Kapitel 7
»Pssst! Du da! Rotschopf!«
Ich straffe meine Schultern, die vom langen Stehen schmerzen, bevor ich innerlich weiter über General Goldrat schimpfe. Wenn ich an seine Hand denke, die auf meinem Knie lag, erschaudert mein Körper. Seine langen, schmalen Finger, die sich gierig in meinem Oberschenkel krallten, als sie weiter und weiter hinauf wanderten. Seine feuchten Lippen an meinem Hals, die sanft aber bestimmend an meiner empfindlichen Haut saugten. Ich erschaudere abermals.
»Hey, du da! Bist du taub?«
Wieso hörte der General auf? Fürchtete er sich davor, mit dem Gewissen eines Vergewaltigers leben zu müssen?
»Kleiner!« Mithilfe seiner Fesseln klimpert der Terrorist an seinem Zellengitter. Doch ich lasse mich nicht beeinflussen und stehe neben seiner Zelle stramm – seit einer Stunde. »Mann, du bist echt hartnäckig. Womit erpressen die euch hier, damit ihr so spurt? Zumindest ein kleines Schwätzchen wäre doch drin, oder? Ich langweile mich hier zu Tode!«
Wie aufgetragen begab ich mich in den Zellendistrikt im Keller der Grenzbasis. In der vordersten der sieben Zellen sperrten sie den überlebenden Terroristen. Sein Gesicht ist aufgeschrammt und sein Auge blau unterlaufen. Der Aufnahme zu urteilen gab es keinen körperlichen Kampf, woraus ich schließe, dass einige der Soldaten vor mir mit dem Fragen begannen.
»Redest du nicht mit mir, weil ich deine Kameraden getötet habe? Waren sie deine Freunde?«, plaudert der Gefangene am Boden unaufhörlich weiter. Seit ich hier ankam, um ihn zu bewachen, hält sein Mund nicht still, als wäre der Tag nicht anstrengend genug gewesen.
Der Gefangene fällt an die kahle Steinwand. »Wenn das deine Freunde waren, tut es mir leid. Ehrlich. Aber sie starben für eine größere Vision.«
Ich reagiere nicht.
»Sie nennen uns Terroristen, aber wir greifen keine Unschuldigen an. Oder hast du einen toten Zivilisten gesehen?«
Das erste Mal seit einer Stunde regt sich mein Gesicht zu einem Stirnrunzeln. Blutvergießen gab es nur auf Seiten des Militärs. Auch aus Kortium gab es keine Nachrichten über verletzte Bürger.
»Dein Schweigen nehme ich mal als Zustimmung«, erklärt der Mann, obwohl ich die ganze Zeit schweige. Dabei wirkt seine gesellige Art nicht, als fürchte er sich vor dem Kommenden. »Weißt du, warum wir Freiheitskämpfer heißen? Weil wir für die Freiheit kämpfen, simpel, nicht wahr? Wir sind keine Bedrohung. Wir wollen dieses verpestete Land aus den Klauen der grausamen Machthaber befreien, die ihre militärische Stärke nicht zur Verteidigung, sondern zur Unterdrückung der Schwachen nutzt.«
Ich staune über die gehobene Ausdrucksweise, die der – von der Zeitung als hirnloser Okkultist bezeichneter Mann – an den Tag legt.
»Als du hier herunter kamst, dachte ich, eure tolle Befragung geht weiter. Aber du stehst nur regungslos da. Bekommt ihr keinen Bonus, wenn ihr mich ausquetscht?«
Ich reagiere nicht. Graustein trug mir zwar auf, wenn nötig, mit Gewalt an Informationen zu kommen, doch ich würde den Teufel tun und jemanden foltern. Das überlasse ich dem Sicherheitsministerium.
»Du scheinst kein übler Kerl zu sein, Rotschopf. Nen bisschen einfältig, aber ganz in Ordnung.«
Meine Augen huschen zu dem Mann herunter, als er einen Flyer aus der Hosentasche holt und ihn durch die Zellenwand schiebt. Darauf ist eine weiße Taube abgebildet, die unserer Landesflagge ähnelt. Sie fliegt inmitten eines Pfirsichbaumes in voller Blüte. Auf dem Flyer ist etliche rechtsradikale Propaganda gedruckt, wie:
Freiheit für Austeritas!
Nieder mit dem Staatsgeneral!
Der Staat tötet Menschen systematisch in Arbeitslagern!
Schließt euch den Freiheitskämpfern an! Kein Hunger mehr, kein Leiden und keine Folter in Erziehungslagern!
Dazu noch Aufrufe, sich gegen Soldaten zu verschwören und nach Gleichgesinnten zu suchen. Dieser Flyer beinhaltet alles, um als gültiger Hochverrat bezeichnet zu werden.
Ich schlucke in der Sorge, man könnte es falsch verstehen, wenn jemand herunterkommen und diesen Flyer neben mir sehen würde. Diese Sorge mag albern klingen, doch es braucht nur einen geschwätzigen Trottel wie Graustein und ich würde schnell in den Verdacht geraten, mich mit solchen Absurditäten zu beschäftigen. Sobald man unter Verdacht steht, ist man so gut wie verloren.
Meine Augen fliegen die Treppe ins Erdgeschoss hinauf. Hinter der verschlossenen Stahltür ist kein Geräusch zu hören. Mein Herz setzt einen kurzen Sprung aus, als ich mich herunter hocke, das Papier zerknülle und in meiner Jackentasche verschwinden lasse. Dann springe ich hoch, den Rücken gestrafft, als wäre nichts gewesen.
»Habe ich dein Interesse geweckt?«, gluckst der Gefangene. Er steht hoch, im Versuch meinem Blick durch die Stäbe einzufangen. »Wir nehmen jeden auf, der zu uns überläuft. Wenn sie sich uns anschließen, sind ihre bösen Taten vergessen. Bei uns kannst auch du dir ein neues Leben aufbauen.«
»Das ist albern. Ich entsorge nur Dinge, die man missverstehen könnte«, reagiere ich zum ersten Mal.
Der Gefangene reißt die Augenbrauen hoch. »Du kannst ja doch sprechen, Kleiner.« Sein Blick wandert von meinen Schuhspitzen zu meiner Schirmmütze. Aus seltsamen Gründen erinnert es mich an Erics gierige Augen, weshalb ich erschaudere. »Wenn du leben willst, solltest du bald handeln. Ihr mögt uns unterschätzen, aber wir sind viele, sehr viele. Wir warten nur auf den richtigen Zeitpunkt, um zuzuschlagen. Leute wie du wollen doch gar keine bösen Taten tun. Ihr seid bloß Marionetten, die selbst umgebracht werden, sobald sie eine falsche Regung zeigen.«
Obwohl ich diesen heuchlerischen Worten gar nicht lauschen sollte, zieht sich etwas in meinem Magen zusammen. Ich kann nicht abstreiten, dass ich an der Grenze keine Ausreißer erschießen oder Mütter von ihren Kindern trennen will. Aber solange ich überlebe, werde ich wegsehen.
Auf einmal öffnet sich die Tür zum Keller. Der blonde Polizist, der mich auf dem Weg zum Auditorium aufhielt, streckt seinen Kopf um die Ecke. »So sieht man sich wieder, Grenzi! Du sollst den Kerl nach oben bringen, Befehl von Oberst Ruß.«
Seufzend löse ich den Schlüsselbund von meinem Gürtel, um das Verlies zu öffnen. Der gefangene Mann hält mir seine gefesselten Hände mit einem Schmunzeln entgegen. »Sie nennen dich Grenzi? Warum bin ich da nicht darauf gekommen?«
Ohne auf seine Sticheleien einzugehen, öffne ich die Fesseln, um seine Hände auf den Rücken zu drehen und sie dort wieder zu verschließen. »Gehen Sie«, weise ich ihm emotionslos an, was er ohne Gegenwehr tut. Dabei liegt meine Hand um seine Fesseln, damit er nicht flüchten kann.
Während wir zur Treppe laufen, quatscht der Mann munter weiter: »Oberst Ruß? Ist das nicht der Offizier der Militärpolizei? Wenn der hier ist, muss unser Anschlag ganz schön Aufsehen erregt haben. Der ist gruselig, nicht wahr?«
»Sie sollten den Mund schließen, bevor man Sie dazu zwingt«, rate ich dem Mann, als wir im Erdgeschoss ankommen.
»Hast du einen Namen?«
Schweigend schließe ich die Kellertür. Der blonde Polizist löst sich von der Wand und folgt uns den Flur hinunter. »So sieht also ein Terrorist aus? Hätte mir die Kerle irgendwie... verrückter vorgestellt. Was sagst du, Grenzi?«
Ich stöhne genervt. Kann man mich nicht einfach meine Arbeit verrichten lassen? »Ich hätte mir Polizisten auch irgendwie... würdevoller vorgestellt«, werfe ich dem Blonden an sein arrogantes Köpfchen, wodurch sein Grinsen einem Knurren weicht.
Unser Gefangener lacht auf. »Oh, das nenne ich doch mal einen schönen Konter.«
Ruckartig wirbelt der Polizist herum. Er tritt unser unserem Gefangenen gegen das Schienbein tritt, weshalb dieser stöhnend auf die Knie fällt, ohne dass ich ihn halten kann. Am Boden tritt der Polizist drei weitere Male auf ihn ein, bevor er auf sein Opfer spuckt. Dann stampft er aus dem Flur. Meine verengten Augen folgen ihm. Sobald er hinter der Ecke verschwindet, helfe ich dem Gefangenen an der Schulter hoch.
Er wischt sich mit der Schulter das Blut von der Nase. »Puh. Deine Kameraden verstehen wohl keinen Spaß. Du scheinst nicht so empfindlich zu sein. Das mag ich... Grenzi«, lacht er immer noch so munter, als würde ich ihn nicht zu Oberst Ruß, sondern zu einem kleinen Frühstücksbuffet bringen.
An den Büros wird mir angewiesen, den Gefangenen auf den Hof zu bringen, was ich umgehend tue. Als wir aus der Basis treten, weiten sich die Augen meines Gefangenen, denn inmitten des großen Platzes wurde ein provisorischer Galgen aufgebaut.
»Oh Mann...«, haucht er, was in einem nervösen Zittern endet. »Die lassen aber auch keine Zeit verstreichen, oder?«
Schweigend folge ich Grausteins Anweisung mit dem Gefangenen vor dem Strick zu warten.
»Verrätst du mir jetzt deinen Namen?«, hakt er weiter nach. »Komm schon, ich werde sowieso gleich sterben, was soll's?«
Unsere Blicke treffen sich, wodurch mir ein kalter Schauer über den Rücken jagt. Aus diesen Augen wird bald das Leben gewichen sein und nichts als eine fleischliche Hülle zurücklassen. Zehn Jahre im Dienst ändern nichts daran, dass mir diese Vorstellung immer wieder Gänsehaut verschafft.
»Bis zum Ende stur, was?«
Mein Blick wandert zur Tür, aus der General Goldrat und Oberst ruß treten – den energischen Handbewegungen und angespannten Gesichtern zufolge in eine ernste Diskussion vertieft.
»Eric, bitte bedenke deine Entscheidung noch einmal. Das sage ich nicht, um dich zu bevormunden. Wertvolle Informationen könnten verloren gehen«, wirft der Oberst ein, woraufhin sein deutlich jüngerer Gegenüber den Kopf schüttelt.
»Dieser Mann ist ein unwichtiger Fußsoldat. Wir müssen verhindern, dass der Anschlag zu großes Aufsehen erregt.«
Allmählich versammeln sich schaulustigen Soldaten im Hof. Ich werde von einem der Hauptmänner in meiner Überwachung abgelöst, woraufhin ich mich an die Seite stelle. Der General trennt sich von Oberst Ruß, der sein Gesicht unzufrieden verzieht, als er vor dem Attentäter hält.
»Im Namen meines Amtes als General Eric Goldrat verurteile ich Sie wegen Mordes und Hochverrat zum Tode. Haben Sie noch letzte Worte?«, fragt Eric, während er seine Unterschrift auf der Todesurkunde setzt, die ihm einer seiner Männer bringt.
Der Gefangene schnaubt, doch ich erkenn die Angst in seiner verkrampften Haltung. »Meine letzten Worte? Ihr seid Arschlöcher.«
Der General gibt mit einem Nicken zu verstehen, den Mann an den Galgen zu bringen. Es dauert nur zwei Minuten, bis sich die Schlinge um seinen Hals zieht. Dann geht es ganz schnell. Der Hauptmann stößt den Hocker unter seinen Füßen um, woraufhin der mitleidserregende Todeskampf des Mannes beginnt. Ich hatte auf einen schnellen Genickbruch gehofft, doch der Mann bleibt lange bei Bewusstsein. Er reißt verzweifelt an dem Seil, das ihm die Luft abschnürt. Seine Beine schwingen unkontrolliert, in der vergebenen Hoffnung, Halt zu finden.
Eric beobachtet das Schauspiel wenige Sekunden, bevor er zurück in die Basis geht. Ich folge ihm kurz darauf, weil das weinerliche Röcheln des Mannes in meinen Ohren schmerzen. Abseits des Eingangs falle ich gegen die Wand. Mein Köper erbebt, als Erics kalter Blick vor meinem inneren Auge auftaucht. Ohne ein Funken Gefühl zu zeigen, sah er dem Mann bei seinem ausdauernden Todeskampf zu. Weil meine Kehle sich anfühlt, als werde sie zugedrückt, lockere ich meine Krawatte. Wie viele Todesurteile hat er mit zweiundzwanzig Jahren schon ausgesprochen, um derart gefühlskalt zu werden?
Würde er genauso ungerührt auf meinen kämpfenden Körper am Strick blicken, sobald ich die Grenze seiner Geduld überschreite?
Nach einem tiefen Atemzug richte ich meine Kleidung und begebe mich zurück auf meinen Posten.
Um Mitternacht bricht Oberst Ruß mit den meisten seiner Männer von der Grenze auf. Jakob – mit dem ich nach unserem Streit kein Wort wechselte – und ich arbeiten die Nacht durch, um das Fehlen unserer toten Kameraden auszugleichen. Offizier Graustein scheucht mich durch die Gänge. Ich sortiere Dokumente, räume die verwendeten Tische weg und koche um drei Uhr morgens für den General Kaffee. Im Gegensatz zum Oberst hatte er sich im Büro des Grenzoffiziers breitgemacht, um bis Anschlag zu arbeiten. Graustein bestand darauf, dass ich derjenige sein musste, der ihm die Stärkung bringt, da wir ja so gute, alte Freunde sind.
Ein müdes Seufzen verlässt meinen Mund, bevor ich an der Tür zum Grenzbüro klopfe.
»Nein...«, höre ich von drinnen, weshalb ich zurückweiche. »Nein. Ja. Ja. Nein. Heute nicht. Ja. Ja«, lallt die belegte Stimme des Generals. Nachdem er sich verabschiedet, klappert der Telefonhörer. Auf einmal folgt ein lautes Rumpeln, das so klingt, als wäre ein Schrank umgekippt. Dann ist Stille.
Ich klopfe erneut. Nichts.
Ein weiteres Mal. Nichts.
»Sir?«, frage ich durch die Tür, doch Eric antwortet nicht. »Ich komme jetzt herein...«. Bedächtig öffne ich die Tür. Heimlich stecke ich meinen Kopf ins Zimmer. Dann bleibt mir das Herz stehen. Der General liegt auf dem Boden neben seinem Schreibtisch, sein Gesicht regungslos auf dem Parkett. Überhastet stolpere ich hinein, schmeiße das Tablett auf den Kaffeetisch und knie mich zum General.
»Sir? Geht es Ihnen gut? Sir!« Mit geweiteten Augen greife ich unter seine Arme, um ihn auf den Rücken zu drehen. »General Goldrat? Sir?« Als mir eine stechende Fahne aus seinem grummelnden Mund entgegenschlägt, lasse ich meinen Kopf in den Nacken fallen, um erleichtert aufzuatmen. Für eine Sekunde dachte ich schon, des Mordes am Sohn des Staatsgeneral beschuldigt zu werden.
»Konstantin?« Obwohl Eric unaufhörlich blinzelt, scheint er so betrunken zu sein, um kaum etwas zu erkennen. »Ich werde ihn mitnehmen, Konstantin...«
»Wovon sprechen Sie? Ich bin nicht Konstantin...«. Ich verziehe das Gesicht, als der General beginnt, sich über den Boden zu rollen. Weil er keine Kraft findet, aufzustehen, fällt er einfach zurück. Auf seinem Schreibtisch stehen vier leere Weinflaschen. Wie viel trank der General, dass er sich wie ein Rüpel in der Kneipe verhält?
»Konstantin!«, ruft er, packt meinen Ärmel, woran er mich über sich zieht. »Mein Kopf tut weh, bring mich nach Hause!«
»Es tut mir leid, aber ich kenne keinen Konstantin...«
»Ich werde ihn mit in den ersten Distrikt nehmen, Konstantin, das kannst du mir nicht ausreden«, lallt Eric, einen Finger dabei mahnend erhoben. Ich zucke überrascht zurück, als er seine Hand nach meinem Gesicht ausstreckt und kleine Kreise über meine Wangen zeichnet. »Kannst du dir das vorstellen? Er hat angefangen zu weinen. Ein Mann. Vor mir. Sowas freches habe ich noch nie – hicks – erlebt...«
Ich fische den Finger aus meinem Gesicht, als hätte ich eine tote Fliege an der Wange kleben.
»Er ist nicht wie eine der Frauen, die mein Vater für mich gewählt hat. Offensichtlich nicht«, lacht er und greift mir so unverhofft in den Schritt, dass ich wie eine aufgeschreckte Katze nach hinten springe. Beschämt presse ich die Knie zusammen. »Er ist ein Mann. Ein sehr hübscher Mann...«, fährt Eric mit seinem betrunkenen Monolog fort. »Seine roten Haare... Ich liebe rote Haare... Ich werde diesen süßen Jungen mitnehmen und ihn sehr oft zum Weinen bringen...«
Bei Erics Worten stockt mein Atem. Ich habe es also nicht nur mit einem Perversling, sondern auch noch mit einem Sadisten zu tun. Über meine Lippen huscht ein panisches Lachen.
»Dann wische ich seine Tränen weg – hicks – überhäufe ihn mit Essen und Geschenken... Jede meiner Frauen mochte Geschenke... Was denkst du, mag er, Konstantin?«
Langsam krabbele ich zu Eric zurück. Ich beuge mich über sein Gesicht, als hätte ich ihn beim Versteckspielen erwischt. »Ich bin nicht Konstantin.«
Zum ersten Mal schlägt der General seine Augen auf. Seine Stirn trägt eine verwirrte Falte. »Wer sind Sie?«
»Der süße Junge, den Sie zum Weinen bringen wollen.«
»Ach ja...? Wer...?«
Ob der General sich morgen daran erinnern würde, wenn ich ihm einmal fest ins Gesicht schlage? Seufzend lege ich mir seinen Arm über die Schulter, um ihn anzuheben. Ich stützte ihn an der Taille, bis wir am Sofa ankommen, auf das er rücklings fällt, ein Bein über die Kante hängend. Da beginnt er ein Seemannslied zu summen, das zur Zeit meiner Ausbildung bei Jung und Alt beliebt war. Mit hängenden Schultern stehe ich neben dem Sofa. Wenn der General ein Lied summt und dabei mit dem Kopf schunkelt, wirkt er beinahe harmlos. Vor diesem trügerischen Eindruck erzählte er allerdings noch davon, mich in den oberen Distrikten zum Weinen zu bringen. Selbst in betrunkenem Zustand – Wie unbeständig kann ein menschliches Gemüt sein?
»Wenn Sie mir sagen, wer dieser Konstantin ist, kann ich ihn für Sie holen.« Weil der General ganz in seinem Lied vertieft ist, wiederhole ich die Frage. Plötzlich zieht er mich über sich. Um nicht auf ihn zu fallen, stütze ich mich hastig an der Lehne. Mit dem Knie rutsche in die kleine Spalte zwischen seinem Becken und dem Sofa.
»Sie sind ja auch ganz hübsch... Wie heißen Sie?«, fragt er mit einem dösigen Lächeln. Er legt seine Hände an meine Hüfte, sodass sich mein ganzer Magen zusammenzieht.
»Lassen Sie mich los...«
»Warum sollte ich?«. Lachend vergräbt er seine Finger in dem Stoff meiner Uniform. Ich reiße die Augen auf, als er sein Bein zwischen meinem Schritt anwinkelt und sein Knie an meinem Intimbereich zu reiben beginnt.
Ich zerre an seinen Händen, die mich an der Hüfte gefangen halten, doch er ist selbst für einen Betrunkenen immer noch zu stark. »B-Bitte... Hören Sie auf...«
»Hmm...«. Eric legt den Kopf schief. Einige Male reibt er sein Knie noch an mir, dann stoppt er in der Bewegung. »Küssen Sie mich.«
»Pardon?«
»Wenn ich aufhören soll – hicks – dann küssen Sie mich!«
Der General senkt sein Knie, um mir Platz zum Bewegen zu lassen. Mit zusammengekniffenen Augen beuge ich mich herunter und lege meine Lippen für eine winzige Sekunde auf seine. Als ich zurück nach oben flüchte, packt er meinen Hinterkopf und zieht mich zurück. In seinem verlangenden Kuss bewegt er seine Lippen auf meinen. Er drängt seine Zunge in meinen Mund, sodass der fruchtige Geschmack des Weins auf meiner eigenen Zunge kribbelt. Kurz überlege ich ihn wie bei unserem ersten Treffen zu beißen, doch die Erinnerung an den erhängten Attentäter lässt meinen Körper gefrieren.
»Sie sind kein guter Küsser...«, kommentiert Eric, als wir nach Luft schnappen. Bevor ich mich aufrichten kann, schlingt er seinen Arm um meinen Rücken. Er drückt mich an sich, sodass meine Arme nachgeben und ich auf seine Brust falle. »Schlafen Sie mit mir...«
Er zieht mich in einen weiteren stürmischen Kuss, den ich einfach über mich ergehen lasse, damit es schneller vorbei ist. Dabei presse ich die Knie zusammen, um Eric so wenig Spielraum wie möglich zu lassen. Als er sich von mir löst, atme ich zittrig ein. Neben seinem Kopf stützte ich mich am Sofa hoch, sodass ich nicht mehr auf ihm liege.
Seine schlanken Finger streicheln über meine hochroten Wangen. »Warum sind Sie so verängstigt? Ich kann Sie viele Dinge spüren lassen... schöne Dinge... aufregende Dinge...«, raunt Eric mit einem charmanten Lächeln, das bestimmt schon die ein oder andere Frau hat feucht werden lassen.
»Ich will das nicht.«
»Weil ich ein Mann bin? Ekeln Sie sich vor mir?«
Unsere Blicke treffen aufeinander. Das erste Mal scheint der General auf eine ehrliche Antwort von mir zu warten.
Nachdem unser Staatsgeneral die Macht in diesem Land übernahm und Austeritas gegründet wurde, verbot man Sodomie in jeglicher Form. Vorher wäre es zwar ein Skandal gewesen, mit einem anderen Mann intim zu werden, doch nun stand es unter schwerer Strafe. Um ehrlich zu sein, ist es mir völlig egal, was und mit wem die Leute in ihrem Bett verkehren, solange sie mich da heraus halten. Und wenn es eben zwei Männer sind – guter Gott – was ist es mein Verlust?
Ob ich mich vor ihm ekele? Der General ist der gutaussehenste Mann, dem ich je begegnete. Seine blauen Augen haben die reinste Farbe im Land. Sein großer, schlanker Körper mutet in seiner Uniform wie ein Gemälde an. Wie könnte ich mich vor ihm ekeln? Nein. Ich ekele mich vor den Dingen, zu die er mich zwingt. Vor seinem Charakter.
»Wenn Sie mir etwas antun, das ich nicht will... ist das falsch«, lautet meine zittrige Antwort.
Eric lässt zu, dass ich mich aufknie. »Das verstehe ich – hicks – nicht. Sie sollten dankbar sein, dem Sohn des Staatsgenerals dienen zu dürfen.«
Ich kann mich nicht einmal über seine schrecklichen Worte ärgern, weil seine Augen so aufrichtig glitzern, dass ich glaube, er ist wirklich von ihnen überzeugt. Er denkt, es wäre eine Ehre, mich von ihm vergewaltigen zu lassen?
»Geben Sie mir eine Chance.« Er hebt seinen Zeigefinger mit einem breiten Grinsen vor meine Nase »Um Ihnen die Dinge zu zeigen... die ich mit Ihnen anstellen könnte.«
Als ich meinen Mund in Widerworten öffnen will, legt er mir seinen erhobenen Finger auf die Lippen. »Wenn Sie sich danach immer noch vor mir ekeln, werde ich Sie in Ruhe lassen – Sie haben mein Wort.«
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