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Kapitel 57

Er hatte nicht gescherzt. Als ich am Montag im Trödelladen vorbei sah, lag ein offizieller, unbefristeter Arbeitsvertrag mit meinem Namen auf der Theke. Abe war nirgends zu sehen aber auf der gestrichelten Linie unter seinem Namen prangte bereits die etwas zittrige Unterschrift, die ich nur zu gut aus dem Kassenbuch kannte. Ich setzte Meine daneben und legte den Stapel Papier zurück auf seinen Schreibtisch, wohl wissend, dass dies ein gutes Zeichen war. Es war ein Schritt nach vorne, die erste von mehreren kleineren Veränderungen, die in den darauffolgenden Wochen auf mich warteten. Und obwohl diese mehr oder weniger alle positiv waren, war es alles andere als eine einfache Zeit.
Sweet Pea begann Mitte Mai mit seiner Ausbildung und entschied sich, in die Wohnung nach Glendale zu ziehen, die sein Chef den Angestellten kostenlos zur Verfügung stellte. Auch ich liess unsere Wohnung darauf hinter mir und zog in seinen Wohnwagen, den wir vom Trailerpark in einen der hinteren Teile des Schrottplatzes verschoben. So brauchte ich mir nicht länger um die Miete Gedanken zu machen und hatte praktisch keinen Arbeitsweg mehr. Was auch gut war, denn alleine das Aufstehen jeden Morgen war gerade anfangs eine enorme Aufgabe, die öfters unmöglich erschien als nicht.
Mit meiner Mutter und den Kids hatte ich auch ein paar Mal Kontakt, bis nach Centerville schaffte ich es aber nicht mehr. Unter der Woche aufzustehen und den ganzen Tag durchzuarbeiten kostete all meine Willenskraft, sodass ich die Wochenenden meist drinnen verbrachte und einfach nichts tat. Und falls ich mich dann doch einmal fähig genug fühlte, noch etwas zu tun, investierte ich diese Zeit lieber in Reparaturen am Wohnwagen als in eine vierstündige Fahrt. Ewig darum herumkommen würde ich jedoch nicht, denn schon am 6. Juni stand die Gerichtsverhandlung an. Es war noch nicht der definitive Scheidungsprozess, sondern ging nach wie vor um den Übergangsentscheid, der regeln sollte, wer bis zum eigentlichen Prozess das Sorgerecht erhalten sollte. Weniger wichtig war die Anhörung, bei der auch ich aussagen sollte, deshalb aber nicht. Und alleine der Gedanke daran, Mark wiedersehen zu müssen, stahl mir in den Wochen davor immer wieder den Schlaf.

Ich hätte nervös sein sollen, als ich an diesem Montagmorgen in die schwarzen Jeans, das weisse Hemd und die Krawatte schlüpfte, die meine Mutter mich angewiesen hatte zu kaufen. Doch nachdem ich um kurz nach zwei Uhr schweissgebadet aus einem Albtraum hochgeschreckt war, hatte die altbekannte Leere ihre Krallen wieder tief in mein Gemüt geschlagen. Und für einmal war mir diese erdrückende Gleichgültigkeit lieber, als das was meine Gefühle sonst mit mir gemacht hätten.
Ich steckte mein Busticket ein - da ich in den letzten Tagen kaum geschlafen hatte, traute ich mir nicht zu, die Fahrt nach Centerville selbst zu meistern - und schloss gerade den Wohnwagen hinter mir ab, als ich aus dem Augenwinkel eine dunkle Figur auf mich zukommen sah. Schnell zog ich den Schlüssel aus dem Schloss und steckte ihn zwischen Zeige- und Mittelfinger meiner geballten Faust, um mich verteidigen zu können. Doch das Ganze war überflüssig, denn als ich richtig hinsah erkannte ich niemand anderen als die Stiefmutter meines Ex-Freundes in einem ziemlich nobel aussehenden dunkelblauen Hosenanzug.
"Sierra? Was tust du denn hier?", fragte ich etwas verwirrt und schloss den Wohnwagen nun doch noch richtig ab.
Die Dunkelhaarige lächelte mich leicht an. "Ich hatte dir doch versprochen, dass ich für die Anhörung mitkomme. Oder möchtest du das nicht mehr?"
Ich steckte den Schlüssel weg. Ich erinnerte ich mich an das Gespräch. Doch das war eine ganze Weile her und ich war davon angegangen, dass das Angebot nicht länger galt. Genauso wie Kevin und ich nicht länger ein Paar waren.
"Doch, klar... Ich dachte du- Wegen Kevin, du musst das echt nicht tun", stammelte ich und schob meine Hände in die Hosentasche.
"Versprochen ist versprochen, Joaquin. Hast du alles was du brauchst?"
Ich nickte, immer noch etwas unsicher. folgte ihr jedoch ohne zu zögern zurück zum Vorplatz, wo sie ihren Wagen abgestellt hatte.

Wir sassen eine Weile still im Auto, während der Sweetwater-Fluss an uns vorbeizog. Es fühlte sich komisch an, wieder so nahe an jemanden aus Kevins Familie zu sein. Auch wenn das Auftauchen der Anwältin mich beruhigte. Ich fühlte mich nicht mehr ganz so alleine.
"Wei- Weiss Kevin, dass du hier bist?", brachte ich schliesslich die Frage heraus, die mir seit unserer Abfahrt auf der Zunge brannte.
"Ja", sie warf mir einen Seitenblick zu, konzentrierte sich dann jedoch wieder auf die Strasse. "Ich habe ihn gefragt, ob es in Ordnung sei. Ehrlich gesagt hat er mir verraten, wo ich dich finden kann."
Ich zog eine Augenbraue hoch. Woher wusste er, dass ich nun auf dem Schrottplatz - Oh. Natürlich. Fangs.
Der Schwarzhaarige hatte mich zwei Tage nachdem die Sache zwischen Kevin und mir vorbei war, ziemlich wütend angerufen. Er war stinksauer, weil ich die Beziehung 'einfach so beendet hatte' und warf mir mehrmals vor, dass ich aus Angst davor etwas zu verlieren, alles Gute in meinem Leben zerstörte. Das Ganze war in einen ziemlich lautstarken Streit ausgeartet, in den sich schliesslich auch Sweet Pea noch einmischen musste. Wir hatten uns inzwischen wieder einigermassen vertragen, doch das Thema 'Kevin' kein einziges Mal mehr angeschnitten. Es war jedoch offensichtlich, dass die Zwei, die sich in dem Jahr in dem ich weg war angefreundet hatten, in Kontakt standen.
"Magst du mir erzählen, was passiert ist? Nur wenn du willst natürlich. Das ist überhaupt kein müssen", riss mich Sierra wieder aus meinen Gedanken und ich sah auf meine Hände hinunter.
"Hat er nichts gesagt?"
Die Schwarzhaarige schüttelte leicht den Kopf. "Mir gegenüber nicht. Tom hat ziemlich lange mit ihm geredet."
Ich schluckte trocken. Ich mochte mir nicht ausmalen, was der ehemalige Sheriff nun von mir hielt. Eigentlich wollte ich auch mit Sierra lieber nicht darüber reden, doch es fühlte sich auch unhöflich an, sie einfach so abblitzen zu lassen. Nach alledem, was sie für mich getan hatte.
"Ich bin schuld... Ich musste mir irgendwann einfach eingestehen, dass ich nicht für eine Fernbeziehung geeignet bin", sagte ich deshalb ziemlich wage.
Sierra nickte und war eine Weile lang still. Kurz bevor sie die Ausfahrt Richtung Westen wählte, meinte sie dann jedoch doch noch: "Offensichtlich stehe ich bei der ganzen Sache auf Kevins Seite aber ich kann das verstehen. Mein Ex-Mann und ich haben jahrelang mehr oder weniger eine Fernbeziehung geführt, weil er immer auf Geschäftsreisen war. Das ist nicht einfach für alle Beteiligten."
Den Rest der Fahrt über waren wir wieder still und irgendwann zwischen Stunde zwei und drei nickte ich sogar leicht ein. Natürlich nicht, ohne kurz darauf von einer Bodenwelle wachgerüttelt zu werden. Gerade noch bevor sich der Traum in einen Albtraum verwandeln konnte.

Wir erreichten Centerville um die Mittagszeit und trafen uns mit meiner Mutter und ihrem Anwalt zum Mittagessen. Ich hielt mich Grossteils aus der Diskussion der Erwachsenen raus und half stattdessen Ricky das Bild auf seinem Tischset auszumalen. Zumindest bis die Kinderhüterin kam und die Kids abholte. Danach blieb mir nichts anderes übrig als auch zuzuhören. Und offenbar gerade rechtzeitig, denn Mr. Jenkins richtete kurz darauf sein Wort an mich.
"Der Anwalt der Gegenpartei hat ausserdem noch angefragt, ob er und sein Mandant einen Moment mit dir sprechen könnten vor oder nach dem Prozess."
Mir blieb beinahe der Schluck Wasser im Hals stecken, den ich gerade genommen hatte. Ich würgte ihn hinunter und hustete leicht. "Mark will mit mir reden? Alleine?", brachte ich dann schliesslich heraus.
"Natürlich nicht. Jemand von uns kann gerne dabei sein, wenn du das möchtest Joaquin", versicherte Sierra mir sofort und ich senkte meinen Blick auf den beinahe unberührten Teller Gnocchi vor mir. "Hat er gesagt wieso?"
"Nicht offiziell, aber ich vermute es geht um den Zeugen."
Wieder sah ich verwirrt auf. "Zeugen? Sorry, ich hab vorhin nicht so viel mitbekommen."
Der Anwalt lächelte leicht und legte sein Besteck in den Teller. Offenbar war er bereits fertig. "Kein Problem. Die Polizei von San Junipero hat vor zwei Wochen eine Zeugenaussage aufgenommen, die deine Geschichte bestätigt. Wir haben auch erst vor ein paar Tagen davon erfahren."
Das alles half nicht unbedingt dabei, meine Verwirrung zu beseitigen. Ein Zeuge? Wer hätte denn etwas mitbekommen sollen? Mark war immer sehr vorsichtig gewesen. Oder so hatte es zumindest auf dich gewirkt.
"Der komplette Name wurde uns vorenthalten weil die Untersuchungen der Polizei noch laufen. Aber es muss sich wohl um einer der Nachbarn gehandelt haben, der etwas gesehen hat."
Meine Hand fuhr automatisch zu meinem Hals und meine Finger fanden instinktiv die Stelle an meinem Nacken, die wie auf Kommando zu jucken begonnen hatte. Natürlich, Silvester.
Als ich den Blick meiner Mutter auf mir spürte, liess ich die Hand schnell wieder fallen. Stattdessen legte ich nun auch mein Besteck in den Teller. Der Appetit war mir definitiv vergangen.

Etwa eine Stunde später, war ich richtig dankbar darum, kaum etwas gegessen zu haben. Denn als wir in den Gerichtssaal traten und ich Mark in seinem grauen Anzug mit den perfekt zurückgegelten Haaren und einem uncharakteristischen Lächeln erblickte, wurde mir so heftig übel, dass ich mich übergeben hätte, wenn mein Magen voller gewesen wäre. Das Gefühl legte sich wieder ein wenig als der Prozess begann und die Anwälte zuerst eine ganze Weile ihre Argumente vorlegten. Als es dann jedoch an mir war, befragt zu werden, kam das ungute Gefühl wieder auf. Ich gab mir die beste Mühe Mark nicht anzusehen, als ich auf dem für die Befragung vorgesehenen Stuhl Platz nahm und stattdessen einen Punkt an der Wand fixierte.
"Mr. Jenkins, möchte Ihre Partei irgendwelche Anmerkungen zur Aussage von Mr. DeSantos machen?", sprach der Richter zuerst den Anwalt meiner Mutter an.
"Nein, euer Gnaden. Die Aussage von Mr. DeSantos liegt dem Gericht vor. Wir weisen jedoch darauf hin, dass auch die Zeugenaussage Nr. 254.11.2 der Polizei von San Junipero ebenfalls in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden sollte. Eine Abschrift der Aussage liegt dem Gericht ebenfalls vor."
Wie schon so oft an diesem Vormittag, hatte ich wieder das Gefühl nur die Hälfte dessen, was gesagt wurde, zu verstehen. Und ich hoffte, dass sich das ändern würde, wenn Marks Anwalt, ein Mr. Morten seine Fragen an mich stellte. Lange darauf warten musste ich dann allerdings nicht. Doch anders als erwartet, ging der Anwalt nicht direkt auf die Sache mit Mark los. Und darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet.
"Mr. DeSantos, wie würden Sie Ihre Beziehung zu Ihrer Mutter beschreiben?"
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Schliesslich sollte meine Mutter ja nicht schlecht dastehen, oder? Aber lügen war bestimmt auch keine gute Idee. Hilfesuchend sah ich zu Sierra hinüber, die jedoch nur leicht lächelte und mir zunickte. Als ob sie sagen wollte, dass ich einfach antworten soll. Doch wie?
"Stehen Sie sich nahe?", harkte der Anwalt weiter nach.
"Ähm... Nicht so nahe wie Andere, denke ich", brachte ich schliesslich heraus und drückte unter dem Tisch meinen Anhänger tief in meinen Handballen. "Es hat sich verändert in den letzten Monaten. Wir haben mehr Kontakt."
Mr. Morten gab mir nicht wirklich Zeit für eine Pause, sondern fuhr darauf gleich weiter. "Und woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Ihre Beziehung nicht so eng ist?"
Ich zögerte. "Wahrscheinlich daran, dass wir uns erst vor zwei Jahren wieder getroffen haben."
"Wenn Sie sagen 'wieder getroffen haben', was genau meinen Sie damit? Wie kommt es, dass Sie und Ihre Mutter sich zuvor aus den Augenverloren hatten?"

Ich drängte das Bild meiner einiges jüngeren Mutter aus dem Kopf, die mit einer grossen Tasche in der Hand am Schild des Sunnyside Trailerparks vorbeiging. Mein Mund wurde trocken, dennoch antwortete ich dem Anwalt, nachdem der Richter mich daran erinnerte ehrlich zu sein.
"Sie hat mich weggegeben, als ich Sieben war."
Der Anwalt schien seine Wunde gefunden zu haben, in der er ein wenig herumstochern wollte. "An wen weggegeben? Wer hat Sie aufgezogen?"
"F-freunde meines Vaters", gab ich zurück.
Mr. Morten blätterte etwas in seinen Unterlagen. "Ist es korrekt, dass es sich bei den Freunden Ihres Vaters um Personen handelt, die den sogenannten 'Southside Serpents' angehören?"
Ich nickte stumm.
"Wenn ich hier etwas ausführen dürfte: Bei den Serpents handelt es sich um eine Bikergang mit mehreren Niederlassungen in der Gegend, beispielsweise in Toledo, Centerville, Newville und Riverdale, wo sie sich die 'Southside Serpents' nennen. Dem Gericht liegen mehrere Zeitungsartikel und Polizeiakten vor, die die Involvierung dieser Gruppierung in kriminellen Aktivitäten wie Drogenhandel, Diebstahl, Vandalismus bis hin zum Mord darstellen."
Ich legte instinktiv meine Hand auf das Tattoo, welches von meinem Hemd verborgen auf meinem rechten Unterarm ruhte und drängte die Gedanken an meinen Vater aus dem Kopf, um mich wieder auf die Fragen des Anwalts zu konzentrieren.
"Mr. DeSantos, sind Sie selbst auch Mitglied der Southside Serpents?"
"Ja."
Am liebsten hätte ich dem Anwalt sein schleimiges Grinsen aus dem Gesicht geschlagen.
"Hatten Sie je Probleme mit der Polizei? Wurden Sie verhaftet?"
Ich verdrehte die Augen. Wieso ritt der so auf meiner Vergangenheit herum? Ging es hier nicht um meine Geschwister?
"Zweimal Alkoholkonsum als Minderjähriger. Und ich war sechs Monate unschuldig im Jugendknast. Sie haben doch meine Akte, weshalb ist das so wichtig? Ich denke es geht um Ada und Ricky hier?"

Mr. Morton überging meine Frage einfach und führte seine Befragung fort. "Würden Sie sich selbst als gewalttätige Person bezeichnen, Mr. DeSantos?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nein."
"Uns liegen jedoch Unterlagen vor, dass Sie während Ihres Aufenthalts in der Leopold und Loeb Jugendstrafanstalt mehrmals nach heftigen Kämpfen auf der Krankenstation behandelt werden mussten. Streiten Sie ab, dass Sie in diese Unruhen involviert waren?"
Ich drehte den metallenen Zahn in meinen Fingern nervös hin und her. Wohin wollte er mit all diesen Fragen?
"Das war Selbstverteidigung", entgegnete ich.
"Und die zwei gefertigten Stichwaffen, die in dieser Zeit aus Ihrer Zelle konfisziert wurden? Ebenfalls Selbstverteidigung?"
Ich nickte, entschlossen dem Anwalt nicht die Genugtuung einer richtigen Antwort zu geben.
"Gab es in der Zeit, in der Sie mit Mr. Caulfield und Ihrer Mutter zusammengewohnt haben Auseinandersetzungen zwischen Ihnen und Mr. Caulfield?"
Ich dachte kurz darüber nach. Anfangs hatte es schon ein paar Momente gegeben, in denen Mark und ich gestritten hatten. Aber nicht halb so viel, wie ich mit meiner Mutter gestritten hatte.
"Ein paar."
"Und mit Ihrer Mutter? Gab es da auch Auseinandersetzungen?"
Ich nickte wieder.
"Sind Sie während diesen Auseinandersetzungen je handgreiflich geworden?", harkte Mr. Morton nach und ich verschluckte mich beinahe an meiner eigenen Spucke. Handgreiflich? Was wollte der denn behaupten? Dass ich meine Mutter geschlagen hatte?
"Nein, nie."
Der Anwalt nickte und kehrte zu seinem Platz zurück. "Keine weiteren Fragen."
Ich starrte den dunkelblonden Mann fassungslos an. Das war's? Keine einzige Frage wegen Ada und Ricky? Oder deswegen, was Mark getan hatte? Was war hier los?

Der Richter bedeutete mir, wieder auf meinen Platz zurückzukehren. Immer noch sprachlos darüber, was grade passiert war, liess ich mich auf meinen Platz neben Sierra fallen und starrte auf den metallenen Zahn in meinen Händen. Blut klebte an seiner Spitze, da wo ich ihn zu stark in meinen Handballen gedrückt hatte.
Vorne ging der Prozess weiter, Mark wurde als Nächster zu seiner Aussage aufgerufen, doch ich bekam von den ersten Fragen kaum etwas mit. In meinem Kopf drehte sich alles. Und dann war da dieses vernichtend triumphale Lächeln auf Marks Lippen, als sich unsere Blicke kurz kreuzten. Das reichte für mich aus, um aus dem Saal zu flüchten. Zumindest hatte ich das vor, doch ich war noch nicht einmal richtig auf meinen Füssen, als Sierra mein Handgelenk umfasste und mich wieder auf den Stuhl zurückzog.
"Ich weiss, dass das gerade nicht einfach ist für dich. Aber wenn du jetzt raus gehst, sieht das nicht gut aus, Joaquin", flüsterte sie leise und liess mich los. Ich schluckte einmal schwer und schloss meine Finger wieder fester um den Anhänger.
"W-was war das? Was haben die vor?", erwiderte ich leise und die Schwarzhaarige zuckte leicht mit ihren Schultern.
"Ich weiss es leider auch nicht. Aber noch ist nichts verloren. Die können reden so lange sie wollen, es gibt Beweise für das was er dir angetan hat. Und mit der Zeugenaussage aus San Junipero, können Sie das nicht einfach so unter den Teppich kehren."
Hoffen wir's, dachte ich und biss auf meiner Unterlippe herum, während ich beobachtete, wie Mark die ersten Fragen beantwortete.
Meine Gedanken vorhin waren nicht komplett fehlgeleitet gewesen. Sie versuchten Mark tatsächlich als den Vater darzustellen, der mit einem gewalttätigen Straftäter wie mir im Haus um die Sicherheit seiner Kinder bangte und einen 'Weg finden musste, mich in den Griff zu bekommen'. Mein Magen drehte sich doch noch um, als er das sagte. Doch ich konnte mein Mittagessen gerade noch wieder hinunterschlucken, bevor jemand etwas bemerkte.

Dann bekam Mr. Jenkins endlich die Chance seine Fragen zu stellen. "Mr. Caulfield, was ist Ihre Einstellung zu homosexuellen Personen?"
Mark's Augen gingen sofort zu mir, doch ich konnte seinem Blick gerade noch rechtzeitig ausweichen. "Ich hab' überhaupt kein Problem damit. Jedem das Seine."
Wieder war ich beinahe auf meinen Füssen, doch Sierra hatte meine Hand wieder rechtzeitig ergriffen und liess sie nun auch nicht mehr los.
"Genau das wollen Sie, Joaquin. Ruhig bleiben. Denk an deine Geschwister."
Ich folgte Ihrer Anweisung und rief mir Ada und Rickys Gesicht in Erinnerung, während vorne Mr. Jenkins auf einige Posts auf Facebook und Twitter hindeutete, die darauf hindeuteten, dass er nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte.
"Unter diesen Post mit der Überschrift 'Verbrennt die Schwuchteln' haben Sie beispielsweise geantwortet, dass man, und ich zitiere, 'nur wissen müsse, wie mit diesem Abschaum umgegangen werden muss.' Möchten Sie dies gerne kommentieren?"
Mark blieb still.
"Ich weise das Gericht darauf hin, dass Mr. DeSantos zum Zeitpunkt dieser Nachricht bereits seit mehreren Monaten im Haus von Mr. Caulfield und meiner Mandantin wohnte und die Beiden über seine Homosexualität in Kenntnis gesetzt hatte. Mr. Caulfield, Sie hatten vorhin ausgesagt, dass die von Mr. DeSantos erhobenen Anschuldigungen in Selbstverteidigung erfolgten und Sie sich und Ihre Kinder schützen wollten. Bestreiten Sie, dass es hier einen Bezug zum Lebensstil von Mr. DeSantos gab?"
Mark schüttelte den Kopf. "Keinen, interessiert mich doch nicht, was er macht. Solange das ausser Haus bleibt."
Sierra drückte sanft meine Hand. Doch ich hatte meine Lektion gelernt und nicht nochmals versucht, zu entkommen.
"Zur Kenntnis genommen. Unabhängig davon, was Ihre Motivation war. Die Aussage von Mr. DeSantos, welche durch einen unabhängigen Zeugen bestätigt wird, beschreibt, dass Sie ihm wiederholt eine glühende Zigarette auf die Haut gedrückt haben, bis sich schwere Verbrennungen und teilweise sogar Blasen gebildet hatten. Zudem treten die Verletzungen vermehrt an Stellen auf, die in der Regel nicht gut einsehbar sind. Das spricht in meinen Augen eher nach systematischer Folter. Möchten Sie mir erklären, wie Sie eine Zigarette als wirksames Mittel zur Selbstverteidigung eingesetzt haben?"
Marks Gesicht verdunkelte sich, doch er blieb still. Es fühlte sich wie ein kleiner Sieg an.
"Fahren wir fort", sprach der dunkelhaarige Anwalt meiner Mutter daher weiter. "Mrs. DeSantos hat zudem ausgesagt, dass Sie Geschirr nach ihr geworfen hätten, als sie Ihnen ihre Absicht zur Scheidung mitteilte. Auch ist bekannt, dass Sie Mr. DeSantos mehrfach die Treppe hinuntergestossen haben. Würden Sie sich als impulsiven Mann bezeichnen?"
Das verneinte Mark, doch mir war es mehr oder weniger egal. Es sah alles so danach aus, als er sich da nicht mehr herausreden könnte. Sierra hatte Recht gehabt.

Als dann schliesslich jedoch auch noch meine Mutter für Ihre Aussage aufgerufen wurde, spannte sich mein Körper wieder etwas an. Mr. Jenkins hatte erklärt, dass das wahrscheinlich grösste Hindernis heute nicht sein würde, Mark das Sorgerecht zu entziehen, sondern dafür zu sorgen, dass meine Mutter es behalten durfte. Denn sollte das nicht gelingen, würden Ada und Ricky an eine Pflegefamilie gehen. Und das wollte niemand, zuletzt ich.
Meine Mutter erzählte mit Mr. Jenkins Hilfe von den Umständen, unter denen Sie mich damals zurückgelassen hatte und legte dann auch dar, wie die Situation heute unterscheiden würde. Dann kam auch Mr. Morton wieder dran und wie auch schon mich, liess er meine Mutter nicht so einfach vom Haken. Immer wieder kam er auf die Tatsache zurück, dass Sie mich bei einer Gang von 'gewalttätigen Bikern' zurückgelassen hatte. Als er dann jedoch auch noch behauptete, dass sie damit meinen Tod in den Kauf genommen hatte, reichte es meiner Mutter und ihr Temperament kam durch.
"Sie können hier sagen was Sie wollen. Die Serpents mögen für Aussenstehende keine Engel sein, aber für ihre Mitglieder sind sie Familie. Joaquins Vater war mit vielen von Ihnen aufgewachsen. Ich wusste, dass niemand meinem Kind etwas antun würde."
Das half allerdings nicht gerade.
"Wenn Ihnen das Wohlergehen Ihrer Kinder so am Herzen liegt, weshalb haben Sie meinen Mandanten denn nicht sofort verlassen, als die Anschuldigungen gegen ihn erhoben wurden?"
Meine Mutter strich sich mit einer zitternden Hand die Haare zurück. "Ich war finanziell abhängig von Mark. Ich konnte meinen Kindern nichts bieten. Ausserdem hatte ich keine Ahnung, wie schlimm es war. Er war sehr vorsichtig. Aber dann habe ich ihn dabei erwischt, wie er Ricardo so heftig geschüttelt hat, dass der Junge weinte. Da wusste ich, dass ich wegmusste und bin auch noch in der selben Woche gegangen."
Ich sog scharf Luft ein. Das hatte meine Mutter mir nie erzählt. Ich hatte keine Ahnung, dass er Ricky angegriffen hatte. Und alleine dafür hätte ich ihm am liebsten eine verpasst.

Von da an wurde die Befragung relativ schnell beendet und es wurde eine Pause verkündet. Sierra und ich erhoben uns von unseren Sitzen und schlossen zu meiner Mutter und Mr. Jenkins auf. Während der Anwalt ziemlich positiv gestimmt war, wirkte meine Mutter noch bleicher als bevor. Sie sass auf der Bank in der Halle und spielte nervös mit dem Verschluss ihrer Tasche. Ich setzte mich dazu, während Sierra sich mit dem Anwalt auszutauschen begann. Kaum hatte ich mich gesetzt, griff sie auch schon nach meiner Hand und drückte diese so heftig, dass ich mir auf die Unterlippe beissen musste.
"Mamá, me estás haciendo daño", wies ich sie vorsichtig darauf hin und sie liess meine Hand wieder fallen, als ob es glühende Kohlen waren. Das hatte ich nun auch nicht gewollt, weshalb ich meine Hand vorsichtig wieder über Ihre legte. "Wieso hast du mir das mit Ricky nicht erzählt?"
Sie schüttelte leicht den Kopf. "Ich wusste nicht wie. Lo siento, Joaquín."
"Está bien. Hauptsache du bist gegangen."
Damit war unser Gespräch auch schon beendet und wir verfielen in eine beklommene Stille, während wir darauf warteten, dass wir wieder hineindurften, um die Entscheidung des Gerichts mitgeteilt zu bekommen.

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