
40. Feier
Avery P.O.V.
Seit etwa einer Stunde sitzen wir schon im Auto. Meine Hände liegen fest auf meinem Schoß, doch ich spüre, wie meine Finger leicht zittern. Adrian sitzt neben mir, ruhig wie immer, die Augen starr aus dem Fenster gerichtet.
Plötzlich durchbricht er das Schweigen. „Du musst nicht nervös sein." Er sieht mich dabei nicht einmal an. Ich zögere kurz, bevor ich antworte.
„Ich bin nicht nervös," lüge ich, obwohl meine Stimme verrät, dass es nicht stimmt.
„Du zitterst.", sagt er knapp.
Sein Blick bleibt starr aus dem Fenster gerichtet, und ich muss schlucken.
Adrian etwas vorzuspielen ist unmöglich. Es ist schon fast nervig.
„Naja...das letztes Mal als ich deine Begleitung bei einer Feier war, wollte mich ein Mann mit einem Messer töten...ich finde ich hab allen Grund nervös zu sein." sage ich schließlich, leise, fast mehr zu mir selbst als zu ihm. Adrian antwortet nicht, seine Miene bleibt unverändert, und die Stille zwischen uns dehnt sich unangenehm aus.
„Du sagst mir nicht mal welche Menschen dort sind. Ist jemand dort der Dominic kennt? Gehts wieder nur um Machtdemonstration? Ich verstehe deine ganze Welt einfach nicht...und...und das macht mich nervös. Ich weiß nicht vor welchen Menschen ich Angst haben muss und vor welchen nicht."
Adrian wendet zum ersten Mal seinem Blick zu mir. Als würde er darüber nachdenken, ob der letzte Satz auch an ihn gerichtet war oder nicht.
„Du musst dort vor niemanden Angst haben.", sagt er und wendet seinen Blick wieder aus dem Fenster.
Ja klar.
„Kannst du mir nicht trotzdem erklären, weshalb wir hier sind? Ich weiß doch im Prinzip nichts. Nur das mit dem..Kokain.", das letzte Wort flüstere ich unnötigerweise.
„Avery.", sagt Adrian kalt und beendet das Gespräch damit.
Egal wie oft ich es versuche. Durch seine Fassade zu brechen scheint unmöglich.
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Das Gebäude vor dem wir Halt machen, erinnert an ein luxoriöses Herrenhaus. eineinhalb Stunden Autofahrt von Bogota entfernt steht dieses imposante Gebäude. Runderum nichts als Natur.
Der Fahrer des Autos öffnet meine Tür und reicht mir höflich die Hand um auszusteigen.
„Danke", sage ich leise, als ich aussteige, die Hand des Fahrers loslasse und ums Auto gehe um mich neben Adrian zu stellen. Das Herrenhaus ist eine Mischung aus kolonialer Pracht und moderner Eleganz. Die Auffahrt ist in Szene gesetzt durch hohen, perfekt gestutzten Hecken und eleganten Marmorstatuen. Ein gepflasterter Weg führt bis zu den Steinstufen, rechts und links durch Lichtspots im Boden beleuchtet.
Adrian geht wortlos neben mir her. Die Steinstufen zum Eingang hinauf wirken endlos. Die massive Holztür des Hauses ist geöffnet, und warmes Licht fällt in den Eingangsbereich, wo zwei Männer in schwarzen Anzügen Wache stehen.
Oben angekommen, tritt uns ein gut gekleideter Mann entgegen. Sein Haar ist glatt zurückgekämmt, er muss um die 60 Jahre alt sein. Kaum sieht er Adrian, breitet sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Adrian! Me alegro de verte aquí!" begrüßt er ihn auf Spanisch und klopft ihm herzlich auf die Schulter.
Dann fällt sein Blick auf mich, und er mustert mich mit einem interessierten Lächeln. „Y quién es esta hermosa acompañante tuya?" fragt er neugierig.
Adrian bleibt ruhig, nickt nur knapp in meine Richtung. „Avery Smith."
Der Mann mustert mich einmal von Kopf bis Fuß, als würde er jedes Detail genau in sich aufnehmen, bevor er uns mit einer einladenden Geste ins Innere des Hauses bittet.
Drinnen ist es atemberaubend prunkvoll. Hohe Decken mit kunstvollen Kronleuchtern, Marmorböden und abstrakten Gemälde zieren die Wände. Überall sind Menschen in edlen Kleidern und teuren Anzügen, die Gespräche führen, während gedämpfte Musik den Raum erfüllt. Adrian und ich gehen schweigend weiter, bis wir den Hauptraum erreichen, in dessen Zentrum ein großer, reich gedeckter Tisch steht.
Langsam gehen wir in Richtung des Tisches zu 2 leeren Stühlen. Ein Angestellter deutet uns höflich uns an die Tafel zu setzen, und bevor ich mich versehe zieht Adrian wortlos meinen Stuhl zurück und deutet mir Platz zu nehmen. Eine Geste, die mich unerwartet trifft.
Ist hier irgendjemand dem er etwas beweisen möchte?
Jemand der mich kennt? Jemand der Dominic kennt?
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2 h später
Der Abend verläuft viel entspannter, als ich es erwartet hatte. Ich sitze an der großen, prachtvoll gedeckten Tafel, die mit Kristallgläsern, goldenen Kerzenhaltern und edlem Porzellan glänzt. Um mich herum wird gelacht, getrunken und lebhaft geredet. Anfangs fühlte ich mich noch etwas fehl am Platz, aber Adrian, der mühelos zwischen den Gesprächen in Spanisch und Englisch wechselt, bezieht mich immer wieder ein. Er übersetzt die wichtigsten Teile der Unterhaltung für mich, und ich merke, wie ich nach und nach lockerer werde. Ich nippe an meinem Champagner, während ich mich zunehmend in der Atmosphäre fallen lasse.
Adrian lehnt sich entspannt zurück, ein Glas Whisky in der Hand, und obwohl er aufmerksam den Gesprächen folgt, wirkt er jetzt viel gelöster. Ich bemerke, wie sich ein Gefühl der Vertrautheit zwischen uns aufbaut, während wir gemeinsam die Stimmung genießen. Irgendwie ist dieses Gefühl verwirrend.
Adrian ist gerade mit seinem Sitznachbar links neben ihm in ein Gespräch verwickelt weshalb ich etwas abwesend meinen Blick durch die Gegend schweifen lasse.
„Lo siento, no me he presentado todavía. Debes pensar que soy grosero.", sagt plötzlich der Mann zu meiner Rechten, der bisher in andere Gespräche verwickelt war.
Ich sehe irritiert zu ihm. Er muss ungefähr in Adrians Alter sein, seine Gesichtszüge sind markant. Sein Blick haftet auf mir.
„Ähm...I'm sorry..I don't speak any spanish.", antworte ich dem Mann woraufhin er mich anlächelt.
„No problem at all.", sagt er und streckt mir seine Hand begrüßend entgegen. „I just wanted to introduce myself. I'm Lorenzo."
„Hi...I'm Avery...", stelle ich mich vor. Lorenzo nimmt seine blauen Augen keine Sekunde von mir, während er langsam meine Hand hebt und seine Lippen auf meinen Handrücken legt.
„Nice to meet you, Mrs. Smith.", sagt er mit einem tiefen, sanften Ton. Für einen Moment bildet sich ein Lächeln auf meinen Lippen.
„Was möchtest du essen?", beendet plötzlich Adrians ernste Stimme den Moment. Langsam lässt Lorenzo meine Hand aus, während ich mich zu Adrian drehe.
„Ich hab keinen Hunger. Bin noch satt von dem Essen im Hotel.", sage ich, doch Adrian sieht nicht mich an, sondern wirft Lorenzo einen undefinierbaren Blick zu.
Bevor ich weiter über die Situation nachdenken kann, erhebt sich plötzlich der Gastgeber von seinem Platz am Ende der Tafel. Er nimmt ein Mikrofon in die Hand und beginnt, auf Spanisch zu sprechen.
Seine Stimme ist laut und klar, hallt durch den Saal und bringt die Gespräche langsam zum Verstummen. Ich verstehe kein Wort aber die Anwesenden nicken ihm respektvoll zu, manche klatschen kurz. Dann deutet er mit einer Geste in die Mitte des Raumes, auf die Tanzfläche. Sanfte, klassische Musik beginnt zu spielen, und es dauert nicht lange, bis die ersten Paare aufstehen und sich elegant zur Musik bewegen.
Ich bin fasziniert von dem Anblick. Die Frauen in ihren wunderschönen Kleidern und die Männer in ihren maßgeschneiderten Anzügen wirbeln im Takt der Musik über den glänzenden Holzboden. Es ist, als würde ich in eine andere Welt blicken, eine Welt voller Eleganz und Macht, die ich zwar bewundere, aber nicht ganz verstehe.
Ich sehe zu Adrian hinüber. „Ich möchte auch tanzen," sage ich, meine Stimme voller Vorfreude, die sich nicht verstecken lässt. Erwartungsvoll sehe ich ihn an. Doch Adrian zieht nur seine Augenbrauen leicht zusammen, sieht mich kurz an und nimmt dann einen Schluck von seinem Whisky.
„Nein. Auf gar keinen Fall." sagt er entschlossen, seine Stimme fest und unnachgiebig. Er wendet den Blick ab und fixiert wieder das Glas in seiner Hand, als sei es das Einzige, das ihn in diesem Moment interessiert.
Die Musik spielt weiter, und ich kann die Enttäuschung nicht verbergen, während ich den tanzenden Menschen weiter zusehe.
Plötzlich spüre ich, wie sich jemand zu mir herüberlehnt.
„Mrs. Smith. Would you like to dance with me?", Lorenzos Stimme ist höflich und voller Freundlichkeit.
Ich blinzle überrascht und bin einen Moment lang sprachlos. Ich kenne diesen Mann kaum, seine Direktheit überrumpelt mich etwas. Aber wie gerne würde ich auch in diesem wunderschönen Saal tanzen.
„Yes, I would love to," antworte ich daher mit einem strahlenden Lächeln. Die Vorfreude schwingt in meiner Stimme mit, und für einen kurzen Moment vergesse ich Adrians missbilligende Reaktion von eben.
Lorenzo steht auf, streckt mir seine Hand entgegen, und ich bin bereit, sie zu nehmen. Plötzlich erhebt sich Adrian von seinem Stuhl, seine Bewegungen abrupt und angespannt. Er greift nach meiner Hand und entreisst sie so automatisch aus Lorenzos Griff. Adrians Griff ist fest und ich spüre die Anspannung in seiner Haltung.
„Quita inmediatamente tus sucias manos de ella.", sagt Adrian, seine Stimme klingt absolut bedrohlich.
Lorenzos Gesichtsausdruck erstarrt für einen Augenblick. Er zieht seine Hand zurück und senkt seinen Kopf, als entschuldigende Geste.
Komplett verwirrt beobachte ich den Austausch der Männer, doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann zieht Adrian mich Richtung Tanzfläche.
„Was hast du eben zu Lorenzo gesagt?", flüstere ich Adrian zu.
„Nichts besonderes. Nur dass wir gerade tanzen gehen wollten.", antwortet Adrian ohne mich dabei anzusehen.
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