164. Krankenhaus
Adrian P.O.V.
„Es gibt keinen Zweifel mehr," sagt der Arzt ruhig, aber bestimmt. „Sie muss ins Krankenhaus."
Der Arzt atmet einmal tief durch bevor er weiterspricht. „Ihre Sauerstoffsättigung liegt konstant unter 90 Prozent, was bedeutet, dass ihr Körper nicht genug Sauerstoff erhält. Außerdem hat das Fieber trotz Antibiotika nicht nachgelassen und die Entzündung breitet sich weiter aus. Ohne intensivere Behandlung riskieren wir, dass ihre Organe Schaden nehmen. Wir haben hier nicht die nötige Ausrüstung, um ihren Zustand langfristig zu stabilisieren. Sie benötigt intravenöse Antibiotika, eine mögliche Beatmung und kontinuierliche Überwachung. Das können wir nur im Krankenhaus gewährleisten."
Ich presse die Lippen zusammen und sehe zu Avery hinüber, deren Brust sich mühsam hebt und senkt.
„Okay." Meine Stimme ist leise, aber fest. „Bringen wir sie ins Krankenhaus. Ich komme mit."
Der Arzt nickt. „Ich werde einen Krankenwagen rufen. Mit dieser Sauerstoffsättigung und aufgrund des hohen Fieber muss sie stetig unter Beobachtung sein. Sie haben noch ein paar Minuten, um sich vorzubereiten.". Er steht auf und verlässt langsam das Schlafzimmer.
Als er weg ist gehe ich zu Avery. Ich gehe neben dem Bett in die Hocke. Ihre Augen sind halb geöffnet. Als ich ihre Hand nehme, versucht sie schwach, ihre Finger um meine zu schließen. Ihr Atem ist schwer und unregelmäßig, doch als sie ihren Kopf leicht zu mir dreht, sehe ich, dass sie etwas sagen will.
„Adrian..." flüstert sie, ihre Stimme ist kaum mehr als ein Hauch. Ich beuge mich näher zu ihr, um sie zu verstehen und streiche ihr vorsichtig eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Doch ich sehe, wie sich ihre Stirn schwach kräuselt, und spüre den leisen Druck ihrer Hand.
„Du... darfst nicht..." murmelt sie, und ihre Stimme bricht. Sie nimmt einen angestrengten Atemzug. „Nicht... mitfahren."
„Doch. Ich lasse dich nicht alleine."
Sie schüttelt kaum merklich den Kopf, jeder Atemzug ein sichtbarer Kampf. „Es ist...zu... gefährlich...wenn dich...jemand erkennt.."
„Hör auf." sage ich bestimmt, aber leise. Meine Hand hält ihre noch fester. „Ich lasse dich nicht allein. Das ist keine Diskussion."
Ich schließe die Augen und beuge mich vor, meine Stirn gegen ihre. „Ich riskiere alles für dich, Avery. Alles. Du bist das Wichtigste, was ich habe." Ich drücke Averys Hand und flüstere. „Ich bin gleich zurück..."
Ich zwinge mich weg von Avery, verlasse das Schlafzimmer und gehe schnell in den Wohnbereich, um ein paar Dinge in ihrer Tasche zusammenzupacken. Doch plötzlich höre ich Schritte auf der Treppe.
„Adrian?" Hunter steht am Ende der Treppe, sein Haar zerzaust und seine Augen schmal vor Müdigkeit. „Was machst du da? Was ist los?"
Er wirft einen Blick durch den Wohnbereich und zu der geöffneten Eingangstür. Dr. Perez steht draußen vor dem Haus und telefoniert. Ich werfe ihm nur einen kurzen Blick zu und packe weiter.
„Avery muss ins Krankenhaus. Es ist ernst."
Hunter ist sofort wach. „Verdammt, gehts ihr so schlecht?"
Ich nicke. „Ja. Deshalb fahre ich mit.", sage ich, ohne ihn anzusehen.
„Was?" Seine Stimme ist plötzlich laut, ein scharfer Kontrast zur vorherigen Ruhe. „Bist du wahnsinnig? Das kannst du nicht ernst meinen."
„Doch, das meine ich ernst. Sie braucht mich."
„Adrian, denk doch mal nach!" Hunter kommt näher, seine Stimme jetzt dringlicher. „Das ist ein Krankenhaus. Öffentlicher Ort. Kameras. Personal, das dich sehen wird. Du kannst nicht einfach da reingehen, ohne dass jemand dich erkennt!"
Ich bleibe stehen und sehe ihn an, mein Gesicht hart. „Ich lasse sie nicht allein."
Hunter presst die Lippen aufeinander, seine Hände in die Hüften gestemmt. „Ich verstehe, dass du dir Sorgen machst, aber das ist Wahnsinn. Sie ist stark. Sie wird das schaffen, ohne dass du alles riskierst."
Ich atme einmal angespannt ein. „Ich weiß dass sie stark ist, das habe ich nie bezweifelt, aber das ist nicht der Punkt, Hunter."
„Nein?" Er schnaubt, seine Stimme wird lauter. „Dann sag mir, warum. Warum kannst du nicht einfach vertrauen, dass sie allein klarkommt? Sie würde nicht wollen, dass du dich so in Gefahr bringst!"
Ich bleibe still, für einen Moment. Dann lasse ich die Tasche in meiner Hand sinken und atme tief durch, versuche, die Worte zu finden. „Es geht nicht darum, ob sie stark genug ist. Es geht darum, wer dort sein wird. Ärzte, Pfleger, fremde Gesichter. Fremde...Männer. Und wenn nur einer von ihnen..."
Ich breche ab, weil allein der Gedanke mich zum Kochen bringt. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Der Gedanke, Avery in einer Lage zu wissen, die ich nicht kontrollieren kann, lässt mich fast den Verstand verlieren.
„Adrian.", beginnt Hunter erneut, jetzt ruhiger, fast beschwichtigend. „Es sind Profis. Sie tun nur ihren Job. Niemand wird ihr wehtun."
Ich schüttle den Kopf, hart und entschieden.
„Ich habe genug Männer gesehen, die ‚nur ihren Job' tun, Hunter. Weißt du, wie oft ich solche Männer gesehen habe, die ihre Macht ausnutzen? Die glauben, dass niemand hinschaut?" Meine Stimme wird rauer, und ich merke, wie meine Wut durchbricht. „Und sie ist dort allein. Sie kann die Sprache nicht mal."
Hunter reibt sich die Schläfen, bevor er tief einatmet und spricht.
„Adrian, hör zu. Ich verstehe, warum du dir Sorgen machst, aber du musst nicht sofort mit dem Kopf durch die Wand. Was, wenn du dir das erst mal ansiehst?"
„Was ansehen?" frage ich, meine Stimme schärfer, als ich wollte.
„Das Krankenhaus," sagt er ruhig. „Das Personal. Die Ärzte, die Pfleger, die Umgebung. Geh mit ihr hin, beobachte, wie sie mit Avery umgehen. Vielleicht – nur vielleicht – sind deine Sorgen unbegründet. Du kannst dir alles kurz ansehen...aber du solltest dort nicht länger als ein paar Minuten sein. Das Risiko ist einfach zu groß."
Ich starre ihn an, sage nichts, weil meine Gedanken zu laut in meinem Kopf sind.
„Avery ist stark, Adrian," fährt er fort, seine Stimme weicher jetzt. „Das weißt du besser als jeder andere. Sie ist nicht mehr die gleiche Frau, die du damals kennengelernt hast. Sie hat gekämpft, sie ist geheilt. Vielleicht ist es an der Zeit, dass du das auch akzeptierst."
„Es geht nicht um sie! Ich weiß verdammt nochmal dass sie stark ist!" fahre ich ihn an, die Tasche rutscht mir aus der Hand und landet schwer auf dem Boden. Meine Stimme hallt durch den Raum, und für einen Moment sehe ich, wie Hunter zurückzuckt. Ich atme schwer, zwinge mich, die Worte zu finden, die ich die ganze Zeit verdrängt habe.
„Es geht nicht darum, ob sie stark genug ist, Hunter." sage ich schließlich, leise, aber fest. „Ich weiß, dass sie es ist. Sie ist stärker, als ich es je sein werde. Sie hat sich selbst aus einem Abgrund gezogen, den ich nicht einmal begreifen kann. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich sie dorthin gebracht habe."
Ich sehe, wie Hunter den Kopf schief legt, als ob er nicht ganz versteht, was ich meine. Also spreche ich weiter, und meine Worte klingen wie ein Geständnis, das ich nie machen wollte.
„Sie ist da gelandet, weil ich sie in meine Welt gezogen habe. Wegen mir ist sie gebrochen worden. Wegen mir hat sie die Nächte durchgeweint, nicht schlafen können, weil sie Angst hatte, dass jemand durch die Tür kommen könnte. Wegen mir musste sie lernen, jedem Mann zu misstrauen, den sie nicht kennt." Meine Stimme bricht am Ende, aber ich zwinge mich, ihn weiter anzusehen.
Hunter schweigt, aber ich sehe, wie die Erkenntnis in seinen Augen aufleuchtet.
„Also ja, sie ist stärker jetzt. Aber diese Stärke hat einen Preis, Hunter. Einen verdammten Preis, den sie nie hätte zahlen sollen." Ich schüttele den Kopf und trete einen Schritt zurück, als wollte ich die Schuld von mir abschütteln, aber sie bleibt. Sie bleibt immer.
„Und jetzt soll ich sie in ein Krankenhaus schicken, allein, umgeben von Menschen, die sie nicht kennt? Fremde, die sie anfassen, sie untersuchen, und ich soll einfach vertrauen, dass nichts passiert? Ich kann das nicht, Hunter. Ich kann nicht."
Er sieht mich an, und diesmal ist da kein Widerspruch in seinen Augen. Nur Verständnis. Und das macht es fast schlimmer.
Hunter tritt näher, spricht mit einer Mischung aus Nachdruck und Ruhe. „Okay...Dann mach es so. Geh mit ihr hin. Sieh dir alles an. Das Personal, die Ärzte. Vertrau deinem Instinkt. Wenn du das Gefühl hast, dass sie dort sicher ist, kannst du gehen – oder in der Nähe bleiben, wenn du willst. Aber gib dir selbst die Chance, zu sehen, dass es diesmal anders ist."
Seine Worte hängen schwer in der Luft, und ich merke, wie meine Schultern sacken. Ich will ihm widersprechen, will sagen, dass ich weiß, was richtig ist. Aber ein Teil von mir weiß, dass er recht hat. Dass ich immer noch versuche, eine Schuld zu begleichen, die niemals beglichen werden kann.
Ich atme tief ein, hebe die Tasche wieder auf und nicke langsam. Ohne ein weiteres Wort drehe ich mich um und gehe zur Tür. Mein Kopf ist schwer, meine Gedanken ein Chaos. Doch eines weiß ich sicher: Ich werde immer an ihrer Seite sein. Egal ob es mich in Gefahr bringt.
Ich stelle die Tasche neben dem Bett ab, setze mich neben Avery, halte ihre Hand und streiche ihr über die Stirn. Ihr Atem ist weiterhin schwer, jeder Hauch klingt rau und unregelmäßig. Die Sauerstoffmaske hilft ihr offensichtlich, aber ihr Körper wirkt so zerbrechlich, dass mir bei jedem ihrer Atemzüge das Herz stehen bleibt.
Draußen höre ich schließlich das Geräusch eines Motors. Der Krankenwagen ist da. Ich stehe sofort auf und eile zur Tür. Zwei Männer und eine Frau betreten mit ruhiger Effizienz das Haus, tragen eine Trage bei sich und stellen sofort Fragen, die Dr. Pérez beantwortet, während ich nervös zur Seite trete.
„Neumonía bacteriana grave. Saturación de oxígeno recientemente en un 88 %. Fiebre constante de 39,4 grados Celsius. Ha comenzado una terapia con antibióticos, pero su condición no ha mejorado.", erklärt Dr. Perez den Sanitätern.
Sie öffnen ihre medizinischen Taschen und beginnen, sie vorzubereiten. Einer der Sanitäter überprüft die Sauerstoffmaske und nickt zufrieden. Sie heben Avery vorsichtig auf die Trage, fixieren sie mit Gurten und stellen sicher, dass die Sauerstoffmaske korrekt sitzt. Die Szene ist effizient, fast mechanisch, aber für mich fühlt es sich an, als würde ich den Boden unter den Füßen verlieren.
„Ich komme mit." sage ich fest, als sie die Trage zum Krankenwagen schieben.
Einer der Sanitäter wirft mir einen schnellen Blick zu. Er zögert, sieht dann aber zu Dr. Pérez, der nur nickt.
_______________
35 Minuten später
Die Türen des Krankenwagens öffnen sich, und ich folge den Sanitätern, die Avery ins Gebäude schieben. Das Krankenhaus ist hell erleuchtet, voller Stimmen und Bewegungen, und ich werde kurz zur Seite gedrängt, während ein Team aus Ärzten und Krankenpflegern die Trage umringt.
Der Sanitäter teilt dem Arzt die wichtigsten Infos mit. Dieser dreht sich zu seinem Team und sagt ihnen die nächsten Schritte.
Ich sehe zu, wie sie Avery in einen Untersuchungsraum schieben, und bleibe an der Tür stehen, unsicher ob ich folgen darf. Schließlich wendet sich eine Krankenpflegerin an mich.
„Estamos haciendo todo lo posible para ayudarla. Puede esperar aquí hasta que tengamos más información. Le mantendré informado.."
Ich nicke stumm und lasse mich auf einen der Stühle im Wartebereich sinken. Die Zeit vergeht qualvoll langsam, jede Minute fühlt sich wie eine Stunde an. Ich starre auf die geschlossenen Türen des Behandlungsraums, lausche auf jedes Geräusch, aber alles, was ich höre, sind gedämpfte Stimmen und das Piepen von Monitoren.
Nach einer scheinbaren Ewigkeit kommt der Arzt, der Avery untersucht hat, zu mir. Seine Miene ist ernst, aber nicht alarmierend, und ich klammere mich an diesen winzigen Hoffnungsschimmer.
„Su novia tiene una neumonía grave. La radiografía muestra que la infección se ha extendido a una gran parte de su pulmón izquierdo."
Ich nicke und merke, wie meine Hände zittern.
„La hemos trasladado a la unidad de cuidados intensivos, donde podemos monitorear su estado las 24 horas del día.."
„Puedo verla?" frage ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Er schüttelt sanft sen Kopf. „Ella necesita descansar. Pero le prometo que le informaremos de inmediato si hay algún cambio."
Ich nicke stumm und sehe zu, wie der Arzt den Flur hinuntergeht. Mein Körper fühlt sich schwer an, und ich sinke erneut auf den Stuhl. Die Erkenntnis, dass ich jetzt nichts mehr tun kann, trifft mich wie ein Schlag. Alles, was bleibt, ist das Warten.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro