R.I.P.
Zwei Tage später hatte sich Mia zumindest körperlich schon einigermaßen erholt. Sie hatte noch immer einen Verband um den Bauch, aber bald würde die Wunde schon zu einer Narbe verheilt sein, da sie nicht allzu groß war. Heute würde ihr Vater beerdigt werden. Nun stand sie da, ganz in schwarz gekleidet, und sah traurig in den Spiegel. Die Wunde an ihrer Stirn wurde mithilfe von drei weißen Wundnahtstreifen zusammengehalten. „Na, wie fühlst du dich?" hörte sie plötzlich die Stimme von Clint. Hinter ihm stand Steve. Mia presste den Mund zusammen. Wie sollte sie sich schon fühlen? Heute ist die Beerdigung ihres wichtigsten Familienmitgliedes. „Wir überstehen das gemeinsam", sagte Cap ernst und nickte ihr aufmunternd zu. Mia nickte nur und sah auf den Boden. Natasha kam herein und umarmte Mia erstmal mitfühlend. „Lasst uns gehen wenn du soweit bist" meinte sie mit ernster Miene. Das Mädchen atmete noch einmal tief durch und nickte den drei anderen Avengers dann zu. „Ok" seufzte sie, woraufhin Natasha ihre Hand nahm und sie zu viert den Raum verließen.
Auf der Beerdigung waren unzählbar viele Leute. Fast alle Shield-Mitgleider waren anwensend, somit auch die Avengers. Außerdem waren noch viele Freunde von Jason anwensend. Da er erst 43 gewesen war, waren noch so gut wie alle Freunde von ihm am Leben. Auch sein Bruder und seine Schwägerin waren gekommen. Sie begrüßten Hugo und Mia traurig mit einer Umarmung. Die Beerdigung ging fast zwei Stunden. Es wurden viele Reden gehalten, bis der Sarg schließlich auf einem privaten Friedhof von Shield zu Jasons verstorbenen Frau Alice in die Erde herabgeseilt wurde. Jeder durfte eine Schippe Erde und eine Rose darauf werfen. Mia und Hugo waren als erstes an der Reihe. Sie standen stumm neben dem Grab und sahen herab, während die anderen die Erde hinunterwarfen. Einige bleiben noch stehen, um dem Geschwisterpaar ihr Beileid mitzuteilen. Mia, aber auch Hugo fiel es extrem schwer, sich zusammenzureißen und jeden zu umarmen, was sie nur noch trauriger machte.
Nachdem der Sarg ganz mit Erde bedeckt war, gingen Hugo und auch die meisten anderen Leute rüber zum Gasthaus für den Leichenschmauß. Mia blieb noch sehr lange am Grab stehen. Es waren noch sie, Clint, Natasha, Steve, Tony, Rhodey, Folcon, Bruce, Thor, Wanda, Vision und T'Challa da. Schließlich gingen auch sie rüber, bis nur noch Steve, Tony, Clint, Natasha und Bruce da waren. „Mia, wir sollten langsam auch rüber gehen, meinst du nicht?" sagte schließlich Clint und musterte sie aufmerksam. „Gleich" antwortete sie nur knapp, aber schaute nicht auf. „Wir gehen schonmal vor, komm einfach nach, wenn dir danach ist" sagte Steve und legte ihr zum Abschied eine Hand auf die Schulter. Bruce nickte ihr bestätigend zu und ging mit Steve Richtung Gasthaus. „Bis gleich, Kleine" sagte Tony und schloss sich ihnen an. „Wir sollten sie vielleicht ein bisschen alleine lassen" raunte Clint Natasha zu. Diese nickte und teilte dem Mädchen mit, das sie sich so viel Zeit nehmen solle, wie sie brauchte. Zu zweit verließen auch sie das frische Grab und Mia bleib alleine zurück. Erst jetzt ließ sie all ihren Gefühlen freien Lauf und kniete sich schluchzend an vor den mit Blumen bedeckten Erdhaufen und schluchzte unaufhörlich. Tränen rannen ihr vom heftigen Weinen über die Wangen. Sie vergrub ihr Gesicht in beiden Händen als ihr Erinnerungen von ihrem Vater hochkamen. Die ersten sechs Jahre war ihr Leben perfekt. Ihre Familie hatte viele Ausflüge gemacht, wenn Jason nicht auf einer Mission war. Alice war noch im Mutterschaftsurlaub. Doch dann wurde sie von Heinrich Buchner ermordet und Jason nahm die wichtigste Rolle in Mias Leben ein. Jedes Mal, wenn er auf eine Mission los musste, fing Mia an bitterlich zu weinen und hatte Albträume. Natasha und Clint mussten sie dann immer trösten und waren für sie da, um sich um sie zu kümmern. Hugo verbrachte lieber viel Zeit bei gleichaltrigen Freunden.
Aber nun war auch Jason tot. Sie war nun mit 17 eine Waise. Die Avengers waren noch ihre einzige Familie. Abgesehen von ihrer Tante und ihrem Onkel, mit denen sie aber kaum Kontakt hatte. Auch die Avengers hatten einen starken Verlust erlitten. Sie hatten ihren Anführer verloren.
Schluchzend legte Mia ihren Kopf auf ihre Beine und schlang beide Arme darüber. Sie könnte ewig in dieser Position bleiben. Sie gab ihr Sicherheit und Geborgenheit. Mia wollte am liebsten nie wieder aufstehen. Irgendwann wurde es ihr aber doch zu unbequem und sie setzte sich auf ihren Hintern und zog die Beine eng an sich, während sie die Arme um sie legte. Mia fiel jetzt erst auf, wie weit die Sonne mittlerweile schon herumgewandert war. Sie musste also schon eine ganz Weile hier am Grab verbracht haben. Plötzlich nahm sie Schritte neben sich wahr und drehte langsam den Kopf in die entsprechende Richtig. Natasha stand vor ihr und sah sie mitleidig an. Sie setzte sich wortlos neben das Mädchen. „Du bist zurück gekommen", sagte Mia nach einer Weile. Sie vernahm Natashas Blick von der Seite, sah aber nicht zu ihr herüber. „Ich wollte nicht, dass du alleine bist", antwortete die Ältere. Mia seufzte. „Danke, Natasha. Ich bin aber nicht alleine", sagte sie und stand langsam wie in Trance auf. „Mein Vater ist bei mir". Auch die Rothaarige stand auf und sah das Mädchen mitfühlend an. Mia schien es noch nicht wirklich zu realisieren, dass ihr Vater gestorben ist. Aber Natasha wollte das Mädchen nicht korrigieren, nicht heute. „Ich weiß", sagte sie anstattdessen. „Und er wird auch immer bei dir bleiben." Mia bleib nur regungslos vor der Rothaarigen stehen und schniefte. „Komm mal her", kam es wieder von Natasha und sie umarmte das blonde Mädchen.
Nach einer Weile löste sich die Rothaarige von ihr und sie gingen gemeinsam zum Gasthaus für den Leichenschmauß. Als sie in das Haus traten, war dort ein großes Buffet zu sehen, die Kosten übernahm Tony. Es gab viele Tische, die aber nicht alle belegt waren. Viele Leute standen auch herum und unterhielten sich. „Komm, wir holen uns etwas zu Essen" schlug Natasha vor, nahm Mia bei der Hand und zog sie hinter sich her. Black Widow füllte sich schonmal einen Teller mit Essen und hielt dem blonden Mädchen auch einen hin. „Danke", sagte sie und nahm den Teller entgegen. Eigentlich hatte sie gar keinen Hunger, aber aus Höflichkeit wollte sich Mia trotzdem etwas Kleines nehmen. Da entdeckte sie das Bild ihres Vaters über dem Buffet. Er sah von der Seite zur Kamera und lächelte. Mia erinnerte sich noch an den Moment der Aufnahme. Es war schon ein paar Jahre her. Damals hatte Jason seine beiden Kinder an einem sonnigen Tag mit in den Wald genommen, um ihnen zu zeigen, wie man aus Stöcken Waffen machen konnte und ihnen geeignete Stellen zum Verstecken gezeigt. Weil er der Anführer der Avengers war, war auch seine Familie nicht sicher vor Gefahren. Damals waren Hugo und Mia noch zu jung, um auf Missionen mitzugehen, dennoch wurden sie ihr ganzes Leben darauf vorbereitet. Als Jason also gerade auf einem Baumstamm saß und einem Stock eine scharfe Spitze schnitzte, kam plötzlich sein bester Freund und langjähriger Arbeitscollege Clint aus dem Gebüsch und wollte die Familie erschrecken und dann ein Foto von ihren ängstlichen Gesischtern machen. Der Familienvater hatte den Bogenschützen aber schon kommen sehen, drehte sich zu Clint und grinste nur fröhlich in die Kamera.
Dieses Foto hing jetzt also über dem Buffet, was Mia einen schmerzhaften Stich im Herz versetzte. So schön diese Erinnerung auch war, seit ihr Vater gestorben war, war sie auch umso schmerzhafter. Mia konnte sich immernoch kein Leben ohne ihren Vater vorstellen. Auch wenn er immer viel arbeiten war, kam er doch immer wieder zurück und war für sie da, wenn Mia ihre Mutter vermisste. Aber nun würde er nie wieder kommen. Er war ans Ende seines Lebens gekommen und lag seit ein paar Stunden unter der Erde. Aber er war gerade mal 43. Nicht jeder stirbt mit 43. Was, wenn er noch gar nicht hätte sterben müssen? Heinrich Buchner hatte unter anderem auf Mia gezielt, aber nicht auf Jason. Buchner hatte zwar vor gehabt, Jason umzubringen, aber in diesem Momentan hatte er nicht auf ihn geschossen. Die drei Kugeln waren nicht für ihn bestimmt. Jason war ein Held, er hatte drei Leben gerettet, indem er seines opferte. Aber nur weil Mia nicht genug aufgepasst hatte, hatte Buchner erst die Chance gehabt, auf sie zu schießen. Es war ihre Schuld, dass der Hydra-Anführer überhaupt geschossen hatte. Und Jason hat ihren Fehler ausgebadet, er ist dafür gestorben. Mia war also die Verantwortliche für den Tod ihres Vaters. Hugo hatte Recht gehabt: es war ihre Schuld! Als dem Mädchen das klar wurde, machte sich eine starke Verzweiflung in ihrem Kopf breit. Ihre Augen wurden glasig, als ihr auffiel, dass sie immernoch mit leerem Teller in der Hand das Bild ihres Vater anstarrte. Sie sah zu Natasha, die sie mit besorgter Miene ansah. Das Mädchen wusste nicht, wie lange die Rothaarige sie schon beobachtet hatte, aber scheinbar hatte sie sie nicht in ihren Gedankengängen stören wollen. „Ich komme gleich wieder! Fang ruhig schon an zu Essen, du brauchst nicht auf mich zu warten!" stellte Mia klar und stürmte aus dem Raum. „Mia...?" rief Nat ihr noch nach, aber sie wollte irgendwo alleine sein. Auf der Toilette würden bestimmt viele andere Frauen sein, weshalb das Mädchen an der Tür vorbeieilte und um die Ecke in einen Gang lief. Hier würde bestimmt niemand hinkommen. Die Gäste würden höchstens bis zur Toilette gehen. Mia lehnte sich verzweifelt an die Wand und ließ ihren Tränen freien lauf. Sie hatte in letzter Zeit so viel geweint, dass sie sich schon wunderte, ob sie überhaupt noch Tränenflüssigkeit hatte. Außerdem brannten ihre Augen schon extrem. Sie rutschte an der Wand herunter. Ein Bein streckte sie aus, während sie das andere angewinkelt ließ. Den leeren Teller stellte sie neben sich auf dem Boden ab. Sie blickte starr an die gegenüberliegende Wand, während ihr stummt Tränen über die Wangen liefen.
Aber nach fünf Minuten versiegelten sie endlich und es kamen keine neuen Tränen mehr nach. Neben ihr tauchte eine Gestalt- natürlich ganz in schwarz- auf. Langsam und mit roten Augen drehte Mia ihren Kopf in die Richtung, wo sie Gestalt stand. Es war Steve, mit Natasha und Clint im Schlepptau. Letzterer hielt die Rothaarige im Arm. Auch sie nahm das alles sehr mit. Aber nicht nur der Tod ihres guten Freundes machte sie traurig, sondern auch die emotionale Reaktion seiner Tochter, die ihr sehr nahe stand. Aber was sie auch versuchen würde, Natasha könnte ihr die Trauer und den Schmerz nicht abnehmen. Aber sie würde immer für sie da sein, was auch passiert. Das hatte sie sich schon vor langer Zeit geschworen. Steve setzte sich neben Mia und legte ihr einen Arm um die Schultern. Das Mädchen sah zu ihm rüber und lächelte ihn traurig an. „Mia, du stehst gerade eine schwere Zeit durch. Aber auch wenn du es dir gerade gar nicht vorstellen kannst, es wird wieder besser werden. Es kann doch nur noch besser werden". Das Mädchen schwieg. Wie sollte es jemals besser werden? Ihr Vater war seit dieser Woche für immer tot. Das würde sich auch nie wieder ändern. Wie sollte es besser werden, wenn dieses Gefühl für immer da sein würde?
Aber Mia wollte jetzt nicht diskutieren, der Captain wollte ihr doch auch nur helfen. „Ok", sagte das Mädchen deshalb und lächelte ihn an. „Du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du reden möchtest." Er sah zu Clint und Natasha. „Und die anderen haben bestimmt auch immer ein offenes Ohr für dich". Die beiden nickten nur zustimmend und mit ernster Miene. „Wir lassen dich jetzt mal in Ruhe, sag bescheid wenn du etwas brauchst". Er küsste Mia auf die Stirn und stand auf. „Gute Besserung, Mia" sagte Clint, klopfte dem Mädchen auf die Schulter und folgte Steve. Natasha blieb noch stehen. Sie wollte nicht, dass Mia das alles alleine ertragen musste. Die Blondine sah zu ihr herüber. „Hey..." sagte diese nur traurig und fixierte ihren Blick wieder auf die Wand vor sich. „Hey, Mia", sagte Natasha mitleidig und setzte sich nun neben Mia, wo Steve noch vor zwei Minuten gesessen hatte. Die Rothaarige legte ihre Hand auf Mias Knie, um ihr zu zeigen, dass sie für sie da ist. Das Mädchen lächelte, sah aber nicht zu Black Widow rüber. „Natasha?" fragte sie nach einer Weile. „Mia?" entgegnete die Ältere und lächelte die Blondine von der Seite an. „Es war meine Schuld, nicht wahr?" fragte das Mädchen weiter und wandte schließlich ihren Blick von der Wand ab, um Natasha traurig anzusehen. Eine Träne lief ihr über die Wange. Mia schämte sich für ihren verletzlichen Anblick und senkte ihren Blick. Natasha nahm sie an den Schultern. „Hey, Mia! Wie kommst du denn auf sowas?! Denkst du das, weil Hugo das gesagt hat?" fragte sie entsetzt. Mia fing an zu weinen. „Es war meine Schuld! Ich bin Schuld, dass er tot ist!" wimmerte das Mädchen. „Mia, das stimmt doch gar nicht! Es war nicht deine Schuld, ok?! Du kannst doch gar nichts dafür!" protestierte Natasha entsetzt. „Hör auf, dir Vorwürfe zu machen!" Mia weinte nur noch stärker. Scheinbar war sie sehr überzeugt von ihrer eigenen Meinung. Die Rothaarige wischte ihr eine Träne weg. „Mia, sieh mich mal an", sagte sie. Das Mädchen blickte sie aus verweinten, hellen Augen an. „Du bist nicht Schuld an dem Tod deines Vaters und das weißt du auch. Was passiert ist war ein Unfall, aber dein Vater hat heldenhaft sein Leben für drei andere geopfert. Glaub mir, eine bessere Todesart als den Heldentod kann man sich nicht wünschen!" meinte Natasha und sah sie ernst an. „Und nur weil er dir das Leben gerettet hat, heißt das nicht, dass du Schuld an seinem Tod bist, ok?" fuhr sie fort. „Aber wäre ich nicht gewesen, hätte er nicht sterben müssen", meinte Mia weinend. „Mia, komm nicht mal auf die Idee so etwas zu denken!" sagte die Rothaarige streng. „Das beste, was mir außer meine Rettung durch Clint passiert ist, ist dich in meinem Leben zu haben. Du bist mir wie ein Kind, das ich nie hatte und haben werde. Ohne dich an meiner Seite, hätte ich niemals das Gefühl bekommen, wie es ist, eine Mutter zu sein. Und das alles habe ich deinem Vater und deiner Mutter zu verdanken, die so ein wundervolles Kind erschaffen haben. Und damit haben sie das beste geschafft, was man im Leben erreichen kann. Und sie haben meinem Leben einen Sinn gegeben. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar." Natasha sah das Mädchen mit einem Lächeln an. Und auch Mias Gesichtszüge wandelten sich in ein strahlendes und stolzes Lächeln um. „Komm her", sagte Natasha und umarmte das Mädchen fest und herzlich. Mia wunderte sich immer wieder, wie sehr die Rothaarige sich ihr gegenüber öffnen konnte.
„Danke, Natasha! Ich bin so froh, dass du da bist!", meinte Mia in ihrer Umarmung. Natasha lächelte. „Ich auch, Mia. Ich bin auch froh, dass du da bist", stimmte die Rothaarige ihr zu.
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