32. Keine Widerrede
Avery P.O.V.
Gebannt sehe ich mich in den Straßen von Bogotá um, während wir ein Restaurant suchen. Die Luft ist erfüllt vom Duft frisch gegrillten Essens, gemischt mit den Aromen exotischer Früchte, die an den Ständen angeboten werden. Überall gibt es etwas zu entdecken: bunte Graffitis zieren die Wände, Musik dringt aus den offenen Türen kleiner Läden.
Adrian wollte ursprünglich direkt ins französische Restaurant auf der anderen Straßenseite gehen, aber irgendwie habe ich es geschafft, ihn zu überzeugen, vorher einen kleinen Spaziergang zu machen und einfach in Restaurant zu gehen, welches kolumbianische Gerichte anbietet.
Ich weiß nicht wie, aber er hat tatsächlich nicht nein gesagt.
Ich bleibe immer wieder stehen, um die Schaufenster zu betrachten. Kleine Boutiquen bieten handgefertigte Schmuckstücke, farbenfrohe Stoffe und traditionelle Anden-Hüte an. An einem Stand bleibe ich stehen und betrachte die handgemachten Souvenirs – kleine Figuren aus Ton, bunte Schlüsselanhänger und handbemalte Schalen. Alles ist so fremd und gleichzeitig so faszinierend.
Adrian steht meist ein paar Schritte hinter mir, die Hände in den Taschen, sein Blick schweift über die Straße, immer wachsam, als würde er jeden Winkel der Umgebung scannen. Trotzdem lässt er mich machen.
„Wow.." sage ich mehr zu mir selbst, als ich eine Halskette aus kleinen rosa glitzernden Perlen in die Hand nehme.
Ich werfe einen flüchtigen Blick zu ihm hinüber und merke dass er mich ansieht. Und für einen kurzen Augenblick sehe ich etwas, das ich bei ihm nur selten sehe: ein leichtes Lächeln, kaum mehr als ein Hauch, der seine sonst so ernste Miene durchbricht. Es ist, als würde er es amüsant finden, wie ich mich von dieser fremden Welt verzaubern lasse. Der Ausdruck ist so flüchtig, dass ich fast glaube, ihn mir eingebildet zu haben.
„Adrian sieh mal.", sage ich und halte die rosa Perlenhalskette hoch, ein Funke Hoffnung in mir, dass er mir Geld vorstreckt um sie zu kaufen. Wenn ich schon in Kolumbien bin, will ich mir wenigstens ein Souvenir mitnehmen.
„Auf gar keinen Fall.", beantwortet er kalt meine Frage welche ich nicht mal stellen konnte.
„Die kostet nur 2€..", versuche ich es weiter. Adrian wendet seinen Blick von mir.
„Geh jetzt sofort weiter sonst beenden wir diesen dämlichen Spaziergang.", sagt er eiskalt.
Mit gedrückter Stimmung lege ich die Kette wieder weg und gehe weiter, immer auf der Suche nach dem nächsten Detail, das ich aufsaugen kann. Adrian folgt mir, während ich mich kaum bremsen kann, von einem Stand zum nächsten zu eilen. Er bleibt meist still, seine Anwesenheit ist ruhig, aber immer spürbar.
Wir schlendern weiter, vorbei an kleinen Cafés, Straßenkünstlern und dicht an dicht gedrängten Marktständen, als ich plötzlich vor einer kleinen Bäckerei stehe.
Sofort bin ich vereinnahmt von den süßen Gebäcken welche sie anbieten, und die Kuchen welche ich unbedingt mal selbst backen muss. Nur kurz darauf spüre ich Adrians Präsenz direkt hinter mir.
„Was ist dein Lieblingskuchen?", frage ich abwesend, ohne meinen Blick von den Leckereien im Schaufenster der Bäckerei zu nehmen.
„Wie bitte?", fragt er als ob er mich nicht verstanden hätte.
Ich drehe mich um und lege meinen Kopf in den Nacken, um ihn in die Augen sehen zu können.
„Was dein Lieblingskuchen ist. Oder Lieblingskeks. Keine Ahnung. Lieblingsgebäck eben."
Adrians Miene verändert sich für eine Sekunde in ein amüsantes Grinsen.
„So etwas habe ich nicht.", antwort er schließlich.
Ich lege meine Kopf schief.
„Blödsinn. Jeder hat sowas.", entgegne ich und verschränke meine Arme vor der Brust.
„Ach ja?"
„Natürlich. Mein Lieblingskuchen ist ein Himbeer Streuselkuchen mit Vanillepudding.", sage ich überzeugt.
Und dann, zum ersten Mal, seit ich Adrian kenne, höre ich ein kurzes aber herzhaftes Lachen aus seinen Lungen.
„Was denn?", hake ich nach. „Was ist denn daran so lustig?
„Nichts.", sagt er, nach wie vor breit lächelnd. „Es ist nur...Himbeer Streuselkuchen mit Vanillepudding...passt einfach zu dir."
„Ist das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung?", frage ich und werfe ihm einen bösen Blick zu.
„Auslegungssache, würde ich sagen.", antwortet er und zuckt unbekümmert mit den Schultern. Ich verdrehe kopfschüttelnd die Augen.
„Wie auch immer...gehen wir weiter.", sage ich schließlich.
Wir schlendern noch etwa 10 Minuten, als Adrian abrupt vor einem Restaurant stehen bleibt.
„Hier gehen wir jetzt rein.", sagt Adrian und mein Blick fällt zu dem italienischen Restaurant vor dem wir stehen. Entgeistert sehe ich ihn an.
„Aber...aber das ist nichts typisch kolumbianisches..", sage ich leicht enttäuscht.
„Pech gehabt. Und jetzt komm."
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3 h später
Kaum sind wir im Hotel zurück breitet sich wieder dieses bedrückende Gefühl in mir aus. Für die Dauer des Spaziergangs konnte ich tatsächlich einfach für einen Moment abschalten. Doch kaum sind wir zurück werde ich mir wieder der harten Realität bewusst dass ich hier gegen meinen Willen bin.
„Du solltest dich ausruhen, am Abend findet ein Treffen statt.", sagt Adrian streng während er sich auf den kleinen Kaffeetisch in der Ecke setzt und seinen Laptop aufklappt.
„Muss ich denn da mit?", hake ich nach, denn ich bin so verdammt erschöpft. Ich setze mich seufzend auf den Rand des Bettes.
„Ja. Keine Widerrede."
„Kann ich nicht einfach hier bleiben?"
Adrian nimmt seinen Blick vom Bildschirm seines Laptops und sieht mich an.
„Bestimmt nicht. Und jetzt hör auf zu diskutieren ich muss arbeiten.", Adrian beendet das Gespräch und wendet sich wieder seinem Laptop zu.
„Na gut..", murmel ich vor mich hin. „Und wo ist dieses Treffen?"
Er atmet einmal genervt aus.
„In einer Bar."
„In einer Bar?" Ich ziehe eine Augenbraue hoch „Eine ganz normale Bar? Ist das nicht bisschen auffällig?"
„Nein," sagt er knapp. „In diese Bar kommt nicht jeder rein. Man würde sie auch nicht finden, wenn man nicht weiß, wo sie ist."
Ich runzle die Stirn und versuche, mir das vorzustellen.
„Und jetzt hör auf mich mit Fragen zu belästigen. Ich muss arbeiten.", sagt er streng.
„Na gut..." Ich seufze leise und murmele: „Aber was ist das für ein Laden in den nicht jeder reinkommt?"
Er ignoriert meine Frage, konzentriert sich wieder auf den Bildschirm vor ihm, und ich merke, dass ich keine Antwort mehr erwarten kann. Mein Magen zieht sich leicht zusammen. Denn ich denke, dass ich keine Wahl habe, als mitzugehen.
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21:46 Uhr
Adrian führt mich durch schmale, dunkle Gassen, weit weg von den belebten Straßen und dem bunten Treiben, das mich vorhin noch so verzaubert hat. Der Weg ist eng und verwinkelt, die Fassaden der Häuser bröckeln, und überall riecht es nach Müll und abgestandenem Wasser. Alle paar Meter steht eine schwach leuchtende Straßenlaterne, aber ansonsten ist es fast stockdunkel. Der Gestank ist fast unerträglich, eine beißende Mischung aus Abgasen, Alkohol und Verfall, die mir die Kehle zuschnürt.
Mit jedem Schritt, den wir machen, steigt meine Angst ein Stück höher, und ich frage mich, wo Adrian mich da hinführt.
„W-wieso hat uns der Fahrer nicht einfach bis zu dem Treffpunkt gebracht?", flüstere ich ihm zu, meine Stimme bereits zittrig.
„Zu auffällig.", antwortet er während er konzentriert die Umgebung abscannt.
„Hast du deshalb nur ein T-Shirt und Jeans an.", frage ich, denn es ist ein verdammt ungewohnter Anblick.
Adrian nickt stumm während er weiterhin absolut aufmerksam unsere Umgebung beobachtet.
Rechts und links an der Hausmauern stehen alle paar Meter Männer, die uns mit düsteren Blicken mustern. Manche lehnen rauchend an den Wänden, andere sitzen auf den Bordsteinen, ihre Augen folgen uns wie Raubtiere, die ihre Beute im Visier haben. Mir wird mulmig zumute und ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt.
Unbewusst drücke ich mich näher an Adrian heran, suche Schutz in seiner Präsenz, auch wenn ich es nicht zugeben will.
Adrian bemerkt es sofort. Sein Blick wandert zu mir, und für einen Augenblick sehe ich, wie seine sonst so kühle Miene weicher wird.
„Ähm..t-tut mir leid..", sage ich peinlich berührt und nehme etwas Abstand zu ihm ein.
Ohne ein Wort zu sagen legt er seine Hand sanft an meinen Rücken und führt mich wieder näher an seinen Körper heran. Die Geste trifft mich so unerwartet, dass mein Herz einen Schlag aussetzt.
Adrian bleibt absolut wachsam, seine Haltung angespannt und dennoch gelassen. Und zum Glück, nach paar Minuten bleibt er vor einem verlassenen Gebäude stehen und sagt endlich die erlösenden Worte.
„Wir sind hier."
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