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„Halloween ist die Nacht der Masken, aber manchmal sind es die Menschen ohne, die die größten Geheimnisse tragen.“
Die frische Abendluft strömt mir entgegen, als ich das Haus verlasse. Ein sanfter Wind lässt die bunten Herbstblätter um mich herum tanzen, während die letzten Sonnenstrahlen des Tages mein Gesicht kitzeln. Es ist ein schöner Herbstabend, und dennoch spüre ich ein mulmiges Gefühl in meinem Magen, das nicht ganz zu der Szenerie passt.
Ich atme tief durch und mache mich auf den Weg zu dem Café, in dem ich mich mit Ben verabredet habe. Es sollte ein einfaches Date werden, aber in meinem Kopf spukt noch immer die Konfrontation mit Luca herum. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in der Lage bin, mich auf Ben zu konzentrieren, wenn ich ständig an diesen Halloween-Krieg denke.
Als ich mein Ziel erreiche, strömt mir der Duft von frisch gebackenem Gebäck und aromatischem Kaffee entgegen. Die Stimmen der Gäste füllen den Raum, und das Licht ist warm und einladend. Ich gehe durch die Tür und scanne den Raum, bis ich Ben entdecke, der an einem Tisch in der Ecke sitzt. Er hat die Haare etwas zerzaust, aber das steht ihm gut. Als er mich sieht, lächelt er freundlich und winkt mir zu.
„Hey“, sage ich, während ich mich setze. „Sorry, dass ich ein bisschen spät bin.“
„Kein Problem“, antwortet Ben. „Ich habe dir eine heiße Schokolade bestellt. Ich hoffe, das ist okay.“
„Perfekt, danke.“ Langsam entspanne ich mich ein wenig. Es fühlt sich gut an, mit jemandem zu reden, der nicht in die ganzen Spielchen mit Luca verwickelt ist.
Wir unterhalten uns über belanglose Dinge – die Schule, Hobbys, Freunde – und ich bemerke, wie seine Augen manchmal blitzen, wenn er von etwas begeistert erzählt. Das verleiht seinem Gesicht einen Ausdruck, der mich fast vergessen lässt, warum ich hier bin.
„Hast du den neuen Horrorfilm schon gesehen?“, fragt Ben mit einem breiten Grinsen. „Ich habe gehört, dass die Spezialeffekte echt krass sein sollen!“
„Noch nicht“, antworte ich und lache. „Ich habe es bisher vermieden, denn ich habe gehört, dass man danach nicht mehr schlafen kann. Und ich schätze, ich brauche meinen Schönheitsschlaf.“
Er schüttelt den Kopf, als wäre das die absurdeste Sache, die er je gehört hat. „Als ob du das nötig hättest! Aber ... wenn du Angst hast, kannst du einfach meinen Arm nehmen. Ich beschütze dich!“
Ich lache und verspüre einen kurzen Schauer, der mir über den Rücken läuft. Vielleicht liegt es daran, dass ich mir unsicher bin, ob ich möchte, dass er so etwas sagt. „Das klingt nach einem gewagten Angebot“, sage ich und spiele mit einer Haarsträhne. „Aber es könnte sein, dass ich dir deine Hand breche.“
„Ich könnte damit leben“, flüstert er mit einem Augenzwinkern.
Ich lache, schüttele leicht den Kopf und nehme einen kleinen Schluck von meiner heißen Schokolade, um mich abzulenken. Für einen Moment ist es einfach angenehm – das warme Licht im Café, das leise Murmeln der anderen Gäste, und dieser kleine Flirt zwischen uns, der mich auf eine Weise entspannt und zugleich ein wenig nervös macht. Doch gerade als ich den Blick hebe, sehe ich, wie Ben mich etwas genauer mustert, fast so, als wolle er herausfinden, was hinter meinem Lächeln steckt.
„Eigentlich wollte ich dich schon längst fragen“, beginnt er, und ich bemerke das leichte Zögern in seiner Stimme. Er lehnt sich zurück, hebt die Augenbrauen leicht und sieht mich an, als hätte er schon länger darauf gewartet, endlich dieses Thema anzusprechen. „Was war das eigentlich in der Druckerei? Das mit dem Laptop und … dem Verstecken unterm Tisch?“
Sein Ton klingt neugierig, fast belustigt, und ich merke, wie er versucht, den Ernst aus seiner Frage zu nehmen.
Ich merke, wie sich mein Nacken etwas anspannt, und blicke kurz aus dem Fenster, bevor ich ihm antworte. Draußen ist der Himmel jetzt in ein dunkles, rauchiges Blau getaucht, und die Straßenlaternen werfen gelbes Licht auf die letzten bunten Blätter, die noch an den Bäumen hängen. Im Café ist es voll, das Licht weich und warm, so dass der ganze Raum in einen goldenen Schein gehüllt wirkt. Eine Gruppe in der Nähe lacht leise, und der Duft nach süßem Gebäck ist so stark, dass er fast beruhigend wirkt.
Ich seufze leise und drehe meinen Becher in den Händen, spüre die Wärme des Porzellans. „Es geht um diese Halloween-Party“, beginne ich, und spüre einen unangenehmen Kloß im Hals. „Seit Jahren schmeiße ich die Party für die ganze Stufe. Fast jeder aus der Stufe kommt, es ist so eine Art Tradition, auf die sich alle freuen.“ Ich lächle kurz, obwohl ich mich dabei etwas nostalgisch fühle. „Aber diesmal ist es anders.“
Ben nickt nur leicht, aber er lässt mich spüren, dass er wirklich zuhört, dass er mich nicht einfach nur aus Höflichkeit ausreden lässt. Sein Blick ist aufmerksam, und ein Teil von mir fühlt sich dadurch sicherer, als ich weiterrede. „Da ist dieser Typ ... Luca“, erkläre ich und stiere auf meinen Becher, als ob er mir Antworten geben könnte. „Wir kennen uns schon ewig, aber in letzter Zeit kommen wir einfach nicht klar. Die letzten Jahre war das kein Problem – er war weg, in einer anderen Stadt. Aber jetzt ist er plötzlich zurück, und weil ich ihn nicht eingeladen habe, schmeißt er einfach seine eigene Party.“
Ein bitteres Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht, als ich mich noch mehr in meine Gedanken vertiefe. „Und jetzt taucht er einfach wieder auf mit seiner blöden, selbstgefälligen Art, seinem italienischen Charme, und denkt, er wäre der King. Der Typ, der alles bekommt, was er will. Als könnte er sich einfach alles nehmen, was ihm in den Weg kommt.“
Ben hört aufmerksam zu, aber ich merke, wie er mich dabei etwas genauer mustert. „Es klingt, als würdest du ihm doch mehr Aufmerksamkeit schenken, als du zugeben willst.“
Ich stocke, und für einen Moment trifft mich der Blick, den er mir zuwirft. Doch ich weiche ihm schnell aus. „Nein!“, sage ich viel zu schnell. „Er ist einfach ... ein Arsch. Aber ich will nicht, dass er das Gefühl hat, er kann meine Party ruinieren, nur weil er zurück ist.“
Ben hebt eine Augenbraue, und ein kleines, wissendes Lächeln spielt um seine Lippen. „Klingt ein bisschen so, als hättest du ihn doch ganz gern. Aber gut, vielleicht täusche ich mich ja.“
Ich verdrehe die Augen und versuche, das Thema schnell zu wechseln. „Du solltest echt Psychologie studieren“, sage ich mit einem sarkastischen Lächeln. „Dann könntest du die Menschen wenigstens besser lesen, statt in der Druckerei rumzuhängen.“
Ben lacht, als hätte er genau mit dieser Reaktion gerechnet. „Tatsächlich mache ich das sogar. Die Druckerei ist nur ein Nebenjob.“
Ich starre ihn überrascht an. „Wirklich? Psychologie?“
Er zuckt mit den Schultern, sein Lächeln bleibt ruhig. „Tja, man sieht nicht immer sofort das, was hinter der Fassade steckt.“
Seine Worte hängen in der Luft, und ich frage mich, ob er wirklich mehr sieht, als ich ihm gebe.
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