Kapitel 8 ~ Witterung
Macro lag auf seiner Liege und beobachtete das emsige Treiben um ihn herum. Auch wenn der Wein, den sein Princeps so gerne in sich reinkippte, überaus stark war, hatte Macro gelernt damit umzugehen ohne seinen wichtigen Gastgeber zu beleidigen. Dafür hatte er zu hart gearbeitet, um innerhalb der Prätorianergarde aufzusteigen und an zu vielen Abendgelagen teilgenommen.
Auch an diesem Abend mangelte es dem Fest an nichts: Das Essen war vorzüglich, der Wein stark, die Frauen lieblich und die Knaben hübsch. Die Musik hing sanft in der Luft ohne Gespräche zu übertönen. Das Fest hatte alles zu bieten, was man sich nur wünschen konnte und doch lag der junge Caligula auf seiner Liege und schien kaum etwas um sich herum wahrzunehmen.
Wenn man den jungen Mann nicht besonders gut kannte, würde einem keine Veränderung an ihm auffallen. Wie immer unterhielt er seinen Großonkel prächtig und brachte jeden der Anwesenden zum Lachen. Aber Macro war darauf trainiert Menschen zu durchschauen und dieser junge Mann ihm gegenüber war nicht wie sonst mit dem Herzen dabei. Doch was ihn am meisten stutzig machte, war nicht wie viel Caligula von dem starken Wein in sich hineinschüttete, sondern dass er die Blicke der jungen Mädchen gar nicht zu bemerken schien. Sonst nutzte er jede Gelegenheit mit ihnen zu flirten und sie in stillen, schummrigen Ecken zu verführen.
Aber heute ließ Gaius seinen Großonkel keinen Augenblick aus den Augen und manchmal blitzte in den seinen etwas auf, das Macro die Haare aufstellen ließ. Irgendetwas hatte der junge Iulier vor. Aber was?
Macro entschuldigte sich, als die dritte Wache abgelöst wurde und huschte unbemerkt in eine dunkle Nische. Von dort aus beobachtete er die Gäste, doch immer wieder huschte sein Blick zurück zu Caligula. Einmal meinte er Wut im Gesicht des jungen Mannes aufblitzen zu sehen, nachdem dieser sich zum Princeps hinübergebeugt hatte, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Doch dieser Ausdruck war so schnell wieder verschwunden, dass Macro sich sicher war, er habe es sich nur eingebildet.
Dennoch blieb er in seiner Nische und behielt die Geschehnisse im Auge. Selbst als der Princeps mit dem ersten Strahl der Dämmerung an der Hand eines viel zu jungen Mädchens verschwand, blieb Caligula auf seiner Liege und trank versonnen den teuren Wein. Einige der Sklaven kamen aus dem Schatten und begannen lautlos die Überreste des Festes zu entfernen. Mit einem Seufzen leerte Caligula seinen Kelch, stand auf und kam direkt auf einen von Macros Männer zu.
Sie wechselten einige Worte, dann machte Caligula auf dem Absatz kehrt und verließ endlich den Saal. Eins mit den Schatten um sich folgte Macro dem jungen Mann. Als er nach einigen Minuten um eine finstere Ecke bog, wurde er plötzlich hart im Rücken getroffen. Bevor er wusste, wie ihm geschah, lag er auch schon auf dem Bauch, die Arme zur Unbrauchbarkeit verdreht und der Körper eines anderen Mannes drückte ihn fest gegen die kalten Fliesen.
„Guten Morgen, Macro", drang Caligulas höfliche Stimme an sein Ohr und Macro konnte das Grinsen auf dem Gesicht seines Widersachers geradezu hören. „Kann ich etwas für dich tun oder warum lässt du mich, seit du das Fest betreten hast, nicht mehr aus den Augen?"
Macro überlegte fieberhaft. Wie hatte es dieser Junge geschafft ihn derart zu überrumpeln? Lügen, stehlen, beschatten, bewachen, kämpfen, töten - dazu war Macro jahrelang ausgebildet worden. Doch warum kam ihm nun kein einziges Wort in den Sinn, das seine Situation auch nur annährend entschärfen könnte? Einen Augenblick wartete Caligula geduldig auf seine Antwort und als keine kam, bohrte er langsam sein Knie immer tiefer unter Marcos Schulerblatt. Macro konnte den Atem des jungen Mannes an seinem Ohr spüren und erkannte, was ihn sogleich irritiert hatte. Er roch keinen Wein. Hatte er seinen Gegner ernsthaft so leichtfertig unterschätzt? Innerlich schalte Macro sich für seine Arroganz.
„Macro, Macro", tadelte Caligula ernst und beugte sich noch näher an sein Ohr heran. „Mein Vater ist zwar gestorben, als ich jung war. Aber ich war nicht zu jung, um von ihm in den wirklich wichtigen Dingen, wie er sie immer nannte, unterrichtet zu werden. Wenn du das nächste Mal etwas über mich wissen willst, dann frag!"
Plötzlich war das Gewicht auf seinem Rücken verschwunden, die Arme wieder frei. Blitzschnell stand Caligula über ihn gebeugt und reichte Macro die Hand. Murrend ergriff er die ausgestreckte Hand und ließ sich beim Aufstehen helfen. Bei den Göttern, wie beschämend. Caligula musterte ihn eingehend, dann zuckte er mit den Schultern und meinte ernst: „Wenn du mich noch einmal grundlos verfolgst, als wäre ich ein Verbrecher, sind deine Tage als Prätorianerpräfekt gezählt. Hast du mich verstanden?"
In den Augen des jungen Mannes blitzte etwas auf, dass Macro einen kalten Schauer über den schmerzenden Rücken laufen ließ. Wieder brummelte er etwas Unverständliches und Caligula wiederholte seine letzten Worte noch einmal eine Spur finsterer. Mit feierlichem Ernst antwortete Macro: „Ich habe Euch verstanden, Herr"
Caligula nickte, drehte sich wortlos um und ließ ihn einfach stehen wie einen albernen Schuljungen, der von seinem Lehrer ertappt wurde, bevor er ihm seinen Streich hatte spielen können. Rasch verhallten seine Schritte in den heller werdenden Gängen. Grollend machte sich Macro auf dem Weg in sein Zimmer. In weniger als drei Stunden würde seine Wache beginnen und er hatte eine ganze Nacht vergeudet den jungen Caligula zu beobachten.
Doch nun war er sich vollkommen sicher: Der Junge hatte etwas zu verbergen und er, Macro, würde herausfinden, was es war.
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