37. Rhaenyra Targaryen
Sie hatte die Tränen gerade noch zurückhalten können bis sich Syrax in die Höhe erhoben hatte, dann ließ sie ihnen freien Lauf. So dass die Welt vor ihren Augen verschwamm. Die Haare peitschten ihr vom Wind getrieben ins Gesicht als ihr Drache über den Himmel stürmte.
Syrax spürte ihren Schmerz. Ein Schmerz, mit dem sie allein war – denn nun hatte sie niemandem mehr, mit dem sie sprechen konnte.
Laenor und sie hatten es nicht einmal sieben Tage lang geschafft, den Schein ihrer Ehe zu wahren. Wie sollte dies ein ganzes Leben lang funktionieren?
Er kam nicht mehr aus seinen Gemächern, er wollte nicht einmal mehr mit seinen Schwestern sprechen, während der Lord zornig war, über die Gerüchte.
Sie waren kaum eine Woche verheiratet und schon wurden die ersten Gerüchte laut, welche ihre Heirat in Frage stellte – was vor allem daran lag, wie sehr ihr Gemahl um einen verstorbenen Ritter trauerte. Am Hof bekam man keine Zeit zu trauern, dass hatte sie am eigenen Leib erfahren als Königin Aemma gestorben war. Und das war ihre Mutter gewesen. Ser Gottfrid sollte für Laenor nur irgendein Ritter sein, dessen Tod ihm belanglos sein müsste.
Doch sollte er sich doch die Zeit nehmen, um den Tod seines Geliebten zu verkraften – für wenn sollte sie dieses Scharade Spiel nun auch noch aufrecht erhalten? Immerhin hatten sie nun beide ihre Geliebten verloren.
Alicent hatte Kriston von seinem Amt als Rhaenyras Schild enthoben und stattdessen zu ihrem eigenen gemacht. Damit hatte sie ihr das genommen, weswegen die Prinzessin das alles überhaupt getan hatte.
Und mit ihrem Vater konnte sie über so etwas nicht sprechen. Ansonsten würde sie sämtliche ihrer Verfehlungen zugeben müssen.
Knurrend erhob sich Syrax Stimme in ihre Gedanken und sie spürte ihren Körper hinter sich beben als sie in den Himmel blickte und den gewaltigen Schatten Vaelahs über sie hinwegsegeln sah. Der Drache setzte unweit von ihnen entfernt zur Landung an, drehte den Kopf zu seiner Seite und legte sich anschließend auf den Boden.
Sie sah wie Sela von ihrem Rücken auf ihren Kopf kletterte und anschließend die im Vergleich zum Rücken verhältnismäßig wenig Meter an ihrer Wange hinab auf den Boden rutschte. Die Drachenhüter des Schlosses hatten ihr angeboten ihr einen Sattel anfertigen zu lassen – was sie freundlich abgelehnt hatte, mit den Worten, dass sie Vaelah nicht damit nerven wollte.
Nachdenklich betrachtete sie ihre Drachin. Ob Syrax sich durch ihren Sattel beeinträchtig fühlte? Immerhin nahm man ihr diesen eigentlich nie ab, solange sie klein sind, lassen die Drachen sich zwar noch von den Hütern anfassen – doch je älter sie werden, desto gefährlicher werden sie.
»Ruhig, Syrax. Lass sie kommen«, sprach sie mit beruhigender Stimme und wischte sich die Tränen aus den Augen. Irgendwie rührte es sie etwas, dass Selaena ihr gefolgt war und andererseits verunsicherte sie das auch etwas. Schwäche zeigen, war nur selten etwas Gutes.
Das Knurren ihres Drachen verstummte, während sie die Fremde aus wachen Augen beobachtete und hörbar Luft durch ihre Nüstern zog, um ihre Witterung aufnehmen zu können. Anschließend hob sie den Kopf und betrachtete neugierig den Drachen hinter ihr, den sie nun mit glucksenden Geräuschen begrüßte.
Vaelah hob den Kopf und antwortete auf dieselbe Art und Weiße.
Rhaenyra schmunzelte etwas.
»Scheint als würden sie sich mögen«, bemerkte Sela ebenfalls leicht lächelnd als sie sie erreicht hat.
»Scheint so«, stimmte die Prinzessin nachdenklich zu, »Vaelah ist ein ausgesprochen gutgelaunter Drache, für ihr Alter.«
Selaena lachte. »Für wie alt hältst du sie denn?«
»Etwa in Vhagars Alter? Ihrer Größe nach?«
»Wie alt ist Vhagar denn?«
»Etwa um die 160 Jahre.«
Sela verzog nachdenklich die Stirn als sie schließlich sagte: »Vhagar ist älter... Vaelah ist denke ich zwischen 115 und 120 Jahre alt.«
»Sie ist noch sehr fit, für ihr alter.«
»Drachen werden träge, je weniger sie sich bewegen müssen, Vaelah muss das meiste ihrer Nahrung selbst auftreiben«, sie lachte, »auch wenn sie mittlerweile erkannt hat, dass es bequem ist, sich bedienen zu lassen.«
»Stimmt, sie ist oft weg.«
»Ich kann sie schlecht die Menschen Königsmund fressen lassen«, bemerkte Sela mit einem zwinkern, »das würde uns nicht gerade beliebt machen.«
Rhaenyra lachte. »Nein, wohl kaum. Aber wohin geht sie, wenn sie nicht bei dir ist?«
Sela zuckte ausweichend die Schulter, auch wenn sie das Gefühl hatte, dass sie genau wusste, wohin ihr Drache ging.
»Sie fliegt nach Westen, dort sind unbewohnte Inseln, wo riesige Tiere leben. Dorthin geht sie zum Jagen«, antwortete sie schließlich als sie ihren prüfenden Blick bemerkte.
»Ich war noch nie westlich von Westeros«, bemerkte Rhaenyra.
»Ich auch nicht oft, das Gebiet ist gefährlich... selbst mit einem Drachen... und die Welt ist groß, es gibt dennoch viel zu sehen.«
Rhaenyra schluckte als sie an Kristons Worte zurückdachte. Vielleicht war es die falsche Entscheidung gewesen und sie hätte mit ihm gehen sollen. Aegon wäre der neue Thronfolger geworden und sie wäre frei gewesen.
»Alles in Ordnung, Prinzessin?«
»Natürlich«, bemerkte Rhaenyra und versuchte sich an einem Lächeln, aber sie wusste, dass es ihr nicht gelang.
»Ich habe euren Streit mit Ser Kriston gehört«, sagte Sela vorsichtig, »es war nicht beabsichtigt euch zu belauschen... ich kam gerade aus Laenors Gemächern.«
Rhaenyra lächelte schwach. »Wie geht es Laenor?«
»Es geht ihm langsam besser.«
Sie sah sie prüfend an. »Sagt ihr das, damit ich mich besser fühle?« Bevor Selaena den Mund öffnen konnte, um ihr zu antworten, fügte sie hinzu: »Seid bitte ehrlich. Zumindest einer.«
Jetzt sah sie Sela schwach lächeln als sie antwortete: »Es geht ihm nicht gut... es zerfrisst ihn und er will nicht darüber sprechen.«
»Es tut mir Leid, was Laenor wiederfahren ist... das wollte ich nicht.«
»Es ist nicht eure Schuld... niemand hat das Kommen sehen können«, nervös bis sie sich auf ihre schönen Lippen, »darf ich mich setzen? Und euch etwas fragen, was euch nicht gefallen wird?«
»Vielleicht fragt ihr erst und dann entscheide ich, ob ihr euch setzen könnt«, stellte Rhaenyra belustigt fest, deutete jedoch bereits auf den Platz neben sich.
Das Mädchen ließ sich neben ihr nieder als sie vorsichtig fragte: »Warum hat Ser Kriston das getan?«
Rhaenyra musterte sie aus den Augenwinkeln. »Ihr habt doch bereits einen Verdacht, oder nicht?«
»Nunja... wir wissen beide das Gottfrid nicht nur Laenors Freund war«, sie machte eine Pause, um ihre Reaktion abzuwarten und als diese nickte, fuhr sie fort, »Laenor hat mir von eurem Arrangement erzählt... ich vermute, dass Ser Gottfrid Ser Kriston konfrontiert hat, ich sah an jenem Abend wie sie miteinander sprachen und letzterer sah nicht gerade erfreut aus... er war euer Geliebter, nicht wahr?«
Rhaenyra könnte nun anfangen zu toben, für die ungeheuerliche Sache, die ihr da unterstellt wurde – doch zu ihrer Überraschung, war sie froh, dass jemand das Geheimnis kannte.
»Mit wem habt ihr darüber gesprochen?«
Verwundert runzelte Sela die Stirn als wäre es ihr niemals in den Sinn gekommen. »Mit niemanden, weil es niemanden etwas angeht.«
Ein Lächeln huschte über Rhaenyras Gesicht. »Ihr seid die erste, die das so sieht... alle anderen sind der Meinung, es gehe sie etwas an.«
»Das ist das Los, welches wir gezogen haben als wir als Frauen zu Welt kamen.«
»Leider wahr«, murmelte sie und wiegte den Kopf, »Laenor und du, ihr steht euch nah?«
»Ich denke schon... wir wollten heiraten.«
Überrascht sah sie sie an, Laenor wollte eine Frau heiraten? Freiwillig?
Sela lachte über ihr erstauntes Gesicht. »Wir hatten die gleiche Abmachung, wie auch ihr sie getroffen hattet.«
Jetzt war Rhaenyra erstaunt. »Wirklich?«
»An jenem Tag als ihr eingetroffen seid, hätte es offiziell werden sollen... allerdings hatte ich nicht so viel zu bieten wie ihr.«
Rhaenyra zog die Stirn kraus als sie verstand, dass Sela sie einfach nur freundschaftlich aufzog und zum ersten Mal seit wirklich langer Zeit, konnte sie wieder herzhaft lachen.
»Ihr könnt ihn gerne haben.«
»Ich denke, dafür ist es etwas zu spät«, stellte Sela belustigt fest und stimmte in ihr Lachen ein und auch wenn es gefährlich war, jemandem die Wahrheit anzuvertrauen. Erzählten sie ihr alles, von Alicents Vorwürfen bis hin zu den Nächten, welche sie mit Ser Kriston verbracht hatte.
»Sie war meine Freundin«, sagte sie schließlich, »und am Tag meiner Hochzeit, der glücklichste Tag im Leben einer Frau«, sie lachte bitter, doch sie sah auch die Bitterkeit in Selaenas Blick, »hat sie sich endgültig von mir abgewandt.«
»Das tut mir leid«, sagte Sela mitfühlend, »ich wüsste nicht, was ich ohne Laena tun würde.«
»Bitte erzählt es niemandem, auch nicht Laena.«
Sela sah sie einen Augenblick an, dann nickte sie und hielt ihr den kleinen Finger hin. Irritiert sah Rhaenyra sie an.
»Was ist? Kennt ihr nicht den kleinen Fingerschwur?«, bemerkte sie grinsend, griff nach ihrer Hand und verschränkte ihren kleinen Finger mit dem ihren. »Ich schwöre, es bleibt unser Geheimnis!«
Rhaenyra lachte.
Nachdenklich sah Sela in den dunkler werdenden Himmel. »Ich muss leider gehen«, sagte sie leise. Irritiert runzelte Rhaenyra die Stirn. »Wohin?«
»Wir kehren heute nach Hochflut zurück.«
Ein Anflug von Traurigkeit überkam sie, zum ersten Mal seit langem hatte sie das Gefühl nicht mehr allein zu sein. »Könnt ihr nicht bleiben?«
»Ich wollte es Laenor anbieten... aber er hat mich davongejagt und Laena auch«, sagte sie leise.
»Ich frage nicht wegen Laenor... ich möchte, dass ihr bleibt.«
»Einer Prinzessin kann man wohl kaum ihren Wunsch abschlagen.«
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