42. Wie auch immer
Avery P.O.V.
Die Gespräche am Tisch sind wieder in vollem Gange. Adrian sitzt neben mir, tief in eine Diskussion mit einem älteren Herrn gegenüber von ihm vertieft.
Obwohl ich versuche, dem Gespräch zu folgen, merke ich, wie sich die Anspannung des Abends in mir aufbaut. Es ist mittlerweile unerträglich heiß in diesem Saal und ich bin immer noch total aufgewühlt von unserem Tanz. Ich spüre immer noch Adrians Berührungen an meiner Haut. Es ist doch nicht normal, dass mich eine Berührung so aufwühlt..oder?
Ich atme tief durch und stupse Adrian vorsichtig an. Er bricht sofort mitten im Satz seines Gespräches ab, dreht sich zu mir und sieht mich fragend an.
„Alles in Ordnung?", fragt er ernst, als er mich ansieht. Seine Augen wandern stirnrunzelnd über mein Gesicht. „Du siehst etwas blass aus."
„Ich muss kurz nach draußen..ich brauche frische Luft.", sage ich leise, und versuche ein Lächeln aufzusetzen.
Ohne ein weiteres Wort erhebt Adrian sich und streckt mir seinen Arm hin, eine Aufforderung, der ich folge.
Ich stehe von meinem Sessel auf, hake mich bei ihm ein und wir bahnen uns gemeinsam einen Weg aus dem Saal hinaus.
Die kühle Nachtluft schlägt mir entgegen, als wir durch die Eingangstür nach draußen gehen. Ich atme tief ein, spüre, wie die Frische Luft mir sofort gut tut. Adrian bleibt stehen, sieht mich kurz an. Er stellt sich vor mich, zieht ohne zu zögern seine Anzugjacke aus und legt sie mir sanft um die Schultern. Als er die Jacke langsam über meine Schultern zieht, zieht er mich ein Stück näher zu sich heran.
Ich halte den Atem an, mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Die Geste ist zart, fast vorsichtig, und ich frage mich ob diese Bewegung absichtlich war.
Die Wärme seiner Jacke und der Duft seines Parfüms, der mich jetzt umgibt, macht es schwer, klar zu denken. Sein Blick hält meinen fest, und für einen Augenblick bin ich mir sicher, dass auch er etwas sagen oder tun will. Doch dann löst er den Griff, lässt seine Hände langsam sinken und tritt einen halben Schritt zurück.
„Besser?" fragt er mit einem leichten Lächeln.
„Danke", murmle ich. Adrian nickt und deutet mir wieder mich bei ihm einzuhaken.
Wir gehen die Steintreppen nach unten bis wir bei einem kleinen Kiesweg ankommen, der einmal durch den perfekt angelegten Garten führt. Die Stille hier draußen, nur unterbrochen vom leisen Rauschen der Bäume im Wind, ist eine angenehme Abwechslung zu der Feier drinnen.
„Weißt du..", beginne ich, während ich meinen Blick über die vom Mondlicht beleuchteten Blumenbeete und Steinstatuen schweifen lasse. „Dieser ganze Luxus kann echt schön sein...aber es fühlt sich manchmal einfach so erstickend an."
Ich spreche meine Gedanken laut aus. Erwarte mir auch gar keine Antwort.
Adrian wirft mir von der Seite einen Blick zu.
„Also hast du nicht vor mit Chloe mal in einem Herrenhaus wie diesem hier zu wohnen?", der Sarkasmus in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Ich werfe ihm einen schmunzelnden kopfschüttelnden Blick zu.
„Nein...wir würden uns wahrscheinlich ständig verlaufen.", sage ich und lächle schwach. Im schwachen Licht des Mondscheins sehe ich, wie sich auch auf Adrians Lippen ein Lächeln bildet.
„Also lieber doch nur eine kleine Villa?", hakt er nach.
„Nein auch nicht...", sage ich während wir langsam weiter schlendern. „Ich würde lieber irgendwo in der Natur leben, am besten in einem Wald. Ein kleines Haus, von mir aus auch einfach ne Hütte, nichts Großes. Solange ich einen funktionsfähigen Backofen habe und eine gute Laufstrecke in der Nähe, wäre ich glücklich."
Adrian sieht mich an, als hätte ich gerade etwas völlig Unerwartetes gesagt. Dann schleicht sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen. „Ein Wald?", fragt er, und ich kann den Hauch von Überraschung in seiner Stimme hören.
„Ja", sage ich und nicke leicht.
Ich schaue zu ihm auf, erwarte keine Antwort, weil ich weiß, dass er es vielleicht nicht ganz verstehen kann. Doch ich sehe, wie er mich ansieht und wie er jedes meiner Worte aufsaugt.
Er sieht mich an, als wollte er etwas sagen, hält sich aber zurück. Stattdessen bleibt er dicht bei mir, als wir weiter durch den Garten gehen.
„Adrian..", beginne ich unsicher. „Kann ich dich was fragen?"
Adrian wirft mir einen stirnrunzelnden Blick zu.
„Nichts schlimmes..", füge ich hinzu und verdrehe die Augen, da sein kritischer Blick wieder so typisch ist. Ich bleibe stehen und Adrian macht es mir gleich. Ich drehe mich zu ihm, damit ich ihn direkt ansehen kann.
„Du hast gesagt, die Feier war die Einladung eines Freundes von deinem Vater..."
Er nickt. „Ja?"
Ich schlucke einmal nervös runter, da persönliche Fragen von ihm immer abgewürgt werden. Aber was solls.
„Warum ist dein Vater nicht hier?"
Adrian bleibt für einen Moment still, seine Gesichtszüge straffen sich, als hätte ich gerade eine unsichtbare Linie überschritten. Seine Augen gleiten über mein Gesicht, als würde er abwägen, wie viel er preisgeben will.
„Mein Vater ist...in den USA", sagt er schließlich knapp, und seine Stimme ist merklich kühler geworden.
Ich blinzele überrascht. „Was macht er dort?"
Adrian zögert, und für einen Moment denke ich, er würde die Frage einfach ignorieren, so wie er es oft tut. Doch dann seufzt er leise und seine Schultern sinken ein wenig.
„Er sitzt im Gefängnis."
Durch meinen Kopf rasen tausend Gedanken.
„Hatte....Hatte dein Vater auch was mit..", ich sehe mich um, ob jemand in der Nähe ist, aber wir sind alleine. „..mit Drogenhandel zu tun?"
Aus Adrians Lunge stößt ein amüsiertes Lächeln. Als würde er meine Vorsicht, belustigend finden.
„Ja. Mein Vater ist Diego León Montoya Sánchez."
Als er den Namen ausspricht klingelt etwas bei mir. Den Namen hab ich schon irgendwann mal gehört.
„Der Name kommt mir so bekannt vor..", spreche ich meine Gedanken laut aus und versuche mich zu erinnern.
„Vermutlich kennst du den Namen aus den Medien.", sagt Adrian ernst.
Adrian atmet tief ein, seine Augen sind fest auf den Boden gerichtet, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Dann hebt er den Blick und sieht mich direkt an.
„Mein Vater..." Er zögert kurz, als müsste er sich überwinden, weiterzusprechen. Es ist kein Geheimnis, dass es ihm nicht einfach fällt über etwas persönliches zu reden. Deshalb sehe ich ihn einfach geduldig an.
Tatsächlich spricht er schließlich weiter. „Er war einer der Anführer des Norte del Valle-Kartells. Er war verantwortlich für den Schmuggel von mehreren Tonnen von Kokain in die USA. Als ich 12 Jahre als war haben sie ihn gefasst. Es war eine riesige Operation der kolumbianischen Behörden und der DEA. Sie haben ihn auf einer Farm gefunden, wo er sich versteckt hat. Seitdem ist er im Hochsicherheitsgefängnis in den USA." Ein bitteres Lächeln zieht über seine Lippen.
Ich starre ihn an, die Worte hängen schwer in der Luft. Mein Verstand versucht noch, das Gehörte zu begreifen.
Adrian sieht mich an, als wüsste er genau, wie überfordert ich gerade bin.
„Es muss schwer gewesen sein", sage ich schließlich leise, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Du hast immerhin deinen Vater verloren, als du erst zwölf Jahre alt warst."
Die Worte verlassen meinen Mund, bevor ich sie richtig überdenken kann, und für einen Moment habe ich Angst, dass ich zu weit gegangen bin.
Aber Adrian bleibt still, seine Augen durchbohren mich, und ich sehe, wie sich sein Gesicht verändert. Ein Ausdruck, den ich nicht einordnen kann, aber am ehesten Überraschung.
„Ich erzähle dir, dass mein Vater einer der Anführer des größten Kartells zu seiner Zeit war und das ist das erste was dir in den Kopf schiesst?"
„Ja..?", sage ich vorsichtig.
Adrian sieht mich mit einem undefinierbaren Blick an. Es ist, als hätte noch nie jemand diese Perspektive in Betracht gezogen. Er öffnet den Mund, schließt ihn wieder, als suche er nach einer Antwort.
„Wie auch immer", blockt er schließlich ab. Seine Stimme ist kalt aber auf seiner Stirn bildet sich ein Runzeln. Es überrascht mich nicht, dass er gerade wieder seine Fassade aufsetzt.
Ich nicke langsam, unsicher, was ich sagen soll. Aber ich spüre, dass das Gespräch für ihn schon beendet ist.
„Wenn du magst, können wir wieder hineingehen.", sage ich daher.
Sofort nickt Adrian zustimmend.
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12 h später
Langsam wache ich mit einem pochenden Kopf auf, jeder Pulsschlag verstärkt den dumpfen Schmerz, der durch meinen Körper zieht. Ich wälze mich hin und her, unfähig, eine bequeme Position zu finden. Fast zögerlich öffne ich die Augen, das schwache Licht des Morgens schimmert durch die Vorhänge. Einen Moment lang starre ich benommen an die Decke.
Verdammt mein Kopf tut weh.
Was ist gestern noch passiert? Wie lang waren wir auf der Feier?
Dann spüre ich etwas Ungewohntes – mein Kopf liegt auf etwas Festem. Verwirrt drehe ich mich leicht zur Seite und realisiere mit einem Schock, dass ich in Adrians Armen liege.
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