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„An Halloween sind die Geister nicht die Einzigen, die Streiche spielen. Manchmal müssen eben auch die Lebenden ein bisschen nachhelfen, damit die Nacht wirklich unvergesslich wird.“
Luca und Partys? Bitte?! Der Typ hat doch überhaupt keine Ahnung, wie man eine richtige Feier auf die Beine stellt. Wahrscheinlich denkt er, dass es reicht, ein paar Pizzen und Cola hinzustellen, und voilà, schon ist die Party fertig.
Dekorieren? Fehlanzeige. Vielleicht stellt er irgendwo eine billige Plastikspinne hin und glaubt, damit eine „gruselige Atmosphäre“ geschaffen zu haben. Ein müdes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich mir ausmale, wie er verzweifelt versucht, ein paar schiefe Kürbislaternen aufzustellen und dabei gegen seine mangelnde Kreativität kämpft. Nein, wirklich, ich mache mir keine Sorgen. Seine Party wird bestenfalls mittelmäßig – wenn überhaupt.
Um mich auf diese „Herausforderung“ einzustellen und den Gedanken an Luca und seinen Versuch von einer Halloween-Party zu vertreiben, schnappe ich mir eine große Schüssel Popcorn und lasse mich in die Couch sinken. Das Haus ist ruhig – zu ruhig, wenn man bedenkt, dass ich sturmfrei habe. Meine Eltern sind auf irgendeinem Geburtstag, und meine kleine Schwester übernachtet bei ihrer besten Freundin. Perfekte Voraussetzungen für einen richtig gruseligen Filmabend. Ich schalte den Fernseher ein, scrolle durch die Horrorfilme und entscheide mich für einen Klassiker, der angeblich „so schrecklich ist, dass man danach das Licht nicht mehr ausmacht“. Genau das, was ich brauche.
Schon die ersten Klänge der Filmmusik erzeugen Gänsehaut auf meinen Armen. Die Geschichte dreht sich um eine Gruppe Freunde, die einen Wochenendausflug in eine einsame Hütte mitten im Wald machen – natürlich weiß man von Anfang an, dass das kein gutes Ende nehmen wird. Ich grinse nervös und stopfe mir ein weiteres Stück Popcorn in den Mund, während auf dem Bildschirm die erste Person im Nebel verschwindet.
Doch je weiter der Film voranschreitet, desto mehr kriecht die Unruhe in mir hoch. Jeder Schrei aus dem Fernseher lässt mich zusammenzucken, und plötzlich wirken die Schatten im Wohnzimmer viel tiefer und bedrohlicher als noch vor ein paar Minuten. Das leise Knarren der alten Dielen klingt plötzlich so laut, als ob jemand direkt hinter mir stehen würde. Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter, daher ziehe ich die Decke enger um mich.
Dann, gerade als ich die Spannung kaum noch aushalte und mir ernsthaft überlege, ob ich den Film einfach ausmachen soll, zerreißt ein schrilles Klingeln die Stille. Reflexartig schreie ich auf und werfe das Popcorn in die Luft, während mein Herz gegen meine Rippen hämmert, als wollte es aus meinem Körper springen. „Wer zur Hölle kann das sein?!“ murmle ich, und die Panik in meiner Stimme überrascht mich selbst.
Mit zitternden Händen schleiche ich mich zur Tür, jeder Schritt hallt wie ein Trommelschlag durch die Wohnung. Das Klingeln wiederholt sich, diesmal eindringlicher, fast ungeduldig. Ich nehme all meinen Mut zusammen und spähe durch den Türspion.
Erleichterung durchflutet mich, als ich Sophie sehe, deren blonde Haare wild im Wind tanzen und deren Gesicht von einem breiten Grinsen erhellt wird, das heller strahlt als das Flurlicht. „Namida! Mach schon auf, bevor ich hier festfriere!“, ruft sie und klopft dabei energisch an die Tür.
Ich lasse die Luft aus meinen Lungen entweichen, öffne die Haustür und trete zur Seite, um sie hereinzulassen. „Alles okay bei dir? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Oder vielleicht ... Luca Moretti“, kichert sie, während sie eintritt und ihren großen Rucksack auf den Boden stellt.
„Nicht ganz, aber dieser verdammte Horrorfilm hat mich komplett aus der Fassung gebracht“, gestehe ich, während ich die verstreuten Popcornreste auf dem Boden betrachte. Die Schüssel liegt auf dem Teppich, der Fernseher flimmert immer noch bedrohlich im Hintergrund.
„Na, du hast dir hier ja ein richtiges Schlachtfeld aufgebaut“, kommentiert Sophie trocken und lässt ihren Blick durchs Wohnzimmer wandern. „Aber ich habe genau das Richtige, um dich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.“ Sie öffnet ihren Rucksack und beginnt, eine beeindruckende Menge Snacks herauszuholen – Schokoriegel, Chips, eine riesige Flasche Limo, und sogar eine Packung Marshmallows. „Ich hab genug mitgebracht, um uns für den Rest der Nacht bei Laune zu halten.“
„Okay, okay, du hast mich überzeugt“, sage ich und lasse mich wieder auf die Couch fallen, während Sophie sich mit einem plumpsenden Geräusch neben mich setzt. „Aber keinen Horror mehr, ich will heute Nacht noch schlafen können.“
Wir einigen uns auf eine Komödie, und es dauert nicht lange, bis die skurrilen Charaktere und übertriebenen Witze mich tatsächlich ablenken. Einige Szenen sind so albern, dass ich kaum anders kann, als laut loszulachen, während Sophie sich vor Lachen den Bauch hält. Es fühlt sich gut an, die Spannung aus den Knochen zu schütteln und einfach den Moment zu genießen.
Doch irgendwann wird Sophie ernst, ihre Miene plötzlich so, als hätte sie gerade an etwas Wichtiges gedacht. „Übrigens“, sagt sie beiläufig, während sie sich ein paar Chips in den Mund schiebt, „wusstest du schon, dass Luca bei seinem Onkel feiert?“
Ich runzle die Stirn. „Bei seinem Onkel? Wieso sollte er das tun?“
„Weil der die perfekte Location hat“, antwortet Sophie, ihre Augen blitzen auf. „Die alte Villa.“
Mein Lächeln gefriert. „Die Gruselvilla? Mit den Spukgeschichten und dem eingestürzten Turm? Die, über die sich seit Jahren die wildesten Gerüchte halten?“
Sophie nickt langsam. „Ja, genau die. Angeblich hat er schon alles vorbereitet – Nebelmaschinen, schaurige Beleuchtung, und er hat sogar einen DJ engagiert.“
Ein DJ wird auflegen? Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meinem Magen aus, als hätte ich einen Stein verschluckt. Diese Villa ist nicht einfach nur alt, sie ist legendär – ein perfekter Ort für eine unvergessliche Halloween-Party. Mit dem richtigen Dekor könnte sie jede Konkurrenz aus dem Feld schlagen. Wenn Luca es auch nur annähernd schafft, die Atmosphäre dieser schaurigen alten Villa zu nutzen, könnte seine Party meiner tatsächlich die Show stehlen.
„Na großartig“, murmele ich und lasse mich wieder zurück in die Kissen sinken. „Jetzt muss ich mir doch Sorgen machen.“
„Was hast du denn erwartet? Dass er sich mit ein paar Luftballons zufriedengibt?“ Sophie lacht leise und sieht mich herausfordernd an. „Aber jetzt mal ehrlich, was wirst du dagegen unternehmen?“
Ich verschränke die Arme vor der Brust und starre an die Decke, während ich über mögliche Pläne nachdenke. „Ich weiß es noch nicht, aber ich werde nicht tatenlos zusehen, wie er mir die Show stiehlt.“
Sophie legt den Kopf schief, als wolle sie mir einen besonders riskanten Gedanken anvertrauen. „Also, ich meine, es ist nur so eine Idee, aber ...“ Sie lässt den Satz einen Moment lang in der Luft hängen, dann spricht sie schnell weiter. „Du könntest seine Einladungen ... na ja, verschwinden lassen. Oder irgendwas in der Art.“
Ihr Vorschlag klingt halb im Scherz, doch er setzt sich sofort in meinem Kopf fest und wächst mit jedem Sekundentakt. Die Idee ist verwegen, vielleicht sogar ein bisschen unfair, aber in mir macht sich eine aufkeimende Entschlossenheit breit, es Luca nicht so leicht zu machen. Ich richte mich auf, und sehe Sophie mit funkelnden Augen an. „Vielleicht ist das gar nicht so abwegig.“
Mit großen Augen sieht mich Sophie an, als hätte sie nicht erwartet, dass ich ihren Vorschlag ernst nehmen würde. „Dir gefällt meine Idee?“, fragt sie, während ein kleines Lächeln um ihre Lippen spielt. „Ich dachte, du bist viel zu nett, um so etwas zu tun.“
„Nett sein bringt mir aber keine großartige Halloween-Party“, erwidere ich schulterzuckend. „Und ganz ehrlich, Luca hat das auch nicht anders verdient. Ich meine, die Villa? Der spielt nicht fair, also warum sollte ich es tun?“ In meinem Kopf rattert es bereits, und ich überlege fieberhaft, wie ich seinen Plan durchkreuzen könnte. Es müsste etwas sein, das seine Gäste verunsichert oder vielleicht sogar dafür sorgt, dass sie gar nicht erst erscheinen. Die Einladungen verschwinden zu lassen, wäre ein guter Anfang. Aber es gibt sicherlich noch andere Möglichkeiten, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Sophie rutscht ein Stück näher zu mir und senkt verschwörerisch die Stimme. „Also, was genau hast du im Sinn? Willst du die Einladungen wirklich verschwinden lassen? Oder vielleicht ... falsche Gerüchte streuen?“ Sie grinst mich an, ihre Augen leuchten vor Vorfreude.
„Warum nicht beides?“, erwidere ich, während mein eigener Enthusiasmus wächst. „Vielleicht gehen ein paar Einladungen ‚aus Versehen‘ verloren und gleichzeitig könnte ich dafür sorgen, dass sich in der Schule das Gerücht verbreitet, dass die Villa verflucht ist. Weißt du, so richtig mit Spukgeschichten, verschwundenen Leuten und allem Drum und Dran.“
Die Idee gefällt mir immer besser. Wenn Luca denkt, er hat schon gewonnen, werde ich ihm zeigen, dass er sich da gründlich geirrt hat.
„Das wird episch!“, ruft Sophie begeistert und klatscht in ihre Hände. „Er wird es bereuen, dich herausgefordert zu haben.“
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