»Aurelia.« flüsterte Liam und zog mich an meinem Arm in sein Zimmer.
»Was willst du?« fuhr ich ihn an und bei seinem verwirrten Gesichtsausdruck fühlte ich mich direkt schlecht. Er hat nichts falsch gemacht. Ich hätte ihn ja wegdrücke können, aber ich wollte es in dem Moment ja auch.
»Ich wollte dir nur etwas über dein altes Zuhause erzählen, aber du kannst mich gerne auch anschreien. Kein Problem.« erwiderte er genervt und hob die Hände.
»Tut mir leid.« antwortete ich leise und schloss die Tür hinter mir. Sein Zimmer war nicht sehr persönlich eingerichtet. Eigentlich standen hier nur ein Bett, ein paar Schränke, ein Schreibtisch, auf dem viele Bücher standen.
»Deine Schwester. Sie ist von zuhause weggelaufen. Die Polizei sucht sie grade. Sie ist bei so ein paar Typen, die in nem ziemlich abgeranzten Viertel leben. Sagt dir das irgendwas?« fragte er und setzte sich auf sein Bett.
»Scheiße. Ich muss sie herholen. Sie ist wirklich in Gefahr.« sagte ich und er nickte leicht.
»Also.. Herholen geht nicht. Sie darf hiervon eigentlich nichts wissen. Kennst du vielleicht irgendwelche Leute, bei denen sie sichererer ist?«
Ich dachte wirklich nach, doch mir fiel einfach niemand ein, bei dem sie zurzeit sicher ist. Ich schüttelte den Kopf und er seufzte.
»Das könnte ein großes Problem werden.« sagte er, bevor er meine Hand nahm und mich mit sich riss.
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In mir fühlte sich alles an, als würde ich zusammengedrückt und meine Innereien aus mit herausgepresst werden. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch ich sah einfach nichts. Ich griff um mich herum, doch da war niemand. Es fühlte sich an, als wäre ich schwerelos.
Kurz bevor ich aufschreien könnte löste sich das Gefühl und ich traf stöhnend auf harten Boden.
Als ich die Augen öffnete erkannte ich Liam, welcher amüsiert neben mir stand und mich beobachtete. Natürlich bin ich auf den Boden gefallen, währenddessen er perfekt auf seinen Füßen gelandet ist.
»Was um Gottes willen war das?« fragte ich ihn, während ich versuchte mich aufzurichten.
»Es wird mit der Zeit angenehmer.« antwortete er, bevor er mich an der Hand hochzog. Als ich mich umschaute erkannte ich, dass wir in einem mir unbekanntem Hinterhof gelandet sind. Ich rieb mir mit den Handflächen über den Pullover, um den Staub herauszubekommen, während ich mich weiter umschaute.
Wir waren wieder in meinem Universum. Erst jetzt merkte ich, wie wenig ich mein Zuhause vermisst habe. Alles hier ist so ernst, real und einfach hässlich, während ich im anderen Universum das Gefühl hatte alles zu schaffen.
»Frustrierend, oder?« antwortete Liam, der wohl das selbe Gefühl wir ich hatte und es deshalb sehr gut nachvollziehen konnte.
»Scheiße.« antwortete ich und ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
Als wir durch eine kleine Gasse aus dem Hinterhof liefen erkannte ich auch allmälig die Gassen Roms. Jedoch rede ich nicht von den schönen Hausfasaden und den geflegten Vorgärten der Altstadt, sondern der Gassen, in denen man sich einfach nicht aufhalten will.
Da es bereits dämmerte war ich echt ziemlich froh das Liam neben mir lief und ich nicht alleine war.
»Hier irgendwo müsste deine Schwester sein.« sagte er und griff nach meiner Hand um mich in eine benachbarte Gasse zu ziehen.
»Was macht sie hier nur?« fragte ich ihn, doch er zuckte nur mit den Schultern. Meine Hand umklammerte immernoch fest seine, was anscheinend weder ihn noch mich störte.
Nach einem kurzen und schweigenden Gang waren wir vor dem mir viel zu gut bekannten Haus angekommen.
»Woher kennst du die Typen?« fragte er mich, während wir vor der großen braunen Tür stehen blieben. Das Haus war, wie die anderen Häuser hier in der Nähe, sehr hoch und vollgesprüht mit Graffiti. Ich schaute zur Klingel, auf der nur ein defekt-Schild hing. Na toll.
»Aus meinem Leben bevor ich euch kennengelernt habe.«
Ich weiß nicht, woher mein Mut grade kam, doch ich ließ Liams Hand los, stieg die Treppen zur Tür hinauf und klopfte laut gegen sie.
Ein paar Sekunden später öffnete sich die Tür und eine junge Frau lugte durch den kleinen Spalt.
»Kann ich euch helfen?« fragte sie leise und es schien so, als hätte sie Angst vor uns.
»Ich bin auf der Suche nach meiner kleinen Schwester.« fing ich an, doch sie unterbrach mich sofort.
»Es tut mir leid, aber ich habe niemanden gesehen.« Sie wollte die Tür schon vor meinen Augen schließen, doch ich schob meinen Schuh zwischen den Spalt.
»Ich will zu Alejandro.« sagte ich und als sie seinen Namen hörte schluckte sie. Ohne ein weiteres Wort öffnete sie die Tür und verschwand in ihrer Wohnung im untersten Stock.
Ich schaute mich um und blickte einmal zu Liam, welcher ein Schmunzeln im Gesicht trug.
»Worauf wartest du noch?« fragte ich und trat in die Wohnung ein.
Liam, der bei der ganzen Situation nur zugeschaut hat, kam die Stufen hoch, stellte sich zu mir und schloss die Tür hinter sich.
»Ich wusste garnicht, dass du so angsteinflößend sein kannst.« neckte er mich und ich stieß ihn den Ellenbogen in die Seite.
Der Geruch von Marihuana stieg in meine Nase und ich schloss kurz die Augen. Böse Erinnerungen an meine Vergangenheit kamen hoch.
»Komm schon.« sagte Liam aufmunternd und griff erneut nach meiner Hand, um mich die Treppe hochzuziehen.
Es war schön diese Seite von Liam kennenzulernen. Er ist ganz anders als sonst.
Wir liefen gemeinsam in den obersten Stock, wo ich nervös vor der Tür stehen blieb. Ich hörte die laute Musik und sah blinkende Lichter, die durch den Spalt unter der Tür drangen.
Was machst du hier nur, Ally?
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