die Kampfszenen noch tragischer gestalten?

„Was tanzt er? Die Umrisse sind zu unscharf", klopfte Fylla auf das Knie der Nerai und Ayame zuckte nur leicht zusammen. Danach übersetzte sie so gut es ging. Nitarausisch und Nagrotisch waren einfach zwei grundverschiedene Sprachen. Das machte die Übermittlung von dem einen in das andere fast unmöglich. Während Ayame nach den richtigen Tönen und Berührungen suchte, tanzte Jaron weiter.

Der Amós sprang in eine Grätsche, zog die Beine langsam wieder zusammen, bis er erneut aufrechtstand und klatschte sich die Hände an die Wange. Er riss in einem stummen Schrei den Mund auf und trippelte auf der Stelle. Er trippelte weiter, doch nun raufte er sich die Haare, bis sie wie ein dunkler Kranz um seinen Kopf standen. Ayame hatte den Amós schon immer für ein wenig verrückt gehalten, aber mit den aufgerissenen Augen, die sich an Finola festsaugten und sie nicht mehr losließen, sah er aus, als hätte er endgültig den Verstand verloren.

„Diese Theatertruppe oder unsere schlechten Kampfkünste stellen eine Gefahr dar und rauben Jaron den letzten Nerv. Das oder er gesteht Finola gerade seine Liebe auf eine sehr seltsame Weise", klopfte Ayame. Fylla kicherte.

Woher sollte die Nerai wissen, ob er mit diesen Gesten nicht ausdrücken wollte, die Niomfe mache ihn wahnsinnig? Es hatte zwar keinen Bezug zu dem, was er zuvor getanzt hatte, aber das passierte bei Jaron schon mal und er erwartete dann, dass man seinen Gedankensprüngen folgen sollte.

Das Trippeln wurde zu einem richtigen Stampfen und beim zweiten Aufsetzen des Fußes auf den Boden winkelte Jaron den Arm und spannte seine Muskeln an. Das Ergebnis war nicht sehr beeindruckend, weil er wie sein Bruder eher auf der sehnigen als der muskulösen Seite war. Mit einem entschlossenen Lächeln klopfte er sich auf den Oberarmmuskel. Danach sprang er auf der Stelle und tat, als würde er nach etwas, das außerhalb seiner Reichweite über seinem Kopf hing, greifen.

„Wir müssen besser werden, um diese Gefahr durch die andere Truppe von uns abzuwenden."

Der Amós drehte sich einmal um sich selbst, krümmte sich im Drehen und lockte mit dem Zeigefinger beider Hände eine imaginäre Masse näher.

„Wir müssen mehr Publikum anlocken", klopfte Ayame und Fylla nickte bedächtig. Sie hatte wirklich eine Engelsgeduld, in Ayames Kopf pochte es bereits unangenehm. Hätte Jaron es gepfiffen oder gestikuliert, wären sie schon fertig. Bisher sah sie nicht, was an dieser Nachricht so ein Spektakel rechtfertigte. Gut, das mit der gegnerischen Theatergruppe war dir neu, lenkte Ayame gedanklich ein.

Im nächsten Moment war Jaron bei Efrén, zog den Nitaru auf die Beine und warf sich anschließend in seine Arme. Efrén fing ihn auf und hielt ihn fest, während Jaron sich in der Umklammerung räkelte. Das Bein bewegte der Amós in schwungvollen Bewegungen. Als würde er etwas schreiben oder zeichnen, schoss es Ayame durch den Kopf. Oder viel mehr, als wäre er die Feder in Efréns geübten Fingern, oder eher Armen.

„Er hat gemeinsam mit Efrén ein neues Stück erarbeitet. Oh, ich wünschte, du könntest die beiden sehen! Efrén sieht aus, als würde er Jaron am liebsten fallen lassen."

Fylla kicherte und klopfte: „Ich sehe genug." Ayame stimmte mit ein ins Kichern.

Doch da war der Moment auch schon wieder vorbei. Jaron schnellte aus Efréns Armen hoch. Der Nitaru fuhr sich durch die Haare und setzte sich wieder. Jaron hielt sich erneut die flache Hand vors Gesicht, den anderen Arm streckte er zur Seite. Anschließend wirbelte er sie vor seiner Brust umeinander, stemmte die Arme in die Hüften und kreiste diese. Ayame merkte, wie Finola daraufhin blinzelte und ihre Tasche abtastete, als suche sie etwas, hätte aber vergessen was. Jaron endete seinen Tanz mit einem Sprung nach rechts.

„Die erste Probe ist morgen", schloss auch Ayame ihre Übersetzung.

Wer sind diese anderen?", wollte Fylla wissen.

„Ja und warum hören wir erst jetzt von ihnen?", pfiff Henry.

Jaron setzte sich neben Finola und sie hielt ihm sofort eine kleine Flasche hin. Der Amós nahm ein paar Schlucke, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab, ehe er auf das Glas klopfend antwortete: „Ihr habt schon von ihnen gehört, nur habe ich sie bis jetzt nicht ernst genommen, aber mehrere Zuseher"

„Und Zuseherinnen", warf Finola ein. Jaron schnaubte genervt, sie zuckte nur mit den Schultern. „Es klingt sonst so, als hätten dich nur Männer kritisiert und das würde dich bei Weitem nicht so wurmen wie das Urteil deiner lieben Dame Roswitha", flötete die Niomfe.

Jaron schoss ihr einen giftigen Blick zu, fuhr aber in seiner Schilderung fort: „Es haben sich auf jeden Fall, einige beschwert, dass ‚Die tanzenden Schleier' eine bessere Darbietung geliefert hätten als wir."

„Verstehe ich das richtig?", klopfte Pandu-Anjan kichernd. Das Kichern wuchs zu einem wahrhaften Gelächter aus und Paukenschläge erfüllten das Zelt. Was auch immer er hatte fragen wollen, amüsierte ihn anscheinend so sehr, dass er nicht weiterklopfen konnte. Er hielt sich den Bauch, während er sich zusammenkrümmte. Sein Turban rutschte über sein Gesicht, verdeckte seine Augen. Henry blinzelte ihn nur hilflos an und zuckte die Schultern, als Jaron ihn ansah.

„Du siehst die Schleier, wirklich die Schleier?, nur als Bedrohung, weil ein paar Pangeanern unsere Vorstellung nicht so gefallen hat", klopfte er schließlich zu Ende, immer noch atemlos von seinem Lachanfall.

Vom Gefallen oder Missfallen des Publikums hängt unser Erfolg und unsere Einnahmequelle ab", schaltete sich nun Efrén mit ein. Wer denn sonst? Da er ihre Finanzen verwaltete, hatte er den meisten Überblick.

„Danke, Efrén. Wenn weniger Leute kommen, bekommen wir weniger Worte oder Sachspenden und mit weniger davon können wir weniger Neues oder Spektakuläres aufführen. Wirklich, dass ich dich daran erinnern muss", brauste Jaron auf. Er sprang auf und lief im Zelt auf und ab.

Finola erhob sich langsam, huschte zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Mit der anderen deutete sie auf Efrén und machte eine Schreibbewegung. Jaron atmete tief ein und aus. Die Niomfe schob ihn zum Baumstamm zurück und er sank darauf.

„Gestikulieren wir über das Stück", klopfte er deutlich ruhiger.

In dem Moment schoss eine Stichflamme aus der Feuerstelle, begleitet von einem Zischen, empor. Alle Augenpaare richteten sich auf Meera, die ein Grasbüschel, das verdächtig nach nagrotischem Schnaps roch, ins Feuer geworfen hatte. Ayame hatte kaum noch auf die Nitara geachtet, doch nun fiel ihr wieder Meeras Geste und ihre Niedergeschlagenheit ein. Noch immer sah sie keine Emotionen auf Meeras wettergegerbtem Gesicht, aber Entschlossenheit funkelte in ihren Augen.

Wir haben größere Probleme als das. Ich habe Mist gebaut."

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