
60. Paranoid
10 Minuten später
Adrian P.O.V.
Das Blut an meinem Gesicht habe ich so gut es geht abgewaschen, aber die Wunden brennen immer noch, als ich ein frisches Hemd aus dem Schrank nehme. Ich ziehe es vorsichtig an.
Ich werfe einen letzten Blick zu Avery welche mit ihrem Rücken mir zugewandt im Bett liegt. Jede Faser meines Körpers möchte jetzt bei ihr bleiben. Doch das spielt keine Rolle. Ich muss das hier zu Ende bringen.
Mit einem tiefen Atemzug verlasse ich das Zimmer, gehe den Flur entlang und nehme den Fahrstuhl nach unten.
Draußen steige ich in das Auto und kaum ist die Tür hinter mir geschlossen, setzt der Fahrer den Wagen in Bewegung. Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen, aber die Sorge um Avery lässt mich nicht los.
Weshalb haben sie ihr wehgetan?
Weshalb haben sie uns gehen lassen?
Das macht doch alles keinen Sinn
Matteo sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz, sein Blick ist starr nach vorne gerichtet, aber ich spüre, wie seine Gedanken arbeiten. Schließlich bricht er das Schweigen.
„Hast du in Betracht gezogen, dass es Fernando gewesen sein könnte?", seine Stimme klingt angespannt.
„Ja," sage ich ernst.
Ich sehe aus dem Fenster, die Lichter der Stadt fliegen an uns vorbei. „Fernando wusste, dass wir dort sein würden. Er wusste genau, wann und wo. Er muss es gewesen sein. Ich verstehe nur nicht weshalb sie uns gehen liesen."
Matteo nickt langsam, als würde er meine Gedanken nachvollziehen können.
Matteo dreht sich zu mir um, seine Augen sind aufmerksam, aber auch besorgt. „Aber um was genau geht es bei diesem Deal mit Fernando? Warum sollte er einen Überfall auf uns veranlassen?"
Ich zögere einen Moment, sortiere meine Gedanken. Ich starre aus dem Fenster während ich es ihm erkläre. „Fernando hat Zugang zu einer alternativen Route, die wir nutzen könnten, um das Kokain zu transportieren. Aber er fordert einen größeren Anteil am Gewinn. Er wollte 25%."
„Und was hast du ihm geboten?", hakt Matteo nach.
„Ich habe ihm 18% angeboten."
Matteo zieht eine Augenbraue hoch. „18%? Ist das nicht ein bisschen wenig? Dann würde es mich nicht wundern wenn er den Deal ablehnt."
Ich schnaube und schüttle den Kopf. „Das ist schon mehr als fair, Matteo. 18% für eine Route, die wir noch nicht einmal auf Sicherheit getestet haben? Das ist großzügig."
Matteo nickt langsam, aber ich sehe, dass er noch Fragen hat. „Glaubst du, dass ihn das verärgert hat? Dass du ihm weniger angeboten hast?"
Ich halte inne, denke darüber nach. „Vielleicht." Während ich spreche, setzt sich plötzlich ein Gedanke in meinem Kopf fest, etwas, das ich vorher nicht gesehen habe.
„Moment..." sage ich langsam, meine Augen weiten sich. „Was, wenn es nicht darum ging, uns zu töten? Was, wenn es nur darum ging, uns einzuschüchtern?"
Matteo runzelt die Stirn, sieht mich verwirrt an. „Was meinst du?"
„Denk mal nach," sage ich, meine Gedanken rasen. „Der Angriff war heftig, aber... es war nicht tödlich. Sie haben uns verletzt. Aber sie hätten uns umbringen können. Stattdessen haben sie uns nur unter Druck gesetzt. Fernando wollte uns einfach nur einschüchtern, um einen besseren Deal auszuhandeln."
Matteo lehnt sich zurück, sein Gesicht ist nachdenklich. Deshalb spreche ich weiter.
„Er wollte uns in die Ecke drängen, damit wir ihm das geben, was er will. Vielleicht dachte er, er könnte uns so dazu bringen, nachzugeben."
Matteo sieht mich mit einem fragenden Blick an. „Also, was wirst du tun? Wirst du ihm die 25% geben?"
„Nein..", sage ich und atme einmal tief durch bevor ich weiterspreche. „..ich werde ihn töten."
Matteo starrt mich an, als hätte ich komplett den Verstand verloren. „Adrian, Kumpel, beruhig dich mal.." sagt er langsam und hebt beschwichtigend die Hände. „Du kannst Fernando nicht einfach töten. Wenn du das machst, ruinierst du all deine Verhandlungen. Deine ganzen Lieferwege hängen an ihm."
Ich presse die Lippen zusammen und sehe wieder nach vorne. Die Wut kocht in mir, aber ich sage nichts. Matteo hat recht – es wäre ein Desaster. Aber der Gedanke daran, das wegen ihm ein Tropfen von Averys Blut vergossen wurde, lässt mich fast durchdrehen.
„Hör zu," fährt Matteo fort, seine Stimme ist jetzt eindringlich. „Du kannst nicht zulassen, dass dein Herz dir im Weg steht. Du bist wütend, und das verstehe ich. Aber wenn du dich von deinen Gefühlen leiten lässt, riskierst du alles, was wir aufgebaut haben."
Bei diesen Worten drehe ich mich scharf zu ihm um. „Hör auf, von Herz zu reden," fauche ich, meine Stimme zittert vor unterdrückter Wut. „Ich empfinde nichts für dieses Mädchen. Gar nichts! Es geht hier nicht um sie!"
Matteo hebt eine Augenbraue und schüttelt leicht den Kopf. „Wirklich? Du willst mir sagen, dass diese ganze Wut und der Wunsch, Fernando umzubringen, nichts mit ihr zu tun hat? Dass es dich nicht verdammt wütend gemacht hat, sie so am Boden liegen zu sehen?"
„Nein," schneide ich ihm das Wort ab, meine Fäuste ballen sich, die Knöchel sind weiß vor Anspannung. „Es geht darum, dass er uns einschüchtern und erpressen möchte. Und ich lasse mich nicht erpressen. Verstehst du?"
Matteo seufzt tief und reibt sich über die Stirn. „Adrian, wir können ihn zur Rede stellen. Wir können Druck auf ihn ausüben, ohne gleich alles zu zerstören. Aber ihn jetzt zu töten, wäre ein Fehler. Und du weißt das."
Ich schweige, mein Blick ist starr nach vorne gerichtet. Jeder Instinkt in mir schreit danach, Fernando zu vernichten, ihn für alles, was passiert ist, büßen zu lassen. Aber tief in mir weiß ich auch, dass Matteo recht hat. Fernando zu töten, würde vieles zerstören, was wir aufgebaut haben.
Ich lasse mich gerade etwas zurücksinken, versuche, meine Gedanken zu ordnen, als plötzlich mein Handy klingelt. Ich ziehe es aus meiner Tasche und sehe Hunters Namen auf dem Display aufleuchten. Meine Nerven sind sofort angespannt. Was will er jetzt?
„Hunter," sage ich, als ich abhebe. Meine Stimme ist schärfer, als ich beabsichtige.
„Adrian, ich habe gerade erfahren, dass ihr noch nicht bei Fernando wart," sagt Hunter ohne Umschweife, und ich höre die Anspannung in seiner Stimme.
„Ja, es kam was dazwischen wir-" beginne ich, will ihm alles erklären, aber er fällt mir sofort ins Wort.
„Fernando hat den Deal akzeptiert," sagt er plötzlich. „Die 18% sind okay für ihn."
Ich bin einen Moment lang sprachlos. „Was?", entweicht es mir. Ich versuche, das Gesagte zu verarbeiten.
Meine Gedanken rasen. All die Wut, all die Entschlossenheit, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, zerbröckelt in mir.
„Verdammt," murmele ich schließlich, mehr zu mir selbst als zu Hunter.
„Boss?" Hunter klingt besorgt. „Was ist los?"
„Nichts," antworte ich knapp. „Ich rufe dich später zurück." Ich lege auf, bevor er weiterfragen kann, und starre stumm auf mein Handy. Fernando ist es nicht. Wer zum Teufel steckt dahinter?
Meine Paranoia steigt. Ein Gedanke jagt den nächsten, immer schneller, immer intensiver. Ich drehe mich abrupt zum Fahrer, die Panik kriecht in mir hoch. „Dreh sofort um! Fahr zurück zum Hotel!"
Der Fahrer wirft mir einen erschrockenen Blick zu, aber er gehorcht ohne zu zögern, wendet den Wagen mit quietschenden Reifen. Matteo sieht mich an, seine Augen weiten sich, als er die Angst in meinem Gesicht sieht.
„Was ist los?" fragt er scharf.
„Fernando war es nicht," sage ich, und ich höre selbst, wie angespannt meine Stimme ist. „Jemand anderes steckt dahinter. Jemand, der genau weiß, wo wir sind und was wir tun."
Matteo runzelt die Stirn. „Und du denkst..."
„Ich denke, dass Avery in Gefahr ist," unterbreche ich ihn, meine Gedanken rasen. „Sie ist allein im Hotel. Wir müssen sofort zu ihr."
„Beruhig dich mal, du hast doch Bodyguards vors Zimmer gestellt oder nicht?", versucht Matteo mich zu beruhigen.
„Ja..aber...", ich schlucke einmal schwer, kann vor Sorge keinen klaren Gedanken mehr fassen. „...was, wenn sie auch involviert sind?"
Matteo sieht mich verwirrt an. „Du glaubst, die Bodyguards könnten involviert sein?"
„Ich weiß es nicht!" brülle ich, Wut und Panik mischen sich in meiner Stimme. „Ich weiß nur, dass wir es mit jemandem zu tun haben, der uns ausspioniert. Das würde doch Sinn machen. Wer sonst war so oft unter dem Radar in unserer Nähe?"
Der Wagen rast durch die Straßen, ich höre kaum das Brummen des Motors, meine Gedanken sind wie ein wildes Durcheinander. Bilder von Avery, wie sie dort oben allein ist, schutzlos, während wir hier draußen sind. Was, wenn sie gerade jetzt angegriffen wird? Was, wenn ich zu spät bin?
Ich presse die Augen zusammen, zwinge mich, ruhig zu atmen, aber es gelingt mir nicht. Die Paranoia hat längst die Kontrolle übernommen, jedes Szenario, das ich mir ausmale, ist schlimmer als das vorherige.
„Wir sind bald da," sagt der Fahrer, seine Stimme ist angespannt.
„Fahr schneller!" fauche ich. Ich kann das Zittern in meinen Händen spüren, das Adrenalin schießt durch meinen Körper.
Matteo sieht mich an. „Adrian ich bin mir sicher dass es ihr gut geht."
Ich sehe ihn an, aber ich kann das Vertrauen in seinen Worten nicht fühlen.
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