Lebst du noch oder wohnst du schon?
Mia sah wie alles langsam vollständig weiß wurde. Ganz in der Ferne hörte sie einen Schrei. Er hörte sich an, wie Natashas Stimme. Zu dem ausdruckslosen Weiß mischten sich dünne rote Linien, die immer dicker und immer mehr wurden. Schließlich war alles in unterschiedlichen Rottönen gefärbt. Die Farben bewegten sich und bildeteten schließlich ein Gesicht. Ein Gesicht mit einer Narbe über dem Mund.
'Nein!' dachte Mia. 'Nein, nicht er!' Buchners Gesicht begann breit zu grinsen. 'Nein...nein!' Mia wollte dem Blick entweichen, aber sie war hilflos. Sie konnte nichts machen, nichts hören, nichts fühlen, sich nicht bewegen. Sie war tot, ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen. Es war zwecklos, sich zu wehren. Sie hatte verloren....
Doch plötzlich tauchte noch ein Gesicht vor ihrem inneren Auge auf. Natasha! Sie war da. Aber sie war verletzt. Mia musste ihr helfen!
Sie wollte nicht so enden. Nicht so! Nicht durch eine Sprite! Nicht durch die Hände Heinrich Buchners!
'Natasha!' rief Mia in sich hinein. 'Natasha...!' Neben ihrer Stimme hörte sie plötzlich noch eine andere Stimme. Zuerst ganz weit weg, dann immer klarer.
„Und das wäre Nummer 3 der Familie Collister. Ein Jammer. Ich hätte so gerne die Wirkung meiner Mixtur erfahren. Aber der Effekt mit den roten Augen war schon faszinierend. Naja, sei's drum...fehlt nur noch der Junge. Sperr die Frau weg! Die müssen wir nicht erledigen, sie wird an ihrer Wunde verbluten."
Buchner! Das war eindeutig die Stimme von Heinrich Buchner! Aber was machte er hier? Was hatte er in ihrem Kopf zu suchen. Es war ihr Kopf. Nur Natasha darf da rein. Er soll sie in Ruhe lassen!
„N...Natasha", nuschelte Mia leise. Wieso war es plötzlich so anstrengend zu sprechen? Ihre Stimme hörte sich auch nicht mehr so hallend an.
„Hat...hat sie gerade etwas gesagt?" fragte plötzlich eine andere Stimme. „Lass den Quatsch, Ben! Sie ist tot, siehst du das nicht?"
Mia versuchte sich zu bewegen, aber sie war wie gelähmt. Ihr ganzer Körper brannte noch immer.
„Bring das Mädchen zu den anderen Experimentier-Verunglückten!"
Obwohl Mia nichts spürte, wusste sie, dass sie gerade fort gebracht wurde. Weg von Natasha. Und plötzlich hörte sie einen lauten Knall und einen Schrei. Ein dumpfes Geräusch folgte. Mia musste auf den Boden gefallen sein, sie sah, wie das Rot vor ihrem inneren Auge pulsierte. War sie überhaupt am Leben? Alles erschienen so unecht und emotionslos. „Mia! Nat!" erklang Steves Stimme. „Nat, was ist passiert? Was ist passiert?!" Ein Stöhnen folgte.
„Tony, Rhodes, Sam! Bitte kommen! Wir sind im Keller! Beeilt euch!" Es wurde wieder stiller.
„Nat, wo ist er? Was ist mit Mia passiert?" Wieder folgte nur ein Stöhnen.
„Sie...sie..hat keinen Puls! Verdammt, was ist nur passiert?!" rieft Steve.
Mia war also tot. Irgendwie hatte sie es schon befürchtet. Sie wollte es nicht wahrhaben.
'Steve!' hörte sie ihre panische Stimme in ihrem Kopf. Sie strengte sich noch mehr an. 'Steve! Bitte!' rief sie noch lauter in ihren Kopf hinein. Ein letztes Mal sammelte sie all ihre Kräfte. „...Steve...", klanglos verließ dieses Wort kaum hörbar ihre Lippen.
„Mia! Mia!" Steves Stimme entfernte sich immer weiter. Sie sah wieder nur noch die roten Farben vor ihrem inneren Auge tanzen. Sie fingen sich an zu drehen, hörten nicht auf zu tanzen und drehten sich immer und immer schneller. Und dann wurde alles still und immer dunkler, bis es schließlich ganz schwarz war.
Plötzlich sah sie einen Blitz. Er war wunderschön, wie er durch die Dunkelheit raste. Es folgte ein zweiter Blitz. Und schließlich wurde das tiefe Schwarz rasend schnell immer heller. Es wurde wieder alles rot und drehte es in hoher Geschwindigkeit, bis es schließlich stehen blieb und alles hell wurde. Der ganze Farbprozess von vorhin spielte sich rückwärts in ihrem Kopf ab, bis wieder alles weiß war.
Ein Stromschlag durchfuhr Mias Körpers, sie spürte es wieder ganz genau, wie die elektronische Ladung durch ihren Körper schoss. Sie konnte wieder fühlen! Kurz darauf rüttelte jemand an ihrer Schulter. „Mia?" fragte Tony. Gelähmt von der Benommenheit reagierte sie nicht.
„Mach die Stromstärke noch eine Stufe höher, Rhodey!" befahl Tony seinem Freund. Dieser gehörchte und kurz darauf folgte ein weiterer heftiger Stomschlag durch ihren Körper, der ihre Muskeln erstarren ließ.
„Au!" flüsterte Mia und riss ihre Augen auf. „Mia! Du lebst!" seufzte Tony erleichtert und umarmte sie im liegen. Auch Rhodey seufzte erleichtert auf und legte Natashas Stromshoker neben sich.
„Moment mal.." Steve beugte sich über die beiden und musterte Mias Gesicht. Ihre Iriden waren noch strahlend rot. Doch langsam verschwand die Farbe und sie wurden wieder blau.
„Was war das?" fragte Steve unsicher. „Was hat Buchner mit dir gemacht?"
„Was denn?" fragte Tony und rappelte sich wieder auf. „Das war gerade echt merkwürdig" bestätigte auch Rhodey.
„Wo ist Natasha?" fragte Mia. Es war ihr unangenehm, dass sie alle so anschauten. Außerdem interessierte sie die Antwort auf diese Frage. Tony ging ein Stück auf die Seite, wo Natasha auf dem Boden lag. Sam saß vor ihr und hatte ihren Kopf auf seine Knie gelegt.
„Natasha!" Mia rappelte sich auf und eilte zu den beiden rüber. Natasha war blass. Sam hatte ihr das Oberteil an der Schulter etwas ausgezogen, damit er besser ihre Wunde abdrücken konnte.
„Nat, es tut mir so leid" schluchzte Mia. „Du lebst..." flüsterte die Rothaarige und lächelte schwach. „Nat, bleib bei mir!" flüsterte nun auch Mia und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Du bleibst doch bei mir, oder?" Natasha nickte müde. „Immer".
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