-24- Marlow
Meine Laune konnte einfach nicht besser sein. Millie war über Nacht da gewesen und damit ich ihr ein leckeres Frühstück bieten konnte, machte ich mich mit Bailey auf den Weg in die nächstgelegene Bäckerei. Unterwegs erledigte er sein Geschäft und selbst seinen morgendlichen Haufen machte ich mit einem glücklichen Grinsen weg. Und das sollte was heißen.
Es ging mir gut und zwischen uns lief es einfach grandios. Gestern Nacht waren wir kurz davor gewesen, miteinander zu schlafen, doch der schwarz-weiße Vierbeiner hatte uns unterbrochen. Für mich war das in Ordnung gewesen. Ich wollte sie sowieso nicht unter Druck setzen, auch wenn es mich viel Kraft gekostet hatte, mich zu beherrschen. Meine Erektion war hart, wie Stahl gewesen, was bei unserem wilden Rumgeknutsche aber auch kein Wunder war.
Ich war unendlich froh, dass Wyatt mir diese Gehirnwäsche verpasst hatte, denn ohne ihn wäre ich vermutlich nicht so weit gewesen, wie ich jetzt war. Er hatte recht. Ich musste Platz in meinem Herzen machen und wenn ich ehrlich war, war Millie schon mitten drin.
Nachdem ich die Brötchen geholt hatte, genossen Bailey und ich auf dem Nachhauseweg das wunderbare Wetter. Die kühle Dezemberluft und die Sonne ließen den Schnee auf den Straßen und Dächern glitzern. Ich hätte gerade die ganze Welt umarmen können und dementsprechend strahlte ich auch.
Im Fahrstuhl knurrte mein Magen, denn der Duft von frischen warmen Brötchen umhüllte den kleinen Raum.
„Du hast auch Hunger, mein Großer, oder?"
Er verstand mich, knurrte zustimmend und wollte mit seiner Schnauze an die Brötchentüte, die ich schnell nach oben zog.
„Vergiss es, mein Freund. Das ist für Millie und mich. Für dich gibt es gleich was anderes."
Als sich die Türen öffneten, stieg ich gut gelaunt aus, doch etwas verwundert sah ich zu der offen stehenden Haustür.
Hatte ich sie offen gelassen? Ich war mir sicher, dass ich sie hinter mir zugezogen hatte.
„Millie?", rief ich irritiert und bewegte mich mit Bailey immer weiter in Richtung Tür. Während er auf dem Boden schnüffelte, sah ich mich in der Wohnung nach Millie um, von der aber keine Antwort kam.
„Millie, bist du da?"
Mein Blick fiel auf den Kühlschrank und schlagartig zog sich alles in mir zusammen. Das Bild von ihr fehlte. Ich sah nach unten und bemerkte, dass es verkehrtherum auf dem Boden lag.
„Fuck!", fluchte ich aufgebracht. Wie konnte ich das nur vergessen? Warum hatte ich gestern nicht die Chance genutzt und ihr von dem Unfall erzählt?
Verdammt, ich dachte, ich wäre noch nicht bereit gewesen, dabei war es die beste Chance, die mir geboten wurde. Und nun dachte sie sicher, dass ich eine Freundin hatte. Warum sonst sollte sie abgehauen sein?
Voller Wut auf mich selbst, schlug ich meine geballte Faust auf den Küchentresen. Ich war ja selbst schuld an der Misere. Ich ganz alleine hatte es verbockt ... Doch ich musste etwas tun. Sie konnte nicht so weit sein, oder? Ich musste zumindest versuchen, sie einzuholen. Also lief ich sofort los, Bailey kam mir hinterher gerannt und gemeinsam hechteten wir die Treppen nach unten, ohne auch nur einmal anzuhalten.
Auf der Straße sah ich mich nach ihr um, doch New York war voller Menschen. Warum? Warum musste New York voller Touristen sein? Konnten die ihre Zeit zu Weihnachten nicht anderweitig verbringen?
Sie war nicht da. Ich hatte absolut keinen blassen Schimmer, in welche Richtung sie gelaufen war.
„Komm Bailey, wir müssen sie suchen", entschloss ich und lief in Richtung Central Park. Währenddessen holte ich mein Handy heraus und versuchte sie anzurufen, doch vergebens. Ihr Handy war ausgeschaltet.
„Verdammte Scheiße, das darf doch wohl nicht wahr sein."
Ich war so dumm. Hatte ich wirklich geglaubt, dass meine Vergangenheit keine Rolle spielen würde? Oder dass sie es nicht verstehen würde? Meine Güte, sie hatte sich mir geöffnet. Warum um alles in der Welt, hatte ich es gestern nicht hinbekommen?
Doch es brachte alles nichts. Das Suchen und auch das Jammern brachten mich gerade kein Stück vorwärts.
Also lief ich zurück, holte aus meiner Wohnung den Autoschlüssel und setzte mich kurzerhand in mein Auto. Aus strategischen Gründen hatte ich Bailey oben gelassen. Er war versorgt, hatte erst vor Kurzem sein Geschäft erledigt, also blieb mir ein bisschen Zeit, um sie zu suchen. Irgendwann würde sie kommen müssen, um Bailey zu holen. Immerhin gehörte er nicht mir. Nennt es egoistisch oder sonst was, aber in meinen Augen war es gerade die einzige Wahl, die ich hatte.
Vor ihrem Haus angekommen, parkte ich das Auto in der Einfahrt, stieg sofort aus und eilte zur Tür. Ich klingelte einmal ... zweimal ... und erst beim dritten Mal wurde die Tür von einer blonden jungen Frau geöffnet. Kaum älter, als Millie es war.
„Hallo", begrüßte sie mich.
„Hey, ähm ... Ist Millie da? Ich muss dringend mit ihr sprechen.."
„Du bist Marlow, oder?"
Völlig außer Atem nickte ich und strich mir durch meine Haare, die vor lauter Aufregung und der ganzen Hetzerei, in mein Gesicht gefallen waren.
„Nun ja ... Dann ist sie nicht hier."
Was hieß hier dann? Entweder war sie da oder nicht? Vermutlich hatte Millie ihr gesagt gehabt, dass sie mich nicht hereinlassen sollte. Doch sie kannte meine Erklärung ja nicht. Ich musste einfach mit ihr sprechen.
Aber anscheinend brauchte sie ein wenig Zeit. Ich war niemand, der sich einfach Zutritt zu einem fremden Haus verschaffte. Außer damals, als Wyatt und ich heimlich unseren heißgeliebten Baseball aus dem Haus von Mister Craft holen mussten. Hallo? Das ganze Team hatte unterschrieben und unser Nachbar war nur sauer, weil er zu oft in seinem Garten gelandet war.
„Okay, also wenn du sie siehst, sag ihr, sie soll mich anrufen. Oder vorbeikommen ... Es ist ein Missverständnis, okay? Bitte, sagst du ihr das?"
Sie schluckte schwer, senkte ihren Kopf ein wenig und nickte mitfühlend. Auch wenn ich sie nicht kannte, hatte ich das Gefühl, dass sie mir glaubte. Und genau das spielte mir gerade ungemein in die Karten. Denn wenn sie mir glaubte und ich ihr Mitgefühl geweckt hatte, dann würde sie mit Millie sprechen und sie hoffentlich dazu überreden, sich bei mir zu melden.
„Was ist mit Bailey?"
Ich konnte ja schlecht den kleinen Vierbeiner bei mir lassen. Er gehörte mir nicht und auch wenn das mein Plan war ... Er musste zurück hierher.
„Wo ist er denn?"
„Bei mir zuhause."
„Okay, ich schätze, ich hole ihn nachher bei dir ab."
Was hatte ich auch erwartet? Ich hatte nicht durchdacht, dass jemand anderes kommen würde, um ihn zu holen, als ich meinen Plan so spontan geschmiedet hatte. Dafür hatte ich vorhin einfach auch keine Zeit gehabt.
Jetzt würde diese unbekannte, dennoch sympathische Frau, Bailey bei mir abholen. Sicherlich war diese Nachbarin demnächst auch wieder da. Immerhin ging es auf Weihnachten zu.
Ich verabschiedete mich und fuhr nach Hause, wo Bailey bereits auf mich wartete.
„Hey mein Kleiner. Ich hab's versaut. Millie ist sauer. Zurecht."
Als ich natürlich keine Antwort bekam und er sich in sein Körbchen zurückgezogen hatte, musste ich mich ablenken. Zunächst einmal ging ich ins Badezimmer, putzte mir die Zähne, machte meine Haare und kochte mir danach einen Kaffee. Da ich bisher noch nichts gegessen hatte, ging ich zum Kühlschrank und sah die zwei Bierflaschen darin, die ich gestern in die Tür gestellt hatte. Sofort fiel mir das Geständnis von ihrer Krankheit wieder ein. Und wieder einmal ärgerte ich mich, dass ich diese Chance nicht genutzt hatte.
Dann hätte dieses blöde Missverständnis gar nicht im Raum gestanden. Wir hätten gemeinsam gefrühstückt und alles wäre gut gewesen, im Gegensatz zu jetzt.
Seufzend schloss ich den Kühlschrank und schaute auf das Foto von ihr. Meiner großen Liebe Cathy. Das Foto entstand bei einem gemeinsamen Spaziergang. Sie hatte wie immer ihre Polaroidkamera dabei gehabt und als die Sonne sie angestrahlt hatte und sie so perfekt ausgesehen hatte, musste ich diesen einen Moment einfach festhalten. Als sie wenig später für ein paar Tage geschäftlich verreisen musste, hatte sie ein Herz darauf gemalt und 'my love' darunter geschrieben.
„Da siehst du mal, Süße ... Ich bin voll raus aus dieser Flirt- und Beziehungssache. Wyatt hatte recht. Ich ziehe die Scheiße magisch an. Ich hoffe, du bist nicht böse auf mich, aber mein Leben muss weiter gehen."
Ich strich gedankenverloren mit meinem Daumen über ihre Konturen auf dem Foto und hing es schließlich zurück an den Kühlschrank. Egal, was dieses eine Foto von ihr angerichtet hatte, es musste hängen bleiben. Es war das Einzige, was mich in dieser Wohnung an sie erinnerte und sie war Teil meiner Vergangenheit.
Mein klingelndes Handy schob meine Gedanken sofort zur Seite. In der Hoffnung, dass es Millie war, holte ich es aus meiner Tasche, sah aber, dass es Greta war. Sie fragte, ob ich heute noch kommen würde, da sich einige Unterlagen anhäufen würden. Doch Arbeit schob ich heute einfach mal beiseite. Ich hatte sowieso keinen klaren Kopf dafür. Ich antwortete ihr schnell, zog mich um und ging dann joggen.
Die frische Luft tat mir gut. Natürlich hielt ich während meiner Runde die Augen offen, doch ich sah Millie nirgends. Immer wieder hielt ich an und schaute auf mein Handy, aber sie meldete sich einfach nicht. Da ich nicht wusste, wann Bailey abgeholt werden würde und auch, weil der kleine Kerl schon den ganzen Vormittag alleine war, machte ich mich auf den Rückweg. Heute schneite es mal nicht, doch es war kalt genug, sodass der Schnee liegen blieb.
Als ich zurück war, kümmerte ich mich erstmal um Bailey. Wir gingen nur kurz vor die Tür, damit er sich erleichtern konnte. Danach nahm ich eine heiße Dusche, zog mir eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt an und hockte mich zu Bailey auf den Boden. Ich streichelte über sein Fell und schaute resigniert durch meine Wohnung. Doch er stupste mich mit seiner kalten Schnauze an.
„Na mein Freund?! Ich glaube, ich habe richtig Mist gebaut. Was meinst du? Wird sie mir verzeihen?"
Die Frage war wohl eher, ob sie mir zuhören würde ...
Bailey legte seinen Kopf auf meinem Schoß ab und seine Pfote auf meine Hand. Ich könnte schwören, dass er jedes einzelne Wort von mir verstand. Dass er die Situation verstand. Und vermutlich hatte er sogar Mitleid mit mir.
Solange er da war, genoss ich die Zeit mit ihm. Er war mir richtig ans Herz gewachsen und es fiel mir zunehmend schwerer, an eine Zeit ohne den Vierbeiner zu denken. Wir spielten ein bisschen mit dem Ball und dabei war mir völlig egal, dass meine Wohnung danach aussah wie Sau.
Doch so richtig konnte ich mich nicht auf ihn konzentrieren. Ich wartete einfach ununterbrochen auf einen Anruf und hoffte, dass Millie mir die Chance gab, alles zu erklären.
Ansonsten sah ich schwarz, denn vermutlich würde ich wieder mit einem gebrochenen Herzen herumlaufen.
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