24. Rhaenyra Targaryen
Langsam verdrängte die Sonne die Nacht und kroch am Himmel empor, der an diesem Morgen in zartes Lila getaucht war. Nachdenklich blickte die Prinzessin von Drachenstein und Erbin des eisernen Throns auf das Meer hinaus. Meterhoch trieb der tobende Ozean das Wasser an der Seite des Bootes hinauf und erfrischte ihr Gesicht.
Nun war es offiziell: Rhaenyra wurde heiraten, niemand geringeren als ihren Vetter Laenor Velaryon, um endlich das Band zwischen den beiden mächtigsten Familien in Westeros zu knüpfen. Ein Band, welches schon vor geraumer Zeit hätte geknüpft werden können – stattdessen hatte ihr Vater, ihre beste Freundin zur Frau genommen.
Nie hatte Alicent ihr gegenüber auch nur ein Wort darüber verloren, dass sie mit ihrem Vater zugegen war – dass sie überhaupt mit ihm sprach. Jetzt wusste die Prinzessin es besser: Denn Otto Hohenturm, ihr eigener Vater hatte seine junge Tochter in die Gemächer des Königs geschickt, um ihm Beistand zu leisten nach dem Tod Rhaenyras Mutter. Ein geschickter Schachzug, dem König, Alicent näher zu bringen, in dem Wissen, das der König sehr wahrscheinlich wieder heiraten musste.
Auch die Prinzessin kannte Leute, die ihr Dinge erzählten und nicht nur die Hand des Königs. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht: die ehemalige Hand.
Mit seinen Spionen hatte Ser Otto ihren Thronanspruch streitig machen wollen. Er wollte das ihr Halbbruder Aegon König wird und hatte sie bei ihrem eigenen Vater einer Schandtat bezichtigt und ihm von den Verfehlungen seiner Tochter berichtet als diese mit Prinz Daemon in Flohloch unterwegs war.
Diesen Zug hatte Ser Otto verloren: Auch wenn der König danach verfügt hatte, das Rhaenyra nicht mehr die freie Wahl, bei ihrer Vermählung hatte, so hätte es sie schlimmer treffen können. Mit Laenor verstand sie sich seit ihrer gemeinsamen Kindheit gut und auch wenn sie wusste, dass er keinerlei Interesse an Frauen hatten – so kam es ihr gelegen, denn Laenor hatte ihrem Vorschlag zugestimmt, nach außen den Schein zu wahren und sie begehrte schließlich selbst jemand anderen.
Ser Otto hatte es schlimmer getroffen, der König hatte ihn seines Amtes enthoben und zurück nach Hohenthurm zitiert. Nur das er auch seinen Bruder Prinz Daemon aus Königsmund verbannt hatte, gefiel ihr nicht sonderlich gut. Ohne ihn, war sie nahezu allein. Als Alicent Königin wurde, hatte sie ihre älteste Kindheitsfreundin und engste Vertraute verloren.
Vielleicht hätte sie Alicent nicht anlügen sollen, was die Nacht mit Daemon betraf – doch anderseits, hatte sie sie nicht direkt belogen. Alicent hatte wissen wollen, ob in Flohloch mit Daemon etwas geschehen sei, was sie für ein Mädchen nicht ziemt. Das hatte Rhaenyra ehrlichen Herzens beantworten können, den Daemon hatte sie abgewiesen.
Alicent hatte sie nie gefragt, ob sie mit jemand anderem geschlafen hatte. Ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht als sie an die Nacht mit Ser Kriston dachte.
Es war unfair, wäre sie ein Junge geworden hätte sie schon vor der Ehe tun und lassen dürfen, was ihr gefiel, und niemand hätte es interessiert – weil sie ein Mädchen wurde, dachte jeder, es würde ihn etwas angehen.
Sich nähernde Schritte rissen sie aus ihren Gedanken und Ser Kriston trat zu ihr an die Reling. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht als sie ihren Leibwächter erblickte. »Habt ihr diesen Morgen gut geschlafen?«
Ser Kriston nickte, ein unsicheres Lächeln auf den Lippen: » Ich wollte dich sehen, Prinzessin.«
»Ich gebe zu«, gestand sie schmunzelnd, »ich hatte ein ähnliches Verlangen.«
Der Ritter legte die Arme auf der Reling ab, spielt jedoch nervös mit den Händen als er zu sprechen begann: »Du hast dich mir hin und wieder anvertraut. Im Laufe der Jahre unserer Bekanntschaft habe ich das Gefühl, verzeih mir, dich zu kennen... ein wenig.«
Die Prinzessin lächelte. »Ihr kennt mich mehr als ein wenig, Ser Kriston.«
Ser Kriston sah sie an, Rhaenyra sah die Unsicherheit in seinem Blick und sah ihn aufmunternd an, zu sprechen. Er holte tief Luft und fing an zu reden: »Ich habe dich schon oft sagen hören, wie sehr du deine Stellung verabscheust. Zu wissen, nach einer Laune eures Vaters verheiratet zu werden, ohne an das Denken zu können, was euer eigenes Herz begehrt.
Jetzt ist der Tag gekommen... Ser Laenor ist ein Guter und anständiger Mann, nur habt ihr ihn nicht gewählt. Er wurde für euch ausgewählt. «
»Das ist wahr«, sie nickte und sah ihn abwartend an. Er blickte ihr tief in die Augen als er ihr etwas unterbreitete: »Wenn es einen anderen Weg gäbe, einen, der in die Freiheit führt. Würdest du ihn wählen?«
Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, während der Ritter weitersprach: »Rhaenyra, bevor ich hierherkam, habe ich viel von der Welt gesehen und doch zu wenig. Ich kenne den Hafen von Sonnenspeer sehr gut, dort habe ich die Schiffe von Essos gesehen, die mit ihren Laderäumen voller Orangen und Zimt in See stachen, und ich habe mir immer gewünscht, zu sehen, wohin sie fuhren.«
Rhaenyra geriet ins Stocken, die Vorstellung von dem, was Kriston ihr unterbreitete, kam einen Augenblick ins Schwanken: »Fragst du mich, dich freistellen zu lassen?«
»Nein«, er lächelte nervös, »ich frage dich, ob du mit mir kommen willst. Weg von all dem hier. Lass uns alles hinter uns lassen, weg von der Last und der Würde deines Erbes und gemeinsam die Welt sehen.
Wir werden namenlos sein, aber wir werden frei sein. Frei zu gehen, wohin wir wollen, zu lieben, wen wir wollen. Wir könnten uns lieben, ohne uns verstecken zu müssen. Du könntest mich heiraten. Eine Ehe aus Liebe.«
Sie wusste das sie glücklich aussah, weil sie in diesem Moment glücklich war, sie war verliebt in ihren Ritter mit dem weißen Umhang, ihren Beschützer. Nur deshalb hatte sie Laenor die Abmachung unterbreitet, weil sie ihn nicht verlieren wollte. Jetzt bot er ihr einen Ausweg aus ihrem Leben voller Vorschriften und Entscheidungen, die nicht die ihre wahren. Er liebte sie und sie liebte ihn.
Wenn es nur so einfach wäre.
Ihr Lächeln schwand, ihr Blick schweifte zu Boden, während sie gedankenverloren ein paar Schritte ging. War es die Lösung, einfach alles hinter sich zu lassen? Sie wurden mittellos sein. Ohne Namen, ohne Bestimmung.
Es stimmte, ihr Leben wurde von Pflichten bestimmt und auf ihr lastet die Bürde der Kronprinzessin, der ersten Kronprinzessin wohlgemerkt seit Aegons Eroberung. Ihre Entscheidungen hatten noch nie nur sie betroffen, sondern schon immer ein ganzes Land.
»Ich bin die Krone, Ser Kriston. Oder ich werde es sein. Ich habe eine Bestimmung zu erfüllen, vor der nicht nur ich betroffen wäre, wenn ich davonlaufe, sondern ein ganzes Land. Soll ich diese Schande auf mich nehmen und gegen ein paar Orangen und ein Schiff nach Essos eintauschen? Wir hätten nichts mehr, Ser Kriston.
Es ist meine Pflicht, eine Edelmann aus einem großen Haus zu heiraten, und Laenor wird mir ein guter Ehemann sein.«
Ser Kriston waren seine Gesichtszüge entglitten. Er sah sie verletzt an und das ist nichts, was sie erreichen wollte. Sie wollte mit ihm zusammen sein, aber nicht, auf Kosten des Landes, welches sie vor den Lords geschworen hatte zu beschützen.
»Meine Heirat muss nicht unser Ende bedeuten«, sie lächelte hoffnungsvoll, »Ser Kriston, Laenor und ich habe eine Vereinbarung getroffen. Ich habe ihm gestattet, zu leben wie es ihm gefällt und er gestattet mir dasselbe.«
Sie hatte erwartet, dass er sich darüber freute, dass sie weiterhin zusammen sein konnten und dass nicht das Ende sein musste. Das es einen Ausweg gab, aus ihrer Situation, ohne ihr Leben auf zugegeben.
Stattdessen schien er fassungslos als er ihr außer sich entgegenschleuderte: »Ihr wollt mich als eure Hure halten?«
»Nein«, sie schüttelte entgeistert den Kopf, »ich möchte, dass wir so weitermachen, wie wir angefangen haben, ich möchte dich als meinen Beschützer an meiner Seite haben. Meinen weißen Ritter.«
»Ich habe ein Gelübde abgelegt, als Ritter eurer Königsgarde. Ein Keuschheitsgelübde und ich habe es gebrochen!«
»Ich werde es niemandem sagen!«
Er fasste sich fassungslos an den Kopf. »Ich habe meinen weißen Umhang besudelt, das Einzige, was meinem Namen zur Ehre gereicht hat. Ich dachte, durch eine Heirat, kann ich diese Ehre vielleicht wiederherstellen.«
»Die Bedeutung des eisernen Thrones überstrahlt die meine, die eines jeden, in meiner Familie. Aegon der Eroberer vereinigte die sieben Königreiche und legte sie unserer Familie in die Hände. Versteht ihr nicht, dass dies größer ist als das, was wir wollen?«
Der Blick, den Ser Kriston ihr zuwarf, bevor er wortlos davon ging, verletzte sie mehr als alles andere zuvor – selbst mehr als der Verrat ihrer ehemals besten Freundin.
»Ser Kriston«, rief sie ihm traurig nach, doch er drehte sich nicht einmal mehr zu ihr um.
Er war nicht bereit an ihrer Seite zu bleiben als Beschützer und Geliebter, so wie er es in den vergangenen Monden immer war, in dem Wissen, das dies irgendwann ein Ende haben würde – denn das sie heiraten musste, stand schon immer außer Frage.
Nun war die Entscheidung gefallen, wenn auch nicht die ihre. Sie wurde einen guten Mann heiraten und die Verbindung, die daraus entstand, wurde das Königreich stärken.
Er verlangte von ihr, ein Königreich hinter sich zu lassen... ihr Königreich und alles, was sie kannte, um mit ihm ein Leben in der Verbannung zu führen – um seine Ehre zu retten.
War das Liebe?
Oder ging es ihm nur um sich?
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