Kapitel 1
Kapitel 1
Grelles Licht, stechende Hitze und staubige Luft waren die ersten Dinge, die der jungen Dame auffielen, als sie die goldgleichen Wege von staubiger Erde entlangschritt. Genauso wie in ihrer Erinnerung.
Prunkvolle, aus Marmor geschlagene Statuen prangten hoch und elegant, links und rechts vor dem großen Eingang, auf welchen sie zuschritt.
Auch wenn es zehn Jahre gewesen waren, in denen sie diesen Palast und auch diese Stadt nicht mehr gesehen hatte, so glichen sie doch noch ihren Träumen.
Ihr feuerrotes, wallendes Haar war zu einer elegant geflochtenen Hochsteckfrisur gebunden, durch und durch von goldenen Perlen, Ketten und Ringen geziert, die sie am meisten von dem gemeinen Fußvolk abhoben.
Sie selbst war wohl genauso prachtvoll wie die meisten Bauten dieser Gegend, doch sie schritt auf das prachtvollste Gebäude zu, das es in dieser Stadt gab. Auch der Palast des Herrschers hatte sich nicht verändert. Noch immer bildete er das Zentrum der Stadt und war so wunderschön wie eh und je.
Aurelia atmete die leicht staubige und viel zu warme Luft ein. Nach den langen Jahren, die sie sich hierher gesehnt hatte, war es wirklich angenehm. Nicht, dass die Lehrzeit, die sie bei den Priestern, Mönchen und Gelehrten verbracht hatte, nicht auch schön gewesen war. Doch es war eben nicht Zuhause.
Nicht zu vergessen, die strengen Regeln unter denen sie gestanden hatte. Keinerlei Freiheit. Zucht und Ordnung. Lernen, Benehmen und Haltung waren ihr gesamter Alltag. Auch wenn sie einige Freunde gefunden hatte, die sie zurückgelassen musste, so war es dennoch eine Freude, sich wieder bei ihren Leuten zu wissen.
Endlich musste sie nicht mehr auf andere hören. Außer vielleicht auf ihren Vater, doch dieser würde nicht so streng sein. Das war er nie gewesen. Auch, als er sie besucht hatte. Das waren die Zeiten gewesen, in denen sie selbst in ihrer Lehrzeit hatte tun und lassen können, was sie wollte. Ein klein wenig Freizeit, auch wenn es oft nur für ein paar Tage gewesen war.
Aurelia musste lächeln. Sie freute sich schon sehr darauf, ihren Vater endlich wiederzusehen. Sein letzter Besuch war viel zu lange her gewesen. Doch der Weg war weit und sein Zeitplan sehr voll. Eigentlich hätte die Karawane sie direkt bis zum Palast bringen sollen, doch sie hatte darauf bestanden, eher auszusteigen und durch die Stadt zu laufen. Die Stadt, in der sie als Kind so gern gespielt und getobt hatte.
Dagegen war das Kloster geradezu ausgestorben gewesen.
Einige Kinder, die es scheinbar sehr eilig hatten, rannten an ihren Beinen vorbei und lachten wild, als würden sie nichts als Freude kennen. Auch Aurelia musste in sich hineinlachen, als sie sich in den Kindern wiedererkannte. Schmunzelnd drehte sie sich im Laufen um, um diesen hinterher zu blicken und strich sich dabei eine rote Strähne, die sich wohl durch den Wind aus dem Knoten gelöst hatte, hinter ihr Ohr, während der Wind mit ihren prunkvollen Creolen spielte.
Gerade als sie sich wieder umdrehte, zuckte sie unwillkürlich zusammen, als sie eine schrille Stimme dazu verleitete, aufzublicken.
„Aurelia?", fragte eine ungläubige Stimme und die Angesprochene fand auch schnell die Quelle. Eine junge Frau, mit Haaren so hellbraun wie ihre Haut und graublauen Augen, schritt geschockt auf sie zu. Fest umklammerte sie den Korb in ihren Händen, als sie die Rothaarige genauer ins Visier nahm.
Ein wenig irritiert runzelte die Rothaarige die Stirn und überlegte, ob sie sich aus dem Staub machen sollte, ehe sie zu viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Doch die Frau hatte etwas Vertrautes.
Sie wirkte nicht so schlicht, wie die meisten Bürger auf dem Markt, aber auch nicht so prunkvoll, wie Aurelia selbst.
Schließlich blieb die Frau stehen und ihr irritierter Gesichtsausdruck wurde zu einem strahlenden Lächeln. „Ihr seid es wirklich. Bei Aphrodite seid Ihr schön geworden. Ich hätte Euch fast nicht wiedererkannt", erklärte sie und dieser Ausspruch versetzte Aurelia zurück in ihre Kindheit. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen und auch auf ihren Lippen breitete sich ein warmes Lächeln aus.
„Calpurnia?", fragte Aurelia vorsichtig, doch strahlte bereits übers ganze Gesicht. Die junge Frau lachte laut, was bereits eine Antwort für sich war und schloss die Rothaarige in eine feste Umarmung. Diese hielt jedoch nicht lange an, als die junge Frau sie blinzelnd wieder von sich schob und ihr luftiges Gewand aus leichtem, weißem Stoff wieder glatt strich.
„Ich meine Prinzessin... Manches verlernt man wohl doch mit der Zeit", flüsterte sie zu der Angesprochenen und blickte räuspernd zu einigen Wachen, die ein Stück entfernt von ihnen patrouillierten.
Aurelia lachte auf und nahm nun ihrerseits die Frau in die Arme, um sie noch einmal fest zu drücken und es zu genießen.
„Das ist schon in Ordnung, wirklich. Ich bin froh, wenn ich einmal nicht zwischen Regeln und Phrasen feststecke", erklärte sie und löste dann die Umarmung wieder, um Calpurnia ein freudiges Lächeln zu schenken. „Ich habe dich vermisst. Sag, wie ist es dir ergangen? Hast du Zeit, mich zurück zum Palast zu begleiten? Ich möchte alles wissen, was vorgefallen ist, während ich weg war."
Die Frau lächelte und schob den Korb mit Einkäufen auf ihren Arm, um sich die widerspenstigen Haare mit einem Lederband zusammenzubinden.
„Natürlich, Prinzessin", säuselte Calpurnia lachend und bekam ein schmunzelndes Augenrollen von Aurelia zurück. „Tatsächlich bin ich heute Abend sogar für eine Tafel in den Palast beordert worden. Eure Ankunft erklärt zumindest das Fest, was für den Abend geplant ist", erzählte Calpurnia aufgeweckt und schob die ganze Zeit den Korb vom einen auf den anderen Arm und wieder zurück. Dabei ließ sie die Rothaarige keine Sekunde aus den strahlenden Augen.
Aurelia jedoch rollte, mit einem leisen Stöhnen, die goldenen Augen.
„Natürlich richtet mein Vater ein Fest aus, um mich willkommen zu heißen, anstatt einfach einmal einen Abend mit mir allein zu verbringen", belächelte sie mit sarkastischem Unterton. Natürlich war es ihr eine Ehre, dass ihr Vater ein Fest für ihre Ankunft herrichtete, dennoch wollte sie gerne ein wenig Zeit mit ihm alleine verbringen.
„Euer Vater ist nicht der Einzige, der sich freuen wird, Euch zurückzuhaben", erklärte Calpurnia mit einem Lachen.
Aurelia verdrehte erneut die Augen. „Es ist nicht so, dass ich meine alten Freunde nicht wiedersehen möchte. Aber ich habe so meine Zweifel, dass mein Vater dieses Fest dazu nutzt, dass ich diese wiedersehen werde", erklärte sie und klang sowohl amüsiert, als auch zweifelnd. Wahrscheinlich nutzte ihr Vater diese Gelegenheit, um Prinzen aus anderen Reichen einzuladen und ihr vorzustellen. Das hatte er schon bei seinem letzten Besuch so oft zur Sprache gebracht.
Es war bereits ein Segen gewesen, dass er Aurelia nicht schon im Kindesalter versprochen hatte, denn Anwärter gab es reichlich.
Doch egal wie sehr er seine Tochter auch liebte, sein Reich liebte er ebenso. Und eine Allianz in Form einer Heirat kam ihm nur zugute.
„Er wird Euch sicherlich nicht so überfallen, immerhin seid Ihr heute erst angekommen, nehme ich an", versuchte die Zofe die Prinzessin aufzumuntern, als sie merkte, dass diese Nachricht Aurelia eher verstimmte als erfreute. „Da fällt mir ein! Erinnert ihr Euch an den Jungen, der Sohn des Generals? Wir haben früher einige Male mit ihm gespielt. Er verbringt seit einigen Monaten viel Zeit im Palast. Es wird gemunkelt, ob er nicht vielleicht der erste General im Heer Eures Vaters wird und somit seine rechte Hand", erklärte sie aufgeregt im Flüsterton.
Aurelia verdrehte innerlich die Augen. Calpurnia hatte Recht, wahrscheinlich sollte sie nicht ganz so negativ an die Sache herangehen, doch Aurelia war sich nicht so sicher. Eigentlich wollte sie das Thema nicht wechseln, doch Calpurnia tat sie den Gefallen. Auch wenn sie schon mehr wusste, als diese. Ihr Vater hatte ihr reichlich erzählt, immerhin war er der Meinung, sie müsste solche Dinge wissen, wenn sie eines Tages sein Reich erben würde.
„Wirklich? Er kam mir in jungen Jahren nicht wie ein Kämpfer vor, dem man so etwas zumuten würde", sagte Aurelia genauso leise und erinnerte sich an den Jungen zurück, der eigentlich eher schmächtig und langsam gewesen war.
„Oh, er hat sich in den Legionen des Königs prächtig entwickelt", beteuerte Calpurnia ihr beharrlich und betrat mit Aurelia gemeinsam den letzten Weg, der direkt zum Eingang des Palasts führte. „Und er fragt mich sogar manchmal nach Euch", kicherte sie ihr leise und zwinkernd zu, doch dann zuckte sie die Schultern. „Zu dumm, dass selbst ich zu Euch keinerlei Kontakt haben durfte."
„Niemand durfte zu mir Kontakt haben", murrte Aurelia ziemlich verstimmt. Das war manchmal wirklich eine schlimme Zeit gewesen. Aber zum Glück nicht immer. Oft hatte sie ihre alten Freunde vermisst und sie hatte Angst gehabt, dass sie nicht mehr da wären, wenn sie zurückkehrte. Doch so wie es aussah, war diese Angst unbegründet gewesen. Zum Glück.
„Mit der Entfernung wächst die Sehnsucht", lächelte Calpurnia und kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe, während sie Aurelia musterte. „Ich weiß gar nicht, was noch alles passiert ist...", murmelte sie nachdenklich und schien fieberhaft zu überlegen.
Aurelia lächelte. „Erzähl mir doch einfach erst einmal, was du jetzt machst. Du bist, genau wie ich, auch zehn Jahre älter. Was hast du erlebt?"
Calpurnia blickte überrascht zu Aurelia. Sie hatte wirklich nicht erwartet, dass die Prinzessin sich für ihr Leben interessierte, doch so wie ihre goldenen Augen sie musterten, war die Neugier wirklich echt.
„Nun ja...", setzte die Brünette überrumpelt an und schien einige Jahre Revue passieren zu lassen. „Ah! Ich war eine Zeit lang verlobt gewesen, doch es wurde wieder annulliert, als ich herausfand, er wolle, dass ich mit dem Arbeiten aufhöre, nachdem wir vermählt werden. Da hab ich lieber schnell das Weite gesucht, anstatt mir schleichend die Freiheit nehmen zu lassen", seufzte Calpurnia in einem abwertenden Ton. „Doch mein Leben ist langweilig. Erzählt mir, was bei Euch geschehen ist! Ihr habt Euch zu einer regelrechten Schönheit entwickelt, dass es schwer zu glauben ist, dass man Euch wegsperren konnte."
Aurelia seufzte und strich sich eine Strähne hinter ihr Ohr. Dieser Wind wollte einfach nicht von ihren Haaren ablassen!
„Ja, weggesperrt ist das richtige Wort. Es war teilweise wirklich sehr schrecklich und eintönig. Ständig Regeln befolgen, niemals auch nur eine einzige freie Minute und immer an die Etikette halten. So trocken. Nur wenn Vater mich besuchen kam, durfte ich raus. Diese Gelehrten sind wirklich ein langweiliger Haufen", empörte sich Aurelia, doch sie wusste, dass ihr Vater sie nicht hatte bestrafen wollen.
Wie konnte es auch eine Bestrafung sein, von der Elite des Reiches ausgebildet zu werden? Er wollte nur das Beste für sie, dass war ihr sehr bewusst und dennoch hätte es ihr nicht geschadet, ein wenig mehr Spaß haben zu dürfen. Gerade im Alter ihrer Jugend, die sie in vollen Zügen genießen wollte.
„Das kann ich mir durchaus vorstellen...", murmelte Calpurnia mitleidig.
„Jedenfalls bin ich sehr erpicht darauf, all das nachzuholen, was ich verpasst habe. Vater hat versprochen, mich auch in der Kriegskunst zu unterrichten. Wenn ich irgendwann einmal seinen Posten übernehme, soll ich nicht nur wissen, wie es in einem Heer zugeht, sondern auch mich selbst verteidigen können", erklärte die Rothaarige zu Calpurnias Überraschung.
Diese machte große Augen und ein schiefes Lächeln zierte ihre Lippen, als wüsste sie nicht, ob Aurelia sie nicht doch zum Narren hielt.
„Ich dachte, Ihr seid das zerbrechliche Juwel des Reiches... und er lässt Euch wirklich das Kämpfen erlernen?", fragte sie ungläubig nach und schien alles andere als überzeugt.
„Nicht direkt das Kämpfen, aber er ist der Meinung, ich müsste mich wenigstens verteidigen können. Sollte ich in eine Lage kommen, in der kein starker Mann in meiner Nähe ist, um mich rechtzeitig zu erreichen", sagte sie mit Nachdruck. „Es soll natürlich auch überraschend sein, weil man es nicht erwartet. Aber er legt viel Wert darauf, dass ich lerne, länger zu leben."
Calpurnia konnte einfach nicht anders, als ein herzhaftes Lachen auszustoßen.
„Ich denke auch, dass das Reich Euch dankbar sein wird, wenn Ihr am Leben bleibt", grinste sie mit hochgezogenen Augenbrauen und blickte zum Palast empor, der unmittelbar vor ihnen aufragte. „Womöglich könnt Ihr Euch ja sogar einige Techniken im Kolosseum aneignen. Es gibt einen neuen Champion unter den Gladiatoren, der sich sehr darauf versteht, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen", lachte Calpurnia beiläufig, als sie daran zurückdachte, wie viele Wetten im Umlauf waren, wenn der Favorit die Bühne betrat.
„Oh, wirklich?", fragte Aurelia und ihre Augen funkelten vor Aufregung. Sie hatte als kleines Kind die Kämpfe im Kolosseum geliebt und sie war noch heute davon fasziniert. Außerdem war Stärke etwas, das sie interessierte.
Calpurnia lachte bei dem verspielten Ausdruck in Aurelias Augen erneut und erinnerte sich zurück an ihre Kindheit, in der sie beide oft mit Stöcken statt Schwertern die Kämpfe nachgestellt hatten.
„Ja, das Publikum liebt ihn, auch wenn er nicht immer gewinnt", musste sie gestehen und verzog den Mund ein wenig.
Mit dem letzten Schritt hielt sie vor dem Tor des Palasts inne und blickte zu der Rothaarigen.
„Ich muss nun leider nochmal nach Hause, die Einkäufe wegbringen, aber ich werde heute Abend bei der Tafel anwesend sein. Vielleicht kann ich auch bei Euch über Nacht bleiben, damit wir uns weiter unterhalten können?", fragte sie erfreut und blickte Aurelia vielsagend an. Sie durften nie miteinander reden, wenn Calpurnia im Dienst war. Eine lästige Regel, aber mit Sinn dahinter.
Die beiden Mädchen hatten damals einen anderen Weg gefunden. „Ich werde meinen Vater fragen, aber ich gehe davon aus, dass er nichts dagegen haben wird", lachte sie und zwinkerte Calpurnia zu.
Es war für beide besser, wenn niemand glaubte, dass sie, auch während sie beide arbeiteten, eine freundschaftliche Beziehung führten. Ein Dienstmädchen, das sehr nah an der Königstochter stand, hatte kein leichtes Leben und einer Prinzessin sollte man nicht nachsagen, dass sie mit einem Dienstmädchen verkehrte. Zumindest nicht, wenn sie in der Öffentlichkeit waren.
Kindheitsfreunde hin oder her. Sie waren inzwischen erwachsen und hatten nun einmal ihren Verpflichtungen nachzukommen. Auch wenn sich Aurelia ab und an ein kleines Abenteuer erlaubte und die Regeln brach. Der Nervenkitzel war ohnehin schon Grund genug dafür.
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Wenn euch das Kapitel gefallen hat würden wir uns sehr über votes und Kommentare freuen.
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