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23 | IVETE

Victor Hugenay tippt sich leicht an die Krempe seines Huts. Ein kleines, schiefes Lächeln umspielt seine Lippen. Er scheint sich sehr über seinen Auftritt und unserer überraschten Gesichter zu amüsieren.

»Bonsoir, Messieurs! Bonsoir, Ivete! Ich hatte gehofft, dass ich euch alle hier versammelt antreffe. Darf ich eintreten?«

Justus zögert einen Augenblick, dann macht er eine einladende Handbewegung in den Raum rein. Als Victor an ihm vorbeigeht, tauschen die beiden einen Blick und es wirkt, als würden sie stumm miteinander kommunizieren.

»Ich hätte nicht gedacht, dass wir Sie noch einmal wiedersehen«, gesteht Justus, als er hinter dem Meisterdieb die Tür verschließt.

»Nun«, antwortet Victor, »auch, wenn ich unsere Zusammentreffen immer sehr genossen habe, geht es mir sehr ähnlich. Aber Umstände, die eine gewisse Dringlichkeit erfordern, haben mich hergeführt.«

»Was meinst du damit, Victor?« Ich gehe auf ihn zu, erspare mir aber unser übliches Begrüßungsritual, weil es jetzt irgendwie unangemessen wäre.

Aus seinen Augen verschwindet jegliches amüsiertes Funkeln und macht einem Ausdruck Platz, der in mir eine böse Vorahnung weckt.

»Ich habe Informationen über den Verbleib eures Freundes.«

»Was?«, entfährt es mir.

Peter stürmt um das Sofa herum. »Haben Sie etwas damit zu tun?«, grollt er.

Aber Victor schüttelt sofort den Kopf und hebt abwehrend die Hände. »Nein, ich besitze lediglich hervorragende Informationsquellen. Euer Freund ist bei einem Mann namens Jason Raynor.«

Bevor mir einfällt, wo ich diesen Namen schon einmal gehört habe, atmet Justus neben mir scharf ein.

»Der Security-Chef von Mrs Monet?«

Natürlich! Jetzt erinnere ich mich an Bobs Notizen und seine Bezeichnung für ihn. ›Arschloch‹. Und auch an meine eigenen Aufzeichnungen erinnere ich mich jetzt. Im Zuge der Vorbereitung des Diebstahls bei Mrs Monet habe ich natürlich auch die Security auf dem Schirm gehabt. Dass mir dieser Typ nicht näher im Gedächtnis geblieben ist, stellt sich nun als großer Fehler heraus.

Victor nickt bedächtig und sieht mich wieder direkt an. »Meine Informationsquelle hat mir verraten, dass Raynor schon ziemlich lange hinter dem Amulett hier ist und den Diebstahl von langer Hand geplant hat. Aber dann bist du ihm zuvor gekommen.«

Ich schüttel stirnrunzelnd den Kopf. »Das ist nicht dein Ernst! Raynor? Ohne die entsprechenden Kontakte wird er das Ding nie verkauft bekommen. Hat er die?«

Victors Mundwinkel zucken. »Nein, er nicht. Er ist lediglich der Handlanger, der sich die Hände schmutzig machen soll. Aber sein Auftraggeber verfügt über die nötigen Kontakte und sein Name dürfte dir nur allzu bekannt sein.«

Jegliches Blut weicht mir aus dem Gesicht. Ich weiß sofort, wen er meint. »Seay?«

Victor nickt bedächtig. »Raynor hat sich verzockt und steht jetzt in Seays Schuld. Als Gegenleistung hat Seay ihn damit beauftragt, das Amulett zu stehlen. Weil Raynor ja die ganze Zeit direkt an der Quelle saß.«

»Wer ist Seay?«, fragt Peter, aber niemand beachtet ihn.

Victors Blick trifft mich bis ins Mark und ich ahne, dass mir seine nächsten Worte den Boden unter den Füßen wegreißen werden. »Und das ist nicht alles. Raynor weiß, wer Urutau ist. Oder besser gesagt, er ahnt es. Und er will die Information mit dem Amulett zusammen an Seay verkaufen. Quasi als zusätzlichen Bonus. Ich denke nicht, dass ich erwähnen muss, was er sich von deinem Freund erhofft.«

Nein! Santa Merda! Das wäre eine Katastrophe.

Er hält mir einen kleinen USB-Stick entgegen. Aber noch habe ich damit zu tun, die Bedeutung seiner Worte zu verarbeiten. Raynor will Informationen über mich. Informationen, die ich ihm quasi auf dem Silbertablett geliefert habe, indem ich Bob in der letzten Nacht eingeweiht habe.

Justus nimmt Victor den Stick ab, weil ich immer noch wie erstarrt bin.

»Was ist da drauf?«

»Alle Informationen, die ihr benötigt, um euren Dritten rauszuholen.« Victors Blick wird noch finsterer, ehe er uns nach der Reihe anblickt. »Ihr solltet euch beeilen. Für Raynor steht viel auf dem Spiel. Er will unbedingt Beweise haben, die er Seay vorlegen kann und er wird dabei nicht zimperlich vorgehen.«

Die Information sorgt nicht wirklich für eine Beruhigung meiner Nerven. Im Gegenteil.

»Ich tue das, weil ich deinem Vater noch etwas Schulde«, erklärt er mir ruhig. »Er hat mir mehr als einmal aus der Patsche geholfen. Und auch, wenn wir niemals die gleiche Motivation für unsere Coups hatten, habe ich ihn immer respektiert und gemocht.« Als ich scharf einatme, nickt er. »Ja, ich weiß um die eigentliche Mission deines Vaters. Schon seit Jahren. Und ich weiß auch, was es für deine Familie bedeuten würde, wenn Seay die Wahrheit über den Urutau erfährt. Ein letztes Mal werde ich deiner Familie daher helfen. Danach sind wir quitt.«

Victor sieht mich eindringlich an, nickt mir und den zwei Fragezeichen dann zum Abschied zu und verschwindet. Sekundenlang starre ich die verschlossene Tür an und bin unfähig mich zu rühren. Kann dieser Tag noch schrecklicher werden?

Peter baut sich plötzlich vor mir auf und reißt mich aus meiner Starre. Er steht so nah vor mir, dass ich automatisch einen Schritt zurückweiche.

»Was habt ihr mit Hugenay am Hut?«, fragt er und der Tonfall verdeutlicht, dass er keine Ausflüchte gelten lässt.

Ich versuche die Benommenheit abzuschütteln und meine Gedanken wieder auf die richtige Bahn zu lenken. Ich bin völlig am Ende, diese nervliche Anspannung fühlt sich an, als hätte ich einen Iron Man absolviert.

Ich räusper mich, bevor ich zu einer Erklärung ansetze. »Victor ist ein alter Freund der Familie. Mein Vater hat mit ihm Geschäfte gemacht.«

»Illegale?«

»Auch«, gebe ich knapp zurück.

»Habt ihr dafür gesorgt, dass er vorzeitig entlassen wird?«

Ich blinzel und brauche einen Augenblick, bis ich meine Überraschung überwunden habe. Dann lache ich auf. »Nein«, versichere ich. »Aber glaub mir, wir sind nicht die einzigen mit dem entsprechenden Vermögen, für die Victor Hugenay tätig war.«

»Und was ist mit diesem Seay? Gehört er auch zu euren geheimen Club der Meisterdiebe? Macht ihr auch Geschäfte mit ihm?«

Ich funkel ihn an. »Ich mache keine Geschäfte mit diesem Monster!«

»Ach nein?«, bohrt er ungerührt weiter. »Was ist es dann? Hast du ihm auch etwas vor der Nase weggeschnappt, wie Raynor? Oder nein, nach dem, was Hugenay gerade angedeutet hat, ist er eher ein Hehler. Was hast du gegen ihn? Hast du ihn betrogen und nun Angst, entdeckt zu werden?«

Seine Worte fühlen sich wie lauter kleine, schmerzhafte Nadelstiche an. »Pass auf, was du sagst!«, zische ich ihm zu.

Er schüttelt den Kopf. »Nein, meine Liebe, ich versuche hier nur herauszufinden, in was für eine Scheiße du meinen besten Freund und damit auch uns reingezogen hast! Also, raus mit der Sprache! Wer ist dieser Seay? Was will er von dir und - die für mich viel wichtigere Frage - was will er von Bob?«

Ich schüttel den Kopf. »Das spielt überhaupt keine Rolle! Ich bin zu euch gekommen, damit wir einen gemeinsamen Plan erarbeiten und Bob da rausholen! Mehr nicht! Alles andere hat euch nichts zu interessieren, weil es ganz allein mein Problem ist!«

Peter lacht. »Es ist in dem Moment zu unserem Problem geworden, als Bob verschwunden ist. Vermutlich schon, als du aufgetaucht bist. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass es alles zu deinem perfiden Plan gehört! Das war alles nur Show, um Bob und damit uns abzulenken. Du spielst ihm Interesse und die großen Gefühle vor, lässt ihn verschwinden und Just und ich sind mit der Suche beschäftigt. Aber damit wirst du keinen Erfolg haben! Du magst einem von uns den Kopf verdreht haben, aber bei uns hast du damit keinen Erfolg!«

Ich weiß, dass mich dieser Mist nicht so hart treffen sollte, aber er tut es dennoch. Dass mir meine Gefühle zu Bob dermaßen aberkannt werden, verletzt mich mehr als es sollte.

»Ich habe ihm nichts vorgespielt!«, beginne ich mich zu verteidigen. »Aber das ist ganz sicher nichts, was ich jetzt hier mit dir besprechen werde! Meine Gefühle sind hier nicht von Belang und gehen dich im übrigen auch gar nichts an. Das ist etwas allein zwischen Bob und mir! Der jedoch aktuell nicht hier, sondern irgendwo in einem Loch hockt und womöglich in Lebensgefahr schwebt. Und was machst du? Hältst mir hier einen Vortrag über Vertrauen und Freundschaft, dabei bist du doch derjenige, der uns davon abhält, endlich etwas zu tun! Wenn ich mit dir nicht diese dämliche Diskussion führen würde, hätten wir vielleicht schon längst einen Plan entwickelt, wo wir Bob finden könnten.« Ohne es zu wollen, ist meine Stimme immer lauter geworden. Dieser Typ macht mich wahnsinnig!

»Erzähl doch keinen Bullshit!«, fährt mich Peter nicht weniger leise an. »Du hast doch nur dein eigenes Wohl im Kopf.«

»Du hast ja keine Ahnung, wie falsch du damit liegst! Mein ganzes Leben ist darauf ausgelegt, immer nur an andere zu denken. Niemals nur an mich, weil ich es mir nicht leisten kann, egoistisch zu sein!«

»Ach ja? Und wessen Haut willst du damit retten, dass keine Informationen über Urutau weitergegeben werden? Vielleicht doch deine eigene? Und was ist mit diesem Seay? Was hat er mit alledem zu tun?«

»Ich will ihn zur Strecke bringen!«, fauche ich. »Ich will, dass er endlich für das bezahlt, was er uns angetan hat!«

Peter schnaubt verächtlich. »Was soll das schon sein? Hat er dir Diebeswahre zu einem miesen Preis abgekauft? Oder hat er dich beim Betrügen erwischt?«

Das ist der Zeitpunkt, wo mir vollkommen der Kragen platzt und ich die Kontrolle über mich verliere.

»Er hat meine Mutter umgebracht und dafür gesorgt, dass mein Vater im Rollstuhl sitzt und sich kaum noch bewegen kann! Er hat unsere Familie zerstört!«, bricht es aus mir heraus. Mit jedem Wort bin ich lauter geworden. Den letzten Satz brülle ich ihm mitten ins Gesicht.

Ich spüre, wie sich meine Kehle zuschnürt und sich in meinen Augen Tränen sammeln, die ich mit aller Macht bekämpfe. Ich weine nicht! Ich weine nie! Ich habe damals nicht geweint, als meine Mutter starb und ich werde jetzt nicht in Gegenwart dieses Idioten, der mich von Anfang an nicht leiden konnte, damit anfangen.

Dennoch kann ich nicht verhindern, dass mein Sicht verschwimmt und mir Tränen die Wange herunter kullern. Schnell drehe ich mich weg und wische mir fahrig über die Augen. Meine Hände zittern wie Espenlaub. Ich atme mehrere Male tief durch, bis ich mich langsam wieder beruhigt habe.

Als ich mich wieder umdrehe, hat sich die aggressive Spannung im Raum in Luft aufgelöst. Peter hat eine defensive Haltung angenommen und ist einige Schritte zurückgewichen. Der Schock steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er sieht aus, als würde er mit sich ringen, ob er mich in den Arm nehmen soll oder lieber nicht. Zum Glück entscheidet er sich für letzteres.

Justus steht an der Tür zu seinem Zimmer, unter dem Arm einen zugeklappten Laptop. Sein Blick enthält neben dem Mitleid noch etwas ganz anderes. Verständnis?

»Was ist geschehen?«, fragt er mich. Seine tiefe Stimme legt sich wie eine beruhigende Decke über meine angespannten Nerven.

Ich schließe die Augen und hole tief Luft. »Meine Mutter war Politikerin. Sie hat sich sehr stark für den Schutz des Regenwaldes, speziell für die indigenen Reservate eingesetzt. Sie sind nicht nur Lebensraum für viele Menschen, sondern auch ökologisch wertvolle Biotope. Es kommt jedoch leider immer wieder vor, dass einzelne Gebiete freigegeben werden für wirtschaftliche Ausbeutung. Gerade unsere letzte Regierung war da sehr aktiv drin. Meine Mutter war Mitglied des Parlaments, in dem diese Beschlüsse abgestimmt werden müssen. Sie war eine der wenigen, die sich nicht hat beeinflussen lassen. Sie hat immer nur für ihre Überzeugungen gekämpft.« Ich muss mich räuspern, weil die Erinnerung an meine Mutter meine Stimme zittern lässt. Sie war so eine wundervolle, starke Frau. Mein Vorbild. Und ich vermisse sie so sehr. »Vor ihrem Tod sollte über ein Projekt im Parlament verhandelt werden, indem es um den Abbau von Seltenen Erden in einem der größten indigenen Gebiete Brasiliens ging. Das Projekt wäre beinahe gekippt worden, weil meine Mutter und einige ihrer Mitstreiter standhaft geblieben sind.«

»Aber dann ist etwas passiert?«

»Ein Flugzeugabsturz.« Meine Stimme bricht und ich muss mich räuspern. »Meine Mutter ist mit einer kleinen Delegation in besagtes Gebiet geflogen. Auf dem Weg dorthin ist die Maschine abgestürzt.« Wieder versagt mir die Stimme. »Wir wussten sofort, dass etwas nicht stimmte. Nach dem ersten Schockmoment fing mein Vater an, Nachforschungen anzustellen. Er fand heraus, dass ein US-amerikanisches Unternehmen sehr viel in das Projekt, dem nach dem Tod meiner Mutter im Parlament zugestimmt wurde, investiert hat. Der Inhaber heißt Douglas Michael Seay. Er hat sich auf den Abbau und Handel Seltener Erden spezialisiert, von denen auf dem Gebiet des Regenwaldes ziemlich viel vermutet werden. Er hat in Brasilien und anderen angrenzenden Ländern Abstimmungen, in denen es um die Zukunft indigener Reservate geht, beeinflusst, in dem er großzügige Geschenke verteilt oder die Personen und deren Familien bedroht hat.«

»Und ermordet?«, fragt Peter bestürzt.

Ich nicke. »Ja, auch. Mein Vater hat es sich zur Aufgabe gemacht, Beweise zu finden, die ihn mit dem Absturz und mit weiteren sehr mysteriösen Unfällen von Politikern oder ihren Angehörigen in Verbindung bringen. Außerdem hat er versucht, die Geschäfte von Seay aufzudecken, die alles andere als sauber sind.«

Justus stellt den Laptop auf den Couchtisch und setzte sich auf den Sessel. »Also ist es kein Zufall, dass der Urutau vor sechs Jahren verschwand. Ich vermute dein Vater hat sich von seiner bisherigen Mission abgewendet und seine Fähigkeiten und Kenntnisse als Dieb genutzt, um an die Beweise zu kommen?«

Ich nicke. »Seay ist schlau. Er agiert stets am Rand des internationalen Rechts und überschreitet die Grenzen zur Illegalität nie ganz. Oder zumindest hinterlässt er keine Beweise. Mein Vater hat es auf offiziellem Weg versucht, gegen ihn vorzugehen. Seay ist den Behörden bekannt, bereits seit Jahren. Aber sie haben praktisch nichts gegen ihn in der Hand. Jedes Mal, wenn sie glauben, einen wasserdichten Beweis gefunden zu haben, verschwinden Dokumente oder Zeugen ändern ihre Meinung oder sterben.« Ich muss tief einatmen, weil der Gedanke an diesen Mann meine Wut immer in unsagbare Höhen treibt. »Mein Vater hat es schließlich auf anderem Weg versucht und hat dabei ein Netz an Geschäftspartnern aufgedeckt, die mit Seay zusammenarbeiten und ihn decken. Mit der Zeit ist Seay jedoch misstrauisch geworden und bei seinem letzten Coup ist mein Vater Seays Männern in allerletzter Sekunde entkommen.« Die Erinnerung an diese Nacht jagt mir immer noch einen eiskalten Schauer des Entsetzens über den Rücken. »Es gelang ihm, einen Notruf an meine Schwester und mich abzusetzen. Ich hab ihn gefunden und in Sicherheit gebracht. Aber seine Verletzungen waren so schwer, dass er sehr lange im Koma lag. Inzwischen geht es bergauf, aber er wird nie wieder der selbe sein können. Das heißt auch, dass er seine Mission nie zu Ende bringen kann. Seay weiß nicht, dass mein Vater der Urutau ist oder war. Es wäre eine Katastrophe, wenn die Tarnung auffliegt.«

»Und du hast den Job nach dem Unfall deines Vaters übernommen?«

Ich nicke. »Seit drei Jahren führe ich das fort, was mein Vater begonnen hat. Ich will den Mörder meiner Mutter überführen.«

»Okay, nur nochmal kurz zusammengefasst: Dein Vater hat vor dreißig Jahren begonnen, Kunst zu stehlen und sich dafür die Tarnidentität Urutau aufgebaut. Richtig?«, fragt Peter. Er wartet mein Nicken ab, bevor er weiterspricht. »Hattet ihr keine Ahnung, was er macht? Hat er das dreißig Jahre geheim halten können?«

Ich zucke mit den Achseln. »Wir wussten von nichts. Meine Schwester und ich haben erst nach dem Unfall davon erfahren.«

»Woher kannst du das dann alles? Ich meine, lernt man das irgendwo in nem Wochenend-Kurs oder bei Youtube?«

»Mein Vater hat es uns beigebracht. Er hat es meine ganze Kindheit lang als ein riesengroßes Spiel gestaltet und wir haben immer begeistert mitgemacht. Eine riesige Schatzsuche, bei der es darum ging, unbemerkt in die Schatzkammer zu kommen, das Schloss am schnellsten zu knacken und genauso unbemerkt wieder zu verschwinden. Ich habe erst verstanden, was er da eigentlich getan hat, als ich seine Tarnidentität herausfand. Vielleicht hatte er von Anfang an den Plan, dass meine Schwester oder ich irgendwann sein Vermächtnis weiterführen.«

»Was passierte all die Jahre mit dem Schmuck oder den Kunstgegenständen, die er gestohlen hat?«, fragt Justus weiter. »Es ging ihm offensichtlich nicht darum, sich weiter zu bereichern?«

»Mein Vater hatte es sich zum Ziel gemacht, sie ihren rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Viele dienten allerdings auch als Ablenkung, damit nicht auffiel, was das eigentliche Ziel ist. Nämlich Informationen. Dann wurden die Gegenstände manchmal auch verkauft und der Erlös gespendet. Ich habe es sehr ähnlich gehandhabt. Die Gegenstände sind mir vollkommen egal.«

»Ich gehe davon aus, dass du uns eine Spur zu dem Maya-Amulett gelegt hättest, damit wir es Mrs Monet zurückbringen?«, vermutet Justus.

Ich nicke stumm.

»Und was hast du bei Mrs Monet gefunden?«, fragt Peter.

»Ihr Mann war einer der Unterstützer von Seay. Er hat in einem Geheimversteck unterhalb des Amuletts Unterlagen versteckt, die seine finanzielle Beteiligung an dem Projekt beweisen, das meiner Mutter das Leben gekostet hat.«

Stille breitet sich im Raum aus. Meine Kraft verlässt mich endgültig und ich lasse mich auf das Sofa fallen, die Arme auf den Knien abgestützt und das Gesicht in meinen Händen verborgen. Die letzten Stunden haben mir alles abverlangt und der Streit gerade mit Peter war das i-Tüpfelchen. Mir ist so sehr danach, einfach aufzugeben und den Kopf in den Sand zu stecken. Aber das kann ich nicht tun! Nicht, wenn Bob immer noch in Gefahr ist. Und meine Familie! Ich muss um jeden Preis verhindern, dass Raynor irgendetwas weitergibt. Ob Bob geredet hat? Und wenn ja, was hat er erzählt? Wie viel Zeit bleibt mir noch?

Plötzlich tippt mir jemand auf die Schulter. Als ich aufblicke, schwebt ein volles Glas mit Wasser vor meinem Gesicht. Erst jetzt bemerke ich, wie durstig ich bin. Ich greife danach und nicke Peter dankend zu. Er erwidert es und setzt sich dann neben mich auf die Couch.

»Also schön«, sagt er und klatscht in die Hände. »Wie machen wir jetzt weiter?«

Die Worte lassen mich erleichtert aufatmen. Endlich geht es voran.

»Während ihr mit eurem Disput beschäftigt wart«, beginnt Justus in einem Ton, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob er uns Vorwürfe macht oder ob er sich amüsiert, »habe ich mir schon einmal die Informationen angeschaut, die Hugenay uns übergeben hat.«

»Und?« Ich stelle das Glas ab, nachdem ich es zur Hälfte geleert habe und sehe ihn erwartungsvoll an. »Jetzt mach's nicht so spannend! Was ist auf dem Stick drauf.«

»Gewöhn' dich da lieber dran. Justus liebt den großen Auftritt«, murmelt Peter mir verschwörerisch zu, ehe Justus antworten kann.

Ein wenig verwundert und auch misstrauisch blicke ich ihn an. An diese plötzliche Vertrautheit muss ich mich erst noch gewöhnen. Offenbar ist die Sache für die beiden geklärt, aber so ganz traue ich dem plötzlichen Stimmungsumschwung noch nicht.

»Es sind Unterlagen drauf. Um genauer zu sein Mietverträge für Schiffscontainer.« Justus stellt den Laptop auf den Tisch und dreht ihn zu uns herum, sodass wir auf den Bildschirm sehen können. »Bob ist im Containerhafen von Long Beach in einem dieser Container.«

Ein Gedanke durchzuckt mich. Schnell greife ich nach meinem Handy und lese die Nachricht, die meine Schwester mir schon vor einer ganzen Weile geschrieben hat. Als ich den Link öffne, der in ihrer letzten Nachricht zu lesen ist, beginnt mein Herz sofort schneller zu schlagen. Eine Seite baut sich auf. Es sieht aus wie eine Karte, in der Mitte des Bildschirms erscheint ein roter Punkt.

»Und ich weiß auch in welchem.«

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