30. Zehn Stunden
Avery P.O.V.
22:42 Uhr
„Aber... wo genau fliegen wir hin?", frage ich nervös, meine Stimme bricht in der stillen, kalten Nacht. Vor mir erstrecken sich die Stufen des Privatjets. Die Nachtluft ist eisig, und der Wind verpasst mir eine Gänsehaut, als ich zitternd auf der verlassenen Landebahn stehe. In der Ferne ist nichts zu hören außer dem unheimlichen Pfeifen des Windes, der über die weite, dunkle Fläche zieht.
Adrian atmet hörbar ein, sein Atem bildet kleine, neblige Wolken in der eisigen Luft. Er ist sichtlich genervt, sein Griff um meinen Oberarm ist fest und unnachgiebig.
„Steig jetzt sofort ein," faucht er mich an und drückt mich Richtung Treppen. Seine Augen funkeln im schwachen Licht, das vom Inneren des Jets heraus auf die Treppe fällt.
Mit einem schweren Kloß im Hals und weichen Knien setze ich einen Fuß auf die erste Stufe. Die metallenen Stufen sind glatt und kühl, der Wind ist unerträglich kalt, als ich mich langsam nach oben zwinge. Adrian geht direkt hinter mir, kontrollierend, als wolle er sicherstellen, dass ich nicht einfach umdrehe und weglaufe.
Der Pilot wartet als ich oben ankomme schon auf uns, seine Uniform ist makellos, sein Gesicht von der Kälte leicht gerötet.
„Herzlich willkommen, Mrs. Smith," sagt er mit einem freundlichen Lächeln, als er mir die Hand reicht. Ich schüttle schwach lächelnd seine Hand.
Mit einem Handzeichen deutet er mir in die Kabine.
Als ich die Kabine betrete, bin ich für einem Moment von dem Luxus vor mir überrollt. Die hellbraunen Ledersitze glänzen sanft im warmen Licht. Edle Holzelemente und eine geschmackvolle, gedimmte Beleuchtung schaffen eine gemütliche, aber dennoch verdammt luxuriöse Atmosphäre. Der Kontrast zur Kälte draußen könnte kaum größer sein. Die Luft ist warm und duftet leicht nach Leder und frischem Holz.
Mit einem leisen Seufzer lasse ich mich schließlich auf einen der Fensterplätze sinken. Durch das kleine Fenster sehe ich auf die dunkle Landebahn hinaus.
Adrian setzt sich mir gegenüber, seine Augen starr auf mich gerichtet, doch er sagt nichts.
Nur wenige Sekunden später kommt eine freundlich lächelnde Stewardess zu uns.
„Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten, Mrs. Smith?" Ihre Stimme ist sanft und freundlich. Eine willkommene Abwechslung zu Adrians Art.
„Nur ein Wasser, bitte," sage ich leise.
„Sehr gerne. Mr. Sanchez, für Sie den Whisky?", fragt sie jetzt Adrian, der nur mit einem knappen, fast unmerklichen Nicken antwortet.
„Kommt sofort," sagt sie und verschwindet wieder so leise wie sie gekommen ist, zurück in die elegante Stille des Jets.
Während der Jet sanft vibriert und die Nacht draußen schwarz und still bleibt, versuche ich meine Gedanken zu ordnen.
Adrian schnappt sich umgehend eine Zeitschrift, als wolle er mir klar machen, dass er kein Interesse an einer Unterhaltung hat. Er blättert in der Zeitschrift, seine Aufmerksamkeit scheint komplett davon eingenommen zu sein.
Es vergehen etwa 10 Minuten. Dann bekommen wir die Anweisung uns anzuschnallen.
Der Jet beginnt sich langsam in Bewegung zu setzen, und ich spüre, wie eine leichte Nervosität in mir aufkommt. Die Vorstellung, abzuheben, ist sowohl aufregend als auch beängstigend. Ich bin erst einmal geflogen und da war ich so klein dass ich mich nicht mal dran erinnern kann. Und jetzt weiß ich noch nichtmal wirklich wo es hingeht.
Nervös kralle ich mich in den Ledersitz, als ob er mir im Falle eines Absturzes Halt bieten könnte.
Adrian beobachtet mich aus seinen Augenwinkeln, seine Miene bleibt kritisch. Er mustert mich, als würde er versuchen, jede meiner Reaktionen zu analysieren. Die Spannung in der Luft ist fast greifbar. Ich versuche, mich zu beruhigen, atme tief durch.
Als ich wieder halbwegs ruhig bin, widmet er sich wieder der Zeitschrift.
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00:03 Uhr
Adrian scheint die Zeitschrift bis auf den letzten Buchstaben studiert zu haben und legt sie schließlich weg.
Sein Blick schweift zu mir.
„Hast du nicht langsam genug von dem Ausblick?", fragt er kalt, denn seit wir in der Luft sind starre ich komplett gebannt aus dem Fenster raus.
Ich schüttle nur den Kopf.
„Nein..sieh doch nur! Man kann von hier all die Lichter der Städte sehen...wie klein alles ist..", beginne ich und vergesse für einen Moment, die Gegebenheiten um mich. Die Gründe weshalb ich überhaupt erst hier bin.
Ich sehe zu Adrian, um zu sehen ob er nun auch aus dem Fenster sieht, doch sein Blick haftet auf mir.
„Was denn?", hake ich nach.
„Ich kenne niemanden der zwei Stunden am Stück die selbe Aussicht faszinierend finden kann."
„Ach...wenn etwas schön ist, sieht man sich daran nicht satt.", sage ich überzeugt. In seinen Augen blitzt etwas auf. Für einen Moment verschwindet die Härte in seinem Gesicht und ich merke sowas wie eine Wärme. Doch bevor ich analysieren kann, was genau es ist, kehrt die gewohnte Kälte in seinem Blick zurück.
„Adrian..?", frage ich und rutsche nervös in meinem Sessel hin und her.
„Was?", fragt er mit einem genervten Unterton.
„Kannst du mir bitte sagen wo wir hinfliegen? Und wie lange wir noch fliegen?"
Er atmet einmal angespannt ein, als würde er abwägen wie viel er mir erzählen kann oder besser wieviel er mir erzählen muss.
„Nach Bogotá. Wir werden noch etwa zehn Stunden fliegen. Und wir werden dort für 1 bis 2 Wochen sein. Wenns sein muss sogar länger.", sagt er ernst.
Wow. 10 Stunden? Und 2 Wochen?
„Okay..danke.", sage ich knapp.
Ich atme einmal tief aus und versuche mich auf das was mich die nächsten Tage wohl erwarten wird vorzubereiten. Meine Gedanken schweifen immer wieder zu Chloe. Ob sie mich wohl vermisst?
„Und Marta passt auf Chloe auf?", vergewissere ich mich bei Adrian, auch wenn ich ihn bei der Herfahrt schon 100 Mal damit belästigt habe.
„Ja.", antwortet er kurz und knapp.
„Okay...passt sie auch auf Zeus auf?"
Adrian atmet einmal tief ein als wären ihm meine Fragen zu anstrengend.
„Ja.", antwortet er wieder, dieses Mal ist sein Ton strenger.
„Okay...", sage ich.
Meine Gedanken bleiben bei Zeus und Chloe, als mir eine Frage auf der Zunge brennt. „Seit wann hast du Zeus eigentlich? Hast du ihn von nem Züchter?"
Adrian schließt seine Augen und atmet tief durch und ich merke, dass ich ihm vielleicht ein bisschen zu viel rede.
„Avery.", sagt er fast schon drohend, aber ruhig. Er gibt mir damit eindeutig zu verstehen, dass für ihn das Gespräch beendet ist.
Wieso muss er nur so verschlossen sein. Er kann froh sein, dass ich überhaupt mit ihm rede, immerhin hat er mir vor nicht mal 24 h eine Pistole an die Schläfe gehalten.
„Tut mir leid..", sage ich schwach und wende meinen Blick wieder nach draußen, wo ich mittlerweile nur mehr die Dunkelheit erkennen kann.
Ich spüre das Adrians Blick immer noch auf mir haften. Er räuspert sich. Und dann, entgegen meiner Erwartungen, beginnt er zu reden.
„Ich habe Zeus gefunden. In Kolumbien."
Sofort hastet mein Blick zu ihm und ich hänge an seinen Lippen. Neugierig auf die Worte die er als nächstes spricht.
„Er war noch ein kleiner Welpe und lag komplett verdurstet und ausgehungert in einer Seitengasse neben ein paar Mülleimern. Ich habe ihn mitgenommen, gefüttert, Wasser gegeben...und mit zurück genommen."
Der Gedanke an eine tierliebe einfühlsame Seite von ihm, löst ein ungewohnt warmes Gefühl in mir aus. Das hätte ich ihm nicht zugetraut..
Aber nachdem wie er war, will ich nicht wahrhaben dass vielleicht doch irgendwo in seiner dunklen Seele etwas positives ist. Wobei ich eigentlich davon überzeugt bin dass in jedem etwas Gutes ist, meist irgendwo versteckt, wo nicht jeder hinkommt.
„Seitdem ist Zeus immer an meiner Seite. Außer ich muss mal weg. Dann passt Marta auf ihn auf.", beendet er seine Erzählung.
Der Gedanke an Zeus als kleinen verhungerten Welpen jagt mir sofort Tränen in die Augen.
„Bitte weine jetzt nicht.", sagt Adrian, wieder mir seiner gewohnten Kälte.
„A-aber...das is so süß.", sage ich und spüre wie mir die erste Träne über die Wange läuft, während Adrian mich entgeistert ansieht.
„Wie auch immer. Ich möchte jetzt lesen.", sagt er und schnappt sich fast schon hektisch eine Zeitschrift. Er wirft mir nochmal einen stirnrunzelnden Blick zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Zeitschrift lenkt, die er schon vorhin gelesen hat.
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02:23 Uhr
Die Lichter im Jet wurden mittlerweile gedimmt, nachdem Adrian meinte er müsse sich ausruhen. Trotzdem sitzt er immer noch hellwach vor mir und sieht abwechselnd in die Zeitschrift und in seinen Laptop.
Die letzte halbe Stunde tippt er konzentriert etwas auf seinem Laptop, während mich langsam die Müdigkeit überrollt. Der Flug zieht sich, und meine Augenlider werden schwerer mit jeder Minute, die vergeht. Ich versuche, eine bequeme Position in dem weichen Ledersitz zu finden, aber nichts scheint zu helfen.
Ich lehne den Kopf gegen das Fenster, in der Hoffnung, etwas Ruhe zu finden, aber das Glas ist hart und kühl. Jeder Versuch, es mir irgendwie bequem zu machen, endet zwecklos.
Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Adrians Aufmerksamkeit immer wieder auf mich fällt, während ich mich unruhig hin und her wälze. Er beobachtet mich, schweigend, aber mit einem Ausdruck, den ich nicht ganz deuten kann.
Plötzlich höre ich ein leises Geräusch, und ich sehe, wie Adrian seine teure Anzugjacke auszieht. Er faltet sie nicht ordentlich zusammen, wie ich es von ihm erwartet hätte, sondern knüllt sie zu einem provisorischen Kissen zusammen. Ohne ein Wort zu sagen, reicht er mir die Jacke hin, seine Miene kühl und ungerührt.
Überrascht von dieser Geste, starre ich ihn an, meine Augen treffen seine, und für einen kurzen Moment wirkt er ganz anders als sonst.
Ich nehme die Jacke zögerlich entgegen, spüre das hochwertige Material unter meinen Fingern und betrachte ihn noch einen Moment länger, als ich sollte.
„Danke," flüstere ich schließlich. Adrian nickt nur knapp und wendet seine Aufmerksamkeit sofort wieder auf den Laptop. Als wäre ihm diese nette Geste unangenehm.
Ich lege die Jacke vorsichtig zwischen mein Gesicht und das kalte Fenster. Sofort ist es bequemer, und ich schließe die Augen. Mit dem weichen Material an meinem Kopf und Adrians Duft in meiner Nase schlafe ich innerhalb weniger Minuten schließlich ein.
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