Kapitel 86 ~ Io Saturnalia II
Schon als Kind hatte Gaius die Saturnalien im Lager seines Vaters geliebt und als er sie das erste Mal in Rom erlebt hatte, hatte er die Witze und Lieder der Soldaten sehr vermisst. Das Fest war einfach vollkommen anders. Wenn Sklaven ihre Herren verspotteten, dann war es zwar witzig, aber es gab gewisse Grenzen. Auch wenn Sklaven und Herren für einen Tag die Rollen tauschten, so blieben sie im Herzen immer Sklaven und Herren. Soldaten scherten sich um diese Grenzen nicht, denn sie konnten nicht mit ihren Kommandanten tauschen. Deshalb schöpften sie das, was ihnen die Feiertage erlaubte, vollkommen aus: Sie schwelgten in den üppigen Mahlzeiten und während der Wein in Strömen floss, verspotteten sie sich selbst und ihre Vorgesetzten, dass es kein Halten gab.
Als Feldherr seiner eigenen Soldaten genoss er das Fest sogar noch mehr als damals. Mit jedem Becher Wein wurden die Lieder herber und, wie Aurelia es immer so schön nannte, immer weniger jugendfrei. Aber am meisten genoss Gaius die gemeinen Bemerkungen, die auf seine Legaten und ihn von allen Seiten einprasselten. Es war so witzig, den sonst so verbissen dreinblickenden Vespasian darüber lachen zu sehen, wie die Soldaten versuchten eben diesen Gesichtsausdruck nachzuahmen und in übertrieben bäuerischen Dialekt einander Befehle zubrüllten. Dagegen war die Vorstellung von Sabinus' Legion, die lediglich seine besserwissende Art hervorheben wollten, langweilig und auch die Legion von Aulus Plautius, die ein paar unterhaltsame Trinklieder schmetterten, kamen an die Vorstellung von Vespasians Legionären einfach nicht heran. Zum Glück konnte auch Onkel Claudius über die stotternden und hinkenden Männer lachen. Nun, zu den Saturnalien war wirklich alles erlaubt.
Als die Aufmerksamkeit der Soldaten sich auf Gaius richtete und sie anfingen sich über ihn lustig zu machen, lehnte er sich interessiert vor. Aber alles, was die Soldaten gegen ihn vorbrachten, war lediglich seine in ihren Augen vollkommene übertriebene Treue zu seiner Frau. Einer von ihnen rezitierte ein paar sehr schmalzige, liebestolle Verse auf Aurelia, die Gaius entfernt an Catull erinnerten und von denen der Legionär behauptete, er habe sie selbst geschrieben. Wenn dies das Einzige war, was man ihm vorwerfen konnte, dann konnte Gaius damit sehr gut leben. Mit einem versonnenen Lächeln beobachtete er ihre Vorstellung und ignorierte die Kommentare seiner Legaten.
„Tja, wenn man mit der richtigen Frau verheiratet ist, will und braucht man keine andere", stichelte Gaius zurück und Vespasian verschluckte sich an seinem Wein. Heftig prustend stellte er seinen Kelch ab und warf Sabinus einen Blick zu, den Gaius nicht deuten konnte. Ging es um Caenis? War sie immer noch Vespasians Mätresse, obwohl er mittlerweile verheiratet war? Oder wussten die Brüder vielleicht etwas über seine Frau, was ihm bisher unbekannt war? Aber das erschien Gaius doch sehr unwahrscheinlich. Immerhin hatten sie keine Geheimnisse voreinander. Zumindest nicht, solange sie zusammen waren. Automatisch wanderten seine Gedanken wieder zu ihrer mysteriösen Nachricht. Seitdem er sie erhalten hatte, zerbrach er sich den Kopf darüber, was seine Schwester nur getan haben könnte. Die Saturnalien hatten ihn eine kleine Pause von dieser quälenden Frage verschafft, sodass sie nun mit voller Wucht zurückkehren und sein ganzes Denken einnehmen konnte.
In Rom geschahen Dinge, die sich vollkommen seiner Kontrolle entzogen und das machte ihm zu schaffen. Etwas in ihm schrie, dass von diesen ihm unklaren und verborgenen Dingen eine sehr große Gefahr ausging. Aber er konnte hier nicht weg. Er musste erst beenden, was er begonnen hatte. Auch wenn ein Teil von ihm sagte, dass er damit einen Fehler beging.
In seinem ganzen Leben war er sich nur drei Dinge wirklich sicher gewesen. Erstens: Er war Gaius Julius Caesar Germanicus, der Sohn des großen Germanicus und der Agrippina Maior, weshalb zweitens weder seine Frau und seine Kinder noch er jemals wirklich sicher sein würden. Und Drittens: Der Liebe, die er für Aurelia empfand, konnte nicht einmal der Tod auf seinen schwarzen Schwingen ein Ende bereiten.
Auch wenn Gaius wusste, dass dieser Feldzug wichtig war, um die Position seiner ganzen Familie in Rom zu sichern, so zerriss ihn die Tatsache, dass er nicht bei ihr gewesen war, um sie vor seiner eigenen Schwester zu beschützen.
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