-27- Millie
Auch wenn ich mir geschworen hatte, es nicht mehr zu tun, konnte ich nicht anders. Tränen der Wut, der Verzweiflung und eines gebrochenen Herzens strömten nur so aus mir heraus. So sehr, dass ich aufgrund meiner verschleierten Sicht anhalten musste.
In New York war es geradezu unmöglich einen Parkplatz in der Stadt zu finden. Daher stand ich eine ganze Weile am Straßenrand und parkte zwei Autos zu, weil ich einfach nicht mehr weiterfahren konnte. Alles in mir zitterte, ich weinte bitterlich und mein Herz war schwer wie Blei.
Am meisten ärgerte ich mich darüber, dass ich es nicht bemerkt hatte. Cathy war mir doch von Anfang an suspekt gewesen. Warum hatte ich mich auf alle ihre Spielchen eingelassen? Nur um am Ende mein Herz vergebens zu verschenken?
All meine Fröhlichkeit, die ich nach meiner Krankheit besaß, war verschwunden. Von der Frohnatur, die ich einst war, war nichts mehr übrig.
Ich war ein Trauerkloß durch und durch und ich gab mir sogar selbst die Schuld an allem, weil ich die Zeichen nicht gesehen hatte. Cathy war immer genau da, wo ich war. Und Marlow ebenso. Sicher hatten die zwei mich tagelang ausspioniert. All die Geschichten über die Nachbarin, die Allergie ... Cathy hatte alles erfunden.
Ich wusste nicht, wie lange ich in Hazel's Auto hockte, aber als jemand an meine Scheibe klopfte und sich theatralisch darüber aufregte, dass ich ihn zuparkte, wischte ich meine Tränen weg, startete den Motor und fuhr los. Inzwischen war mir richtig kalt. Ich war bis auf die Knochen durchgefroren, denn die ganze Zeit über, lief der Motor nicht und somit auch nicht die Heizung.
Als ich zuhause ankam, ging ich wortlos in mein Zimmer. Dort verkroch ich mich unter meiner Bettdecke, wärmte mich auf und dachte an Bailey. Er hätte mich jetzt vermutlich auf andere Gedanken gebracht und ich hätte mich irgendwie mit ihm ablenken können.
Während ich schniefend im Bett lag, klopfte es und sofort streckte Hazel ihren Kopf durch die Tür.
„Komm rein."
Hazel legte sich neben mich und zog mich fest in ihre Arme. Sie hielt mich einfach nur fest und sagte eine gewisse Zeit lang nichts. Sie war einfach nur für mich da und dafür war ich ihr gerade äußerst dankbar.
Nach etlichen Minuten der Stille, löste ich mich aus ihrer Umarmung, raffte mich auf und ging zum Spiegel. Meine Augen waren verquollen und brannten wie Feuer. Auch mein Kopf dröhnte, als hätte jemand mit einem Baseballschläger darauf eingeschlagen. Ich hatte einfach nur das Bedürfnis, meine Augen zu schließen.
„Ich sehe schrecklich aus. Und genauso fühle ich mich auch", sagte ich leise und tupfte mit meinem Zeigefinger leicht auf die verquollenen Stellen, in der Hoffnung, es würde dadurch besser werden. Doch natürlich half es nichts.
„Er war hier. Nachdem du anscheinend bei ihm gewesen bist."
Er war hier? Wunderte mich eigentlich nicht, wobei ich mich frage, wozu das alles? Ich hatte ihn und seine Freundin enttarnt. Warum also noch?
„Erzähl mal", forderte sie mich auf, also setzte ich mich wieder auf das Bett, zog die Bettdecke bis zu meinen Schultern hoch und atmete tief durch.
„Ich habe ihm alles an den Kopf geworfen, was ich denke."
„Und was sagt er dazu?"
„Nichts. Ich hab ihn nicht zu Wort kommen lassen."
Sie atmete scharf Luft ein und nickte.
„Das erklärt, wieso er davon sprach, dass er es dir erklären möchte, als er hier war. Warum hörst du ihm nicht einfach mal zu?"
Eine berechtigte Frage. Aber dieser ganze Vorfall war gerade mal ein paar Stunden her. Ich wollte nicht vor ihm stehen und seine Erklärung hören.
Was sollte er auch sagen? Cathy hatte definitiv versucht uns zu verkuppeln und das Foto hing an seinem Kühlschrank. Es war eindeutig. Es gab für mich keine Ausreden.
Wäre es seine Schwester, eine Freundin oder wer auch immer, würde man nicht so tun, als würde man die Person nicht kennen. Das war alles ein abgekatertes Spiel und das aus seinem Mund zu hören, würde mich vermutlich noch mehr treffen.
„Was ist, wenn sie getrennt sind und es ist einfach ein altes Foto, welches er nie abgehangen hat?"
„Hazel", betonte ich ihren Namen extra, weil ihre Aussage für mich keinen Sinn ergab. „Sie saß auf der Bank und hat ihn mir angepriesen. Im Club hat sie mich gegen ihn geschubst. Warum bitte, wenn sie die Ex ist?"
„Vielleicht ist sie eine überaus tolerante Ex-Freundin?"
Hazel hatte scheinbar auf alles eine Antwort und ich wurde das Gefühl nicht los, als würde sie auf seiner Seite stehen.
„Ist doch jetzt auch egal."
Ich beendete unsere Unterhaltung, ging in die Küche und holte mir eine Schüssel Schokomüsli mit Milch. Den ganzen Tag über, hatte ich noch nichts gegessen. Innerlich war ich so durchgefroren, obwohl es hier warm war. Hazel hatte extra den Kamin angeheizt, doch der Tag hing mir einfach schwer in den Knochen.
Doch so konnte es nicht weiter gehen. Ich musste auf andere Gedanken kommen.
„Ich bin nochmal unterwegs", rief ich Hazel vom Flur aus zu und ging daraufhin durch den Schnee spazieren. Die Hände in den Jackentaschen vergraben und ein Stirnband auf dem Kopf, um mich vor der Kälte zu schützen.
Im Rosalie's Cottage begrüßte ich meine Kollegin, die heute Schicht hatte, holte mir einen Karamell Latte Macchiato und ging in den Central Park. Mit purer Absicht steuerte ich die Bank an, auf der ich sonst immer saß.
Sollte Cathy kommen, konnte ich ihr wenigstens auch nochmal meine Meinung geigen. Und wenn nicht, dann war es auch okay, denn langsam wollte ich nur noch mit diesem Thema abschließen.
Die vorbeilaufenden Menschen beobachtete ich wieder ganz explizit. Wer waren sie, woher kamen sie und was war ihre Geschichte? Doch heute erwischte ich mich dabei, dass ich ausschließlich negative Gedanken hatte. Ich konnte gerade scheinbar niemandem sein Glück gönnen und das ärgerte mich maßlos. Als ich den Latte Macchiato ausgetrunken hatte und gerade aufstehen wollte, sah ich sie von Weitem. Cathy ...
In mir brodelte es wieder zunehmend und ich legte natürlich einen extra bösen Blick auf, damit sie sich direkt auf was gefasst machen konnte. Sie kam näher, doch anstatt, dass sie sich mal entschuldigte, setzte sie sich wortlos neben mich und hielt den Kopf in die Sonne. Genauso wie bei unserer ersten Begegnung.
Mit ihrem Verhalten machte sie mich ehrlich gesagt nur noch wütender.
„Was um alles in der Welt stimmt nicht mit dir? Steht ihr auf so ein perverses Zeug? Du tust also tatsächlich so, als sei nichts gewesen?"
Während ich mich zu ihr drehte und sie mit meinen Augen wütend anfunkelte, lächelte sie nur und sagte kein Wort.
„Verdammte Scheiße, Cathy! Was soll das? Rede gefälligst mit mir", forderte ich sie auf und hob meine Stimme dabei. Gerade als ich weiter fluchen wollte, drehte sie ihren Körper zu mir und schenkte mir endlich Beachtung.
„Ich habe echt lange auf diesen Tag gewartet, Millie. Ihr habt euch damit aber auch wirklich Zeit gelassen."
Völlig perplex von ihre Worten öffnete ich meinen Mund. Ich verstand kein Wort von dem, was sie sagte.
„Na, was hätte ich auch noch tun sollen? Mir gingen langsam wirklich die Ideen aus und eigentlich hätte ich längst wieder zurück gemusst. Du weißt doch ... Ich bin nur auf der Durchreise."
Was sie noch hätte tun sollen? Mir die Wahrheit sagen, das wäre mal etwas Nützliches gewesen.
„Weißt du, ich fand dich wirklich nett. Und im Club hast du mir echt leidgetan, weil du so alleine warst. Aber ich hätte merken müssen, dass du irgendwas im Schilde führst. Hat Marlow nicht genug Geld? Reicht es nicht mehr? Ich sag's dir ... Bei mir ist nichts zu holen. Die Arbeit hättet ihr euch sparen können. Ich bin eine arme Stude-" Doch sie unterbrach mich.
„Du kommst vielleicht auf Ideen", kicherte sie. „Aber Marlow ist wirklich unschuldig. Du solltest ihm zuhören, Millie."
„Glaube ich kaum. Aber nehmen wir an, du hast recht ... Warum sagst du mir nicht einfach, was los ist? Immerhin hast du mich mit ihm verkuppelt. Und übrigens ... Bailey kannst du selbst bei ihm abholen."
Wie ein bockiges Kind, verschränkte ich meine Arme vor meiner Brust und blieb stur.
„Rede mit ihm. Gib ihm diese eine Chance und wenn du möchtest, treffen wir uns danach noch einmal hier."
Wozu sollte ich mich noch einmal mit ihr treffen? Ich war froh, wenn ich sie nicht mehr sehen musste. So plötzlich, wie sie aufgetaucht war, konnte sie meinetwegen wieder verschwinden.
Ich wusste nicht wieso, aber tatsächlich würde ich ihm diese eine Chance geben. Wahrscheinlich wollte ich insgeheim doch Antworten haben und die würde ich scheinbar nur bei ihm bekommen. Außerdem hatte Cathy mich wieder einmal neugierig gemacht. Ich hasste mich dafür, dass ich nicht härter zu ihr war. Aber es war komisch. Sobald sie in der Nähe war, war meine Wut zumindest ein wenig gemildert. Fast wie weggeblasen.
Ohne etwas zu sagen, stand ich auf und ging. Nur wohin?
Wollte ich heute mit ihm reden? War ich schon bereit dazu? Oder sollte ich lieber ein oder zwei Nächte darüber schlafen?
Er war zweimal heute bei mir gewesen und hatte versucht gehabt, es zu erklären. Wie von selbst, trugen mich meine Füße in seine Richtung.
Tat ich das Richtige? Mein Herz wollte ihn sehen und hören, was er zu sagen hatte. Mein Kopf sagte mir durchgehend, dass ich damit abschließen sollte.
In mir brannte pausenlos nur eine Frage ... Herz oder Kopf?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro