-17- Millie
Seit einigen Stunden lief ich nervös herum. Ich musste mich bei der Arbeit wirklich konzentrieren, bei der Sache zu bleiben. Jedes Mal schweiften meine Gedanken zu Marlow. Meine Chefin hatte schon vor einer Stunde Feierabend gemacht, weil sie noch einen wichtigen Termin hatte.
Ich ließ mich auf einen der Rattanstühle nieder und sah auf die Uhr. Hier war nichts mehr los, wofür ich gerade unfassbar dankbar war. Gleich war es soweit. In wenigen Minuten hatte ich Feierabend, was wiederum bedeutete, dass Marlow jeden Moment kommen musste, um mir Bailey zu bringen.
Warum war ich so aufgeregt?
Eigentlich kannte ich die Antwort auf meine Frage, doch er war ja nicht der erste Mann, der mir gefiel.
Ich kaute sogar an meinen Fingernägeln. Eine Eigenschaft, die mir sonst gar nicht ähnlich sah. Mein Magen überschlug sich fast vor Aufregung.
Um mich abzulenken, stand ich auf, ging hinter die Theke und befüllte die silbernen Serviettenhalter. Doch viel gab es da nicht zu tun, weshalb ich die Kaffeemaschine nach der Reinigung wieder zusammensetzte und über die Theke wischte, als plötzlich die Türglocke ertönte.
Mein Herz setzte einen Moment aus, als ich mich zur Tür umdrehte und Marlow mit Bailey auf dem Arm sah. Er hatte sich anscheinend umgezogen und stand nun in einer engen schwarzen Jeans, einem weißen T-Shirt und einer schwarzen Lederjacke vor mir.
Marlow lief zwar bestimmt nicht täglich im Anzug herum, auch wenn er Bankvorstandsvorsitzender war, aber so lässig und cool hatte ich ihn bisher nicht gesehen. Und ich musste zugeben ... Dieser Marlow gefiel mir sogar noch einen Tick besser.
Durch diesen Anblick bildete sich ein schwerer Kloß in meinem Hals, den ich mit viel Mühe herunter schluckte, als er mich schon aus meiner Trance holte.
„Hey. Na, hast du schon Feierabend?"
Bailey sprang von seinem Arm und rannte direkt auf mich zu.
„Oh, tut mir leid. Er dürfte gar nicht hier drin sein, oder?", entschuldigte er sich sofort, kniete sich auf den Boden und pfiff Bailey zurück.
Eigentlich durfte er tatsächlich nicht hier sein, aber meine Chefin war sowieso nicht da und Gäste kamen nun auch keine mehr.
„Schon okay. Ich bin gleich soweit. Danke, dass du ihn wieder gesittet hast. Ich hoffe, du hattest wegen mir keinen Stress mit deiner Mutter."
Er verzog grinsend das Gesicht, aber schüttelte den Kopf.
„Nein, nein. Keine Sorge."
Dann fügte er noch etwas hinzu. Ganz leise und ich war mir nicht sicher, ob ich es richtig verstanden hatte.
„Nicht deswegen."
Nicht deswegen? Was meinte er damit?
Er sog scharf Luft ein und rieb sich dabei den Nacken.
„Na komm, wir gehen nochmal nach draußen, Kleiner."
„Ich brauche nur noch ein paar Minuten."
Bailey und er gingen raus und durch das Schaufenster konnte ich sehen, wie er einen kleinen Ball aus seiner Jackentasche zog und mit Bailey spielte. Vor mich hin grinsend machte ich den Rest der Kaffeemaschine sauber, nahm meine Jacke und schloss die Tür ab.
Als ich mich umdrehte, stand Marlow wieder vor mir. Sein herber Duft nach Sandelholz und Tonkabohen drang in meine Nase und benebelte auf der Stelle alle meine Sinne.
Nur für eine Sekunde schloss ich meine Augen und inhalierte sein anziehendes und überwältigendes Aroma. Als ich sie wieder öffnete, sah ich in Marlow's strahlendblaue Augen, in denen ich mich augenblicklich verlor. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
„Ich ... Ähm ... Also ..."
Meine Atmung war schwergängig und mein Herzschlag schoss in die Höhe. Seine Augen scannten mein Gesicht ab und blieben schließlich auf meinen Lippen hängen.
Verdammt, das Ganze machte mich nur noch hibbeliger. Es war wieder so ein Moment, wie der, den wir gestern im Park hatten. Bevor Bailey uns unterbrochen hatte ...
Dann löste er seinen Blick, reichte mir die Leine und lächelte schwach.
„Hier."
Mit pochendem Herzen griff ich nach der Leine. Als sich unsere Fingerspitzen berührten, zog ein angenehmes Prickeln durch meinen Körper. Alles in mir kribbelte. Verursacht durch die kleinste Berührung.
Und dann geschah das Unvorhersehbare.
Anstatt mich loszulassen, zog er mich näher zu sich heran. Meine Atmung setzte komplett aus. Mein Hirn schaltete auf Autopilot. Während er mir tief in die Augen sah, wurde das Kribbeln in meinem Bauch immer unerträglicher. Fast schon schmerzhaft pulsierte alles in mir.
Marlow machte etwas mit mir. Er stellte Dinge mit mir und meinem Körper an, die ich kaum in Worte fassen konnte. Er machte mich nervös. Schwach. Und sorgte für Beine, die weich wie Butter waren.
Ohne Zweifel, genoss ich dieses magische Knistern zwischen uns. Wortlos blickte er mir in die Augen. Als würde er versuchen, etwas darin zu lesen.
Wartete er darauf, dass ich protestierte und diesen Moment unterbrach? Oder war er sich unsicher?
Doch dann legte er seinen Finger unter mein Kinn, um meinen Kopf nach oben zu neigen. Ich schloss erwartungsvoll meine Augen. Sekunden vergingen, in denen ich in völliger Dunkelheit sehnlichst darauf wartete, was passierte.
Jede Millisekunde fühlte sich wie eine verdammte Ewigkeit an. Als ich seinen warmen Atem endlich in dieser Eiseskälte auf meiner Haut spürte, pochte mein Unterleib nur so vor Verlangen.
Er war nah. Sehr nah.
Als ich seine Lippen auf meinen spürte, fühlte ich so etwas wie Erlösung. Endlich.
Er küsste mich zaghaft. Fast schon vorsichtig. Als wäre ich ein rohes Ei, welches jeden Moment zu zerbrechen drohte. Als ich meine Hände auf seine Arme legte und den Kuss vertiefte, hatte ich das Gefühl, er würde sich ein wenig fallen lassen. Er intensivierte den Kuss. Dominierte meine Lippen. Es war berauschend. Ihn endlich zu spüren, war das Beste, was mir in den vergangenen Monaten passiert war.
Wow.
Mehr Worte fand ich nicht dafür, was ich für diesen Mann empfand. Er hatte sich in mein Herz geschlichen. Einfach so. Und ich wollte mehr. Viel mehr.
Wir lösten uns voneinander und er legte schwer atmend sein Stirn an meine. Ganz leise keuchten wir beide.
„Wow, Millie..."
Gleichzeitig öffneten wir unsere Augen und sahen uns an. Sein Adamsapfel hüpfte kurzzeitig, bevor er seine Mundwinkel zu einem Lächeln hochzog. So umwerfend und toll dieser Kuss auch war, hatte ich das Gefühl, als ob ihn noch irgendetwas daran hinderte, sich mir zu hundert Prozent hinzugeben.
Was war es? Warum konnte er sich nicht komplett fallen lassen? Wollte er nur testen, ob dieser Kuss etwas in ihm auslöste? Wenn ja, tat es das?
„Ich muss jetzt langsam los. Und du frierst, also..."
Noch immer sprachlos von diesem Kuss, nickte ich nur. Natürlich hatte ich Verständnis dafür, dass er nach Hause wollte. Immerhin hatte er den ganzen Tag auf Bailey aufgepasst. Und doch hätte ich es schön gefunden, diesen Kuss noch einmal zu wiederholen.
„Komm, ich bringe dich nach Hause. Mein Auto steht da vorne."
„Das musst du wirklich nicht", versuchte ich ihn zu überreden, denn er hatte wirklich genug für mich getan. Doch er bestand darauf.
„Mich stört es nicht. Und ich möchte es gerne. Es soll gleich wieder anfangen, zu schneien und es ist arschkalt."
Natürlich freute ich mich, dass er mich nach Hause bringen wollte. Während wir zum Auto gingen, leckte ich mir über meine Lippen, nur um ihn nochmal schmecken zu können.
Es war himmlisch. Er schmeckte göttlich. So gut, dass ich süchtig war. Wenn er nicht wie ich empfand, musste ich mir überlegen, wie ich diese neue Abhängigkeit bekämpfen sollte, denn egal, was Marlow tat oder sagte ... Mich hatte es voll und ganz erwischt.
Im Auto herrschte eine unangenehme Stille. Wir wussten beide nicht, was wir sagen sollten. Bis auf den Weg, den ich ihm erklärte, hatten wir gerade kein Thema. Und genau das brachte mich wieder zum Nachdenken.
Bereute er den Kuss? War es nicht das, was er sich erhofft hatte?
Mir wurde übel und heiß, sodass ich automatisch meinen Schal von meinem Hals löste und versuchte mich zu akklimatisieren.
Zum Glück dauerte die Fahrt nicht lange, denn je länger ich meine Gedanken um diesen Kuss schweifen ließ, desto mehr glaubte ich fest daran, dass er ihn bereute.
Als er vor meinem Elternhaus zum Stehen kam und ich gerade die Beifahrertür öffnen wollte, legte Marlow seine Hand auf mein Bein und brachte mein Inneres erneut zum Kribbeln. Er sah mich an und lächelte.
Lächelte man, wenn man etwas bereute? Verdammt, ich war unsicher. Warum hatte ich plötzlich so wenig Selbstbewusstsein? So war ich doch sonst nicht.
„Sehen wir uns morgen wieder?"
Fragte man, ob man sich wieder sah, wenn man den Kuss bereute? Nein.
Und gleich wuchs mein Selbstwertgefühl wieder ins Unermessliche. Er wollte mich wieder sehen. Innerlich jubelte ich und machte Luftsprünge. Es fiel mir unglaublich schwer, keinen Freudentanz im Auto aufzuführen, so sehr erfreute mich seine Frage.
„Also wenn du jemanden für Bailey brauchst, kannst du ihn gerne bringen", fügte er hinzu und gleich bekam ich wieder Zweifel. Wollte er nur höflich sein und mich nur deswegen wiedersehen?
„Wenn du ihn nochmal nehmen würdest, dann gerne."
„Klar. Ich mache morgen mal frei und nehme ihn mit nach Hause, wenn es für dich okay ist."
Würde ich also Marlow's Zuhause sehen, wenn ich ihn bringen und abholen würde? Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Ich hatte keinerlei Empfinden dafür, was ich glauben sollte.
Trotz meiner Unsicherheit, blieb mir noch Hoffnung.
Ja, ich hoffte darauf, dass er mich sehen wollte. Nicht wegen Bailey. Sondern wegen mir ...
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