133. Hoffnung. Vielleicht.
Hunter P.O.V.
Ein plötzliches lautes Rumpeln reißt mich aus dem Schlaf. Mein Kopf schnellt hoch, und ich spüre, wie Sofia die noch in meinen Armen liegt, sich ebenfalls erschrickt.
„Alles gut..", flüstere ich ihr zu, obwohl ich nicht wirklich weiß ob alles gut ist.
„Was war das?" murmelt sie und setzt sich auf. Sie rutscht aus meinen Armen, greift sich mein Hemd welches zerknittert auf dem Bett liegt, und zieht es sich über. „Denkst du es ist jemand hier?" Ihre Stimme ist angespannt, ihre Bewegungen hektisch. Zu hektisch.
„Ich weiß es nicht.." antworte ich und setze mich auf, während ich sie genau mustere.
Ich bemerke, wie sie sich beim Knöpfen des Hemdes fast verheddert. Ich kenne Sofia. Sie ist in solchen Situationen normal immer gelassen, kontrolliert. Aber jetzt ist sie es nicht, und es lässt mir keine Ruhe.
Ich ziehe mir schnell meine Hose an und gehe zur Kommode, wo ich die Waffe aus der untersten Schublade nehme. Meine Finger schließen sich fest um den Griff. „Bleib hier. Ich gehe nachsehen.", sage ich ernst.
„Nein." Sofias Antwort kommt wie ein Schuss. Sie greift hastig nach ihrer Jogginghose und zieht sie über. „Ich komme mit."
Ich halte inne und blicke sie an, meine Augenbrauen zusammengezogen. „Sofia, das ist keine gute Idee."
„Hunter, ich komme mit." wiederholt sie, während sie sich die Haare schnell aus dem Gesicht streicht. Ihre Stimme klingt entschlossen, aber ich erkenne den Unterton – ein Hauch von Unsicherheit, den sie verbergen will. Sie will stark wirken, so wie immer. Doch ihre Bewegungen, ihr ganzer Ausdruck verraten sie.
Ich bleibe stehen, die Waffe noch in der Hand, und betrachte sie genauer. Es ist wie ein Déjà-vu. Vor Wochen wurde sie doch erst verletzt – schwer verletzt. Sie ist fast verblutet. Dieses Erlebnis, hat Spuren hinterlassen, auch wenn sie es niemals zugeben würde.
„Sofia.." sage ich leise, meine Stimme sanfter jetzt, „..du musst nicht mitkommen. Es ist in Ordnung, wenn—"
„Hör auf." unterbricht sie mich, ihre Augen blitzen auf. „Ich bleibe bestimmt nicht hier sitzen und warte."
Ich sehe, wie sie sich abwendet, ihre Hände kurz zu Fäusten ballt, bevor sie sie wieder lockert. Es ist ihr Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen, und es bricht mir fast das Herz. Sie will stark bleiben, aber ich weiß, dass sie noch nicht ganz darüber hinweg ist, was passiert ist.
„Ich bin nicht schwach, Hunter..", spricht sie weiter und sieht mich eindringlich an.
„Das hat nichts mit Schwäche zu tun."" sage ich ruhig. „Ich verstehe, warum du mitkommen willst. Aber ich weiß auch, warum du so..." Ich halte inne, suche nach dem richtigen Wort. „...angespannt bist."
Sie verschränkt ihre Arme vor der Brust und blickt zur Seite. „Ich bin nicht angespannt." sagt sie, ihre Stimme wieder kühler. „Ich will einfach nur wissen, was da los ist. Punkt."
Ich seufze leise. Sie wird es nicht zugeben, nicht jetzt. Also nicke ich. „Okay." sage ich schließlich, meine Stimme ebenso entschlossen wie ihre. „Aber du bleibst hinter mir. Keine Diskussion."
Sie nickt kurz, fast trotzig, und wir machen uns auf den Weg. Ich öffne leise die Tür, gehe einen Schritt in den dunklen Flur, als sich fast zeitgleich die Tür gegenüber öffnet und Valentina rauskommt. Sie sieht sichtlich müde aus, als wäre sie wie wir aus dem Schlaf gerissen worden.
„Was war das?", flüstert Valentina mir zu und reibt sich verschlafen die Augen.
„Bleib im Zimmer. Ich geh nachsehen.", sage ich so leise wie möglich. Und im Vergleich zu Sofia, hört Valentina auf mich und verschwindet wieder im Zimmer.
Ich gehe langsam weiter Richtung Treppe. Während wir die Treppe hinuntergehen, spüre ich Sofia hinter mir. Ihre Schritte sind leise, aber ich merke, wie sie sich anstrengt, ruhig zu bleiben. Wir arbeiten und Stufe für Stufe nach unten, ich merke wie Sofia sich enger an meinen Körper drückt. „Alles gut..", flüstere ich ihr zu, während ich den Griff um die Waffe verstärke.
Wir gehen langsam weiter , doch als wir fast unten sind bringt uns das Bild was sich uns bietet, abrupt zum Stehen.
Adrian liegt auf dem Boden zwischen der offenen Eingangstür. Ich sehe, wie er mühsam versucht, sich an dem Türrahmen hochzuziehen. Der scharfe Geruch von Alkohol schlägt mir entgegen.
„Adrian," murmle ich, lasse die Waffe sinken und stecke sie vorsichtig in meinen Hosenbund, bevor ich zu ihm eile.
Er hebt den Kopf, und sein glasiger Blick trifft meinen. Seine Augen sind blutunterlaufen, das Gesicht schweißbedeckt, und sein Hemd ist fleckig und zerknittert, als hätte er die Nacht irgendwo im Dreck verbracht.
„Scheiße," murmele ich, knie mich neben ihn. „Adrian, was zum Teufel machst du?"
„Ich... ich muss gehen.." lallt er, seine Stimme ist kaum mehr als ein heiseres Flüstern. „Ich flieg'... zu Avery."
Seine Worte treffen mich wie ein Schlag. Ich sehe zu Sofia, die jetzt näher tritt, ihre Arme verschränkt, ihre Augenbrauen zusammengezogen.
„Adrian, du kannst nicht mal stehen," sage ich scharf, packe ihn an den Schultern, als er sich aufsetzt, um ihn stabil zu halten. „Du bist sturzbesoffen..."
Er schüttelt den Kopf. „Muss...zu ihr.." murmelt er, während er versucht, sich an meiner Schulter hochzuziehen. „ich...muss ihr sagen...dass ich sie...liebe."
„Verdammt nochmal, Adrian!" rufe ich, halte ihn fester, als er erneut nach vorne kippt. „Avery braucht dich so garantiert nicht!"
„Ich... ich kann das nicht mehr. Ohne sie... nichts... nichts mehr." Sein Kopf sackt nach vorne, und ich sehe, wie seine Hände zu zittern beginnen. Seine ganze Erscheinung – die glasigen Augen, die brüchige Stimme, der zitternde Körper – schreit nach einem Mann, der völlig am Ende ist.
„Hunter.." sagt Sofia leise. Sie steht nun direkt hinter mir. „Bringen wir ihn auf die Couch.."
Ich nicke, packe Adrian fest unter einem Arm, während Sofia seine andere Seite übernimmt. „Komm... Du kannst hier nicht rumliegen.", sagt sie leise zu ihm.
„Nein... ich muss gehen.." protestiert er schwach, doch er hat keine Kraft, sich zu wehren. Gemeinsam ziehen wir ihn ins Wohnzimmer und lassen ihn auf die Couch fallen. Sein Kopf kippt zur Seite, und er murmelt erneut etwas, das ich nicht verstehe.
Ich knie mich vor ihn, mein Gesicht nah an seinem. „Adrian verdammt" sage ich ernst, meine Stimme schärfer als vorher. „Warum tust du dir das an?"
Seine Augen fixieren mich, und ich sehe darin eine Mischung aus Wut, Schmerz und völliger Erschöpfung. „Weil...ich nichts...mehr hab!" bricht er heraus, seine Stimme rau und voller Verzweiflung. „Sie...sie war..alles, Hunter. Alles!"
Ich halte inne, die Worte treffen mich hart. Neben mir atmet Sofia schwer, doch sie sagt nichts, beobachtet ihn nur mit einer Mischung aus Mitleid und Wut. „Das hier ist nicht der Weg. Du kannst nicht einfach alles aufgeben.", sage ich.
Er hebt den Kopf, sieht mich an, und für einen Moment wirkt er fast nüchtern. „Ich muss zu ihr.." sagt er, langsam und mit einer seltsamen Entschlossenheit. „Ihr sagen...dass ich sie liebe...Ich muss es versuchen, Hunter. Vielleicht...ändert es...etwas"
„Das ist Wahnsinn..", murmle ich, aber bevor ich weitersprechen kann, unterbricht Sofia mich.
„Vielleicht ist es gar keine schlechte Idee" sagt sie leise, und ihre Worte lassen mich abrupt innehalten. Ich drehe mich zu ihr, völlig fassungslos.
„Was?" frage ich, und mein Ton ist härter, als ich beabsichtige.
Sofia verschränkt stur ihre Arme, ihre Augen bleiben ernst. „Vielleicht hilft es ihm, wenn er weiß, dass er zu ihr kann. Unter einer Bedingung."
Ich schüttle fast automatisch den Kopf, kann nicht glauben dass sie das überhaupt in Erwägung zieht. „Welche Bedingung?" frage ich misstrauisch.
„Er muss sich zuerst wieder in den Griff bekommen." sagt Sofia und sieht Adrian direkt an. „Du kannst nicht so zu ihr gehen. Nicht in diesem Zustand. Aber wenn du es ernst meinst, Adrian... dann arbeite an dir. Werde wieder der Mann, der du warst."
Ich schüttle sofort den Kopf, meine Frustration bricht durch. „Nein. Sofia, das ist Wahnsinn..."
Adrian hebt den Kopf, sein Blick glasig, aber voller Entschlossenheit. „Ich mache alles.."
Bevor ich überhaupt antworten kann, versucht er sich aufzurichten, er steht von der Couch auf, wankt schwerfällig und stolpert zur Seite. Ich strecke instinktiv die Hände aus, fange ihn gerade noch, bevor er mit dem Gesicht auf den Boden knallt. „Bleib liegen, verdammt," knurre ich und drücke ihn wieder zurück auf die Couch.
„Nein... ich... ich verspreche, ich werde mich ändern. Ich mach alles...was ihr wollt," lallt er, „aber... nur wenn...ihr mich...nicht daran hindert, zu ihr zu fliegen."
Ich öffne den Mund, um ihm zu sagen, wie idiotisch das klingt, doch bevor ich ein Wort herausbringe, höre ich Sofia hinter mir. „Deal."
Ich drehe mich zu ihr um und sehe sie dort stehen – die Arme vor der Brust verschränkt, den Blick entschlossen. „Wenn du zu ihr willst..." sagt sie kühl, „...dann wirst du dich zusammenreißen. Und zwar komplett. Kein Alkohol, kein Koks, keine beschissenen Abstürze. Du wirst wieder normal essen, Sport machen und dich endlich zusammenreißen. Und dann – erst dann – kannst du über Avery nachdenken."
„Ich..mache es.." Adrian hebt den Kopf, seine Augen leicht zusammengekniffen.
Sofia geht ein paar Schritte auf ihn zu, bis sie direkt vor ihm steht. Sie beugt sich leicht zu ihm hinunter. „Merk dir das: wenn du nur einmal verkackst, Adrian – nur ein einziges Mal – kannst dus vergessen. Denn zurückzufliegen wird nicht nur dich in Gefahr bringen. Sondern auch uns. Und alleine schaffst du es nicht Mal aus Kolumbien raus. Du brauchst uns und das weißt du."
Ich sehe, wie Adrian sie anstarrt, seinen Mund öffnet, um etwas zu sagen, dann aber wieder schließt. Sein Körper sackt etwas tiefer, seine Schultern hängen, und für einen Moment wirkt er wie ein kleiner Junge, der eine Standpauke bekommen hat. „Ich... ich kann das," murmelt er schließlich, doch seine Worte klingen brüchig, fast flehend.
„Das wirst du müssen..", sagt Sofia, bevor sie sich aufrichtet und zurücktritt. Ihr Blick wandert kurz zu mir, und ich sehe diese Sturheit in ihren Augen, die ich manchmal bewundere und manchmal verfluche. Ich möchte etwas sagen, widersprechen, doch ich bleibe still.
Adrian hingegen richtet sich etwas auf, greift mit zittrigen Händen zu dem bisher unberührten Glas Wasser auf dem Couchtisch. Und für einen Moment spüre ich etwas, das ich lange nicht mehr bei ihm gefühlt habe – Hoffnung. Vielleicht.
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