12 | BOB
Es ist Samstag Abend. Über eine Woche ist es her, seit ich Ivete das letzte Mal gesehen habe. Wir haben uns zwischendurch immer mal wieder geschrieben, aber waren beide so eingespannt, dass wir kein weiteres Treffen hinbekommen haben. Ich bedaure das sehr, aber der Tag hat leider nur 24 Stunden. Und die Dozierenden kennen kein Pardon und legen im neuen Semester direkt mit voller Kraft los.
Bei unseren Ermittlungen sind wir aus diesem Grund auch immer noch nicht weiter. Ich warte immer noch auf Rückmeldung von Dads Kollegin. Die Befragung des Personal haben Peter und Just inzwischen abgeschlossen, aber sie hat nichts ergeben. Niemand hat etwas gesehen. Jay ist tatsächlich nicht begeistert gewesen, als ich die Personalliste von ihm wollte. Es hat etwas Überredung gekostet. Aber auch das war eine Sackgasse. Langsam gehen uns die Spuren aus.
Diesen Samstag Abend will ich dafür nutzen, endlich die Akte zu dem Fall zu vervollständigen. Auch dazu bin ich die letzten Tage nicht gekommen. Ich bin allein in der WG. Peter hat ein Spiel und zieht danach mit seinen Basketball-Kumpels los. Und Justus hat sich mit Koby verabredet.
Ich habe es mir gerade am Laptop bequem gemacht, als mein Handy vibriert und mir eine Nachricht anzeigt.
Ivete: Hast du heute Abend schon was vor?
Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen. Ganz ganz kurz meldet sich mein Pflichtbewusstsein, aber es hat keinerlei Chance gegenüber dem Wunsch, sie endlich wieder zu sehen.
Ich: Was schwebt dir vor?
Ivete: Lass dich überraschen. Ich hol dich in einer halben Stunde ab.
Ich: Okay.
Ich schicke ihr meine Adresse und mache mich dann fertig.
Wie angekündigt steht eine halbe Stunde später ein schicker silbener Mercedes Cabriolet vor unserem Haus. Ivete hat das Verdeck geöffnet und winkt mir lächelnd zu. Ich bestaune den Wagen einen kurzen Augenblick. Eigentlich kann ich mit Autos nicht viel anfangen. Mein alter Käfer war ein liebgewonnener Gebrauchgegenstand, bis ich ihn dann vor zwei Jahren endgültig verschrotten musste, weil er sich einfach nicht mehr wiederbeleben ließ. Nun bin ich autolos.
»Hey.«
»Olá!«, ruft sie mir zu und schenkt mir ein strahlendes Lächeln, als ich mich neben ihr niederlasse. »Bereit für die Überraschung?«
»Kommt darauf an«, gebe ich zu bedenken.
»Keine Angst«, zwinkert sie mir zu, »ich verspreche dir, nicht zur Serienmörderin zu mutieren.«
Sie fährt los und die Art, wie sie den Wagen durch den Stadtverkehr lenkt, zeigt mir, dass sie eine sehr routinierte und gute Fahrerin ist. Auch wenn ich sie eigentlich gar nicht kenne, überfällt mich sofort das Gefühl von Geborgenheit. Ich vertraue ihr, das wird mir jetzt in diese Augenblick bewusst. Was auch immer sie für eine Überraschung für mich bereit hält, ich freue mich darauf.
Entspannt lehne ich mich zurück und lasse alles auf mich zukommen.
Eine halbe Stunde später parkt Ivete ihr Cabriolet an einem einsamen Aussichtspunkt irgendwo an der Küste bei Santa Monica. Die Sonne steht tief am Horizont und der Himmel leuchtet in allen möglichen Rot- und Gelbschattierungen.
Wir habe uns bei einem Fast-Food-Laden mit Getränken, Pommes und Taccos eingedeckt und alles zwischen uns auf der Mittelkonsole und dem Armaturenbrett aufgebaut.
Aus dem Boxen erklingt leise elektronische Musik mit lateinamerikanischen Klängen. Gesungen wird spanisch, aber auch in einer anderen Sprache. Portugiesisch vermutlich. In Verbindung mit dem Rauschen der Wellen entsteht eine Atmosphäre, die mich irgendwie packt. Ich hatte schon immer ein Faible für Musik, aber elektronische Musik war bisher nie meins gewesen. Aber das hier hat etwas.
Vielleicht liegt es aber auch an meiner Begleitung, die einfach hinreißend aussieht. Sie sitzt dort, hat die Knie angezogen und am Steuer abgestützt. Wie immer trägt sie ein Kleid. Ob sie überhaupt Hosen besitzt? Der Saum ihres Kleides rutscht immer weiter runter und gibt immer mehr ihrer Oberschenkel Preis.
Der Anblick machte mich irre. Die ganze Zeit schon. Immer wieder wandern meine Augen unauffällig an diese Stelle.
Während wir essen, plaudern wir über alles Mögliche. Wir erzählen uns gegenseitig von unserer Uniwoche. Ihren Andeutungen nach zu urteilen hatte sie einen ähnlich vollgepackten Terminkalender und ist froh, dass Wochenende ist. Mir geht es ähnlich. Ich war Abends zu kaum mehr fähig, als eine Folge meiner aktuellen Serie zu schauen. Lustigerweise stellt sich heraus, dass auch Ivete diese Serie gerade begonnen hat und so entbrennt eine angeregte Diskussion über die Schauspieler und Schauspielerinnen, den Plot, der an einigen Stellen ziemliche Logikfehler enthält und dass die Serie trotz allem aber ganz sehenswert ist.
Als die Sonne vollständig untergegangen ist, ist von unserem Essen nicht mehr viel übrig geblieben. Satt und zufrieden sitzen wir da und schauen dem Farbenspiel des Himmels zu. Seit einer Weile bereits sagt keiner von uns beiden ein Wort. Aber es ist keine unangenehme Stille zwischen uns. Im Gegenteil.
Ich bin der erste, der die Stille irgendwann bricht.
»Darf ich dich etwas fragen?«
Sie dreht mir den Kopf zu. »Klar, schieß los.«
Es gibt da eine Sache, die mir die ganze Zeit bereits unter den Nägeln brennt und jetzt scheint der geeignete Augenblick dafür zu sein. Ich überlege hin und her, entscheide mich dann aber, die Frage einfach direkt zu stellen. »Warum warst du auf der Party von Filippa Monet eingeladen?«
Sie zögert sichtlich, scheint zu überlegen, was sie sagen soll. Dann grinst sie schief. »Du meinst, weil ›normale‹ Menschen auf solche Veranstaltung in der Regel keinen Zutritt haben?«
»Naja, ›normal‹ ... aber ja, so in etwa meine ich das.«
Sie lässt einen tiefen Seufzer hören, der mich irgendwie misstrauisch macht. Warum macht sie so ein Geheimnis daraus, wer sie ist? Dass sie finanziell in einer ganz anderen Klasse spielt als ich, war mir sofort klar. Ihr Auftreten, ihre Kleidung. Allein dieses Cabrio kostet wahrscheinlich das Fünffache von dem, was mein alter Käfer fabrikneu gekostet hat.
»Wenn die Frage unverschämt war, tut es mir leid«, rudere ich zurück.
Aber sie winkt zu meiner Überraschung ab. »War sie nicht. Es ist nicht so, dass ich dir das nicht erzählen will. Es ist nur«, sie zögert und gibt sich dann einen sichtlichen Ruck, »wenn ich erzähle, wer ich bin und wo ich herkomme, sind die Leute immer so beeindruckt und benehmen sich plötzlich ganz anders, als vorher. Ich hab ein wenig Angst, dass es bei uns auch so ist. Ich mag das hier und ich wollte es nicht zerstören, nur weil ich einen familiären Background habe, der ein wenig ... einschüchternd ist.«
»Okay«, sage ich und mir kommt eine Idee. »Dann sag ich dir einfach, was ich denke und du ergänzt dann das, was du noch verraten möchtest.«
Überraschung und Neugierde zeigen sich in ihren dunklen Augen. Sie dreht sich noch ein Stückchen mehr zu mir und sieht mich erwartungsvoll an. »Okay, dann leg mal los!«
»Also deine Familie stammt aus Lateinamerika. Du hast einen leichten Akzent, den ich nicht genau identifizieren kann, deswegen bin ich mir nicht sicher ob Brasilien oder eins der spanischsprachigen Länder. Dein Englisch ist sonst perfekt. Ich glaube nicht, dass du in den USA aufgewachsen bist. Deine Familie hat ausreichend Geld, um dir eine sehr gute Ausbildung, ein Studium und das Leben in LA zu finanzieren. Vermutlich hat sie sehr viel Einfluss und ist in bestimmten Kreisen sehr bekannt. Ansonsten hättest du wohl keine Einladung von einer berühmten Schauspielerin bekommen. Und da du deinen Master in Business Administration machst, glaube ich nicht, dass sie ihr Geld im Filmgeschäft machen. Eher sowas wie Handel vielleicht. Der MBA bietet sich da an, wenn du ins Familiengeschäft einsteigen sollst.«
Am Ende meiner Ausführungen bleibt sie eine lange Zeit stumm und schaut mich einfach nur an. Dann lacht sie leise.
»Wow, ich bin beeindruckt. In dir scheint ein kleiner Detektiv verloren gegangen zu sein.«
Das breite Grinsen kann ich nicht zurückhalten. »Kann man so sagen, ja. Aber eins ist mir noch wichtig. Wenn du glaubst, dass mich das abschreckt, irrst du dich. Ich sitze hier nicht mit deiner Familie, sondern mit dir. Und ehrlich gesagt, finde ich dich als Person viel faszinierender, als deine Familiengeschichte.«
Ihre braunen Augen beginnen zu funkeln und fixieren mich. Der Drang, sie endlich zu küssen, wird unerträglich. Aber erst will ich das hier noch zwischen uns klären. Es ist offenbar etwas, worüber sie sich große Gedanken macht und ich habe meinen Standpunkt hoffentlich deutlich genug gemacht. Mir ist es tatsächlich egal, woher sie kommt und wie viel Geld sie auf dem Konto hat. Nichts von dem ändert etwas daran, dass sie mich fasziniert und irgendetwas in mir berührt.
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, beugt sie sich über die Mittelkonsole zu mir und gibt mir einen fast schon keuchen Kuss. Sanft streichen ihre Lippen über meine und lassen mein Herz bis zum Hals schlagen. Ich halte mich aber zurück und warte ab.
Wenige Augenblicke später löst sie sich von mir.
»Ich bin in Brasilien, einige Meilen von Rio de Janeiro entfernt, geboren und aufgewachsen«, beginnt sie zu erzählen. »Mein Urgroßvater hat sein Vermögen mit Diamanten gemacht. Inzwischen ist meine Familie im Kunsthandel tätig, spezialisiert auf antike lateinamerikanische Kunst. Das war auch meine Eintrittskarte für die Party. Mrs Monet wollte eines der Stücke aus ihrer privaten Sammlung veräußern und ich habe es mir angesehen. Frage beantwortet?«
»Danke.« Nein, eigentlich noch nicht ganz, aber ich gebe mich ersteinmal damit zufrieden und lächel sie an. »Warst du eigentlich noch da, als der Diebstahl begangen wurde?«
Sie runzelt die Stirn. »Du meinst das Amulett? Ja, aber ich habe es nicht direkt mitbekommen. Es ist eine Schande. Mrs Monet hat es mir noch gezeigt. Ein wunderschönes Stück.«
»Du hast es gesehen?« Ich stutze und richte mich auf.
Sie nickt. »Natürlich. Sie hat mich in diesen Museumsraum geführt. Ich musste mir schließlich das Verkaufsobjekt ansehen.«
Ja, das klingt logisch. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dann auf den Aufnahmen zu sehen gewesen sein müsste. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich Ivete und Mrs Monet nach oben habe gehen sehen. Bisher war ich davon ausgegangen, dass sie sich ins Büro zurückgezogen hatten. Warum zeigen die Aufnahmen der Überwachungskameras die beiden Frauen nicht?
Ivete reißt mich aus meinen Überlegungen und ich schiebe den Gedanken ganz weit nach hinten. Das hat Zeit.
»Woher weißt du davon?«, fragte sie. »Soweit ich weiß, ist der Diebstahl bisher nicht an die Öffentlichkeit gekommen.«
Ich zögere, entscheide mich aber dann, ihr reinen Wein einzuschenken. »Meine Freunde und ich ermitteln in dem Fall und wollen Mrs Monet helfen, das Amulett wiederzubekommen.«
Sie legt den Kopf schief und sieht mich fragend an. »Ihr ermittelt? Was bedeutet das?«
»Wir haben ein Detektivunternehmen.«
Sie blinzelt überrascht. »Ihr ... Wie alt seid ihr?«
Ich schmunzel. »Das fragt mich die Person, die auch keine sonderlich unbedeutende Rolle in diesem Familienunternehmen spielen kann, wenn sie zu so einer wichtigen Kundin vorgeschickt wird.«
Sie hebt abwehrend die Hände und grinst. »Okay, Touché. Also schön, Mrs Monet hat euch also als Detektive beauftragt. Und? Habt ihr schon eine Spur? Oder darfst du mir aus ermittlungstechnischen Gründen nichts verraten?«
Warum nur habe ich das Gefühl, dass sie sich über mich lustig macht? Aber verdammt, es gefällt mir irgendwie. Die Art, wie sie mich dabei ansieht, macht mich verrückt.
»Selbst wenn ich wollte, könnte ich dir nicht viel berichten. Leider sind wir noch nicht allzuweit gekommen. Wir wissen nur, dass vermutlich ein geheimnisvoller Meisterdieb namens Urutau seine Finger im Spiel hat.« Ich stutze und mir kommt plötzlich eine Idee. »Wenn ihr im Kunsthandel tätig seid, hast du vielleicht schonmal von ihm gehört?«
Sie nickt und runzelt die Stirn. »Urutau? Der Geistervogel? Ja, natürlich kenne ich ihn ... also eher seine Legende. Er ist seit Jahren nicht mehr auf der Bildfläche erschienen, soweit ich informiert bin. Seid ihr euch sicher?«
»Die Indizien sprechen für sich.«
Nachdenklich blickt sie in Richtung Horizont. »Das wäre natürlich ein Ding«, murmelt sie mehr zu sich selbst.
Zu gerne wüsste ich, was ihr nun durch den Kopf geht, aber sie verrät es mir nicht.
Stattdessen legt sie den Kopf schief und schaut mich neugierig an. »Was ist mit dir? Was gibt es über dich zu wissen?«
Inzwischen ist es ziemlich dunkel um uns herum geworden, aber durch die Lichter der Soundanlage kann ich das Blitzen in ihren Augen dennoch sehr gut sehen.
»Was willst du wissen?«
Sie legt einen Finger an ihr Kinn und tut, als würde sie angestrengt überlegen. »Alles? Wo kommst du her? Was machst du in deiner Freizeit? Hast du Geschwister? Lieblingsfilme? Lieblingsmusik? Warum die UCLA? Warum Journalistik?«
Ich lache auf. »Das sind ganz schön viele Fragen auf einmal.«
»Ich hoffe, du wirst sie mir dennoch beantworten«, zwinkert sie mir zu.
Ich seufze, kann ich diesem Blick doch wirklich nicht widerstehen. »Also schön. Geboren und aufgewachsen in einer Kleinstadt nördlich von Santa Monica.«
»Geschwister?«
»Einzelkind. Und du?«
Ein Lächeln stiehlt sich in ihr Gesicht. »Eine kleine nervige Schwester.« Wie sie das sagt, klingt es eher nach einem Kompliment. »Warum die UCLA? Hattest du nie das Bedürfnis, nach der Schule rauszukommen und was anderes zu sehen?«
»Nein«, antworte ich ehrlich. »Tatsächlich nicht. Ich wollte bei meiner Familie und meinen Freunden bleiben, was auch zum Glück geklappt hat. Meine besten Freunde sind auch an der Uni angenommen worden und wir haben eine WG gegründet.«
»Sind das die, mit denen du Detektiv spielst?«
Ich beuge mich zu ihr hinüber, bis sich unsere Nasenspitzen beinahe berühren. »Du nimmst mich nicht ernst!«
Sie beißt sich amüsiert auf die Lippen und zuckt mit den Schultern. »Vielleicht?«
»Ich könnte dir jetzt einen Vortrag über unsere unschlagbar Aufklärungsrate halten, wenn ich wollte.«
»Und warum tust du es nicht?«
Die Art, wie sie die Frage stellt, ist eine einzige Provokation. Ich komme ihr noch ein Stückchen näher.
»Weil ich dir nichts beweise muss. Ich weiß auch so, dass wir die Besten sind. Nicht umsonst haben wir bisher jeden Fall gelöst.«
»Am Selbstbewusstsein hapert es jedenfalls nicht«, stellt sie schmunzelnd fest. »Mit welchen Verbrechen hattet ihr bisher zu tun? Verschwundenen Katzen? Entflogene Wellensittiche?«, bohrt sie weiter.
Mein Knurren sorgt lediglich dafür, dass ihr Grinsen noch weiter anwächst. Sie hat unglaublich Spaß daran, mich aufzuziehen. Auch der kurze Kuss trägt nicht dazu bei, dass sie aufhört.
»Kunstraub, Erpressung, Rufmord, Trickbetrug, Diebstahl, Verschwörungen. Wir haben es im Laufe unserer Karriere mit einigen ziemlich üblen Verbrechern zu tun gehabt. Aber schlussendlich haben wir sie alle überführen können.«
Nun wirkt sie doch ein klein wenig beeindruckt.
»Und warum Journalistik?«, wechselt sie das Thema.
»Mein Vater ist Journalist bei der LA Post. Seine Arbeit hat mich immer sehr fasziniert, weil sie so vielseitig und spannend ist. Er hat uns immer mal wieder auf Recherchereisen mitgenommen. Das stand eigentlich ziemlich schnell fest, dass ich auch in die Richtung gehen will.«
Ein leichtes Schmunzeln legt sich über ihre Lippen, das ein wenig wehmütig aussieht. »Wie es ausschaut treten wir beide in die Fußstapfen unserer Väter.«
»Nur dass die deines Vaters unwesentlich größer sind«, gebe ich zu bedenken.
Sie lacht. Und irgendwie wirkt es diesmal eher gezwungen. »Ja, da ist etwas Wahres dran.«
Ihre Reaktion macht mich neugierig. »Du hättest dir lieber einen anderen Weg für dich gewünscht?«, frage ich ins Blaue hinaus.
Ihr Blick wandert in Richtung des Meeres. Wie vorhin, als ich sie nach der Einladung gefragt hatte, scheint sie auch diese Frage nicht gern beantworten zu wollen.
»Es gab nie die Option, zu überlegen, was ›mein‹ Weg ist, weißt du«, gesteht sie schließlich. »Es war immer klar, dass ich ins Geschäft mit einsteige. Aber das ist okay. Ich liebe die Kunst unserer Kulturen. Und tatsächlich liegt mir auch der ganze Wirtschaftskram. Auch wenn es staubtrockener Stoff ist.«
»Wenn ihr mit antiker Kunst handelt, wäre dann nicht eher sowas wie Kunstgeschichte oder Ethnologie oder ähnliches naheliegender gewesen?«
»Ich habe einen Bachelor in Wirtschaft und lateinamerikanischer Geschichte gemacht«, erwidert sie schmunzelnd.
»Und was genau ist deine Aufgabe? Ich mein, du bist ja offenbar noch nicht fertig mit deiner Ausbildung und dennoch bereits aktiv im Unternehmen eingebunden.«
Sie seufzt. »Das ist tatsächlich aktuell eine Doppelbelastung, aber der Master ist sehr wichtig für mich. Und zwar persönlich. Eigentlich benötige ich ihn nicht, um den Job zu machen. Es reicht, dass ich die Tochter von Joao Fernandes Camargo bin.«
Wie sie das sagt, klingt nicht, als wäre es ein Segen, eher ein Fluch. Aber ich verstehe, was sie sagen will. Sie hatte nicht viele Möglichkeiten für Entscheidungen gehabt. Dieses Studium war eine der wenigen.
»Ich bin quasi das Gesicht der Familie«, berichtet sie weiter. »Ich spreche mit potentiellen Kunden, schaue mir die Objekte an, die verkauft werden sollen. Außerdem pflege ich den Kontakt zu Bestandskunden und vertrete die Familie bei wichtigen Events.«
Als ich zu einer neuen Frage ansetzen will, legt sie mir ihre Fingerspitzen auf die Lippen.
»Genug jetzt mit den ganzen Fragen«, murmelt sie. Ihr Blick hat plötzlich etwas hypnotisches. Sie fährt mit ihren Fingern meine Unterlippe ab und alle meine weiteren Fragen sind mit einem Mal völlig unwichtig.
»Eine hätte ich noch«, raune ich ihr zu. Meine Stimme klingt plötzlich ziemlich belegt. »Küss mich.«
Mit einem Schmunzeln schüttelt sie den Kopf. »Das ist aber keine Frage.«
Sie sieht mir tief in die Augen, als sie sich zu mir hinüberbeugt und alles in mir zieht sich vor lauter Vorfreude zusammen. Meine Augenlider fallen zu in dem Moment, in dem unsere Lippen sanft übereinander gleiten.
»So kriege ich dich also zum Schweigen«, murmelt sie an meinen Lippen. »Das werde ich mir merken.«
Bevor ich etwas erwidern kann, verschließt sie meinen Mund erneut mit ihrem. Dieser Kuss hat eindeutig an Tempo zugelegt, ist aber wieder viel zu kurz für meinen Geschmack. Sie verlässt meine Lippen und wandert über meine Wange hin zu meinem Kinn. Ich lege den Kopf ein wenig schief, was sie sofort ausnutzt und meinen Hals mit Küssen bedeckt.
Mein Puls rast. Ein angenehmer Schauer jagt durch meinen Körper. Ich greife mit einer Hand in ihre Locken, aber statt sich von mir dirigieren zu lassen, beißt sie mir in die Halsbeuge. Ich zucke zusammen und keuche. Ihr Grinsen spüre ich an meiner Haut. Sie fährt mit der Zunge über die Stelle und ich muss schlucken.
»Komm zu mir«, fordere ich sie auf und sie rutscht über die Mittelkonsole und setzt sich auf meinen Schoß. Ich schiebe den Sitz soweit wie möglich zurück, damit wir Platz haben.
Nun erweist sich ihre Kleidungswahl als sehr nützlich. Meine Hände legen sich automatisch auf ihre Oberschenkel und wandern weiter hinauf. Ich spüre ihre Gänsehaut, spüre ihr Keuchen an meinen Lippen, die sich wieder auf meine pressen. Dann liegen meine Hände auf ihrem Hintern und ich nutze die Gelegenheit aus und ziehe sie enger an mich. Wir stöhnen beide auf, als sich ihre Mitte gegen meine Hüfte presst.
Ich will sie so sehr und ihr scheint es nicht anders zu gehen. So wie sie sich gegen mich presst. Aber das geht nicht. Nicht hier, in einem Cabrio mit offenem Verdeck. Wir sitzen hier wie auf dem Präsentierteller. Auch wenn der Parkplatz außer uns verlassen ist, könnte jeden Moment jemand kommen.
So laut mich jedoch die Vernunft anbrüllt, ich kann einfach nicht die Finger von ihr lassen.
Ohne, dass ich einen bewussten Befehl gegeben habe, wandert meine rechte Hand am Bund ihres Slips entlang nach vorne. Als ich zwischen ihre Schenkel fahre und ihre Mitte berühre, zuckt sie zusammen.
Fragend sehe ich sie an und warte auf ihr Einverständnis, weiterzumachen. Sie nickt und ich schiebe den dünnen Stoff beiseite.
Mit trägen kreisenden Bewegungen bringe ich sie immer näher an den Rand der Beherrschung. Immer wieder übe ich Druck aus und wechsel dann wieder zu zärtlichen Berührungen. Als ich zusätzlich in sie eindringe, schnappt sie keuchend nach Luft.
Ivetes Finger krallen sich in meine Haare im Nacken, als wären sie eine Rettungsleine. Sie hat die Augen geschlossen und ihre Wange an meine gelegt. So atmet oder besser gesagt stöhnt sie die ganze Zeit in mein Ohr und zeigt mir, dass ich alles richtig mache.
Fuck, ist das heiß!
Ihr Atem geht schneller und sie macht Geräusche, die mir fast den Verstand rauben. Ich muss die Augen schließen und mich kurz auf etwas anderes konzentrieren. Löse gedanklich eine Gleichungen nach der anderen, bis ich wieder das Gefühl habe, Herr der Lage zu sein.
Währenddessen verliert sie völlig die Kontrolle. Sie beginnt unkontrolliert zu zucken und presst ihren Mund an meinen Hals, um ihr Stöhnen zu unterdrücken. Der Griff ihrer Finger in meinen Haaren wird fast schmerzhaft.
Dann findet ihr Mund wieder meinen. Wild und leidenschaftlich küsst sie mich. Das Versprechen auf so viel mehr, dass ich mir zu gern genau jetzt nehmen würde.
Gerade, als sie wieder einigermaßen zu Atem gekommen ist, tauchen plötzlich Lichter auf. Wir erstarren beide.
»Bitte, fahr einfach weiter«, murmelt sie.
Aber der Fahrer tut uns leider nicht diesen Gefallen. Das Auto fährt ebenfalls auf den Parkplatz und bleibt einige Meter neben uns stehen.
Schnell rutscht Ivete wieder auf den Fahrersitz, wobei sie leise auf portugiesisch vor sich hin schimpft. Keine Ahnung, was sie sagt, aber es klingt nicht sonderlich nett.
»Möchte ich wissen, was du gesagt hast?«
Sie schüttelt den Kopf. »Besser nicht. Sonst brauche ich einen guten Anwalt.«
Das Auto neben uns macht keine Anstalten, weiterzufahren. In Gegenteil, die Fenster werden heruntergeladen und die Musik aufgedreht. Lautes Lachen dringt zu uns hinüber. Damit ist unser Date dann wohl offiziell beendet. Wir zupfen unsere Kleidung zurecht, stellen die Sitze wieder richtig und räumen die Verpackungen unseres Essens in die Tüten zurück.
Als wir fertig sind und Ivete gerade den Motor starten will, halte ich sie auf. Ich nehme ihr Gesicht in beide Hände und gebe ihr einen letzten langen, leidenschaftlichen Kuss.
»Das wiederholen wir«, murmel ich an ihren Lippen.
Keck beißt sie mir in die Unterlippe. »Unbedingt. Ich bin noch nicht fertig mit dir.«
Das sind allerdings ziemlich vielversprechende Aussichten.
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