
80. Verrat
Adrian P.O.V.
Der Schlüssel.
Er ist weg.
Einen Moment lang bleibe ich einfach stehen. Meine Finger schweben über dem leeren Raum, wo der Schlüssel sein sollte. Mein Verstand weigert sich, das zu begreifen, was meine Augen sehen.
Eine Kälte durchfährt mich, als mir das Ausmaß dessen klar wird. Ich kann nicht denken, mein Kopf ist wie leergefegt.
Mein Atem wird schwerer, mein Herz beginnt zu rasen. Der Schlüssel wurde gestohlen und ich war zu blind, zu beschäftigt, es zu sehen.
Das Bild rutscht mir aus den Händen. Es fällt auf den Boden und zerbricht in tausend Splitter, doch ich bemerke es kaum. Mein Kopf dreht sich, mein Puls hämmert in meinen Ohren. Ich stehe nur einen Moment wie erstarrt da, dann reiße ich mich los und stürme aus dem Zimmer. Meine Schritte hallen durch den Flur, während ich die Treppe hinunterrenne.
„Matteo!" brülle ich und gehe auf ihn zu, meine Hände zittern vor Wut und Verzweiflung. Ohne Vorwarnung packe ich ihn am Arm und ziehe ihn zur Seite, so heftig, dass er fast das Gleichgewicht verliert. Er sieht mich überrascht und leicht verärgert an. „Was ist los, Adrian?"
„Der Schlüssel ist weg!" sage ich, fast schreiend. Meine Stimme überschlägt sich vor Anspannung. „Jemand muss oben gewesen sein, während wir mit der Suche nach Avery beschäftigt waren. Denkst du nicht, dass das vielleicht ein Ablenkungsmanöver war?"
Matteo bleibt ruhig, hebt die Hände, um mich zu beruhigen. „Adrian, atme tief durch. Du bist übermüdet. Niemand würde einfach ins Zimmer gehen, das weißt du. Es ist doch mit einem Code gesichert."
Seine Worte prallen an mir ab, meine Gedanken rasen. „Es ist mir egal, was gesichert ist oder nicht! Jemand war da, Matteo. Bestimmt jemand von dieser verdammten Party!"
Matteo bleibt ruhig, aber sein Blick wird ernster. „Hast du in den letzten Tagen irgendjemanden in dein Zimmer gelassen?" fragt er und sieht mich eindringlich an.
Ich will sofort Nein sagen, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken. Mein Herzschlag verlangsamt sich für einen Moment, als eine Erkenntnis mich trifft. Avery. Avery war in meinem Zimmer.
„Adrian.", reisst mich Matteo aus meinen Gedanken.
Ich schlucke hart. Meine Kehle fühlt sich trocken an, und die Worte kommen nur mühsam über meine Lippen. „Avery war in meinem Zimmer." wiederhole ich, als würde ich es selbst erst begreifen müssen.
Matteo atmet tief ein, seine Augen verengen sich leicht und ich sehe, wie sich seine Haltung verändert. Es ist, als hätte er die Antwort auf eine Frage gefunden, die ihm die ganze Zeit schon durch den Kopf gegangen ist. „Dann ist es kein Wunder, dass sie abgehauen ist." sagt er und seufzt leise, als wäre das für ihn nur eine logische Schlussfolgerung.
Sein Satz trifft mich wie ein Messerstich. Es dringt tief, schmerzhaft in mein Bewusstsein ein. Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, packe ich Matteo am Kragen seines Shirts und ziehe ihn brutal an mich heran.
„Was soll das heißen!?" brülle ich ihm entgegen, meine Stimme überschlägt sich fast vor Wut und Verzweiflung. „Willst du mir wirklich sagen, dass Avery das alles geplant hat? Dass sie die ganze Zeit nur darauf aus war, an den verdammten Schlüssel zu kommen?"
Ich sehe ihm ins Gesicht, aber Matteo bleibt erstaunlich ruhig. Er legt seine Hände auf meine, als wolle er mich beruhigen, seine Augen fest auf meine gerichtet. „Adrian." sagt er leise, aber fest. „Beruhige dich. Denk nach. Es macht Sinn, oder? Sie hatte Zugang zu deinem Zimmer. Sie wusste, was sie wollte. Sie hat vielleicht die ganze Zeit genau gewusst, wie sie an den Schlüssel kommt. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand so etwas abzieht. Sie ist wahrscheinlich einfach eine verdammt gute Schauspielerin."
Seine Worte hallen nach, als ich ihn langsam loslasse. Ich spüre, wie mir der Boden unter den Füßen entgleitet. Ich gehe nervös auf und ab, meine Hände zittern. Die Worte, die Matteo gerade gesagt hat, wiederholen sich in meinem Kopf, aber ich kann nicht klar denken. Das Bild, das er zeichnet, ist grausam.
„Nein...das...das kann nicht sein. Vielleicht wurde sie dazu gezwungen, sie sah echt nicht gut aus als sie bei mir war. Vielleicht wurde sie erpresst...aber...dann hätte sie mit mir geredet..sie hatte doch die Möglichkeit..." Ich spreche meine Gedanken laut aus. Versuche einen Sinn in all dem zu finden.
„Sie war krank. Deshalb sah sie so aus.", sagt Matteo. „Und ja ich denke sie hätte mit dir geredet wenn jemand versucht hätte sie dazu zu bringen."
Es ist ein Schlag in die Magengrube, ein Schmerz, den ich nicht fassen kann.
War alles, was zwischen uns passiert ist, eine Lüge? War jede Geste, jeder Blick, jede Berührung...
Meine Atmung wird schneller, mein Herz pocht so heftig, dass ich das Gefühl habe, es würde mich zerreißen. Der Gedanke, dass Avery die ganze Zeit geplant haben könnte, mich zu täuschen, schmerzt auf eine Weise, die ich nicht erwartet habe. Das zwischen uns, das war nicht irgendwas. Das war Vertrauen. Nähe. Etwas, das ich niemandem sonst gezeigt habe.
„Das... das kann nicht sein," murmele ich schließlich, während ich verzweifelt versuche, einen klaren Gedanken zu fassen.
Die Erkenntnis trifft mich mit voller Wucht. Wenn Matteo recht hat, dann war alles eine Lüge. Jede einzelne verdammte Sache, an die ich geglaubt habe, war falsch.
„Beruhig dich Kumpel. Kannst du den Safe nicht einfach nehmen? Oder ist er einbetoniert? Ich kann dir helfen, du musst mir nur sagen wo er ist dann kümmere ich mich darum.", schlägt Matteo vor. Seine Augen ruhen neugierig auf mir.
„Nein verdammt. Du solltest mit all dem überhaupt nichts am Hut haben. Dafür hab ich Menschen die für mich arbeiten. Und ich kann den verfickten Safe nicht einfach nehmen und wegstellen. Es sind mehrere. Aber darum kümmere ich mich."
„Es sind mehrere?", hakt Matteo nach. Auf seinem Gesicht bildet sich ein nachdenkliches Runzeln.
„Matteo verdammt, das ist jetzt nicht wichtig.", schreie ich ihn an.
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36 Minuten später
Nervös gehe ich ihm Wohnzimmer auf und ab während ich das Handy an mein Ohr drücke.
„Ich muss genau wissen, was in jedem dieser Safes steckt. Alles durchgehen. Jedes Dokument, jede Information, die uns gefährlich werden kann.", erkläre ich Hunter.
„Okay und dann?" hakt er nach.
„Wir müssen die Clubs absichern. Zumindest für die nächsten Tage. Ich will Sicherheitspersonal vor jedem verdammten Club. Der Betrieb muss vorerst eingestellt werden.", sage ich und warte Hunters Antwort nicht mehr ab. Er wird sich darum kümmern. „Finde irgendeinen Grund. Es darf niemand Verdacht schöpfen, dass die Sicherheit des Kartells am Spiel steht."
Ich lege auf und gehe zu Matteo der gerade mit einem der Sicherheitsmänner spricht.
„Matteo wir müssen Avery finden. Damit wird sie nicht davon kommen." , sage ich und bin selbst über die Wut in meiner Stimme erschrocken.
„Kumpel, ich werde alles geben um sie zu finden.", sagt Matteo und wirft einen Blick auf die Uhr. „Ich versuche es nochmal bevor es dunkel wird."
Ich nicke Matteo zu und im nächsten Moment setzt er sich auch schon in Bewegung und verlässt die Villa. Im selben Moment kommt Valentina bei der Tür herrein.
„Tut mir leid. Hatte zu tun. Was ist Stand der Dinge?", fragt sie, ihre Stimme ruhig, aber die Augen aufmerksam. Sie bleibt genau vor mir stehen, keine Spur von Zögern in ihrer Haltung, als ob sie bereits auf die nächste Anweisung wartet.
„Avery hat den Schlüssel zu den Safes. Wir werden sie finden." sage ich.
Valentina nickt. „Okay. Kümmert sich Hunter um die Sicherheit in den Clubs?", fragt sie weiter.
„Ja," bestätige ich kurz, und beobachte, wie sie langsam zu nicken beginnt, als ob sie eine Checkliste in ihrem Kopf abhakt.
Sie zieht eine Augenbraue hoch, ihr Blick fordernd. „Was wirst du tun? Wirst du die Schlösser tauschen?"
„Nein," sage ich, und höre, wie ein Hauch von Frustration in meine Stimme schleicht. „Es würde Wochen dauern, die Schlösser auszutauschen. Abgesehen davon... soll ich herumlaufen und Leuten erklären, dass meine Safes plötzlich neue Schlösser brauchen? Das würde doch überall die Runde machen." Ich bleibe stehen, sehe sie direkt an und meine Stimme wird leiser, bedrohlicher. „Wenn das jemand erfährt, bin ich tot. Deshalb ist die oberste Priorität, Avery zu finden. Und jeden, der damit zu tun hat, inklusive ihr, mundtot zu machen."
Valentina steht still, lässt mich ausreden, bevor sie langsam nickt. „Schadensminimierung also?" Ihre Stimme ist ruhig, fast kalt.
„Ja." antworte ich streng, mein Blick fest auf ihr Gesicht gerichtet.
„Gut. Tot bringen ihnen diese Dokumente sowieso nichts." sagt sie schließlich und es klingt fast beiläufig. „Also Avery finden. Schlüssel zurückholen. Avery töten. Dafür sorgen dass niemand mitbekommt dass es jemand soweit geschafft hat.", wiederholt Valentina als würde sie sich eine mentale To-Do Liste erstellen.
Für einen Moment sehe ich die Kälte in ihren Augen, die keine Zweifel daran lässt, dass sie bereit ist, das zu tun, was nötig ist. Und mir wird klar, dass dies nicht nur ein Plan ist, sondern eine Erwartung, die an mich gestellt wird.
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