Fünf + Eine Ente
Kevin liebte den Teich und er liebte es wie das Wasser sich zu kleinen Wellen auftürmte, wenn er sich darin auf und ab bewegte. Nur er mochte die Sonne, die ihm erbarmungslos auf den Kopf schien nicht. Die Sonne mochte er genau so wenig wie er die Menschen nicht mochte. Die kleinen Menschen mit ihren rießigen Händen und Fingern, die ihm versuchten Federn auszureißen mochte er am wenigsten von allen. Deshalb hielt er sich tagsüber am liebsten in der Mitte des Teichs auf, wo er sicher vor den Händen war. Doch an einem Tag wie diesem, wenn es so heiß war hielt das Wasser die kleinen Monster nicht davon ab zu ihm zu gelangen und so war er gezwungen sich einen anderen Platz zu suchen, wenn er alle seine geliebten Federn behalten wollte.
So saß er an diesem außergewöhnlich heißen Tag auf einem der vielen Bäume, die um seinen Teich herum wuchsen und versteckte sich vor den Kindern, wie die großen Menschen ihre kleinen Artgenossen zu nennen pflegten. Solche Monster sollten Kinder sein? Entenkinder waren liebenswerte kleine Geschöpfe, die nach einiger Zeit zu großen Enten heranwuchsen, doch er konnte keine Ähnlichkeiten zu den Kindern der Menschen erkennen. Sie konnten also keine Kinder sein. Es waren Monster.
Eine Taube setzte sich auf einen Ast neben ihm. Tauben waren eigenartige Tiere. Sie waren immer in Eile. Doch wozu? Nur um nach einem gestressten Leben von einem Auto überfahren zu werden, weil man zu gestresst war um es nicht rechtzeitig kommen zu sehen? Doch sie gehörten auch zu den Vögeln, die viel herumkamen und einem auch sehr viel darüber erzählten wo sie schon überall waren und was sie erlebt haben, wenn sie denn Zeit dazu hatten und das war nicht sehr oft.
Dann flog die Taube auch schon wieder weiter ohne auch nur ein Hallo mit ihm gewechselt zu haben, aber er sagte sich, dass sie ihn in ihrer Eile nur nicht gesehen hatte. Als sie sich in die Lüfte schwang, ließ sie einen kleinen weißen Tropfen fallen. Kevin sah fasziniert zu wie die Hinterlassenschaft des anderen Vogels fiel und fiel und fiel um schließlich als weißer Fleck auf einem Mensch zu landen.
Der Mensch, ein großer Mann mit schwarzen Haaren kam Kevin eigenartig vor. Also noch eigenartigeer als alle anderen Menschen. Er fand Menschen generell sehr speziell um es höflicher zu formulieren. Der Schwarzhaarige trug einen dicken Pullover und eine lange Hose. Kevin konnte selbst aus einigen Metern noch den penetranten Geruch nach menschlichem Schweiß riechen.
Der große Schwarzhaarige sprang blitzartig auf, als er bemerkte, dass es die Hinterlassenschaft einer Taube war, die seine Kleidung zierte und nicht ein Wassertropfen oder etwas ähnliches. Er rannte der Taube Flüche zuschreiend noch ein paar Meter hinterher. Dann schien er erst realisiert zu haben, dass der Vogel für ihn nicht mehr erreichbar war und ging, die Hände in seine Hosentaschen gesteckt und wütend den Boden anstarrend zu den anderen Menschen zurück, die nicht weniger ungewöhnlich aussahen wie der Mann.
Jetzt erst fiel Kevin das rießige Lebewesen unter ihm auf. Es war... ausergewöhnlich. Er hatte noch nie etwas ähnliches gesehen und er hatte schon einige eigenartige Tiere gesehen. Es war so groß wie der Löwe im Zoo, hatte die Farbe des Nilpferdes im Gehege daneben, hatte so schlacksige Beine wie die eines Affen und es wirkte auf ihn gefährlich wie die Schlange, die einmal aus dem Reptilienhaus geflohen war und ihn beinahe aufgefressen hatte (zu seinem Glück waren genug Menschen in der Nähe gewesen, die ihn von der Schlange befreiten).
Ein heftiger Ruck ging durch den Baum. Kevin konnte nicht mehr rechtzeitig losfliegen und sich in Sicherheit bringen. So dass er unbeholfen in Richtung Boden trudelte, da er sich seine Flügel von selbst etwas ausbreiteten und den Fall verlangsamten. Als er dann auf etwas aufschlug, war es weicher und um einiges bequemer als er es erwartet hatte. Kevin war schon oft abgestürtzt und wusste, dass es für gewöhnlich schmerzhafter ist. Die anderen Enten nannten ihn deshalb auch immer "Kevin der Bruchpilot", aber das machte ihm schon lange nichts mehr aus. Kevin hatte mit der Zeit gelernt sie zu ignorieren und sich den wichtigen Dingen des Lebens zuzuwenden wie zum Beispiel nach Algen tauchen und Menschenkindern aus dem Weg zu gehen. Als er nun nach unten blickte um herauszufinden wo er gelandet war, sah er nur noch wirre schwarze Haare, wo sonst sein prächtiges Federkleid in der Nachmittagssonne regenbogenfarben geglänzt hätte.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, bewegte sich das schwarze Nest nun auch noch wild auf und ab und etwas schlug nach ihm. Hektisch breitete Kevin seine Flügel aus und begann energisch mit ihnen zu flattern und loszufliegen, doch ohne Erfolg. Er hatte sich mit seinen Krallen in den Haaren verfangen und kam nicht los. Kevin schlug noch heftiger mit seinen Flügeln, stieß sich immer wieder ab und pickte auch ein oder zwei mal in die Haare, aber das alles half auch nichts. Resigniert ließ er sich auf das haarige und sich immer noch wild auf und abbewegende Nest plumpsen. Ein paar Sekunden geschah nichts anderes, außer dass ihm übel wurde. Langsam stieg ihm etwas die Speißeröhre hoch. Kevin würde es nicht mehr lange zurückhalten können. Plötzlich griffen zwei Hände nach ihm und rissen ihn mit einem kräftigen Ruck aus den schwarzen Haaren. Kevin hatte keine Chance sich gegen die Unerwartete Hilfe zu wehren und so ließ er es einfach geschehen.
Doch nachdem er befreit war, wollten ihn die Hände nicht wieder loslassen. Sie drückten ihn so fest, dass er kaum atmen konnte. Die ganze Situation frustrierte ihn. Genervt biss er in eine er Hände, die ihn daran hinderten den Tag weiter in Frieden zu verbringen. Mit einem lauten Aufschrei ließen sie ihn los und Kevin fiel ungeschickt auf seinen Füßen landend auf den Boden.
Er wollte gerade grazil wie ein neugeborenes Ziegenbaby auf Glatteis während eines Erdbebens davonwatscheln, als er die vielen Füße um ihn herum bemerkte. Es waren zu viele, viel zu viele. Dazu kamen noch die vielen hellen Lichtblitze, die von oberhalb der Füße kamen. Ängstlich machte er ein paar Schritte zurück nur um gegen ein weiters Paar Füße zu laufen. Er war gefangen. Gefangen zwischen Menschen, den Tieren von all den vielen anderen, die er kannte, die er am meisten verabscheute.
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